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Sylvia Dellemann, Teresa A. K. Kaya et al.: Praxishandbuch Biografiearbeit Online

Rezensiert von Julius Daven, 19.10.2022

Cover Sylvia Dellemann, Teresa A. K. Kaya et al.: Praxishandbuch Biografiearbeit Online ISBN 978-3-7799-6774-3

Sylvia Dellemann, Teresa A. K. Kaya, Erika Ramsauer: Praxishandbuch Biografiearbeit Online. Lebensgeschichten digital begegnen. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2022. 137 Seiten. ISBN 978-3-7799-6774-3. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.

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Thema

Das Buch thematisiert die Möglichkeiten des digitalen Settings von Biografiearbeit anhand konkreter Praxisbeispiele und Methoden und legt dabei den Fokus auf die Chancen, Herausforderungen und Grenzen der Verlagerung biografischer Arbeit in den digitalen Raum.

AutorInnen

Die AutorInnen sind erfahrene TrainerInnen von „LebensMutig e.V.“, einer Gesellschaft für Biografiearbeit mit dem Angebot von Lehrgängen, Fortbildungen und Coaching.

Entstehungshintergrund

Im Zuge einer gemeinsamen Vorbereitung eines Online-Zertifikat-Lehrgangs entstand die Idee, ein Praxishandbuch zu entwickeln, um bekannte und etablierte Methoden der Biografiearbeit, die bislang in analogen persönlichen Settings erfolgreich zum Einsatz kommen, als weiteres Angebot in den digitalen Raum zu übertragen, abzuwandeln oder neu zu entwickeln. Die AutorInnen wünschen sich einen Perspektivwechsel auf die realistischen Chancen und Möglichkeiten von Biografiearbeit in digitalen Räumen.

Aufbau und Inhalt

Das rund 140-seitige Praxishandbuch besteht aus insgesamt sechs Kapiteln und schließt mit einer Danksagung, Literaturtipps und wertschätzenden Worten über die Illustratorin ab.

Im ersten Kapitel „Einführung“ erhalten die LeserInnen über ein kurzes Vorwort zunächst Informationen über den Entstehungshintergrund (Motivation, Ziele) des Werkes. Die AutorInnen vermitteln sodann grundlegende Informationen über die analoge Biografiearbeit (Prinzipien und Stränge der Biographiearbeit, biografische Kompetenzen, Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung) im Unterschied zur Biografiearbeit Online als spezielle Form der Biografiearbeit mit einem Einblick in die Chancen von Online-Formaten und Überwindung von Online-Grenzen (Ländergrenzen und mögliche persönliche Grenzen). Nach Gedanken zu Diversität und Teilhabe schließt das erste Kapitel mit einem Wegweiser, dem roten Faden, in Bezug auf verwendete Begrifflichkeiten und wiederkehrende Symbole (Auf einen Blick“-Kästen und „Methoden) ab.

Das zweite Kapitel „Der digitale Raum als Möglichkeit der Begegnung“ thematisiert die Chancen eines digitalen Settings in der Erwachsenenbildung und in Feldern der Sozialen Arbeit und ruft dazu auf, die Entscheidung für das jeweilige Setting (online, offline) über Ziele und Ausrichtung des gewünschten Austauschs abhängig zu machen und sich für speziell darauf abgestimmte Formate zu entscheiden. Formen digitaler Settings werden ebenso vorgestellt wie die Herausforderungen zur digitalen Übersetzung traditioneller Formate. Die AutorInnen diskutieren sodann Entscheidungshilfen zur Auswahl von passenden Settings und geben Tipps zur konkreten Umsetzung von digitalen Settings über eine Planungsphase und Konzeption zur Klärung wichtiger Rahmenbedingungen und zur Raumgestaltung für einen optimalen digitalen Begegnungsort aus TrainerInnen- und TeilnehmerInnen-Sicht. Zu den weiteren Themen zählen die Entfaltung im digitalen Raum, Netiquette, Datenschutz, technische Grundlagen, aber auch Barrierefrei Set-ups.

Das dritte Kapitel „Biografiearbeit berührt – auch online!“ sensibilisiert die LeserInnen für (neue) Möglichkeiten digitaler Biografiearbeit und Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Begegnungen ohne Berücksichtigung von Landesgrenzen. Die AutorInnen thematisieren Biografiearbeit als Begegnung und Berührung. Während Biografie-Lernende eigenen und fremden Lebensgeschichten „begegnen“, „berührt“ Biografiearbeit zeitgleich die Herzen und die Seele und muss nicht immer über haptische Berührungen stattfinden. Körpersprache und Mimik erleben eine neue Wahrnehmung. Damit wird die Biografiearbeit online als Chance zur Ergänzung analoger Berührungen und Begegnungen beschrieben, die gleichermaßen wirken, um Altbekanntes in Neues zu transformieren und dabei „Akzeptanz und Freiwilligkeit“ berücksichtigen. Die AutorInnen stellen eine Vielzahl von Methoden dar, die dabei helfen können, dass Menschen sich mit ihren individuellen Lebensgeschichten digital begegnen lernen.

Das vierte Kapitel „Besonderheiten der Online-Kommunikation“ führt in technische Grundlagen für eine gelingende Kommunikation ein, beschreibt Empfehlungen für die Umsetzung derer zwischen den AkteurInnen, führt in grundlegende Theorien über klassische Kommunikationsmodelle ein und thematisiert herausfordernde Kommunikationssituationen, die vor dem Online-Meeting einer entsprechenden Vorbereitung bedürfen. Ausführungen für eine wertschätzende Kommunikationsebene und die Darstellung mehrerer geeigneter Methoden, die sich mit direkter Kommunikation beschäftigen, runden das Kapitel ab.

Das fünfte Kapitel „Praxisbeispiele: Biografiearbeit Online konkret im Online-Meeting“ stellt konkrete methodische Praxisbeispiele vor, die aus analogen Settings angepasst werden können mit der Aufforderung die vorgestellten Methoden als Impulse zur Abwandlung, Anpassung oder Erweiterung für den individuellen Praxiseinsatz zu betrachten und differenziert diese in den Unterkapiteln auf unterschiedliche Seminar-Einheiten, wie zum Beispiel Präsentationen, Kleingruppen-Arbeit, Energizer oder Resumee. Um das Gruppengefühl zu initiieren und zu stärken werden aus dem Erfahrungsschatz der AutorInnen weitere kreative Methoden im Online-Setting vorgestellt. Nach Einblick in kreative Methoden mit Chatfunktion als zusätzliches Kommunikationstool und weitere begleitende Methoden für das Self-paced Learning werden Feedback-Methoden zur Evaluation des Angebots vorgestellt.

Das sechste Kapitel „Schlussbetrachtung: Möglichkeiten und Grenzen im digitalen Raum“ stellt die Herausforderungen und Grenzen von Online-Angeboten im Kontext von Chancen und Risiken digitaler Begegnungen vor und ermutigt dazu, der Digitalen Transformation als positive Veränderung im Alltag, der Gesellschaft und der Wirtschaft offen und konstruktiv zu begegnen. Die AutorInnen beschreiben ihre Zukunftsvisionen für die Biografiearbeit im digitalen Raum und gehen hier u.a. auf Hybridveranstaltungen, welche TeilnehmerInnen in analogen oder digitalen Räumen ansprechen, ein. Das Kapitel rundet mit einem Fazit ab.

Diskussion

Professionell angeleitete und begleitete Biografiearbeit als ein auf Ressourcen orientierter methodischer Ansatz, also die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte in dreidimensionaler Betrachtung (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) erfreut sich nicht nur in der sozialen Arbeit über systematisch angelegte Hilfeprozesse wachsender Beliebtheit. Es ermöglicht auch Einzelpersonen, Paare, Familien oder auch Firmen oder sonstigen privaten und öffentlichen Organisationen einen Zugang und ein Verständnis für das individuelle Lebens- bzw. Situationsprofil. Eine damit verbundene konstruktive Selbstreflexion mit dem eigenen Leben aus der Gegenwart heraus kann zur aktiven Gestaltung von Veränderungsprozessen in der Zukunft beitragen. Das, was schon heute in analogen Räumen erfolgreich etabliert wurde, bietet auch für digitale Settings bzw. für digitale Begegnungen enormes Potenzial, verschafft es uns doch in Zeiten, in denen analoge Begegnungen nicht möglich sind, eine neue Art von kreativer interaktiver Begegnung. Die AutorInnen regen daher zurecht an, Alternativen und zukunftstaugliche Veränderungen zu bereits etablierten persönlichen Begegnungen einzurichten. Hierzu werden in diesem Buch eine Vielzahl von bewährten Möglichkeiten und Methoden vorgestellt, die ohne Weiteres aus analogen Settings in digitale Formen übertragbar sind oder sich ganz neu enwickeln lassen.

Die AutorInnen stellen einen sehr umfangreichen und variantenreichen Methodenkoffer für den Einsatz einer Vielzahl von Fallkonstellationen im Kontext biografischer online-Arbeit vor. Damit bietet das Buch einen recht umfassenden Überblick über biografische Arbeit und deren Einsatzmöglichkeit. Besonders gefällt mir der im Einführungskapitel vorgestellte Wegweiser durch das Buch, der die LeserInnen wie „ein roter Faden“ durch das Buch begleitet. Visuelle Elemente, wie eine „Lupe“ oder „Baukasten“ geben dem Buch eine zusätzliche Struktur. Die „Lupe“ fasst wesentliche Knackpunkte in den einzelnen Kapiteln jeweils zusammen und hebt Besonderheiten grafisch hervor, der „Baukasten“ weist auf Methoden hin. Damit ist ein Nachschlagen von relevanten Themen jederzeit unkompliziert möglich.

Es ist sicher gut, dass die AutorInnen die Biografiearbeit Online nicht als Zauberformel und als Ersatz für persönliche, analoge Zusammentreffen vor Ort ausloben, sondern lediglich als Weiterentwicklung möglicher Begegnungsformen.

Für besonders wertvoll halte ich auch die Ausführungen und den Aufruf zu Diversität und Teilhabe. Die AutorInnen verfolgen einen inklusiven Ansatz und möchten, dass eine digitale Teilnahme für alle Menschen, ob mit oder ohne Beeinträchtigung ermöglicht wird. Dabei berücksichtigen die AutorInnen ebenfalls, dass einige Menschen aus unterschiedlichen Gründen keinen Zugang zum digitalen Raum von zuhause haben.

Das Methodenverzeichnis im Anhang, die Zusammenstellung von Materialien für Online-Meetings und die Checkliste für die Planungsphase im Anhang sind sehr hilfreich.

Als Zielgruppe sehe ich nicht nur Interessierte oder TrainerInnen für Biografiearbeit. Der vorgestellte vielseitige Methodenkoffer eignet sich ebenfalls hervorragend für den sonstigen beruflichen Einsatz in Workshops oder Trainings.

Fazit

Bei diesem Buch handelt es sich um einen ausgesprochen wertvollen Ratgeber, der hervorragend strukturiert die Biografiearbeit Online in allen wichtigen Facetten und Begegnungsformen darstellt. Damit ist es den AutorInnen gelungen, mit ihrem Buch zu einem Perspektivwechsel auf realistische Chancen und Möglichkeiten von Biografiearbeit in digitalen Räumen anzuregen. Das Buch hat einen ansprechenden dynamischen Aufbau zwischen visuellen und fachlichen Elementen.

Rezension von
Julius Daven
Vorstandsvorsitzender EWD e.V. – Ehrenamtliche Wegbegleitung Deutschland für Kinder, Jugendliche und Careleaver
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Es gibt 5 Rezensionen von Julius Daven.

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ISSN 2190-9245