Simone Wittmann, Cathrin Chevalier: Soziale Kompetenz
Rezensiert von Dr. phil. Gernot Hahn, 12.12.2022
Simone Wittmann, Cathrin Chevalier: Soziale Kompetenz. 75 Therapiekarten.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2022.
150 Seiten.
Mit 24-seitigem Booklet in hochwertiger Klappkassette, Kartenformat 16,5 x 24 cm
EAN 401-917210078-0
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Thema
Programme zum Training sozialer Kompetenzen haben in Sozialer Arbeit, Beratung und Psychotherapie eine lange Tradition. In Rollenspielen, Übungen und Videofeedbacks wird sozial funktionales Verhalten vermittelt, eingeübt und in alltagsnahe Situationen übertragen. Rezensiert werden hier ein in bereits sechster Auflage vorliegendes Standardwerk zum Gruppentraining sozialer Kompetenzen und ein neu aufgelegtes Set von Therapiekarten, beide Publikationen werden vom Beltz Verlag als Set angeboten und vertrieben. Zu beiden Einzelpublikationen liegen bereits Rezensionen vor (https://www.socialnet.de/rezensionen/19732.php und https://www.socialnet.de/rezensionen/29457.php).
Diese Rezension umfasst auch die Besprechung des entsprechenden Buches von Rüdiger Hinsch und Ulrich Pfingsten: Gruppentraining sozialer Kompetenzen GSK. Grundlagen, Durchführung, Anwendungsbeispiele, Weinheim und Basel (Beltz Verlag) 2015.
Autor/innen und Entstehungshintergrund
Dr. Rüdiger Hinsch, Dipl. Psychologe und Dr. Ulrich Pfingsten, Dipl. Psychologe betreiben arbeiten bzw. betreiben beide die Plattform „gsk-training.de“, ein Fachforum das Fortbildungen zum Thema, ein Internetforum zum Fachaustausch, Lehrertrainings und Literaturservice anbietet.
Prof. Dr. Simone Wittmann, Dipl. Psychologin lehrt nach langjähriger Tätigkeit als Trainingsentwicklerin und Supervisorin für Soziale Kompetenztrainings seit 2019 an der FHöVPR Güstrow Psychologie und Kommunikation. Dr. Cathrin Chevalier ist psychologische Psychotherapeutin, langjährige Tätigkeit im Maßregel- und Strafvollzug, Dozentin für Psychologie an der FHöVPR Güstrow, Psychotherapie in eigener Praxis.
Aufbau und Inhalt
Buch
Das Grundlagenwerk von Hinsch und Pfingsten ist in drei Abschnitte unterteilt, in denen die Grundlagen zum Sozialen Kompetenztraining, Hinweise zum praktischen Vorgehen bzw. zur Durchführung des Programms und Anwendungsbeispiele vermittelt werden. Im Anhang finden sich das Autoren- Literatur- und Sachwortverzeichnis, sowie Hinweise zum Arbeitsmaterial, das im kostenlosen Download bezogen werden kann. Die Vorauflagen und das vorliegende Werk wurden bereits umfangreich bei socialnet rezensiert (s.o.), sodass an dieser Stelle ein Überblick ausreichend erscheint.
Im Grundlagenkapitel erfolgt die Klärung der Begriffe und eine Einführung in das Konzept Sozialer Kompetenzen und Kompetenzprobleme, deren psychische und soziale Grundlagen und ein Erklärungsansatz zur Entstehung sozialer Kompetenzprobleme. Ebenfalls findet sich hier ein Abschnitt zu Interventionen, in dem ein Überblick über traditionelle Kompetenztrainingsansätze (kognitive, lerntheoretische, prozessorientierte und zielgruppenorientierte Ansätze) vermittelt werden.
Der Abschnitt zum praktischen Vorgehen beinhaltet das Manual zum Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK), vertiefende Hinweise und Materialien und Hinweise zur Erfolgskontrolle. Das manualisierte und modularisierte Gruppenprogramm wird sehr detailliert beschrieben, so erfolgen Hinweise zu Gruppengröße, organisatorischen und materiellen Voraussetzungen und die exakte Beschreibung der einzelnen sieben Sitzungen des Programms (Einführung, Recht durchsetzen, Analyse von Selbstverbalisationen, Beziehungen, Selbstsicheres Verhalten, Sympathie gewinnen, Abschluss) und der Abdruck der einzelnen Arbeitsblätter.
Im dritten Abschnitt werden ausführliche Anwendungsbeispiele präsentiert, das GSK in Anwendung und Anpassung an spezielle Aufgaben und Klient*innengruppen, klinische Arbeitsfelder und weitere Arbeitsbereiche vorgestellt. Die Hinweise beziehen sich auf die Anwendung des GSK z.B. in der Allgemeinpsychiatrie, die Arbeit mit sozial unsicheren Kindern, den Einsatz des GSK bei Patient*innen mit Essstörungen, den Suchtbereich, bis hin zum Einsatz des Programms bei Klient*innen mit Migrationserfahrung oder das Führungskräftetraining.
Therapiekarten
Die Box „75 Therapiekarten“ besteht aus einem 20 Seiten schmalen Beiheft und 75 Karten zum Einsatz im Kompetenztraining. Das Kartenmaterial ist ebenfalls modularisiert, im Beiheft werden neben einer sehr knappen allgemeinen Einführung „Grundlagen sozialer Kompetenzen und ihrer Veränderung“ ein Überblick zu den Modulen (Soziale Kompetenzen verstehen, sich selbst in den Blick nehmen, im Gespräch sein, in sozialen Situationen orientieren, fühlen, denken und handeln, Neues ausprobieren und Übungen im Alltag), Hinweise zur therapeutischen Arbeit mit den Karten und eine Kurzbeschreibung der 75 Karten präsentiert. Das Kartenset orientiert sich an allgemeinen Grundlagen der Verhaltenstherapie und Kognitionspsychologie, gründet auf dem Zusammenhang von Wahrnehmung-Bewertung-Verhalten und fokussiert auf den Prozesscharakter von Trainingsprogrammen. Beispielhaft für das Kartenmaterial kann Karte 52 aus dem siebten Modul (In sozialen Situationen handeln) herangezogen werden. Auf dieser Karte wird eine Checkliste für unterschiedliche Reaktionsmuster angeboten, wobei die Ebenen Stimme, Formulierungen, Inhalte des Gesprochenen, Gestik, Mimik und Wirkung erfasst werden. Liegt der Schwerpunkt dieser Trainingskarte auf der Wahrnehmung (von Verhalten und Verhaltensoptionen) folgt in den Folgekarten des Moduls Übungsmaterial, das sich auf unterschiedliche Situationen und Settings bezieht und konkrete Reaktionsformen vermittelt.
Zielgruppe des Buches und der Therapiekarten
Sowohl das Fachbuch als auch das Kartenset richtet sich an alle Berufsgruppen, die mit sozialen Kompetenztrainings arbeiten, ob in psychosozialer Beratung, Psychotherapie oder in pädagogischen Settings.
Diskussion
Das Handbuch „Gruppentraining sozialer Kompetenzen GSK“ gilt als Klassiker in Beratung und Psychotherapie und in schulischen Arbeitsfeldern. Die langjährige Erfahrung der beiden Herausgeber und die in der sechsten Auflage berücksichtigten Anwendungserfahrungen von Fachleuten fließen unmittelbar in das Werk ein, das über die Jahre seine Grundstruktur erhalten hat, behutsam weiterentwickelt ist. Die Möglichkeiten des Programms werden umfangreich und äußerst praxisorientiert vermittelt und mit Bezug auf unterschiedliche Arbeitssettings, Klient*innengruppen und Handlungsfelder adaptiert. Methodisch kommen u.a. Rollenspiel, Videofeedback und alltagsorientierte Übungen zur Adaption im Lebensumfeld zur Anwendung. Das Arbeitsmaterial selbst ist an praktischen Erwägungen orientiert und optisch ansprechend. Eine kritische Diskussion zur Frage, was sozial angemessenes Verhalten im konkreten Fall bedeutet, erfolgt nicht, stattdessen wird Sozialkompetenz als angemessene Wahrnehmungsfähigkeit unterschiedlicher sozialer Settings und dynamische Anpassung an Situationen aufgefasst und vermittelt.
Das Kartenmaterial folgt im Aufbau vergleichbar der Struktur des Handbuchs, auch wenn die Schwerpunkte in beiden Werken unterschiedlich gewichtet und präsentiert werden. Noch konkreter als das Handbuch vermitteln die Therapiekarten konkrete Handlungsschritte und Vorgehensweisen, sodass das Material unmittelbar in konkrete Übungs- und Gruppenszenarien eingebaut werden kann. Sieht man von einer möglichen generellen Kritik an modularisierten und standardisierten Therapiematerialien ab (ggf. zu technisches Vorgehen, fehlende Zielgruppenorientierung) ergibt sich aus der vom Verlag angebotenen Kombination von Handbuch und Kartenset eine äußerst praxisorientierte und sinnvolle Ergänzung, welche direkt in der Beratungs- und Therapiepraxis umgesetzt werden kann. Vor allem das Kapitel zu Anwendungsbeispielen im Handbuch zeigt, dass eine Anpassung der Trainingsprogramme an unterschiedliche Zielgruppen und Settings möglich und sicher auch notwendig ist. Berücksichtigt man die unterschiedlichen Schwerpunkte der beiden Publikationen (im Buch eher interaktionsbezogene Aspekte, im Kartenmaterial eher die Zusammenschau aus sozialer Wahrnehmung, Verarbeitung und Verhaltensentwicklung) ergibt sich aus dem Set Buch/Therapiekarten eine sinnvolle, praxisnahe und anwenderfreundliche Kombination, aus deren Vielfalt unterschiedlichste Praxissituationen gestaltet werden können.
Fazit
Das vom Verlag angebotene Set aus Fachbuch und Kartenmaterial erweist sich für die psychosoziale Praxis als wertvolle Kombination von Übungen, welche zielgruppen- und settingbezogen vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bieten. Beide Publikationen ergänzen sich in ihren jeweiligen Schwerpunkten und erweisen sich in ihrer didaktischen Aufbereitung als anwenderfreundliches Arbeitsmaterial. Für die soziale Gruppenarbeit äußerst empfehlenswert!
Rezension von
Dr. phil. Gernot Hahn
Diplom Sozialpädagoge (Univ.), Diplom Sozialtherapeut
Leiter der Forensischen Ambulanz der Klinik für Forensische Psychiatrie Erlangen
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