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Silvia Mathys: Hallo Welt!

Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 26.08.2022

Cover Silvia Mathys: Hallo Welt! ISBN 978-3-07-210074-8

Silvia Mathys: Hallo Welt! Sozio-emotionales Lernen: 65 aktivierende Spiele : 4-12 Jahre. SCHUBI Lernmedien (Braunschweig) 2021. 112 Seiten. ISBN 978-3-07-210074-8. D: 29,95 EUR, A: 29,95 EUR, CH: 39,50 sFr.
Reihe: Praxisbuch.

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Thema

Menschen brauchen für ein erfülltes Leben in der Gemeinschaft Ausdauer, Empathie, Mut und Führungsqualitäten ebenso wie kognitive Fähigkeiten. „Menschen mit gut ausgebildeten sozio-emotionalen Kompetenzen sind aufmerksam, verantwortungsbewusst und reflektieren, welche Auswirkungen ihr Handeln auf andere Menschen und die Umwelt hat“ (Klappentext). Vorgelegt wird ein Praxisbuch mit 65 aktivierenden Spielen für Fach- und Betreuungspersonen in den Handlungsfeldern Schule, Hort und Krippe; für Spielleiter:innen von Freizeitaktivitäten sowie Fachleuten in der Sozialpädagogik und Schulsozialarbeit.

AutorIn oder HerausgeberIn

Silvia Mathys hat viele Berufe. Sie ist Pädagogin, Mediatorin, Supervisorin und arbeitet seit 20 Jahren als Schulleiterin in der Schweiz. Fünf Jahre lang war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität in Zürich tätig, dort im Bereich Gewaltprävention. Mathys Schwerpunkte sind die Themen Kommunikation, soziale Kompetenzen und Gewaltprävention.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist im Din A 4 Softcover Format erschienen und hat einen Umfang von 112 Seiten, die sich neben einem Vorwort und einem Anhang in 10 Kapitel gliedern. Am oberen Seitenrand ist die jeweilige Abschnittsüberschrift abgedruckt, das ist eine hilfreiche Orientierung bei der Beschreibung der Spiele. Unterstützt wird die Orientierung durch ein Farbschema entsprechend der „Big Five“ der OECD-Studie. Am Buchanfang findet sich eine Legende, die die Piktogramme der Spielbeschreibungen erklären, im Anhang am Ende des Buches findet sich eine Spielliste mit Anwendungsbereichen (sortiert nach Kompetenzen und Themen wie z.B. zum Einstieg, für den Klassenrat oder bei schwierigen Gruppensituationen) sowie Tipps für weiterführende Literatur.

Die Einführung gibt Informationen zur OECD Studie zu emotionalen und sozialen Kompetenzen. Der Praxisteil stellt Aktivitäten vor, die es einer Bildungseinrichtung ermöglichen, sozio-emotionales Lernen (abgekürzt mit SEL) in den Jahresablauf aufzunehmen. Die Vorschläge teilen sich in drei Kategorien, die auf die Bedürfnisse der Adressaten abgestimmt sind: 1.Spiele für Klasse oder Gruppe, 2. Rituale der Bildungseinrichtung als Ganzes und 3. Eltern und Familiensystem.

Der Fokus der praxiserprobten Anregungen für das sozio-emotionale Lernen liegt auf fünf zentralen Kompetenzen in Anlehnung der „Big Five“ der Studie: Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, soziales Bewusstseins, Weltoffenheit und Führungsqualitäten. Zu jeder dieser Kompetenz finden sich eine Einführung ins Thema und dazu 13 Spielvorschläge auf drei Ebenen (personale, soziale und global-ethische Ebene) sowie Vorschläge für jeweils zwei Rituale und jeweils einen Elternbrief.

Die Spiele sind schematisch gleichbleibend strukturiert: auf der horizontalen Ebene werden das Thema, das Alter der Zielgruppe, Ort, Gruppengröße, Dauer und der Einsatz von Gefühlskarten, auf der vertikalen Ebene sind Kompetenzen, Kernidee, Spielbeschreibung, Regeln, die Auswertung sowie Varianten/​Erweiterungen benannt.

Rituale bilden einen zentralen Kern des SEL, sie stiften Gemeinschaft und Verbundenheit, geben Zugehörigkeit und Orientierung. Rituale sind Lebensbegleitung, können vorhersehbar und berechenbar, universell und spezifisch sein, sie leben von Gewohnheiten und Veränderungen. In jedem Kapitel werden zu jeder der fünf Kompetenzen passende Rituale vorgestellt mit dem Ziel, jede Kompetenz mit einem gruppenübergreifenden Ritual zu festigen, dadurch werden diese sichtbar und fühlbar. Die Autorin hat die Rituale so vorbereitet, dass sie in den Jahreslauf des Schuljahres in 8-Wochen- Abschnitten eingebunden sind. Sie weiß aus Erfahrung: Rituale sollten einen Aspekt von Feierlichkeit und Sinnhaftigkeit haben.

Konzeptionell ist neben den konkreten Spielvorschlägen auch der Bezug zu den Eltern bedeutsam. Eltern werden als Partner:innen in der Erziehungsarbeit ernst genommen, diese Haltung ist ausschlaggebend für den Erfolg aller pädagogischen Bemühungen. Abgedruckt sind direkt zu verwendende Elternbriefe, die auch als Download zur Verfügung stehen.

In die Kompetenz Selbstwahrnehmung fließen Fähigkeiten wie emotionale Stabilität, Zufriedenheit und Ich-Stärke ein. Dazu gehören auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen und der bewusste Umgang mit angenehmen und unangenehmen Gefühlen, das alles bildet gemäß der OECD-Studie die Basis für die erfolgreiche Bewältigung von Störungen und Schwierigkeiten. Menschen mit guter Selbstwahrnehmung verfügen über Optimismus, emotionale Steuerung und Stressresistenz, verfügen über effektive Strategien, um Ängsten oder Ärger zu begegnen sowie belastende Situationen und Rückschläge zu überwinden.

In die Kompetenz Selbststeuerung fließen Fähigkeiten der Genauigkeit, Organisationsfähigkeit und Zielstrebigkeit ein. Auf Grundlage einer guten Selbstkenntnis werden eigene Energien und Ressourcen gut eingeteilt, um gesteckte Ziele zuverlässig und gewissenhaft zu erreichen. Menschen, die sich gut selbst steuern können, verfügen über Selbstkontrolle, Verantwortungsbewusstsein und Ausdauer.

In der Kompetenz des sozialen Bewusstseins fließen Fähigkeiten wie das Verständnis für die Lebenssituation anderer Menschen, ein grundsätzliches Wohlwollen ihnen gegenüber sowie eine wertschätzende und kooperative Haltung ein. Ein wichtiger Faktor dabei ist auch das Einstehen für die eigenen Bedürfnisse und Belange. Menschen, die sich sozial bewusst verhalten, verfügen über Empathie, Vertrauen und Verbundenheit.

In die Kompetenz Weltoffenheit fließen Fähigkeiten wie Fantasie, Wissbegierde und Offenheit ein. Es besteht ein großes Interesse nach neuen Erfahrungen, Ideen und Lösungen sowohl zwischenmenschlich als auch intellektuell zu suchen. Weltoffene Menschen verfügen über Neugier, Toleranz und Kreativität.

In die Kompetenz Führungsqualitäten gehören Fähigkeiten wie Auftrittskompetenz, Geselligkeit und Begeisterungsfähigkeit. Das Zusammensein mit anderen wird als Anregung und Energiequelle für Neues/neue Ideen genutzt. Menschen mit ausgeprägten Führungskompetenzen verfügen über Durchsetzungsvermögen, Energie und Kontaktfreude.

Diskussion

In dem 1990er Jahren entstand der Ansatz des sozio-emotionalen Lernens (SEL) als Antwort auf neue gesellschaftliche Anforderungen. Kinder leben zunehmend weniger in großen Beziehungsgeflechten oder gesellschaftlichen Systemen, sondern oft in kleinen Gemeinschaften wie in Ein-Kind-Familien oder mit alleinerziehenden Eltern. Das hat Einfluss auf das sozio-emotionale Lernen. Ein zweiter zentraler Aspekt liegt dabei auch darin, dass in vielen Eltern-Kind-Beziehungen die individuellen Bedürfnisse des Kindes ein großes Gewicht erhalten und Wünsche unmittelbar erfüllt werden. „Den Kindern fehlt ein geschütztes Übungsfeld, in dem sie lernen können, mit Frustrationen umzugehen, zurückzustehen, sich einzuordnen und Aufmerksamkeit zu teilen.“(S. 7). Diese Kinder stehen dann beim Eintritt in Krippe, Kita und spätestens beim Schuleintritt vor der Herausforderung, dass adäquates Verhalten in Gruppen erwartet wird, sie tun sich damit schwer und viele finden nur mit Anstrengung ihre Rolle und ihren Platz in der Gruppe.

Kinder verbringen heutzutage einen großen Teil des Tages außerhalb der Familie, deshalb ist es wichtig, dass Schule und auch Betreuungsinstitutionen das sozio-emotionale Lernen alters- und stufenspezifisch fördern und vermitteln.

Der Fokus der praxiserprobten Anregungen für das sozio-emotionale Lernen liegt auf fünf zentralen Kompetenzen in Anlehnung der „Big Five“ der OECD-Studie, die in zwei Zyklen (bis 2023) untersuchen, „welche Auswirkungen gut ausgebildete, nicht-kognitive Fähigkeiten auf eine hohe Lebensqualität haben“ (S. 7). Zu diesen „Big Five“ gehören Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, soziales Bewusstsein, Weltoffenheit und Führungsqualitäten. Zu jeder dieser Kompetenz finden sich eine Einführung ins Thema und dazu 13 Spielvorschläge auf drei Ebenen (personale, soziale und global-ethische Ebene) sowie Vorschläge für jeweils zwei Rituale und jeweils ein Elternbrief, der durch die Bereitstellung als download problemlos einsetzbar ist. Das Konzept passt sich an den Jahresverlauf an, jede Kompetenz kann in 8-Wochen-Einheiten durchgeführt werden und beinhaltet drei Kategorien, die auf die Bedürfnisse der Adressaten abgestimmt sind: 1.Spiele für Klasse oder Gruppe, 2. Rituale der Bildungseinrichtung als Ganzes und 3. Eltern und Familiensystem.

Die Reihenfolge der drei Ebenen ist bewusst gewählt: es beginnt mit der personalen Ebene, denn ein positives Selbstkonzept und die Fähigkeit zur Selbstregulation sind Voraussetzung für die soziale Ebene (Perspektivübernahme) sowie die global-ethische Ebene (Blick über den Tellerrand auf das große Ganze).

Diese OECD-Studie ist international angelegt und verfolgt das Ziel, die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Lebensqualität und erfolgreichem beruflichen Wirken verständlich und begründet aufzuzeigen. Das sozio-emotionale Lernen beschränkt sich nicht nur auf Kindheit und Jugend, es ist eine Investition in die Zukunft.

Das Buch richtet sich an alle Kinder und Jugendliche. Ich habe die Ausführungen in Hinsicht auf meinen fachlichen Hintergrund, das Arbeiten mit Menschen, die unter den Bedingungen von Autismus leben, reflektiert. Die Spielanleitungen brauchen natürlich eine Ergänzung um autismusspezifische Bedürfnislagen, insgesamt sind sie aber gut geeignet, neue Kompetenzen einzuüben und zu festigen. Menschen aus dem autistischen Spektrum stehen vor den skizzierten Schwierigkeiten, das Familiensystem passt sich an und erfüllt Wünsche und Bedürfnisse, bei Eintritt in Kita und spätestens Schule gibt es dann Schwierigkeiten, die mit Frustration auf allen Seiten einher gehen. Der Einsatz von Ritualen kommt Menschen aus dem Autismus Spektrum entgegen, Rituale geben Vorhersehbarkeit und damit Sicherheit. Die Elternbriefe stärken die Eltern in ihrem Verhalten und geben eindeutige Hinweise.

Die Einbettung des SEL in eine spielerische Form bietet „ideale Voraussetzungen für effektive Lernprozesse in allen Bereichen der kindlichen Entwicklung“ (S. 10). Spielen ermöglicht das Wahrnehmen von Handlungsmöglichkeiten, aber auch -grenzen, das Erleben von Gefühlen und Gedanken und deren Erweiterung. „Das Spiel erfordert vom Kind den Einsatz aller seiner Sinne und seiner ganzen Persönlichkeit“ (ebd.). Spiele richten die Aufmerksamkeit auf ein gemeinsames Ziel, das verbindet, schafft Nähe und stärkt Gegenseitigkeit in der Beziehung. Handlungen (und damit auch Spiele) sind dann attraktiv, wenn sei für die Person bedeutsam sind, deshalb wird in der Beschreibung der Spiele immer zu Anfang die Kernidee skizziert, sodass die Spielleitung inhaltlich gut überlegen und den Auftrag, was es zu tun gibt und auf welche Art und Weise es geschehen soll, formulieren kann.

Menschen brauchen für ein erfülltes Leben in der Gemeinschaft Ausdauer, Empathie, Mut und Führungsqualitäten ebenso wie kognitive Fähigkeiten. „Menschen mit gut ausgebildeten sozio-emotionalen Kompetenzen sind aufmerksam, verantwortungsbewusst und reflektieren, welche Auswirkungen ihr Handeln auf andere Menschen und die Umwelt hat“ (Klappentext). Vorgelegt wird ein Praxisbuch für Fach- und Betreuungspersonen in den Handlungsfeldern Schule, Hort und Krippe sowie für Spielleiter:innen von Freizeitaktivitäten sowie Fachleute in der Sozialpädagogik und Schulsozialarbeit.

Fazit

Die Erklärungen sind verständlich geschrieben, der Aufbau und die Verwendung eines Farbschemas entsprechend der „Big Five“ Kernkompetenzen der OECD-Studie lässt gezieltes Suchen von Inhalten zu. Das Buch ist prall gefüllt mit einführenden Informationen und Hintergrundwissen zum sozio-emotionalen Lernen (SEL), mit 65 praxiserprobten und somit direkt einsetzbaren aktivierenden Spielen und Übungen, mit 10 Beschreibungen zu Ritualen für die gesamte Bildungsinstitution sowie mit fünf Elternbriefen, die das Einbeziehen der Eltern in die pädagogische Arbeit rund um SEL leichter machen. Vorgelegt wird ein Praxisbuch für Fach- und Betreuungspersonen in den Handlungsfeldern Schule, Hort und Krippe, für Spielleiter:innen von Freizeitaktivitäten sowie Fachleute in der Sozialpädagogik und Schulsozialarbeit.

Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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Es gibt 315 Rezensionen von Petra Steinborn.

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ISSN 2190-9245