Klaus Grunwald: Management sozialwirtschaftlicher Organisationen
Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 07.07.2022
Klaus Grunwald: Management sozialwirtschaftlicher Organisationen. Eine Einführung.
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
(Wiesbaden) 2022.
ISBN 978-3-658-26340-9.
Reihe: Basiswissen Sozialwirtschaft und Sozialmanagement.
Der Autor
Klaus Grunwald, Diplom-Pädagoge und Professor an und Prodekan der Fakultät Sozialwesen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Er ist Leiter des Studiengangs „Soziale Arbeit in Pflege und Rehabilitation“ und wirkt in verschiedenen Aufsichtsgremien mit. Mittlerweile ist er auch Autor einer beachtlichen Zahl von Publikationen im Bereich der Sozialwirtschaft.
Thema und Zielsetzung
Der gedankliche Ausgangspunkt dieses Buches sind die Organisationen der Sozialwirtschaft, in denen fachliche Arbeit erbracht wird und die es zu gestalten bzw. zu steuern gilt. Weiter gedacht geht es darum, wie Führung/Management konzipiert werden muss, um die Steuerung und Gestaltung (in) der Organisation professionell zu gewährleisten. Management/Führung und Organisation sind eng miteinander verbunden. Wandelt sich die Organisation und das Organisationsverständnis, so muss sich auch das Verständnis von Management incl. Führung verändern, da es in dieser Organisation auch Steuerungsaufgaben übernimmt. In dieser Publikation wird ein Management- und Führungsverständnis vertreten, das Leitungshandeln mit seinen prägenden Spannungsfeldern ausdrücklich bejaht. Die zentrale Herausforderung für Führungskräfte besteht aus dieser Sicht darin, Gegensätze und Polaritäten des Führungsalltags nicht eliminieren zu wollen, auch wenn sie oft fürs erste einmal „stören“ und herausfordern. Es gilt sie als ständige Anforderung und Herausforderung für professionelles Leitungshandeln und als Impuls für eine Weiterentwicklung von Organisationen zu begreifen.
Der Autor hatte beim Verfassen des Textes konkrete Personen, Teilnehmende aus vielen Seminaren insbesondere im Rahmen von Masterstudiengängen, aber auch an Theorie interessierte LeserInnen, (angehende) Führungskräfte von freien wie privaten Trägern und aus Verwaltungen als Leser- und Hörerschaft vor seinen Augen, weshalb diese Publikation nicht von einem institutionellen, sondern einem funktionalen Managementverständnis ausgeht. Management im funktionalen Sinn ist nicht auf bestimmte Personen oder Positionen ausgerichtet, sondern bezieht sich auf alle Funktionen und Aufgaben eines Unternehmens bzw. der sozialen Dienstleister, die für die Führung eben dieser sozialwirtschaftlichen Organisationen notwendig sind. Aus dieser Perspektive wird nicht die Unterscheidung zwischen den Leitungskräften einerseits und den Fachkräften andererseits fokussiert, sondern Management wird als Querschnittsaufgabe verstanden, die sich auf verschiedenen Hierarchieebenen und oft auch in Kombination mit Fachaufgaben spezifisch darstellt. Führungskräfte haben die Aufgabe, die Vielfalt von Ansprüchen und Zielen insbesondere der Umwelt und der Mitarbeitenden wahr- und ernstzunehmen, um sie so handhabbar zu machen. Sie sind gefordert, allgemeine und diffuse Paradoxien, die sich der Einrichtung stellen, in formulier- und thematisierbare Spannungsfelder zu überführen, die gegebenenfalls gemeinsam bearbeitet werden können. Eine wesentliche Funktion von Führungskräften in der Sozialwirtschaft besteht darin, dafür zu sorgen, dass solche relevanten Spannungsfelder gesehen und in angemessener Form angegangen werden.
Inhaltlicher Überblick
Auf die zentralen Begriffe Organisation, Management und Führung sowie Steuerung führt das erste Kapitel der Publikation ein. Dem folgt im zweiten Kapitel eine Betrachtung von Organisationen der Sozialwirtschaft aus der Sicht verschiedener organisationssoziologischer Konzepte, insbesondere der Organisationsgesellschaft, der Dynamik in und von Organisationen, der Politik in und von Organisationen sowie der Organisations- oder Unternehmenskultur.
Anschließend werden im dritten Kapitel die Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens als sozialwirtschaftliche Unternehmen und als Nonprofit-Organisationen betrachtet und diskutiert. Daran folgt eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen der ökonomischen Rationalität. Ebenfalls in diesem Kapitel werden unterschiedliche Begrifflichkeiten und Konzepte zwischen Sozialmanagement und Management des Sozialen vorgestellt, um am Ende Leitungshandeln fachlich-sozialpädagogisch zu verorten.
Das vierte Kapitel knüpft an die Ausführungen zu organisationssoziologischen Konzepten an und widmet sich zunächst Grundpositionen systemischen Managements für die Sozialwirtschaft. Weiterhin geht es um Grundfragen bzw. Probleme der Organisationsgestaltung sowie um Aufgabenfelder von Führung im Kontext eines General Managements. Diskutiert werden in diesem Kapitel auch der Weg vom Entwicklungsorientierten Management zur Agilität sowie das Konzept des Dilemmatamanagements.
Interessant wird dann im fünften Kapitel als Exkurs das Change Management als Entwicklung von der Organisationsentwicklung weg, in und von sozialwirtschaftlichen Organisationen, seinen Prinzipien und Erfolgsfaktoren. Dieses Kapitel schließt mit der Weiterentwicklung eines Konzepts der Organisationsdiagnose zu einem pragmatischen Modell des Managements in und von Organisationen der Sozialwirtschaft ab.
Während im zweiten und vierten Kapitel gedanklich von der Organisation ausgegangen wird und dann im fünften Kapitel die Möglichkeiten ihrer Veränderung durch Change Management als Exkurs diskutiert werden, stehen im sechsten Kapitel Grundfragen der Personalführung in sozialwirtschaftlichen Organisationen im Mittelpunkt. Auf die Ausführungen zum Begriff der Personalführung folgt ein Rahmenmodell, in dem Führung mit den Dimensionen der Persönlichkeit, dem Verhalten, der Situation und dem Erfolg zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dazu kommt noch das Thema der Personalführung und der Menschenbilder. Nach einem weiteren kurzen Exkurs zum Leitungsverständnis der Themenzentrierten Interaktion geht es abschließend um verschiedene Wirkungsmechanismen der Personalführung wie beispielsweise Weisung, symbolische Führung oder transaktionaler versus transformationaler Führung.
Dem schließt sich das siebte Kapitel zur Professionalität und den Führungskompetenzen von Leitungskräften in sozialwirtschaftlichen Organisationen an. Nach der Differenzierung der Begriffe Kompetenz und Performanz geht es um Dimensionen professioneller Handlungskompetenzen und ihre Verortung auf den Handlungsebenen. In der Folge werden zunächst in einem kurzen Exkurs Kompetenz und Professionalität in der Sozialen Arbeit und sodann auch die Professionalität von Leitungskräften diskutiert. Der nächste Abschnitt zu Professionalität und Dilemmatamanagement bildet den Übergang des Kapitels zu spezifischen Führungskompetenzen von Leitungskräften in Einrichtungen der Sozialwirtschaft.
Der Ausblick widmet sich dem Management in und von sozialwirtschaftlichen Organisationen im Zeichen der postheroischen Führung, um den thematischen Bogen dieses Buches abzurunden.
Diskussion
Das Veröffentlichen des Buches fällt mit dem „angeblichen Ende von Covid“ zusammen und auch mit der Thematik rund um die Versorgungssicherheit. Dazu passt auch der Schwerpunkt der Darstellungen mit der funktionalen Betrachtung einer Organisation, was der gängigen Lehre entspricht. Aus dem steigenden Personalmangel heraus ist bei der funktionalen Darstellung der Organisationinsbesondere die Personalwirtschaft im Blickpunkt. Allerdings lässt auch diese Publikation – wie übrigens alle anderen Autoren auch - den Teil der Beschaffung als zweiten großen Kostenfaktor vermissen. Die Weiterentwicklung der Theorie in Richtung der Prozessorganisation wird leider nicht dargestellt, obwohl diese insbesondere in Hinblick auf die Weiterentwicklung der Dienstleistungen im Bereich der sozialen Dienstleister an Bedeutung gewinnt. Zumindest wäre eine Skizzierung der Prozessorganisation außerhalb der Ausführungen aus Sicht der Organisationssoziologie eine Bereicherung für das studentische Klientel im Denken des Erstellens von (sozialen) Dienstleistungen. Es steht spätestens jetzt nach Covid eine noch komplexere Arbeitswelt im Zuge der Digitalisierung, dem nachhaltigen Gestalten der Arbeitswelt und dem steigenden Personalmangel vor der Tür. Diese Ergänzung dürfte wohl in der ersten Überarbeitung enthalten sein. So gesehen ist die Publikation ein guter Überblick zum Stand der funktionalen Organisation und der Organisationssoziologie aus Sicht der Sozialarbeit.
Auch wenn es sich um eine Einführung und um eine Darstellung theoretischer Konzepte geht, die sich auch in den Veröffentlichungen mehrerer bekannter Autor*innen widerspiegeln, so darf trotzdem resümierend und insbesondere weiterführend in die nahe Zukunft danach gefragt werden, wie sich das Management sozialwirtschaftlicher Organisationen weiterentwickelt. Auch wenn die hier eingearbeiteten AutorInnen beim Management der sozialen Dienstleister eine gute Basis für ein Verständnis dieses Wirtschaftsbereiches vermitteln, wäre es wünschenswert für die StudentInnen, dass einerseits auf das Thema der Beschaffung als zweitwichtigster Kostenfaktor und andererseits an der Digitalisierung als brennendes Thema der Gegenwart und Zukunft stärker eingegangen werden. Gleiches gilt für die Prozessorganisation als Vorstufe zur agilen Organisation. Für StudentInnen ermöglicht dieser Band einen guten rückblickenden Überblick auf den Stand und die Entwicklung von sozialwirtschaftlichen Organisationen.
Fazit
Wenn hier das Augenmerk bei StudentInnen auf SozialarbeiterInnen gelegt wird, so sollte auch der Aspekt der Beschaffung stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Der Aspekt des umständlichen Beschaffens und Lagerns sollte so auch für diese Zielgruppe greifbarer werden. Auch für die Führungskräfte gäbe es ein lohnendes Betätigungsfeld und auch die Anwendungsbereiche der Digitalisierung würden so eine zukünftige Herausforderung darstellen.
Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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