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Klaus Grunwald: Management sozialwirtschaftlicher Organisationen

Rezensiert von Prof. Dr. Stefan Gesmann, 18.08.2022

Cover Klaus Grunwald: Management sozialwirtschaftlicher Organisationen ISBN 978-3-658-26340-9

Klaus Grunwald: Management sozialwirtschaftlicher Organisationen. Eine Einführung. Springer VS (Wiesbaden) 2022. 228 Seiten. ISBN 978-3-658-26340-9. D: 18,68 EUR, A: 20,55 EUR, CH: 22,50 sFr.
Reihe: Basiswissen Sozialwirtschaft und Sozialmanagement.

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Zum Thema

Im Zentrum des Lehrbuches „Management sozialwirtschaftlicher Organisationen“ steht die Frage wie Führung bzw. Management zu konzipieren ist, um die Steuerung und Gestaltung von Organisationen der Sozialwirtschaft professionell zu gewährleisten (vgl. S. VI). Bereits in der Einführung des Lehrbuches macht der Autor deutlich, dass es sich bei der vorliegenden Publikation nicht um eine Ansammlung von Managementinstrumenten (bzw. -moden) handelt, sondern vielmehr die theoriegeleitete Auseinandersetzung mit Managementfragen im Vordergrund steht. Da die Annahmen der Systemtheorie besonders geeignet erscheinen, um den zahlreichen Paradoxien und Dilemmata im Führungsalltag adäquat zu begegnen, räumt der Autor diesem Theoriestrang besondere Bedeutung ein. Es ist folglich auch Ziel der vorliegenden Publikation ein Management- und Führungsverständnis zu entwickeln, „das die Spannungsfelder, die (das, S.G.) Leitungshandeln prägen, ausdrücklich bejaht“ (S. VII).

Zum Autor

Dr. rer. soc. Klaus Grunwald ist seit 2001 Professor mit dem Schwerpunkt Sozialökonomie an der Fakultät Sozialwesen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart. Darüber hinaus ist er Autor und Herausgeber zahlreicher Fachpublikationen zum Management in sozialwirtschaftlichen Organisationen.

Entstehungshintergrund

Den Entstehungshintergrund der Publikation fasst der Autor wie folgt zusammen: „Mein Ziel beim Verfassen dieser Publikation war, die verschiedenen, mir bedeutsam erscheinenden theoretischen Zugänge zum Management sozialwirtschaftlicher Organisationen in einen für mich stimmigen Gesamtzusammenhang mit spezifischen Akzenten zu bringen, die mir bislang in der Lehre gefehlt haben.“ (S. VI). Eine besondere Bedeutsamkeit nimmt hierbei die reflektierte Auseinandersetzung mit systemimmanenten Paradoxien und Spannungsfeldern im Alltag von Leitungskräften ein.

Aufbau

Die vorliegende Publikation ist in acht Kapitel gegliedert. Nach einer Einführung in zentrale Grundbegriffe (Kapitel eins), werden Organisationen der Sozialwirtschaft in Kapitel zwei aus organisationssoziologischer Perspektive betrachtet. Kapitel drei ordnet das Management in sozialwirtschaftlichen Organisationen zwischen den Polen Ökonomie einerseits und sozialpädagogischer Fachlichkeit andererseits ein. Im vierten – und umfassendsten – Kapitel werden nicht nur die Annahmen eines systemtheoretischen Managementverständnisses, sondern auch konkrete Grundfragen bzw. Probleme der Organisationsgestaltung vorgestellt. Ein Exkurs zum Thema Change Management erfolgt in Kapitel fünf. Grundfragen der Personalführung werden in Kapitel sechs diskutiert, gefolgt von Kapitel sieben, in dem sich der Autor mit Professionalität und Führungskompetenzen von Leitungskräften auseinandersetzt. Das abschließende achte Kapitel bietet einen Ausblick und führt zugleich in ein postheroisches Führungsverständnis ein.

Zum Inhalt

In Kapitel eins widmet sich der Autor den Grundbegriffen ‚Organisation‘, ‚Management und Führung‘ sowie ‚Steuerung‘. Neben der klassischen Unterscheidung zwischen tätigkeitsorientiertem, instrumentellem und institutionellem Organisationsverständnis, wird auch auf verschiedenste Managementverständnisse verwiesen. Darüber hinaus setzt sich der Autor kritisch mit dem Steuerungsbegriff auseinander. Hierbei kommt er zu dem Ergebnis, dass angesichts der „Komplexität, der mangelnden Durchschau- und Verstehbarkeit wie auch der Notwendigkeit permanenten Wandels und permanenter Flexibilität sozialer Systeme (…) die Steuerung von sozialwirtschaftlichen Organisationen (…) nicht (plan-)deterministisch gedacht werden“ kann (S. 11). Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit sind folglich dafür zuständig „das Unsteuerbare zu steuern“ (S. 11).

Aufbauend auf Kapitel eins erfolgt in Kapitel zwei eine dezidiert organisationssoziologische Betrachtungsweise von Einrichtungen und Diensten in der Sozialwirtschaft. Nach einer kurzen Einführung in das Konzept der Organisationsgesellschaft, widmet sich der Autor Ansätzen des organisationalen Lernens. Wenngleich diese zunehmend von der „Managementmode“ der agilen Organisation verdrängt werden, wird plausibel aufgezeigt, welches Potenzial dem Ansatz der lernenden Organisation nach wie vor attestiert werden kann. Das in Kapitel eins skizzierte reflektierte Steuerungsverständnis des Autors wird auch in Kapitel zwei deutlich, beispielweise, wenn in Bezug auf das Lernen von Organisationen festgestellt wird, dass sich Lernprozesse weder „von außen oder von oben fremdbestimmen und steuern“ (S. 23) lassen. Auch in Bezug auf die Beeinflussung von Organisations- oder Unternehmenskulturen verweist der Autor zurecht darauf, dass die Kultur einer Organisation nicht „instrumentalisierbar“ (S. 26) sei, was aber nicht ausschließt, dass Kulturen „offen für (…) Lernprozesse und dadurch in gewisser Weise veränderbar und entwicklungsfähig“ (S. 26) sind.

Im dritten Kapitel ordnet der Autor Management in und von sozialwirtschaftlichen Organisationen zwischen den Polen ‚Ökonomie‘ und ‚sozialpädagogischer Fachlichkeit‘ ein. Welche unterschiedlichen – und sich zum Teil durchaus widersprechenden – Rationalitäten Nonprofit-Organisationen ausgesetzt sind und welche Konsequenzen hiermit für Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens verbunden sind, wird äußerst plausibel vorgestellt. Nach einer anschließenden Differenzierung der Begriffe ‚Sozialmanagement‘, ‚Management in Nonprofit-Organisationen‘, ‚Management in der Sozialwirtschaft‘ und ‚Management des Sozialen‘, positioniert sich der Autor deutlich hinsichtlich der wechselseitigen Bezogenheit von Fachlichkeit und organisationaler Gestaltung auf Managementebene: „Beim Management sozialwirtschaftlicher Organisationen geht es also nicht nur um eine effiziente, sondern vor allem um eine effektive Leistungserbringung, die maßgeblich an fachlichen Zielen und rechtlichen Vorgaben zu messen ist“ (S. 53).

Im vierten Kapitel des Buches – das mit 52 Seiten das umfassendste Kapitel der vorliegenden Publikation darstellt – widmet sich der Autor dem Management sozialwirtschaftlicher Organisationen aus einer systemtheoretischen Perspektive. Nach einer Einführung in das Management-Verständnis der St. Galler Managementschule, werden fünf Grundfragen der Organisationsgestaltung präsentiert, aus systemtheoretischer Perspektive interpretiert und auf das Feld der Sozialwirtschaft transferiert. Besonders hervorzuheben ist, dass der Autor immer wieder Bezug zu neueren (systemtheoretischen) Ansätzen der Unternehmensführung nimmt, seien es das Konzept des ‚kollegial geführten Unternehmens‘, Ansätze des ‚lateralen Führens‘, ‚New Organizing-Ansätze‘, das Konzept des ‚Musterbrechens‘, ‚Organizational Governance‘, ‚Organisationale Resilienz‘, ‚hybride Organisationen‘ oder Ansätze wie ‚Agilität‘ oder ‚Ambidextrie‘. Hierbei gelingt es dem Autor die zahlreichen Ansätze reflektiert einzuordnen. Besonders hervorzuheben ist auch das Kapitel 4.5, das sich dem „Dilemmatamanagement“ (S. 92) – also der „permanenten Auseinandersetzung mit Widersprüchen“ (S. 99) innerhalb des Managements – widmet. Blickt man in die Managementpraxis von Organisationen der Sozialwirtschaft, so fällt immer wieder auf, dass Leitungskräften der Umgang mit sich widersprechenden Anforderungen (zurecht) schwerfällt. Die Funktion von Manager*innen als „Paradoxieentfaltungsinstanz“ (S. 99) einzuordnen, ist daher hilfreich, um hier auch in der Praxis einen Diskurs über Rolle und Aufgabe von Leitungskräften zu entfalten.

Ein Exkurs zum Thema Change Management wird in Kapitel fünf eingeführt. Die Notwendigkeit hierfür begründet der Autor mit der „steigenden Bedeutung des produktiven Umgangs (…) mit den wachsenden Wandelanforderungen sowie des dynamischen Charakters von (sozialwirtschaftlichen) Organisationen“ (S. 111). Hierbei werden zunächst die Begriffe Organisationsentwicklung, Unternehmensberatung und Change Management kritisch auf den Prüfstand gestellt und – soweit möglich – voneinander abgegrenzt. Der Autor spricht sich dann für ein „weites Verständnis von Change Management (aus, S.G.), das (…) unterschiedliche theoretische und methodische Zugänge“ (S. 115) verknüpft. Basierend auf der Leitformel „Keine Maßnahme ohne Diagnose“, greift der Autor anschließend auf das Modell der Organisationsdiagnose zurück, wie es insbesondere von Becker und Langosch (2002) geprägt wird und überträgt es gewinnbringend auf Organisationen der Sozialwirtschaft.

Kapitel sechs widmet sich Grundfragen der Personalführung in sozialwirtschaftlichen Organisationen. Direkt zu Beginn des Kapitels wird der Ansatz der Personalführung vom Ansatz des Personalmanagements abgegrenzt, verbunden mit dem Hinweis, dass „dieser Aspekt des Managements (der des Personalmanagements, S.G.) von Einrichtungen der Sozialwirtschaft in diesem Band nicht ausführlich thematisiert werden kann“ (S. 134). Besonders hervorzuheben sind die im Kapitel 6.5 aufgeführten „Wirkungsmechanismen der Personalführung“ (Weisung, Verstärkung, Vorbild, Identifikation und Charisma, Symbolisierung und symbolische Führung sowie transaktionale vs. transformationale Führung). Wenngleich diese „mitunter nicht trennscharf unterschieden werden können“ (S. 156), verdeutlichen sie nicht nur das Spektrum von möglichen Führungsansätzen, sie bieten Leitungskräften zugleich die Möglichkeit, das eigene Führungsverhalten einzuordnen und einer kritischen Reflexion zu unterziehen.

Was Professionalität und Führungskompetenz von Leitungskräften in sozialwirtschaftlichen Organisationen kennzeichnet, ist Inhalt von Kapitel sieben. Nach einer einleitenden Differenzierung zwischen „Kompetenz“ und „Performanz“, findet eine erste Differenzierung professioneller Handlungskompetenzen statt, indem zwischen der Wissensebene (‚Kopf‘), der Ebene des Könnens (‚Hand‘) und der Ebene der Haltung (‚Herz‘) unterschieden wird. Zurecht wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass diese Differenzierung „primär für Sozialarbeiter*innen entwickelt (wurde, S.G.), (…) sich aber auch auf Leitungskräfte der Sozialwirtschaft übertragen“ lässt (S. 165). Nach einer kurzen Verknüpfung zwischen dem Konzept des Dilemmatamanagements und dem Diskurs um Professionalität in Kapitel 7.5, findet (in Kapitel 7.6) eine weitergehende Differenzierung von Führungskompetenzen statt.

Im abschließenden achten Kapitel wird dem*der Lesenden ein Ausblick angeboten. Hierbei unterstreicht der Autor erneut die Bedeutsamkeit von Theorien für den Managementalltag von Leitungskräften. Wenngleich aus ihnen i.d.R. nicht abzuleiten ist, was „nun ‚richtig‘ oder ‚zu tun‘ sei“ (S. 198), statten Theorien Leitungskräfte „mit unterschiedlichen ‚Brillen‘“ aus, „mit denen Situationen in spezifischer Weise gesehen und angegangen werden können“ (S. 198). Darüber hinaus präsentiert der Autor mit dem Ansatz des postheroischen Managements ein zusammenfassendes Führungsverständnis, das zentrale Eckpunkte der vorherigen Kapitel (hier insbesondere das Konzept des ‚Entwicklungsorientierten Managements‘ sowie der Ansatz des Dilemmatamanagements) aufnimmt. Postheroisches Management wird in diesem Zusammenhang als Haltung interpretiert, die dienlich ist, um „(…) die vielfältigen Dilemmata und Paradoxien bewusst wahrzunehmen und genauso reflektiert wie ausdauernd zu bearbeiten, ohne sich von ihnen paralysieren zu lassen und handlungsunfähig zu werden oder sich falschen Hoffnungen auf eine (noch dazu schnelle und umfassende) Lösung derselben hinzugeben“ (S. 200).

Diskussion

Zurecht verweist der Autor darauf, dass die „meisten der angeschnittenen Themen (…) für sich Gegenstand einer Monografie sein (könnten, S.G.)“, sie es folglich verdient hätten „ausführlicher dargestellt und diskutiert zu werden“ (S. VI). Neuere Ansätze wie ‚Agilität‘, ‚Ambidextrie‘ oder ‚Organisationale Resilienz‘ theoriegleitet zu betrachten, um so deren Sinn bzw. Unsinn für das Management von Organisationen der Sozialen Arbeit zu beleuchten, wäre ebenso interessant gewesen, wie eine vertiefende Auseinandersetzung mit den zahlreichen Herausforderungen rund um das Personalmanagement (Personal gewinnen, Personal halten, Personal entwickeln). Mit der vorliegenden Publikation ging es dem Autor aber vordergründig um eine „Zusammenschau verschiedener Themen und theoretischer Konzepte“ (S. VI). Dies gelingt ihm hervorragend. Zugleich stellt das vorliegende Lehrbuch auch eine ‚Zusammenschau‘ der umfassenden Forschungs- und Publikationsarbeiten des Autors dar. Bereits in der Einleitung verweist der Autor darauf, dass er sich bei einigen Kapiteln auch an früheren Publikationen anlehnt und diese im Zuge des Lehrbuchs weiterverarbeitet hat. Ein kurzer Blick in das Literaturverzeichnis zeigt, wie umfassend dieser Fundus an Veröffentlichungen ist. Wer sich folglich vertiefend mit einzelnen Themen und/oder Konzepten auseinandersetzen will, kann wahlweise auf vorherige Publikationen des Autors zurückgreifen oder sich aber von den zahlreichen anderen Quellen inspirieren lassen, die im Literaturverzeichnis aufgeführt werden. 

Zusammenfassend betrachtet, stellt der Autor mit dem vorliegenden Buch ein Managementverständnis vor, das der Komplexität des Steuerungsgegenstandes (Organisationen im Feld der Sozialwirtschaft) gerecht wird. Damit setzt sich die vorliegende Publikation deutlich von zahlreichen anderen Veröffentlichungen zum Thema Management von und in Organisationen der Sozialen Arbeit ab. Wenngleich die hierfür notwendige Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Theorien dem*der Lesenden bisweilen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit (und z.T. auch Anstrengung) abverlangt, gelingt es dem Autor stets seinem eigenen Anspruch gerecht zu werden, „trotz der Verarbeitung umfangreicher Literatur möglichst verständlich zu schreiben“ (S. IX).

Fazit

Die vorliegende Publikation stellt nicht nur einen Gewinn für Studierende in Masterstudiengängen dar, sie bietet auch Leitungskräften im Feld der Sozialen Arbeit eine hilfreiche Orientierung, um ein reflektiertes Managementverständnis zu entwickeln. Es ist daher zu hoffen, dass dieses Lehrbuch auf eine große Leserschaft trifft.

Rezension von
Prof. Dr. Stefan Gesmann
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Es gibt 1 Rezension von Stefan Gesmann.

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ISSN 2190-9245