Maximilian Schaut, Dorothea Oehm: Und sie verändern sich doch …!?
Rezensiert von Stephanie Vollrath, 03.08.2022

Maximilian Schaut, Dorothea Oehm: Und sie verändern sich doch …!? Geschäftsmodelle, soziale Systeme und Innovation aus systemischer Perspektive.
Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
157 Seiten.
ISBN 978-3-8497-9051-6.
D: 19,95 EUR,
A: 20,60 EUR.
Reihe: Verlag für systemische Forschung.
Thema
In ihrem Buch „Und sie verändern sich doch…!? Geschäftsmodelle, soziale Systeme und Innovation aus systemischer Perspektive“ der AutorInnen Maximilian Schaut und Dorothea Oehm durchleuchten diese bereits vorhandene Geschäftsmodell-Ansätze. Sie stellen auf der Grundlage der Systemtheorie ihren eigenen Ansatz des systemischen Geschäftsmodells vor. Die Funktionsweise von Geschäftsmodellen und ihre Innovationen stehen im Vordergrund.
Autor*innen
Dr. rer. pol. Maximilian Schaut ist Geschäftsführer eines familiengeführten, weltweiten Maschinenbau- und Technologienunternehmens, Er hat ein abgeschlossenes Studium der Betriebswirtschaft und promovierte im Jahr 2016 zum Thema systemische Geschäftsmodelltheorien.
Dorothea Oehm studierte Philosophie, Soziologie, Germanistik, Kunstgeschichte, Geschichte, Germanistik und Betriebswirtschaft. Als Coach und Beraterin unterstützt sie seit mehr als 20 Jahren kleine und große Unternehmen in deren Veränderungsprozessen.
Aufbau
Das Werk beinhaltet zehn Kapitel (zum Teil mit Unterkapiteln versehen), sowie einen Prolog, eine Übersicht über verwendete Symbole und ein Literaturverzeichnis.
Inhalt
Das Buch „Und sie verändern sich doch…!?“ von Maximilian Schaut und Dorothea Oehm beginnt mit einem Prolog. Hier werden die Problemstellung sowie Fragestellung aufgezeigt, zu denen in diesem Buch ein Antwortversuch gelingen soll (vgl. S. 7 f.).
Das erste Kapitel dient als Einleitung. Die AutorInnen gehen hier auf die Veränderungen der Unternehmenslandschaften, in Bezug auf den rasanten technologischen Fortschritt, der letzten Jahre ein. Schaut und Oehm widmen sich der Frage, wie diese Veränderungen sich in so kurzer Zeit vollziehen können. Als Grundlage der Beantwortung sehen sie hier die Systemtheorie (vgl. S. 9). Ihre vorgestellte Geschäftsmodelltheorie, auf der Grundlage der Systemtheorie, soll dazu dienen „[…] die Funktionsweise von Geschäftsmodellen zu entschlüsseln“ (S. 9). So erläutern die AutorInnen in diesem einleitenden Kapitel die Nützlichkeit einer systemischen Geschäftsmodelltheorie. Diese Theorie ermöglicht den Anwendern das Gesamtsystem des Unternehmens zu betrachten. Das Buch soll dazu dienen diese Nützlichkeit zu beleuchten und die Eignung und Effektivität ihrer systemischen Geschäftsmodelltheorie zu reflektieren (vgl. S. 11).
In ihrem zweiten Kapitel stellen Schaut und Oehm kurz die systemische Geschäftsmodelltheorie vor. Es wird die Wechselseitigkeit von Unternehmen und Umwelt prägnant erläutert, die die Grundlage des systemischen Denkens dieser Geschäftsmodelltheorie darstellt (vgl. S. 13).
Im dritten Kapitel erklären die AutorInnen den Ansatz des Konzeptes des Geschäftsmodells in der Betriebswirtschaftslehre. In den Unterkapiteln wird ein Überblick über verschiedene Ansätze der bereits bestehenden Geschäftsmodelltheorien gegeben:
- Der Ressourcenbasierte Ansatz nach Penrose
- Der Aktivitätenbasierte Ansatz nach Amit und Zott
- Der Wertbasierte Ansatz nach Bieger und Reinhold
- Der Transaktionsbasierte Ansatz basierend auf Coase und Williamson
- Der Netzwerkbasierte Ansatz aufbauend auf der Netzwerktheorie
- Der integrative Ansatz als eine Mischform, insbesondere das Business Modell Canvas
Jeder dieser Ansätze wird erläutert und dessen Kernelemente dargestellt. Zum Abschluss eines jeden Ansatzes werden der Nutzen und die Grenzen des jeweiligen Konzeptes dargelegt (vgl. S. 15 - 29).
Die Vorteile der systemischen Geschäftsmodelltheorie aus Sicht der AutorInnen werden im vierten Kapitel aufgezeigt. Die AutorInnen beziehen sich hier auf die Theorie im Sinne von Luhmann (vgl. S. 31). Es werden vier miteinander verknüpfte und sich bedingende Strukturtypen des Geschäftsmodells bestimmt: die Entscheidungsprogramme, die Strukturen im Sinne von Kommunikationswegen, das Personal des Geschäftsmodells und die Unternehmenskultur. Des Weiteren zeigen die AutorInnen ihr Verständnis eines Geschäftsmodells auf. Schaut und Oehm erläutern zudem, dass ihre Modelltheorie als Instrument zu verstehen ist, das Zusammenhänge und Vernetzungen im Unternehmen erkennt (vgl. S. 35).
Das Kapitel fünf beginnt zunächst mit einer Einführung in die Begriffe „Form“ und „Elemente“. Die beiden folgenden Unterkapitel widmen sich zuerst den Relationen der Subsystemen des Geschäftsmodells und im weiteren den Subsystemen des Geschäftsmodells. Schaut und Oehm zeigen hier die Zusammenhänge und Wichtigkeit der verschiedenen Kommunikationssysteme auf. Sie sehen sie als „[…] Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit des Systems“ (S. 44).
In Kapitel sechs gehen die AutorInnen auf die Personalauswahl in einem Unternehmen ein. Die Personen werden von den AutorInnen als eine entscheidende Rolle gesehen, die durch ihr Handeln maßgeblich auf die Strukturen einwirken (vgl. S. 52).
Dem Einfluss der Unternehmenskultur auf ein Geschäftsmodell widmen sich Schaut und Oehm im siebten Kapitel. Hier wird die Theorie von Schein als Grundlage herangezogen (vgl. S. 55).
Im achten Kapitel behandeln die AutorInnen das Entscheidungsprogramm, „[…] das zentrale Konzept des Geschäftsmodells“ (S. 59). Zu Beginn gehen Schaut und Oehm den Fragen nach: Was sind Entscheidungen, Was sind Entscheidungsprogramme, Worauf basieren diese? Im ersten Unterkapitel „Grundmodell des Entscheidungsprogramms“ werden die gewichtigen Begriffe des Geschäftsmodellansatzes betrachtet sowie das Entscheidungsprogramm des Geschäftsmodells intensiv ausgeführt. Dies geschieht auf der systemtheoretischen konstruktivistischen Theorie. Das zweite Unterkapitel behandelt die Prämissen und Kriterien des Entscheidungsprogramms. Laut den AutorInnen bestimmen Entscheidungsprämissen „welche Entscheidungen zulässig sind“ (S. 76). Schaut und Oehm betonen in diesem Abschnitt, dass die Individualität eines Geschäftsmodells durch Entscheidungsprämissen entsteht (vgl. S. 77).
Kapitel neun ist das umfassendste Kapitel. Die AutorInnen beginnen mit einer Einführung von Geschäftsmodellinnovationen. Des Weiteren untergliedert sich das Kapitel in zwei Unterkapitel. Im ersten Unterkapitel wird ein zirkulär konstruierter Geschäftsmodellinnovationsprozess aufbauend auf der Evolutionstheorie dargestellt. Dieser Prozess ist in drei Hauptphasen gegliedert (S. 90). Nach einer kurzen Einführung in die drei Hauptphasen erfolgt zunächst ein Abschnitt „Koevolution und Emergenz“. Diese Phänomene werden ausführlich beschrieben. Das Erklärungsprinzip der Koevolution wird als entscheidend im Verständnis der Geschäftsmodellinnovationen dargestellt. Schaut und Oehm nennen hier drei Perspektiven der Koevolution: die Koevolution der Strukturtypen des Geschäftsmodells mit externen Umwelten, die Koevolution der Strukturtypen untereinander innerhalb des Systems und die Koevolution der Strukturtypen innerhalb der einzelnen Strukturtypen. Auf diese Perspektiven wird von den AutorInnen intensiv eingegangen (vgl. S. 96 ff.). Beim zweiten Phänomen der Emergenz, zeigen die AutorInnen die Voraussetzungen von gleichzeitigen Veränderungen auf allen Ebenen für die Entstehung einer Geschäftsmodellinnovation auf (vgl. S. 103). Das erste Unterkapitel schließt mit einer ausführlichen Beschreibung der drei Hauptphasen einer Geschäftsmodellinnovation ab: Irritation und Variation, Selektion und Destruktion sowie Retention und Diffusion (vgl. S. 104 ff.) Im zweiten Unterkapitel beschäftigen sich die AutorInnen mit dem Thema Geschäftsmodellinnovationen als Zweckprogramm. Laut Schaut und Oehm entstehen Geschäftsmodellinnovationen nur durch aktive Steuerung und Planung. Sie passieren nicht plötzlich (vgl. S. 121). Die AutorInnen beschreiben in diesem Kapitel zudem ein abgeleitetes Anwendungsmodell für den Geschäftsmodellinnovationsprozess. Sie unterscheiden vier Entscheidungen. Jede dieser Entscheidungsphasen erhöht den Reifegrad des Systems (vgl. S. 123).
Mit der Thematik, wie Leadership zusätzlich ein Geschäftsmodellprozess befördert und verstärkt, befasst sich das Kapitel zehn. Zudem gehen die AutorInnen hier darauf ein was eine zentrale Rolle bei der Führung im Zusammenhang von Geschäftsmodellinnovationen spielt. Hier nennen sie „[…] der Wille der Führung, das Vertrauen der und zur Führung und zum sozialen System sowie der Sinn der geplanten Geschäftsmodellinnovation“ und legen diese anschließend näher dar. Die AutorInnen beschließen ihre Darlegungen mit dazugehörigen Reflexionsfragen (vgl. S. 143 ff.). Das Buch endet mit einer Übersicht von verwendeten Symbolen, die in Abbildungen des gesamten Werkes benutzt werden.
Diskussion
Das knapp 150 Seiten starke Buch im Taschenbuchformat aus dem Bereich Management und Organisationsberatung ist gerade im Kontext der globalen Pandemie am Puls der Zeit. Eben solche externen Veränderungen der Umwelt sind Beschleuniger für Geschäftsmodellinnovationen. Dies zeigen Schaut und Oehm in ihrem Buch aus der Reihe der systemischen Forschung des Carl-Auer Verlag sehr deutlich auf und deshalb ist es gerade im aktuellen Bezugsrahmen der Corona-Pandemie ein großer Gewinn im aktuellen Diskurs. Die beruflichen Erfahrungen und Kompetenzen der AutorInnen werden im Buch sehr deutlich. Schnell wird den LeserInnen klar, dass es sich um ein Fachbuch handelt und die AutorInnen über Sachverhalte schreiben, von denen sie theoretisches und praktisches Fachwissen besitzen. Der Schreibstil ist an der Zielgruppe von Fachkundigen aus Betriebswirtschaft und Management orientiert. Dies macht sich unter anderem durch die verwendeten Fachbegriffe bemerkbar. Das Buch ist strukturiert aufgebaut. Die Analysen, Modelle und Theorien werden durch direkte Zitate aus dem wissenschaftlichen Kontext, z.B. Luhmann und Schein, immer wieder ergänzt. Abbildungen mit eigener Symbolik, visualisieren die Theorie der Geschäftsmodellinnovation. Besonders wertvoll sind die Seiten mit den „Leitgedanken im Hinblick auf Geschäftsmodellinnovationen“. Mit diesen schließen jeweils die Kapitel fünf bis zehn ab. Diese sind kurz, prägnant und leicht verständlich gehalten und somit auch zugänglich für Laien. Das Ziel des Buches, aufzuzeigen wie Geschäftsmodelle funktionieren, sowie, dass das Betrachten des Gesamtsystems einer Organisation von hohem Nutzen ist, wird klar erreicht. Schaut und Oehm zeigen auf, dass sich Geschäftsmodelle beständig fortentwickeln müssen, bedingt durch die sich stets verändernden Rahmenbedingungen und die aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt. Als gewichtigen Aspekt steht hier für Schaut und Oehm das „[…] Vertrauen in den zukünftigen Erfolg“ (S. 142). Ebenso eine wichtige Rolle sprechen die AutorInnen den Entscheidungen zu. Nur sie allein sind in einer Organisation bedeutsam.
Fazit
Die AutorInnen beleuchten und analysieren Geschäftsmodelle und ihre Innovationen. Dies geschieht aufbauend auf der Systemtheorie. Das Buch verschafft fachkundigen LeserInnen einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge eines Geschäftsmodells und einer sich verändernden Umwelt. Gerade im Hinblick auf die Veränderungen für Organisationen durch die globale Pandemie ist das Buch eine empfehlenswerte Vertiefung im Bereich der Organisationsberatung.
Rezension von
Stephanie Vollrath
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Zitiervorschlag
Stephanie Vollrath. Rezension vom 03.08.2022 zu:
Maximilian Schaut, Dorothea Oehm: Und sie verändern sich doch …!? Geschäftsmodelle, soziale Systeme und Innovation aus systemischer Perspektive. Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
ISBN 978-3-8497-9051-6.
Reihe: Verlag für systemische Forschung.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29499.php, Datum des Zugriffs 28.11.2023.
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