Bettina Hohn, Bank für Sozialwirtschaft AG et al. (Hrsg.): Arbeitshandbuch Finanzen für den sozialen Bereich
Rezensiert von Angela Scheibe-Jaeger, 02.08.2005
Bettina Hohn, Bank für Sozialwirtschaft AG, Agentur neues handeln GmbH (Hrsg.): Arbeitshandbuch Finanzen für den sozialen Bereich - Von der öffentlichen Förderung zur zukunftsorientierten Finanzierungsgestaltung.
Verlag Dashöfer GmbH
(Hamburg) 2005.
500 Seiten.
ISBN 978-3-938553-22-0.
99,00 EUR.
Das Grundwerk umfasst lt. Verlagsangaben knapp 500 Seiten (davon viele nur einseitig bedruckt) und kostet € 99,- zzgl. MwSt. und Versandkosten. Aktualisierungs- und Ergänzungslieferungen (drei-viermal jährlich geplant, nicht verpflichtend): € 0,34 pro Seite. Das Werk besteht aus einem stabilen Ordner im DIN-A4-Format mit übersichtlichem Register.
Einführung
Bei dem Arbeitshandbuch geht es um einen zukunftsgerichteten Ansatz von Finanzierung sozialer Angebote. Diese Neuorientierung soll durch Hinwendung zur Entwicklung neuer Leistungen der Organisation mittels Marketingstrategien, durch Einsatz von Fundraising-Instrumenten, durch Inanspruchnahme von Bankkrediten bis hin zur effizienten Steuerung über Controlling gestaltet werden, verbunden mit der Abkehr von bisherigen Abhängigkeiten von leeren öffentlichen Kassen.
Hintergrund
Die zentrale Frage der sozialen Arbeit der Zukunft wird die Frage der Finanzierung sein. In Anbetracht der anhaltenden Einengung des finanziellen Spielraums müssen die Akteure in sozialen Organisationen ihre Finanzierungsstrategien neu ausrichten. Dazu soll ihnen das umfangreiche Nachschlagewerk praxisorientierte Unterstützung geben. Mit den Beiträgen der zahlreichen namhaften, aber auch noch weniger bekannten AutorInnen soll grundlegend in die vielfältigen Themen eingeführt, notwendiges Wissen vermittelt sowie anhand von Praxisbeispielen die ersten Schritte der Umsetzung aufgezeigt werden.
Aufbau
In 11 Kapiteln (und einem Anhang mit einschlägigen Rechtssprechungen und Erlassen) steht das Spektrum der zukunftsorientierten Finanzierungsmöglichkeiten im Mittelpunkt.
Nach Einstieg/Wegweiser und Aktuelles/Trends folgen sechs Kapitel über Marketing, die Erwirtschaftung von Eigenmitteln, Nutzung von Bankenkrediten, Einsatz von Fundraising/Spendenwerbung, Unternehmenskooperationen und Stiftungen. Nach diesem Focus auf einen (mehr oder weniger) innovativen Ansatz geht es in den nächsten zwei Kapiteln um das eher traditionelle Gebiet der nationalen und internationalen Fördermittel. Den Abschluss macht das Kapitel über Controlling/Finanzmanagement, das zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Das Stichwortverzeichnis findet sich am Anfang des Arbeitsbuches. Auf Literatur wird jeweils nach den einzelnen Beiträgen verwiesen (oder auch nicht!).
Inhalt
- Kapitel 1: Die HerausgeberInnen erläutern, weshalb dieses Werk entstanden ist, weisen auf die Veränderungen der Finanzierung in der Sozialwirtschaft hin und stellen sich sowie die zahlreichen AutorInnen anschaulich mit Bild vor. Hier finden Sie auch das Stichwortverzeichnis.
- Kapitel zwei enthält Aktuelles und Trends. Im ersten Teil wird unter "aktuelle Praxisbeispiele" von Anja Zielke die Tsunami-Katastrophe und ihre Auswirkungen auf das Spendenverhalten der Deutschen beschrieben. Dieser Einstieg ist etwas unvermittelt und beschreibt eine totale Ausnahmesituation im Spezialgebiet des Fundraising. Der allgemeine Erkenntniswert des Beitrags hält sich in Grenzen, weitere Beispiele (oder der Verweis auf die weiteren Lieferungen) fehlen. Im Rahmen der "Internationalen Trends" wird die mögliche Reform des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts im europäischen Kontext dargelegt (Dr. Wolfgang Teske). Hinweise auf Literatur gibt es keine.
- Im dritten Kapitel geht es auf wenigen Seiten um die Grundlagen des Marketing für den sozialen Bereich. Dieter Schöffmann stellt den Begriff vor, verweist auf den Kunden als den Tauschpartner wie auf die Notwendigkeit der Organisationsanalyse und zeigt die wesentlichen Schritte für ein erfolgreiches Marketing auf. Die Literaturangaben sind sehr dürftig. Karin Siegmund gibt im zweiten Teil über "Positionierung und Profilierung von NPO«s durch Kommunikation" wertvolle Empfehlungen zur praktischen PR-Arbeit. Buchtipps gibt die Autorin auch.
- In Kapitel 4 (ca. 40 S.) befasst sich Andreas Knoth mit den zentralen Erfolgskriterien bei der "Erwirtschaftung von Eigenmitteln" und stellt einen Leitfaden zur Geschäftsgründung vor. Das Thema wird überzeugend anhand eines Praxisbeispiels dargestellt. Dieses Kapitel eignet sich hervorragend auch für Existenzgründer im sozialen Bereich! Ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit Hinweisen auf deutsche und englischsprachige Titel sowie interessanten Links runden diesen gelungenen Beitrag ab.
- Klassischen und neue Wege der Finanzierung über Banken stehen im Mittelpunkt des kurzen (ca. 26 S.) fünften Kapitels, verfasst von AutorInnen der Bank für Sozialwirtschaft. Beschrieben werden die (klassischen) Bankkredite sowie (innovative???) Sonderkreditformen. Auch für Nichtbanker sind die Ausführungen gut lesbar, neu/innovativ ist allerdings höchstens der beschriebene Energiesparkredit.
- Kapitel 6: "Fundraising und Spendenwerbung", (gut 100 S.). Im ersten Teil führt Dr. Friedrich Haunert ins Fundraising ein, nennt Fundraising-Quellen, Zahlen und Trends und gibt wichtige Ansatzpunkte zum Vorgehen. Er plädiert dabei für "Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen", die - ebenso wie die Erkundung der Risiken und Chancen des bisherigen Vorgehens - der Umsetzung vorangehen muss. Auf Literatur wird nur in sehr geringem Umfang verwiesen, wichtige Standardwerke fehlen. Auf "Basiswissen Database-Fundraising" weist Helga Schneider im zweiten Teil hin und zeigt anschaulich, wie bedeutsam das Sammeln und Auswerten von Spenderdaten als Fundraising-Strategie ist. Der dritte Teil (Detlev Luthe) umfasst "Kommunikationsinstrumente im Einzelnen" und beschreibt den Kommunikations-Mix als integrierte Kommunikation. Seine These "Fundraising ist Kommunikation" untermauert der Autor eindrucksvoll durch die Darstellung der Kommunikationsinstrumente und der Notwendigkeit der Beziehungspflege. Ein wichtiger Beitrag, auch wenn sich einige Redundanzen mit Kap. 3 ergeben. Im vierten Teil geht es um das Relationship-Fundraising als Spenderbindung durch Beziehungsaufbau von Gerald Hündgen und Sandra Schmitz. Vorgestellt wird auch die Erfolgsspirale zum systematischen Beziehungsmanagement, ein wichtiges Handlungsmodell für das Fundraising. Zum Abschluss des Kapitels beschreibt Hermann-Josef Kronen im Exkurs "Zur Strafe gibt es Geld" ausführlich, wie Bußgelder akquiriert werden. Vermisst werden in diesem für das Gesamtthema innovativer Finanzierungsgestaltung doch bedeutsamen Kapitel nicht nur der Verweis auf andere Fundraising-Möglichkeiten, sondern auch weitere Literatur-Hinweise zum Thema Fundraising (nur drei Titel!) und Links zu relevanten Homepages wie Fundraisingverband o.ä.!
- Unternehmenskooperationen werden in Kapitel 7 von Dr. Heiner Widdig thematisiert: Corporate Social Responsibility- Herausforderung nicht nur für Unternehmen. Auf den wenigen Seiten erfolgt nicht viel mehr als eine theoretische Begriffsbestimmung des Modebegriffs CRS, praktische Handlungsanleitungen gibt es dazu nicht, auch keine Literaturtipps.
- Das Kapitel 8 befasst sich auf knapp 30 S. mit dem Thema Stiftungen, wofür die Mitherausgeberin Dr. Bettina Hohn die Einführung verfasst hat. Mathias Wilkes geht der Frage nach, "Was fördern Stiftungen im Sozialen?" und Dr. Diethelm Damm gibt praktische Tipps zum Umgang mit Stiftungen: "Stiftungen als Partner gewinnen - Zehn Schritte" (mit umfangreichen Literatur-Tipps und Links).
- Christian Baier stellt im neunten Kapitel "Öffentliche Fördermittel von Bund, Ländern und Kommunen" vor (ca. 50 S.). Teil 1 behandelt die Grundlagen öffentlicher Fördermittel, im zweiten Teil steht die Förderung auf Bundesebene im Mittelpunkt. Literaturhinweise und Links beschließen diese Kapitel.
- Die EU-Förderung wird in Kapitel 10 von AutorInnen der BFS dargestellt. Hierbei geht es um die Europäische Union im Überblick, die wichtigsten EU-Politikbereiche für den sozialen Sektor, die Grundzüge der EU-Förderung sowie Projektplanung bei der EU-Förderung. Literaturhinweise sind vorhanden.
- Kapitel 11 behandelt auf 50 Seiten das Thema Controlling/Finanzmanagement (Christian Koch). Teil 1 führt in das Controlling ein, Teil 2 fehlt (ohne Angabe von Gründen), 11.3 ("Das Rechnungswesen verstehen und nutzen") bringt den Hinweis auf Lieferung des Themas "Finanzbuchhaltung" im Herbst, stellt aber die Kostenrechnung als "Muss für (fast) jede Organisation" ausführlich dar, ebenso wie das operative Controlling. Eine Fortsetzung zu dieser aktuellen Thematik ist angekündigt, Literaturtipps fehlen.
- Der Anhang A enthält auf gut 40 S. zahlreiche einschlägige Rechtssprechungsbeispiele und Erlasse (Thomas von Holt)
Zielgruppen
Das Arbeitshandbuch richtet sich eindeutig an Führungskräfte und Projektverantwortliche in sozialen Einrichtungen und Organisationen. Aber auch für Studierende, Einsteiger oder Nachwuchskräfte bieten sich interessante grundlegende und weiterführende Informationen, um generell die Potentiale neuer Finanzierungsformen jenseits der öffentlichen Stütze zu erkennen und dann auch praktisch nutzen zu können. Neue Wege kennen zu lernen, dafür ist es nie zu früh, auch nie zu spät!
Einschätzung der Autoren
Das Autoren-Team besteht aus mehr oder weniger bekannten Theoretikern und Praktikern und bietet für jeden Leser, jede Leserin gute Einblicke in die Materie und teilweise fundierte Ausführungen.
Lesbarkeit
Das Arbeitshandbuch ist übersichtlich strukturiert, gut leserlich und kann im Berufsalltag sowohl zur Vermittlung von Basiswissen als auch als praxisorientiertes Nachschlagewerk eingesetzt werden. Sowohl das Niveau der Beiträge als auch ihr Umfang sind sehr unterschiedlich, was aber nichts schadet.
Nützlichkeit des Buches
Das Werk dient nicht nur als Impuls, die Finanzierungsstrategien wegen der knappen öffentlichen Kassen neu nach innovativen Alternativen auszurichten, wobei einige der Themen bereits seit geraumer Zeit im Gespräch bzw. Angebote auf dem Markt sind. Das Arbeitshandbuch bietet neben theoretischen Darstellungen auch praktische Handlungsanweisungen, aber nicht durchgängig in allen Kapiteln. So geben Kapitel 2 und 7 nur einen kleinen theoretischen Einblick in die Thematik, während allerdings die alltagstaugliche Nützlichkeit der anderen Kapitel unbestritten ist.
Fazit
Die großzügig aufgebaute Loseblattsammlung enthält für Praktiker viel Wissenswertes und dient als übersichtlicher und aktueller Wegweiser durch die Finanzfragen im Alltag einer sozialen Organisation. Mehr Hinweise darauf, was die nächsten versprochenen Ergänzungslieferungen enthalten werden, welche weiteren Themen geplant sind, wären sehr hilfreich. So ist beispielsweise das Thema Fundraising noch ausbaufähig, es könnten nicht nur, es sollten weitere (innovative) Instrumente zur Mittelbeschaffung beschrieben werden. Ebenso sollte auf eine Erweiterung der Literaturhinweise geachtet werden.
Rezension von
Angela Scheibe-Jaeger
Als Diplom-Volkswirtin und Diplom-Sozialpädagogin freiberuflich in der Weiterbildung, als Sachbuchautorin (Fundraising, Existenzgründung, Sozialökonomie, Sozialmarketing) sowie als Fundraising-Beraterin in München tätig.
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Zitiervorschlag
Angela Scheibe-Jaeger. Rezension vom 02.08.2005 zu:
Bettina Hohn, Bank für Sozialwirtschaft AG, Agentur neues handeln GmbH (Hrsg.): Arbeitshandbuch Finanzen für den sozialen Bereich - Von der öffentlichen Förderung zur zukunftsorientierten Finanzierungsgestaltung. Verlag Dashöfer GmbH
(Hamburg) 2005.
ISBN 978-3-938553-22-0.
Das Grundwerk umfasst lt. Verlagsangaben knapp 500 Seiten (davon viele nur einseitig bedruckt) und kostet € 99,- zzgl. MwSt. und Versandkosten. Aktualisierungs- und Ergänzungslieferungen (drei-viermal jährlich geplant, nicht verpflichtend): € 0,34 pro Seite. Das Werk besteht aus einem stabilen Ordner im DIN-A4-Format mit übersichtlichem Register.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2937.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.
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