Veit Hitziger: Teilhabe praktizieren in der Eingliederungshilfe
Rezensiert von Tamara Glasl, 08.08.2022

Veit Hitziger: Teilhabe praktizieren in der Eingliederungshilfe. Herausforderung für die Heilerziehungspflege. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2022. 155 Seiten. ISBN 978-3-17-040780-0. 29,00 EUR.
Thema
Das Buch „Teilhabe praktizieren in der Eingliederungshilfe, Herausforderungen für die Heilerziehungspflege“ beschäftigt sich mit dem Berufsalltag von Fachkräften der Eingliederungshilfe. Der Autor, Veit Hitziger, befasst sich mit Teilhabe, Partizipation und Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Das Buch biete Anleitungen zur Reflexion und bietet Handlungsoptionen für Praktiker*innen. Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf der professionellen Haltung von Heilerziehungspfleger*innen und regt die Fachkräfte durch Reflexion an, diese weiterzuentwickeln.
Autor
Veit Hitziger, ist selbst Heilerziehungspfleger und Sozialarbeiter. In seinem Buch führt er immer wieder Erlebnisse aus dem Berufsalltag an und verdeutlicht so seine Anliegen und Forderungen an die Fachkräfte.
Inhalt
Das Buch besteht aus einem Vorwort und 12 Kapiteln gefolgt von einer Literaturübersicht und einem Register, in dem die zugrundeliegenden Modelle und Theorien jederzeit nachgeschlagen werden können.
Das Vorwort schafft bereits ein erstes Verständnis für die kommenden Kapitel. Veit Hitziger geht hier auf die Ziele des Buches ein. Leser*innen sollen angeregt werden über ihre Arbeit und ihre Haltung nachzudenken. Dies soll in erster Linie durch Reflexion gelingen. Das Buch versucht einen ersten Ausganspunkt für das Umdenken der Praxis zu schaffen.
Im ersten Kapitel, Ein Tag im Heim, gibt der Autor einen ersten Einblick in die Praxis. Er konstruiert eine Geschichte in der die Leser*innen einen Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf während seinem Alltag begleiten können.
Im folgenden Kapitel, Fazit der Geschichte, arbeitet der Autor die entstandenen Gefühle der Leser*innen auf. Er nähert sich hierbei dem Thema Reflexion und bespricht verschiedene Handlungsoptionen der Fachkräfte.
Es folgt ein Gedankenexperiment. Hier gibt es erste Anleitungen zur Reflexion und kritische Anregungen zur eigenen Haltung als Fachkraft.
Selbstreflexion, stellt die Kernkompetenz dar, die das Buch vermitteln möchte. Der Autor stellt im vierten Kapitel verschiedene Reflexionsmöglichkeiten vor.
Es folgt ein Kapitel zu den Rechtlichen Gedanken. Hier geht der Autor auf das Bundesteilhabegesetz (BTHG) und die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ein.
Das sechste Kapitel, Leitideen, widmet sich den Grundideen der Eingliederungshilfe. Veit Hitziger stellt hier eine Vielzahl von Theorien und Methoden vor und verdeutlicht deren Grundlagen an praktischen Beispielen.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit Machtmissbrauch und Stigmatisierung. Hitziger geht hier auch auf unauffällige, kleinere Arten von Machtausübung ein und sensibilisiert so die Leser*innen für die Folgen ihrer Arbeitshaltung.
Im Kapitel, Sich selbst bewusst sein, vertieft das Buch Theorien und Methoden in der Behindertenhilfe. Es gibt Anregungen, wie man aus der Vielzahl, die für das Individuum und die Situation passende Methode auswählen kann und wie man lernt mit Fehlern umzugehen.
Auf den folgenden Seiten, widmet sich der Autor den Themen Stress und Alltag. Ziel ist es trotz schwieriger Situationen, wie Personalmangel, methodisch und fachlich korrekt zu arbeiten.
Das anschließende Kapitel, Akzeptanz von Behinderung, betrachtet die Verstrickung und Abgrenzung zwischen Diagnosen mit Symptomen und Verhalten als Ausdruck von einer individuellen Persönlichkeit.
Im vorletzten Kapitel, Der Weg zur Veränderung, widmet sich das Buch der Frage, wie kommt man von Selbstreflexion zu einer professionellen Haltung? Fachkräfte sollen hierbei einen Fokus auf die Befähigung ihrer Klient*innen legen. Das Wunsch- und Wahlrecht steht im Mittelpunkt professionellen Handelns.
Der Autor, Veit Hitziger, beendet sein Buch inhaltlich mit einem Fazit. Hier betont er erneut die Relevanz von Selbstreflexion und Haltung für die Soziale Arbeit.
Diskussion
Das Buch „Teilhabe praktizieren in der Eingliederungshilfe, Herausforderungen für die Heilerziehungspflege“ setzt sich selbst als Ziel, die Einstellung der Leser*innen zu verändern und zum Nachdenken anzuregen. (vgl. S. 7–9). Diesem Anspruch wird das Buch gerecht.
Der Einstieg in das Buch erfolgt durch eine Geschichte. Der Blick durch die Brille eines Menschen, der selbst in einer besonderen Wohnform lebt (vgl. S. 11–17), stellt einen sehr gelungenen Perspektivwechsel da. Man bleibt mit guten und mit schlechten Gefühlen zurück. Gefühle, die der Autor geschickt im darauffolgenden Kapitel aufgreift und für den ersten Kontakt zur Reflexion nutzt (vgl. S. 18–20).
Veit Hitziger, scheut sich nicht vor unangenehmen Themen, wie Machtmissbrauch. Dabei sucht er nach den alltäglichen, unauffälligen und kleinen Formen der Ausübung von Macht (vgl. S. 70–74), die einem sonst im Berufsalltag nicht so schnell und nicht so einfach bewusstwerden, aber nicht weniger folgenreich für Klient*innen sein können. Das Geschick des Buches in diesem schwierigen Kapitel liegt darin, nicht zu verurteilen, sondern Anregungen zur Verbesserung an die Hand zu geben. Das Buch regt Leser*innen dazu an Fehler einzugestehen und mutig neue Wege zu erkunden und natürlich zu reflektieren (vgl. S. 104).
Das Buch ist kein typisches Fachbuch und hat trotzdem, oder gerade deswegen seine Berechtigung, um Praktiker*innen anzusprechen. Das Buch ist als angenehme und leichte Fachlektüre ebenso für Fachkräfte, als auch Personen in der Ausbildung geeignet. Ein Buch von einem Mann aus der Praxis, für die Praxis. Ein teilweise sehr humorvolles Werk mit viel Platz zwischen den Zeilen. Das einen sehr wichtigen Appell an das gesamte Umfeld von Menschen mit Beeinträchtigungen ausspricht: „Man sollte nicht die eigene Routine leben, sondern die der Klienten“ (S. 131).
Fazit
Das Buch lässt einen, mit seiner stark-reflexiven Ausrichtung, seine eigene Arbeitsweise hinterfragen und spielt dabei geschickt mit den Gefühlen und Gedanken der Leser*innen. Der Autor, Veit Hitziger schafft es, in seinem sowohl humorvollen und gleichzeitig gesellschaftskritischen Buch unangenehme Wahrheiten anzusprechen, ohne abzuschrecken. Ein eher untypisches Fachbuch, für das man ein gewisses Faible für Reflexion haben sollte.
Rezension von
Tamara Glasl
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