Lea Wedewardt, Anja Cantzler: Workbook
Rezensiert von Alexandra Großer, 12.09.2022

Lea Wedewardt, Anja Cantzler: Workbook. Sich seiner selbst bewusst sein. Biografische Selbstreflexion für pädagogische Fachkräfte.
Verlag Herder GmbH
(Freiburg, Basel, Wien) 2022.
64 Seiten.
ISBN 978-3-451-39920-6.
D: 12,00 EUR,
A: 12,40 EUR,
CH: 17,90 sFr.
Reihe: Supplement zu: ISBN: 9783451392900 .
Thema
Bei dem hier vorliegenden Buch handelt es sich um das Workbook zum gleichnamigen Buch derselben Autorinnen. In diesem Workbook haben die Autorinnen Übungen mit Impulsen, Anregungen, Reflexionsfragen und Beobachtungsaufgaben versammelt, welche die pädagogischen Fachkräfte bei der Selbstreflexion unterstützen. Anliegen des Workbooks ist es, durch die Selbstreflexion sich selbst und damit das eigene Fühlen, Denken und Handeln im pädagogischen Alltag besser verstehen zu können.
Autorinnen
Lea Wedewardt ist Kindheitspädagogin (BA) und hat Praxisforschung in der Pädagogik (MA) studiert. Sie berät und coacht pädagogische Fachkräfte und Teams rund um die Themen zur bedürfnisorientierten Pädagogik. Zudem betreibt sie neben ihrem Kita-Podcast einen Blog zur bedürfnisorientierten Pädagogik.
Anja Cantzler ist Diplom-Sozialpädagogin, Coach (DGfC), Supervisorin (DGSv), Autorin und Weiterbildnerin für pädagogische Fachkräfte. Sie betreibt einen Blog und veröffentlicht regelmäßig KitaTalks auf ihrem YouTube-Kanal.
Entstehungshintergrund
Beide Autorinnen setzen sich dafür ein, die Praxis der Kinderbetreuung zu verändern. Sie kennen die Missstände, die in einzelnen Einrichtungen vorzufinden sind. Lea Wedewardt und Anja Cantzler ist es deshalb ein großes Anliegen, dass Kinder in Kindertageseinrichtungen in einer gewaltfreien, achtsamen und bedürfnisorientierten Pädagogik aufwachsen. Dazu gehört für sie, dass pädagogische Fachkräfte sich mit ihren eigenen Denk- und Verhaltensmustern auseinandersetzen. Die Autorinnen möchten mit diesem Workbook pädagogische Fachkräfte dazu anregen, sich mit der eigenen Biografie auseinanderzusetzen. Diese Selbstreflexion sollte, so die Autorinnen, eine Grundvoraussetzung zur Ergreifung des Berufs und bereits in der Berufsausbildung verankert sein.
Aufbau
Das Buch beinhaltet sieben Kapitel. Jedes Kapitel wird mit zwei kurzen Sätzen eingeleitet. Im Anschluss finden sich verschiedene Übungen, Fragen, Schreibaufgaben, Reflexionsfragen, Ankreuzfragen, Einschätzskalen zu den Kapitelüberschriften. Die Antworten können direkt im Workbook notiert werden. Im Anhang findet sich eine Gefühls- und eine Bedürfnisliste, die für einige Übungen als Beispiele dienen.
Inhalt
Das erste Kapitel „Die Haltung als Ausdruck pädagogischer Professionalität“ beschäftigt sich mit der Haltung, die sich durch eigene Erfahrungen und Erlebnisse entwickelt und die man aufgrund von Theorien und Fachwissen erwirbt. Das erste Kapitel besteht aus sechs Übungen. In der ersten Übung wird der eigene Erfahrungsrucksack gefüllt. Die zweite Übung befasst sich anhand von Fragen mit den Einflüssen von Lebens- und Familienverhältnissen. Anschließend gibt es eine Ankreuzaufgabe zu verschiedenen Aussagen, welche die Weitergabe von Bewertungen durch die engsten Bindungspersonen untersuchen. Die dritte Übung ist eine Punkteabfrage zur Reflexion der Motive für die Berufswahl als Pädagogin. In der vierten Übung werden die Bedürfnisse zu einer der Motivationsfragen aus der dritten Übung eingehender untersucht. Die fünfte und sechste Übung reflektieren die verschiedenen Rollen, die Jede*r von uns in unterschiedlichen Lebensabschnitten hatte, beziehungsweise hat.
Im zweiten Kapitel „Wunde Punkte verstehen“ finden sich sechs Übungen. Schmerzhafte Erfahrungen aus der Kindheit können die Interaktionen mit Kolleg*innen, Eltern und Kindern beeinflussen. Daher ist es wichtig, diesen wunden Punkten auf die Spur zu kommen und sie zu heilen. Gleich die erste Übung in diesem Kapitel fragt nach einprägsamen Erfahrungen aus der Kindheit und wie diese möglicherweise das heutige pädagogische Handeln beeinflussen. Der nächste Impuls erkundigt sich nach Themen, die einen selbst antreiben und wichtig sind. Die neunte Übung ist eine Beobachtungsaufgabe zu den eigenen Körpersignalen in der pädagogischen Arbeit. In verschiedenen Spalten lässt sich eintragen, in welcher Situation die Körperreaktion auftrat, auf was sie hinweist und welche Emotionen diese begleiten. In der darauffolgenden Übung wird man dazu angehalten, sich Entspannungsstrategien zu überlegen, die man bei körperlichen Reaktionen und in herausfordernden Situationen anwenden kann. Die letzten beiden Übungen in diesem Kapitel beschäftigen sich mit den eigenen Triggerelementen und fragt nach den Anteilen, die aus dem Heute oder aus früheren Erinnerungen stammen.
Das dritte Kapitel „Beziehungserfahrungen reflektieren“ befasst sich mit den eigenen Beziehungserfahrungen und Beziehungsgestaltung. Diese zu reflektieren und weiterzuentwickeln ist ein zentrales Element in der pädagogischen Arbeit mit Kindern. Die dreizehnte Übung startet daher mit den „wichtigsten Bindungspersonen in der Kindheit“ (S. 25). Bei den nächsten beiden Übungen handelt es sich um Einschätzaufgaben. Hier gilt es verschiedene Aussagen mit Punkten zu bewerten. Das Ergebnis der fünfzehnten Übung zeigt an, ob man selbst eher autonomiefokussiert oder bindungsfokussiert ist. Oder ob sich die Wippe in Balance befindet.
Kapitel vier „Das innere Kind spüren“ enthält Impulse und Anregungen zur Reflexion mit den schönen, aber auch verletzten inneren Anteilen. In der sechzehnten Übung wird eine Liste mit den Kindern aus der eigenen Gruppe erstellt. Im Anschluss daran haben die Autorinnen verschiedene Reflexionsfragen aufgelistet, die der Reihe nach zu beantworten sind und Aufschluss über die Beziehung mit den Kindern geben. Die nächsten drei Übungen hinterfragen das eigene Bild vom Kind. Darauf folgt eine Übung, die auf die eigenen Grundbedürfnisse eingeht und deren Füllstand man in Bedürfnisfässer einzeichnet. Die weiteren Übungen in diesem Kapitel befassen sich mit den negativen und positiven Glaubenssätzen, die einen prägen und beeinflussen. Das vierte Kapitel schließt mit einer 10-10-10 Übung ab.
Im fünften Kapitel „Gefühle spüren“ werden anhand von vier Beobachtungsaufgaben die eigenen Emotionen sowie die Gefühle der Kinder aus der eigenen Gruppe reflektiert.
Mit dem sechsten Kapitel „Inneren und äußeren Stress reflektieren und bewältigen“ haben die Autorinnen verschiedene Übungen zusammengetragen, die helfen, den eigenen Stressoren und Energiequellen auf die Spur zu kommen sowie möglichen Entspannungsstrategien.
In Kapitel sieben „Sich selbst annehmen, um Kinder annehmen zu können“ geht noch einmal gezielt auf die Erfahrungen ein, die man gerne weitergeben möchte als auch auf solche welche man nicht gerne weitergeben möchte. Eine Visionsübung ermöglicht den Blick zurück auf 30 Jahre Berufsleben. Diese Übungen münden in die letzte Übung des Workbooks. Hier werden verschiedene Schatzkisten mit Schätzen gefüllt, die einen für die Kinder, Eltern, Kolleg*innen und sich selbst besonders machen.
Diskussion
Lea Wedewardt und Anja Cantzler haben mit diesem Workbook für pädagogische Fachkräfte eine wichtige Arbeitsgrundlage zur biografischen Selbstreflexion geschaffen.
Die Autorinnen setzen bei ihrem Workbook auf die Eigenverantwortung der Pädagog*innen und darauf, dass diese gut für sich selbst sorgen können. Lassen sich doch alle pädagogischen Fachkräfte, die mit den Übungen arbeiten, auf die Impulse und Anregungen in den Übungen auf ihre biografische Selbstreflexion ein und damit auch auf wunde Punkte und Triggerelemente, die durchaus schmerzhafte Erfahrungen bereithalten können. Mir persönlich fehlen im Workbook einleitende Worte, die darauf hinweisen, dass es bei einigen Themen, wie zum Beispiel bei der Beschäftigung mit dem inneren Kind, den wunden Punkten oder Glaubenssätzen empfehlenswert sein kann, sich professionelle Unterstützung (Coach, Supervision, Therapeut) zu holen.
Insgesamt sind die Aufgaben mit ihren Impulsen und Anregungen gut zu bearbeiten. Sie regen zum Nachdenken an und helfen sich selbst besser zu verstehen. Alle Übungen sind ressourcenorientiert formuliert und laden zu tieferen Reflexionen und damit Weiterentwicklung ein. Manchen Reflexionsfragen und Anregungen hätten weiterführende Impulse und Hinweise gutgetan. Diese finden sich zum Teil im gleichnamigen Buch der Autorinnen, hätten meines Erachtens jedoch auch im Workbook ihren Platz finden können, ohne die leichte spielerische Weise der Aufgaben zu beeinträchtigen.
Dem Anliegen der Autorinnen, sein „eigenes Fühlen, Denken und Handeln im Umgang mit Kindern, Eltern und Kolleg*innen besser verstehen zu können“ (S. 2) wird das Workbook mit seinen praxistauglichen und unkomplizierten Aufgaben durchaus gerecht.
Fazit
Das Workbook mit seinen Impulsen, Anregungen, Reflexionsfragen und Übungen dient der biografischen Selbstreflexion und hilft pädagogischen Fachkräften sich kritisch zu hinterfragen sowie Situationen und Kindern im pädagogischen Alltag reflektierter zu begegnen. Es ist nicht nur ein Buch für pädagogische Fachkräfte, sondern auch Referent*innen, Lehrende und Fortbildner*innen, die biografisch mit pädagogischen Fachkräften oder angehenden pädagogischen Fachkräften arbeiten. Die Übungen sind leicht verständlich und können gut durchgeführt werden.
Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
Website
Mailformular
Es gibt 63 Rezensionen von Alexandra Großer.