Monika Zimmermann (Hrsg.): Organisationsentwicklung in der frühkindlichen Bildung
Rezensiert von Emily Diehl, 30.09.2022
Monika Zimmermann (Hrsg.): Organisationsentwicklung in der frühkindlichen Bildung.
Springer VS
(Wiesbaden) 2021.
194 Seiten.
ISBN 978-3-658-33481-9.
D: 70,08 EUR,
A: 77,09 EUR,
CH: 83,00 sFr.
Reihe: Research.
Thema und Entstehungshintergrund
Einrichtungen der frühkindlichen Bildung haben sich einer Vielzahl an neuen Herausforderungen zu stellen. Der gesetzliche Zuspruch eines Betreuungsplatzes, vermehrte Netzwerkarbeit sowie ein nicht abnehmender Mangel an Fachpersonal und die Entwicklung zu zunehmend heterogenen Teams rücken frühkindliche Bildungseinrichtungen in den Fokus des öffentlichen Interesses. Diese Herausforderungen bedürfen eines Entwicklungsprozesses auf verschiedenen Organisationsebenen, welche sowohl Träger, Leitungen als auch die pädagogischen Teams als Akteure betreffen. Den sich daraus entwickelnden Aufgabenfeldern für Einrichtungen frühkindlicher Bildung widmet sich dieser Sammelband, indem Organisationsentwicklung vielseitig beleuchtet wird. Hierbei werden Ansätze aus den Wirtschaftswissenschaften betrachtet, empirische Befunde dargelegt sowie Handlungsbedarfe herausgestellt. Ausganspunkt ist ein abgeschlossenes Projekt, gefördert von der Robert Bosch-Stiftung, welches sich mit der curricularen Integration von Kompetenzen der Organisationsentwicklung auseinander setzt.
HerausgeberInnen
Prof. Dr. Monika Zimmermann ist Herausgeberin dieses Sammelbandes. Sie ist Mitglied der Geschäftsführung der Internationalen Berufsakademie der F+U Unternehmensgruppe gGmbH in Heidelberg mit der Geschäftsbereichsleitung für Forschung und Entwicklung. Zudem besitzt sie dort einen Lehrauftrag in Sozialpädagogik & Management und Sozialpädagogik sowie Management & Coaching.
Prof. Dr. Tobias Sander ist ebenfalls Herausgeber des hier vorgestellten Sammelbandes. Ihm obliegt die Leitung des Zentrums für Forschung und Praxistransfer (ZFP). Ebenso ist er Lehrbeauftragter für Sozialpädagogik & Management und Sozialpädagogik sowie Management & Coaching an der Internationalen Berufsakademie der F+U Unternehmensgruppe gGmbH in Berlin. Desweiteren ist er dort Geschäftsbereichsleitung für Forschung und Entwicklung.
Aufbau
Bei diesem Werk handelt es sich um einen Sammelband, in welchem sich zwölf Autoren mit verschiedenen Themenbereichen in Bezug auf Organisationsentwicklung in der frühkindlichen Bildung, auseinandersetzen. Die zwölfköpfige Autorengruppe wird in einem Verzeichnis vorgestellt. Die einzelnen Autorenbeiträge bauen nicht aufeinander auf und lassen sich hierdurch je nach Interesse unabhängig voneinander lesen. Das Werk ist in acht Artikel aufgeteilt, welchen ein Vorwort der HerausgeberInnen voran geht.
Inhalt
In die Thematik der Organisationsentwicklung in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung wird mit einem kurzen Vorwort eingeleitet. Die beiden HerausgeberInnen zeigen darin die Aktualität des behandelten Inhalts auf und erläutern den Entstehungshintergrund zu diesem Sammelband.
Der erste Artikel, ebenfalls verfasst von den HerausgeberInnen Zimmermann und Sander,schafft eine thematische Grundlage zum Thema Organisationsentwicklung und den Bezug dieser zu frühkindlichen Einrichtungen. Nachdem zunächst eine kurze Definition des Begriffs der Organisationsentwicklung vorgenommen wird, gehen die Autoren auf das Wachstum an Anforderungen an frühkindliche Institutionen ein, welches ein Etablieren von Organisationsentwicklung erfordert. Kindertageseinrichtungen werden in ihrer Komplexität dargestellt und daraufhin wird erläutert, weshalb für diese ausgearbeitete und theoretisch fundierte Organisationsentwicklungskonzepte bislang fehlen. In ihrem Versuch, den Organisationstypus von Kindertageseinrichtungen zu bestimmen, kommen die Autoren letztendlich zu einer Zuordnung einer Professionellenorganisation. Die verschiedenen Handlungsfelder in Kitas werden aufgezählt und die Entwicklung der Teamzusammensetzung thematisiert. Hierbei werden Leitungen und ihre Stellvertretungen in einem Unterkapitel gesondert in den Blick genommen. Die Autoren gehen auch auf die bisher nur unzureichenden Forschungsstände ein und stellen noch zu erforschende Aspekte heraus.
Der zweite Artikel, verfasst von Anita Dischinger, beschäftigt sich mit der Übertragbarkeit von Organisationentwicklungskonzepten aus der Betriebswirtschaftslehre auf den Bereich des Sozialmanagements. In ihren Ausführungen bezieht sie sich auf Ergebnisse eigens durchgeführter Interviews mit verschiedenen, an Qualitätsmanagement beteiligten, VertreterInnen aus dem Kindertagesstätten Bereich sowie auf Ergebnisse einer empirischen Forschung von Petra Strehmel. Die herausgestellten Aspekte in diesem Artikel beziehen sich konkret auf die Übertragbarkeit des DIN EN ISO Qualitätssystem, welches bereits seit einigen Jahren in trägerspezifische Qualitätskataloge umgesetzt wurde. Dischinger kann herausstellen, dass Qualitätsmanagementverfahren als strukturierende Instanz wahrgenommen werden, die zur Arbeitserleichterung beitragen. Das Leitbild wird von einigen Befragten als Grundlage für ein gelingendes Qualitätsmanagementsystem angesehen. Ebenso wird das Qualitätshandbuch mit der Konzeption einer Einrichtung in Zusammenhang gestellt. Schlussfolgernd wird die Bedeutung der Beteiligung aller betroffenen Akteure, wie Fachberatungen, Träger, Leitungen und Fachkräfteteams, hervorgehoben, um die Aufrechterhaltung eines etablierten Qualitätsmanagementsystems zu gewährleisten.
Im dritten Beitrag nehmen sich die Autoren Stadie und Eichel einer Situationsanalyse in Bezug auf Kindertageseinrichtungen an, um diese als Grundlage für eine Anwendung von Organisationsentwicklungskonzepten aus der Betriebswirtschaftslehre anzuführen. Hierzu erläutern die Autoren zunächst die Begrifflichkeit der Organisationsentwicklung und beschreiben deren Ebenen. Ihre Situationsanalyse beziehen sie auf die Bereiche des qualitativen Ausbaus von Kindertageseinrichtungen, die Personalsituation, pädagogische Herausforderungen sowie die Elternarbeit. Anhand von Kategorien überprüfen die Autoren auf theoretischer Ebene die Übertragbarkeit ausgewählter Konzepte und Instrumente aus der Betriebswirtschaftslehre. Am Ende ihres Artikels geben sie eine Empfehlung hierfür ab.
Die Autorengruppe um Beher befasst sich im vierten Artikel dieses Bandes mit den organisatorischen Auswirkungen auf Personalebene, die mit dem Wachstum sowie Qualitätsausbau des Kindertagesstätten Bereichs einhergehen. Sie behandeln die Thematik des Transformations- und Innovationsprozesses auf Ebene des Kita-Personals und beziehen sich hierbei auf die Befunde des Fachkräftebarometers Frühe Bildung. Beher et al. gehen von Weiterentwicklungsbedarfen aus, die zur weiteren Professionalisierung der Einrichtung notwendig sind. In ihren Ausführungen berufen sie sich auf empirische Befunde, die sie auf drei Betrachtungsebenen anwenden. Beleuchtet wird die berufliche Qualifikation von Kita-Personal, die qualifikatorische Zusammensetzung von Kita-Teams sowie die Veränderungen auf Leitungsebene.
Im Betrachtungsmittelpunkt des fünften Kapitels der Autoren Timmermann, Hogrebe und Ulber, stehen die Auswirkungen der organisatorischen Veränderungsprozesse auf die Leitungen von Kindertageseinrichtungen. Das Kapitel stellt sich in Form einer qualitativ angelegten explorativen Studie dar. Mittels Experteninterviews mit Leitungen werden deren Aufgabenfelder herausgestellt, innerhalb dieser für sie belastende Faktoren herausgearbeitet und letztendlich ermittelt, welche individuellen Strategien von den Leitungen zum Umgang mit diesen Belastungen angewandt werden.
Das sechste Kapitel nimmt die Konzeptionsarbeit in Kindertageseinrichtungen als innovatives Instrument zur Personal- und Organisationsentwicklung in den Blick. Die Autorin Weimann-Sandig wendet hierzu eine empirische Analyse von Leitungsworkshops an. Am Ende dieser Analyse steht ein Soll-Ist-Vergleich, welcher zur Entwicklung eines Strukturmodells für eine verbesserte Konzeptionsarbeit dient. Hierbei berücksichtigt sie verschiedene Faktoren, wie etwa unterschiedliche Strategien der Konzeptionsentwicklung oder auch die sich unterscheidenden Ansprüche an die Konzeption von betroffenen Parteien. Mit ihrem Beitrag zeigt die Autorin das bedeutungsvolle Zusammenspiel von Personalentwicklung und der Entwicklung der Organisation selbst auf.
Eine der von Einrichtungen der frühen Bildung zu bewältigenden Herausforderungen ist die zunehmende Diversität in diesem Bereich. Die Autorin Welzenbach geht in diesem theoriebasierten siebten Artikel auf eben diesen Aspekt ein. In den Betrachtungsmittelpunkt nimmt sie hierbei Diversität in Bezug auf kulturelle Diversität, Gender-Diversität, die Diversität von Kindern mit und ohne Behinderung sowie auf soziale Ungleichheiten. In einem ersten Schritt werden zunächst verschiedene Diversität betreffende Begrifflichkeiten definiert und voneinander abgegrenzt. Zu den genannten Aspekten stellt die Autorin Konzepte und Handwerkszeuge für die Praxis dar.
Die Autorin Melina Anna Lorenz nimmt im achten Beitrag eine qualitative Analyse zu Chancen und Herausforderungen von Qualitätsmanagement im frühpädagogischen Kontext vor. Der wachsende und mehrfach festgeschriebene Anspruch an Bildungsqualität in Einrichtungen der frühen Bildung fordert ein an die Einchrichtungen individuell angepasstes, prozessorientiertes Qualitätsmanagementmodell. Die Autorin stellt hierzu ihre qualitative Querschnittsstudie vor, in welcher sie mittels eines schriftlichen Fragebogens Fachkräfte zu ihren Ansichten und Haltungen in Bezug auf Qualitätsmanagement als Optimierungsmaxime befragt. Hieraus leitet sie begründet Handlungsbedarfe sowie Potenziale für eine gewinnbringende Nutzung von Qualitätsmanagement im Kindertagesstätten Bereich ab.
Diskussion
Die HerausgeberInnen sowie die mitwirkende Autorengruppe dieses Sammelbandes greifen eine äußerst umfangreiche und aktuelle Thematik auf, die es gilt der Öffentlichkeit darzulegen. In allen Beiträgen wird herausgestellt, wie komplex die Herausforderungen sind, mit welchen Einrichtungen der frühen Bildung umzugehen haben. Diese zu bewältigen bedarf es verschiedene Veränderungs- und Anpassungsprozesse, die der Organisationsentwicklung zugrunde liegen. Um diese zu etablieren ist eine Auseinandersetzung mit dem behandelten Thema unbedingt notwendig, was bereits im Vorwort deutlich gemacht wird. Sowohl die HerausgeberInnen als auch die Autoren weisen differenzierte biografische Bezüge zur behandelten Thematik auf und können so, gezielt auf die dargestellten Auswirkungen, der sich auftuenden Herausforderungen, eingehen.
Aufgrund des Aufbaus in einzelne Artikel, die nicht aufeinander aufbauend dargestellt sind, gelingt es, verschiedene Adressaten zu erreichen, die sich für einzelne Aspekte interessieren. Besonders angenehm und vielseitig zu lesen ist das Werk durch die unterschiedlichen Perspektiven die eingenommen werden sowie die abwechslungsreiche Art, die einzelnen Beiträge darzustellen. Es liegt ein gelungener Wechsel zwischen theoretischen Beiträgen, Analysen und empirischen Erhebungen vor. Es werden zudem stets Bezüge zur Praxis dargestellt, was die behandelte Thematik auch benötigt.
Als Ziel der Veröffentlichung dieses Bandes nennen die HerausgeberInnen in ihrem Vorwort, einen „produktiven, im Sinne von praxisrelevanten, Dialog anzustoßen“ (S. VI). Sie stellten sich der Herausforderung, die unterschiedlichen Aspekte, denen sich Organisationsentwicklung im Bereich der frühen Bildung anzunehmen hat, zusammenzuführen, was den Beteiligten an diesem Werk aufgrund der oben genannten Aspekte gelingt. Das Potenzial dieses Sammelbandes, den öffentlichen Austausch anzuregen und Forschungslücken darzulegen, lässt sich durchaus ausmachen.
Fazit
Das Werk „Organisationsentwicklung in der frühkindlichen Bildung“ von Monika Zimmermann und Tobias Sander nimmt sich einer, in der täglichen Praxis in Einrichtungen der frühen Bildung aktuellen, Thematik an. Verschiedene Aspekte beleuchtend, zeigen die HerausgeberInnen auf, wie breit das zu bearbeitende Feld an Organisationsentwicklungsprozessen im Bereich der frühen Bildung ist. Differenziert werden einzelne Handlungsbedarfe aufgezeigt und Handlungsinitiativen angeregt. Der Band zeigt sich als gewinnbringenden Beitrag, den auftauchenden Herausforderungen im Bereich der frühkindlichen Bildung entgegenzuwirken.
Rezension von
Emily Diehl
Förderpädagogin, stellv. Kita-Leitung, nebenberuflich Studentin an des Masterstudiengangs „Kindheits- und Sozialwissenschaften“
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Zitiervorschlag
Emily Diehl. Rezension vom 30.09.2022 zu:
Monika Zimmermann (Hrsg.): Organisationsentwicklung in der frühkindlichen Bildung. Springer VS
(Wiesbaden) 2021.
ISBN 978-3-658-33481-9.
Reihe: Research.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29488.php, Datum des Zugriffs 06.11.2024.
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