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Christa H. Herold: Lösungsfokussierte Beratung

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 01.11.2022

Cover Christa H. Herold: Lösungsfokussierte Beratung ISBN 978-3-525-40757-8

Christa H. Herold: Lösungsfokussierte Beratung. Ein Fünf-Bausteine-Modell. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2021. 443 Seiten. ISBN 978-3-525-40757-8. D: 35,00 EUR, A: 36,00 EUR.

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Autor

Christa H. Herold ist zertifizierte psychologische Beraterin und Kurztherapeutin. Sie ist tätig als Dozentin und Trainerin und arbeitet in eigener Praxis in der systemisch-lösungsfokussierten Beratung, Therapie und Supervision. Auch ist sie geprüfte Schriftpsychologin und zertifizierte Mediatorin.

Thema

In unserer schnelllebigen Zeit, in der immer mehr Entscheidungen immer früher getroffen werden müssen, die bedeutsame Auswirkungen auf das gesamte Leben haben können, gewinnt Beratung weiter an Bedeutung. Begriffe wie VUKA, Arbeit 4.0 und New Work zeugen davon. Das Private und der Beruf verschwimmen, Flexibilität, Kreativität, Kommunikationskompetenz und die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen werden von immer mehr Menschen verlangt und wie selbstverständlich vorausgesetzt. Wie Beratende mit diesem hohen Maß an Unsicherheit umgehen können, erklärt Christa H. Herold anhand ihres Fünf-Bausteine-Modells, das auf der lösungsfokussierten Kurzzeittherapie von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg basiert.

„Lösungsfokussierte Beratung“ unterstützt Menschen dabei, durch Selbstreflexion und konstruktiven, ergebnisoffenen Austausch von Beratenden und zu Beratenden Lösungsideen zu entwickeln sowie nachhaltig in die Tat umzusetzen. Leser/​innen finden im Werk Theoriewissen ebenso wie praktisch umsetzbare Tipps und Schritt-für-Schritt-Anleitungen, deren Nützlichkeit anhand zahlreicher Fallbeispiele erläutert wird. Die Lektüre unterstützt Leser/​innen bei der Entwicklung und Festigung einer systemisch-lösungsfokussierten Haltung, die an den Tag zu legen für Führungskräfte, Referent/​innen, Mediator/​innen oder Personalberater/​innen im Gesundheits- und Sozialwesen ebenso von Nutzen sein kann wie in der Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung.

Aufbau und Inhalt

Das 2021 bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienene Buch hat 444 Seiten und ist in 4 Kapitel unterteilt, wobei das zentrale, mit Abstand längste Kapitel II nochmal in 5 Unterkapitel unterteilt ist, in denen dezidiert auf das Fünf-Bausteine-Modell der Autorin eingegangen wird. Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Thomas Schumacher (S. 9 ff.), der schreibt, es käme einem Grundlagenwerk gleich und sei „quasi die »Bibel«“ der lösungsfokussierten Beratung. Schumacher legt dar, dass Herolds Buch Praktiker/​innen eine praxisorientierte Hilfestellung an die Hand gebe, um fortan „lösungsfokussiert und mit wachem Blick für die Ressourcen des Gegen­übers und der Situation in Richtung der Lösung“ zu navigieren (S. 10). Wie das konkret gehen soll, beschreibt die Autorin selbst in ihren Vorbemerkungen (S. 13 ff.), die als eine Art Bedienungsanleitung für das Buch verstanden werden können.

In Kapitel I, das betitelt ist mit „Grundlagen: Das systemisch-lösungsfokussierte Konzept von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg“ nimmt sich Herold der theoretischen Grundlagen lösungsfokussierter Beratung an. Wie der Titel schon deutlich macht, geht sie ein auf die lösungsfokussierte Kurzzeittherapie (Solution Focused Brief Therapy, SFBT) nach Steve de Shazer und Insoo Kim Berg. Das Ehepaar gründete in den 1970er-Jahren das Brief Family Therapy Center (BFTC) in Milwaukee, Wisconsin, von wo aus es die SFBT entwickelte.

De Shazer & Kim Berg publizierten über eine Zeitspanne von über 30 Jahren hinweg diverse Bücher zum lösungsorientierten Vorgehen insbesondere, aber nicht nur, im therapeutischen Bereich. Sie leiteten zudem Workshops dazu in diversen Ländern. Herold betont, dass das SFBT-Konzept zwar den Begriff »Therapie« im Namen trage, es allerdings „systemübergreifend nicht nur in im eigentlichen Sinne therapeutischen, sondern auch sonstigen sozialen sowie wirtschaftlichen und bildungspolitischen Bereichen bzw. Kontexten zu nutzen“ sei – und zwar überall dort, „wo Kommunikation die Kernbasis der Interaktion zwischen Beratenden und Ratsuchenden bildet“ (S. 21). Kurzum handele es sich „um ein systemisch geleitetes, strategisch lösungsfokussiertes Konzept, das weder an traditionelle Testverfahren und Diagnosekriterien bzw. -kategorien gebunden noch auf bestimmte, akribisch ausgefeilte Interventionen festgelegt“ sei (ebd.).

Ein zentraler Bestandteil der SFBT sei, dass in dem Konzept eine Neuzuschreibung der Rollen der Beratenden bzw. Therapierenden im Interaktionsprozess mit Klient/​innen einhergehe. „Nicht mehr der Praktiker sollte fortan als der Experte für die Problemlagen des Klienten gelten, wie es ihm bis dahin aufgrund seiner (Aus-)Bildung und seines Fundus an theoretischem Wissen mehr oder weniger unhinterfragt zugestanden worden war, sondern dem Klienten selbst wurde nun die tatsächliche Expertise für sein Leben zuerkannt“, schildert Herold (S. 24).

Als weitere Grundlage der Lösungsorientierung benennt die Autorin die Systemtheorie Niklas Luhmanns und systemtheoretische Ansätze weiterer Autor/​innen. Bedeutsam für Lösungsorientierung in Beratung und Therapie sei es, so Herold, die Anliegen von Klient/​innen ganzheitlich, in der Einbettung in ein übergreifendes Gesamtsystem, zu betrachten. „In einer Beratungssituation zählen demnach nicht nur der Klient und sein Problem, sondern auch der Berater und sämtliche sonstigen direkt oder indirekt involvierten Elemente des Problem“ (S. 26).Als weitere Einflüsse, die umfänglich beschrieben und erläutert werden, führt die Autorin den Konstruktivismus, Sozialkonstruktivismus und Radikaler Konstruktivismus sowie damit verbundene Personen wie Paul Watzlawick, Heinz von Foerster und Ernst von Glasersfeld ins Feld.

Herold nimmt Bezug auf den Strukturalismus und Poststrukturalismus nach Pierre Bourdieu, Ferdinand de Saussure sowie Claude Lévi-Strauss und benennt als weiteren wichtigen Orientierungspunkt in der Entwicklung des lösungsfokussierten Ansatzes die Überlegungen des mittelalterlichen englischen Philosophen und Theologen Wilhelm von Ockham, die Schriften des Psychologen William James wie auch das Werk des französischen Philosophen und Sprachwissenschaftler Jacques Derrida. Der Einfluss des daoistischen und buddhistischen Denkens wird unter Bezugnahme auf den chinesischen Philosophen Laotse ebenfalls deutlich gemacht. In Erweiterung der Ausarbeitungen von Steve de Shazer et al. (2008) legt Herold dar, dass die folgenden „praxisbezogenen Daumenregeln“ als zentraler Bezugspunkt der Lösungsorientierung zu verstehen sein:

  1. Wenn etwas nicht kaputt ist, dann musst du es nicht reparieren.
  2. Wenn etwas potenziell hilfreich ist, dann probiere es aus.
  3. Wenn etwas funktioniert, dann wiederhole und verfeinere es.
  4. Wenn etwas nicht funktioniert, dann mach etwas anderes.
  5. Wenn Hindernisse auftreten, dann nutze sie.

Es wird auf das Wesen und den Nutzen von Konzepten wie Resilienz, Empowerment, Kooperation, Passgenauigkeit, das Konzept der Indirektheit sowie auf das Konzept der Ganzheit eingegangen. Was konkret darunter zu verstehen ist und warum es in der Beratung von Bedeutung ist, wird beschrieben.

Als essenzielle Bestandteile lösungsorientierten Denkens und Handelns werden ein poststrukturalistisches Verständnis und die Wahrnehmung der Klient/​innen als Expert/​innen für die Lösung ihrer Probleme ebenso benannt wie die Tatsache, dass der/die Beratende nicht als Rat-gebende/r Fachexpert/in in Erscheinung trete, sondern als Begleiter/in, der/die beim Finden von Lösungen helfe, aber selbst nichts vorgäbe. Lösungsorientierung gehe nur durch eine kooperative Beziehung ohne einseitiges Hierarchiegefälle, ist Herold überzeugt.

Die Perspektivverschiebung von den Defiziten zu den Potenzialen und die polyokulare Betrachtungsweise werden als weitere bedeutsame Paradigmen hervorgehoben. Da diese konzeptionellen Grundsätze in der Praxis im lösungsfokussierten Arbei­ten im Prozess des beraterischen Interviews zusammenflössen, benennt die Autorin dieses als „Kernstück des gesamten [Beratungs-]Prozesses“ (S. 70). Wie hier konkret vorgegangen werden kann, etwa mittels Ausnahmefragen, Copingfragen, Beziehungsfragen, Skalierungsfragen oder Wunderfragen, wird beschrieben.

Unabhängig davon, wie konkret vorgegangen wird, sollte der Beratungsprozess dabei stets geleitet sein von „der Akzeptanz, Wertschätzung und Ermutigung des Klienten in seiner Rolle als Experte seines Lebens“, der „empathischen Würdigung und Anerkennung der von ihm bislang in seinem Leben im Allgemeinen sowie innerhalb des Problemkontextes im Speziellen geleisteten Arbeit bzw. unternommenen Bemühungen“, der „Einbeziehung seiner individuellen Ressourcen und der Elemente seines persönlichen Denk- und Bezugsrahmens“, der „Fokussierung auf die Lösung“ und nicht zuletzt der „unbedingten Ausrichtung an den Wünschen, Interessen und Vorgaben des Klienten“, ist Herold überzeugt (S. 72).

Im zweiten Kapitel nimmt sich die Autorin der 5 Bausteine lösungsorientierter Beratung an. „Die Lösung“ ist die Betitelung des ersten Bausteines, in dem definiert wird, dass die Lösung mit dem Problem nicht unbedingt etwas zu tun haben müsse. Herold beschreibt, welche Kompetenz, Einstellung und Haltungen im Beratungsprozess hilfreich seien, was Lösungen auszeichne und wie man diese erkenne, was beratend tätige Praktiker/​innen charakterisiere und wie sie ihre Sprache gelingend mit Fokus auf Lösungsorientierung einsetzen könnten.

Besonders wichtig für gelungene Beratung sei es, sich irritierbar zu halten im Sinne des Bewusstseins, dass Dinge auch anders sein könnten. Essenziell sei, Klient/​innen mit einer Haltung des Nicht-Wissens zu begegnen, sich nicht zu schnell eine Meinung zu bilden und sich vor kategorisierendem Denken in Acht zu nehmen. „Aus der Haltung des Nicht-Wissens heraus erfolgendes konzentriertes Zuhören, aufmerksames Registrieren verbaler wie nonverbaler Botschaften und glaubhaft interessiertes Nachfragen unter Einbezug des Denk-, Bezugs- und Sprachrahmens des Klienten senden für diesen ein deutliches Signal, wirklich ernst genommen zu werden und das Geschehen in letzter Instanz zu bestimmen“, schildert Herold (S. 86).

Auf dieser Basis werde es für den Klienten dann „umso leichter, Vertrauen in den Praktiker, in das Setting als solches und schließlich auch in sich aufzubauen – er traut sich, sich zu öffnen, und lernt in der Folge sich selbst und die in ihm schlummernden Ressourcen und Potenziale zunehmend besser kennen. Die gekonnte Umsetzung eines solchen Gesamtpakets an affirmativen Maßnahmen ist somit letztlich schon fast mehr als die halbe Miete auf dem Weg zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit und einer effektiven Lösungsfindung“, schreibt Herold (ebd.).

Der/die Klient/in sei als Experte für das eigene Leben und die je subjektive Lebenswelt zu begreifen. Die Beratenden sollten sich zurücknehmen und den Kontext, Denk- und Bezugsrahmen der Klient/​innen wertschätzend akzeptieren, ohne eigene Moral- und Wertvorstellungen auf die Klient/​innen zu projizieren. Was eine gute Lösung sei, entschieden diese – und nicht die Beratenden. Aufgabe dieser sei lediglich, den Beratungsprozess durch geschicktes Fragen und durch die Herstellung einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung so zu strukturieren, dass die Klient/​innen diese Lösung(en) für sich (er)finden können.

Um zu einer adäquaten Lösung kommen zu können, sei es dabei probat, alles Möglich zur Lösung zu nutzen, was identifiziert werden könne, wie etwa „Fertigkeiten, Empfindungen, Erfahrungen, Freund- und Bekanntschaften, Vorlieben, Abneigungen, ja auch Ereignisse und Entwicklungen, die sich erst spontan im Beratungsprozess bzw. aus der unmittelbaren Gesprächssituation heraus Ergeben“ (S. 121). Denn „überall und in jeder Kleinigkeit, selbst wenn sie auf den ersten Blick noch so abwegig erscheinen mag, kann ein Ansatzpunkt zur Entwicklung eines Lösungsschritts stecken“ (ebd.). Wie eine beraterische Intervention lösungsfokussiert aussehen kann, welche Fragen sich wann und warum besonders eignen und wie die Klient/​innen beim Sich-Bewusstmachen und kreativen Aktivieren einer Lösungssprache unterstützt werden können, wird umfassend dargelegt und beispielhaft erläutert.

„Die Erwartung“ ist der Titel des zweiten Bausteins, in dem der Beratungsprozess im Fokus steht. Reflektiert wird hier die Bedeutung der Erwartungshaltungen von Beratenden und ihren Klient/​innen. Herold benennt die Veränderungserwartung als besondere Kompetenz von Praktiker/​innen, bevor sie ausführt, wieso die Veränderungserwartung in der Praxis so bedeutsam sei und wie Veränderungen wahrscheinlich gemacht werden könnten. Ebenso fokussiert die Autorin die Bedeutung einer kooperativen Beziehung und schreibt, wie diese gefestigt werden könne, vom Rapport am Anfang bis zum gelungenen Beratungsabschluss. Menschen, die in der Beratung noch unerfahren seien, täten sich oft schwer mit Stille und Schweigen.

Herold indes betont im Text die potenzielle Bedeutung des Einsatzes von Schweigen und von Pausen, die mitunter erheblich produktiver wirken können als zu viel zu reden und in kommunikativen Aktionismus zu verfallen. „Die besondere Kraft, die vom Schweigen, von der Stille ausgehen kann, hat schon über Zeiten und Kulturen hinweg den Menschen als Inspirationsquelle gedient“, schreibt sie“ (S. 185). Auch das bewusste Pausieren mache oftmals Sinn. Es könne „für keinen Beteiligten schaden, zwischendurch einmal innezuhalten, um z.B. die Gedanken zu ordnen, sich bestimmte zur Sprache gekommene Aspekte bewusster zu machen, etwaigen Ungereimtheiten nachzuspüren, Ideenansätze weiter zu verfolgen und unklare Gefühle oder aufgewallte Emotionen unter Kontrolle bzw. in Balance zu bringen – kurz gesagt: mal eine Pause zu machen“, legt die Autorin (S. 189) dar. Irgendwann müsse dann indes eine Intervention erfolgen, die mit irgendeiner Art von Handlung einhergehe. „Eine Intervention ist dabei zu verstehen als ein minimaler Eingriff in einen Teil des Problemkomplexes, mit dem Ziel, dort Bewegung ins Spiel zu bringen, eine Veränderung im üblichen Agieren, Reagieren, Verhalten des Klienten anzustoßen“, erklärt Herold (S. 194), die im Anschluss dann ebenfalls beschreibt, wie solche Interventionen aussehen können.

Eines der wirkungsvollsten Hilfsmittel auf dem Weg der Lösungsentwicklung in der Arbeit mit dem Fünf-Bausteine-Modell sei die Skalierung. Dabei werde „ein potenziell relevanter Aspekt aus dem Gesamtkomplex des Systems »Der Klient und sein Anliegen in der Beratungssituation mit dem Praktiker« anhand seiner Verortung auf einer Zahlenskala genauer definiert und alsdann durch forschendes (Nach-)Fragen, in fokussierter Aufmerksamkeit und aus der Haltung des Nicht-Wissens […] heraus, in seinen Details erkundet“ (S. 203). Der Bedeutung von Skalierungen, wie diese wann gut eingesetzt werden können und was aus deren Ergebnissen gezogen bzw. wie mit diesen im weiteren Prozessverlauf gearbeitet werden kann, wird von Herold umfassend dargelegt. Man könne Skalierungen „mit einem von Intuition und Imaginationskraft geleiteten Spiel voll filigraner kreativer Gestaltungsmöglichkeiten vergleichen“ (S. 206). Sie sei „nicht nur ungemein zielführend mit Blick auf die skalierte Fragestellung und darüber die Lösungsfindung, sondern in ihrer Anwendung oftmals auch mit einer Menge Spaß verbunden. Als oftmals nützliche Thematiken für eine Skalierung benennt die Autorin (S. 209 f.):

  • Elemente des Wunderbilds
  • Erwartungen, Motivation
  • Fortschritte, Erfolge, Veränderungen
  • Gefühlszustände, Ängste, Unsicherheiten
  • Hindernisse, »vertrackte« Situationen
  • Problemausnahmen, Ressourcen
  • Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Neigungen
  • Ziele, Zielerreichung
  • Zufriedenheit, Hoffnung, Zuversicht
  • Selbstachtung, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Selbstrespekt

„Das Problem“ wird im dritten Baustein in den Blick genommen. Die Autorin hebt gleich zu Anfang allerdings hervor, dass es „niemanden groß verwundern [sollte], dass in einem therapeutischen bzw. beraterischen Ansatz, der die Bezeichnung »lösungsfokussiert« bereits im Namen trägt, die Beschäftigung mit dem »Problem« eher eine Nebenrolle spielt“ (S. 239). Es gehe nicht um die umfassende Diagnose und Analyse des Problems, sondern um eine wie auch immer geartete Lösung. „Genau dies ist auch das Grundprinzip des lösungsfokussierten Arbeitens – nicht primär zu fragen: »Warum fühlt dieser Mensch sich schlecht?«, sondern: »Wie kann er sich möglichst rasch besser fühlen, und was kann er selbst dazu tun?«“, schildert Herold (S. 240).

Problemdenken kreise um Probleme, Lösungsdenken hingegen um Lösungen. Diese müssten im Vordergrund stehen. Probleme offen anzusprechen, sei wohlgemerkt keineswegs verboten oder problematisch in der Lösungsorientierung. Wichtig sei es, Klient/​innen mit allen Facetten ihrer Persönlichkeit und Problemauffassungen ernst zu nehmen, „die individuelle Gültigkeit seiner subjektiven Weltsicht und seiner Deutungsmuster also nicht grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Andererseits aber geht es zugleich entscheidend darum, ihn eben nicht noch weiter (z.B. durch die ausschweifende Thematisierung des Problems und das Herumwälzen von Überlegungen zu dessen möglichen Ursachen) in seinem problemorientierten Denken zu bestärken, sondern seinen Blick für das Erkennen von Alternativen zu öffnen – für bereits jetzt bestehende, aber ihm nicht bewusste Ausnahmen vom Problem“, betont Herold, die dies als konstitutiven Schritt in der lösungsorientierten Beratung (S. 249) hervorhebt.

Es gehe darum, Ausnahmen von Problemen zu finden und einen Paradigmenwechsel zu vollziehen, was u.a. durch Ausnahmefragen erreicht werden. Mit deren Wesen und Anwendung setzt sich die Autorin umfänglich auseinander. „Und selbst nach der Identifizierung einer Ausnahme, also einer Situation, in der der Klient sein Problem als etwas weniger belastend empfunden hat, ist das Forschen nach Unterschieden noch lange nicht beendet“, betont sie zudem (S. 262). Dann gehe es nämlich darum, „möglichst genau zu eruieren, welcher »reale Unterschied« den »gefühlten Unterschied« konkret ausgemacht bzw. bewirkt hat – war es eine andere Personenkonstellation, eine andere Reaktion eines Beteiligten oder vielleicht ein anderes Verhalten des Klienten? Und in letzterem Fall besonders interessant: Trat dieses zufällig und spontan auf, oder hatte der Klient womöglich bewusst und absichtlich eine Veränderung herbeigeführt?“ (ebd.). Auch bezüglich dieser Fragen gelte es für die Beratenden, „die Ohren zu spitzen und aufmerksam hinzuhören, wenn der Klient die genauen Umstände seines variierenden Problemempfindens beschreibt. Zum einen lassen sich darin potenzielle Ansatzpunkte für praktische Lösungsschritte ausmachen, zum anderen stellen vom Klienten bereits eigenständig und proaktiv durchgeführte Maßnahmen zur Problemvermeidung zusätzliche, diesem in ihrer Bedeutung bislang verborgen gebliebene Resilienzressourcen dar und können als erste Erfolge im »Kampf gegen das Problem« gewürdigt werden“ (ebd.). Wie aber gelingt eine Exploration von Ausnahmen? Eine schematischer Ablaufplan der Prozessarbeit mit der Ausnahmefrage kann der Autorin zufolge etwa so aussehen (S. 275):

  • Aufmerksames Verfolgen der Problembeschreibung, Dekonstruieren des Problembilds, Nachfragen, wann immer sich Unklarheiten ergeben.
  • Registrieren von Elementen mit Ausnahmepotenzial, Präzisierung und gegebenenfalls Verwendung für die Ausnahmefrage, ansonsten weiteres Forschen nach potenziellen Ressourcen und Erfolgen.
  • Dekonstruieren der Ausnahmen, detailliertes Erfragen, um die wirksam gewordenen und nutzbar zu machenden Anteile zu identifizieren.
  • Auswahl eines dieser Anteile als Schlüssel für eine Intervention, um sich das Problem besser zu erschließen und der Lösung näher zu kommen.
  • Wiederzusammensetzen des durch die veränderte Sicht auf das als lösbar erkannte Problem neu justierten Bezugsrahmens zu einem positiveren (Welt-)Bild.
  • Weiterverarbeitung der Erkenntnisse durch Skalierung bestimmter Aspekte, Überführung der Ausnahme in das Wunder, Erkundung weiterer Ausnahmen, Ausarbeiten der Intervention.

Wie das in der Praxis aussehen kann, beschreibt Herold ausführlich, bevor sie sich im vierten Baustein, der mit „Das Wunder“ betitelt ist, der Bedeutung von Wundern im Beratungsprozess annimmt. Die Wunderfrage sei in die Zukunft orientiert. Über sie werde der/die Klient/in eingeladen, sich das eigene Leben „einmal ohne jene aktuell so dominante Problembelastung vorzustellen, eine Vision zu entwerfen, was für ihn alles (wieder) möglich sein wird, wenn das Wunder geschehen und das Problem gelöst ist. Das durch die folgenden Schilderungen entstehende Wunderbild liefert dann zum einen viele wertvolle Hinweise auf weitere potenziell hilfreiche und praktisch anwendbare Ressourcen sowie bis dahin vielleicht noch gar nicht bewusst gewesene, nun konkret werdende Ziele des Klienten“, erklärt Herold (S. 285). Zudem bewirke das Sich-Ausmalen einer problembefreiten Zukunft einen Motivationsschub. Die freigesetzte positive Energie könne dann „als »Dünger« für das frisch eingepflanzte lösungsorientiertere Denken dienen und eventuell auch schon direkt in entsprechende praktische Schritte bzw. Maßnahmen transformiert werden“ (ebd.). Eine Wunderfrage könne nach De Jong & Berg (1999, S. 126) so gestellt werden wie die folgende: „Ich möchte Ihnen jetzt eine ungewöhnliche Frage stellen. Stellen Sie sich vor, während Sie heute Nacht schlafen und das ganze Haus ruhig ist, geschieht ein Wunder. Das Wunder besteht darin, daß das Problem, das Sie hierher geführt hat, gelöst ist. Allerdings wissen Sie nicht, daß das Wunder geschehen ist, weil Sie ja schlafen. Wenn Sie also morgen früh aufwachen, was wird dann anders sein, das Ihnen sagt, daß ein Wunder geschehen ist und das Problem, das Sie hierher geführt hat, gelöst ist?“ (in Herold 2021, S. 290).

Wie kann eine solche Wunderfrage sonst noch aussehen? Wie und wann kann sie gestellt werden? Wie können Klient/​innen bei der Präzisierung ihres Wunders unterstützt werden? Was folgt aus dem Reflektieren des Wunders? Wie kann mit den Antworten der Klient/​innen im weiteren Beratungsverlauf gearbeitet werden? Wie kann bei Skepsis der Klient/​innen gegenüber der Wunderfrage vorgegangen werden? All dieser Fragen nimmt sich die Autorin umfänglich an. Sie beleuchtet zunächst die Vorgeschichte bis zur Entdeckung der Wunderfrage, benennt deren Wesen und Varianten und stellt dar, wie es beispielhaft aussehen könne, Klient/​innen die Wunderfrage zu stellen. „Letztlich ist es für mich immer wieder erstaunlich, zu welch emotionalen Reaktionen und durchschlagenden Erfolgen die Wunderfrage oft führt und wie kreativ viele Klienten beim Ausmalen ihres Wunderbilds werden“, legt Herold dar (S. 307). Bisweilen täten sich durch die Wunderfrage neue Erkenntnisse auf, die einem Aha-Erlebnis gleichkämen. Bei manchen Klient/​innen „fließen im Verlauf der Wundersequenz oder danach sogar Tränen. Diese entspringen mitunter zwar einem in die Vergangenheit gerichteten Betrauern verpasster Chancen und verflossener Gelegenheiten, weitaus häufiger sind sie jedoch Ausdruck puren Glücks in der Gegenwart und werden etwas verschämt damit erklärt, einen solch positiven, von Zufriedenheit durchdrungenen Zustand wie im »gelebten Wunderbild« erstmals überhaupt oder zumindest seit langer Zeit wieder empfunden zu haben“, meint die Autorin (S. 310). Nicht minder bedeutsam sei auch die »Was noch?«-Frage, denn über diese „lassen sich vielfach auch noch im Unterbewusstsein des Klienten gut versteckte Elemente seiner Wundervorstellung herauskitzeln“ (S. 312).

Das wiederholte Fragen nach dem »Was noch?«, das auch mit anderen W-Fragen kombiniert werden könne, sei dabei „kein Ausdruck von Einfallslosigkeit, Unzufriedenheit des Praktikers mit den bisherigen Versuchen des Klienten, sein Wunderbild zu beschreiben, oder wachsender Verzweiflung darüber, nichts Hilfreiches entdecken zu können“ (ebd.). Vielmehr entspringe es der Erwartungshaltung, dass mit der Nennung eines weiteren Wunders gerechnet werden dürfe, wie Klient/​innen nicht zu verstehen gäben, dass ihnen nichts mehr einfiele. Hinsichtlich des Erkundens der Ressourcen des primären Ansatzpunktes seien beim Dekonstruieren und Decodieren der Wunder- und Was-noch-Fragen folgende Fragestellungen nützlich:

  • „Wann, wo und in welchen Situationen genau ist der Klient in der Vergangenheit »mit sich zufriedener« gewesen?
  • Wie haben sich diese Situationen von seinem sonst üblichen Lebensalltag unterschieden?
  • Wer oder was hat dazu beigetragen bzw. ihn dabei unterstützt, in diesen Situationen zufriedener mit sich selbst zu sein?
  • Gab es darüber hinaus bestimmte Begleitumstände kurz vorher, währenddessen oder anschließend, die ihm zum Gefühl größerer Selbstzufriedenheit verholfen oder es gefördert haben?
  • Und last, but not least: Hat sich der Klient vielleicht selbst anders verhalten, und wenn ja: Inwiefern, was hat er anders gemacht, gedacht, gesagt etc.?“ (S. 322).

Summa summarum sei die Wunderfrage zwar kein Allheilmittel, sie berge aber ein reichhaltiges Potenzial um der für die Klient/​innen passenden Lösung auf die Spur zu kommen. „Das Entwerfen des Wunderbilds und die anschließende Exploration sind für beide Beteiligten des Beratungsprozesses keine leichte Arbeit, und insbesondere für den Klienten wird es mitunter richtig anstrengend“, ist Herold überzeugt (S. 333). Nicht selten habe sie durch den Einsatz der wunderfrage aber Sätze wie die folgenden vernommen: „Das ist gerade echt ein brutales Ding!“, „Jetzt bin ich aber fix und fertig“ oder „Ich könnte gerade einschlafen, so müde bin ich“, wobei diese Aussagen zumeist mit einem zufriedenen Lächeln verbunden seien.

„Der Wandel“ ist Titel und Thema des fünften und letzten Bausteins. Dieser Kapitelteil beginnt mit einem Zitat von Carl Rogers, dem Begründer der personenzentrierten Beratung, der erklärt: „Das Leben ist im besten Fall ein fließender, sich wandelnder Prozeß, in dem nichts starr ist“ (S. 335). Wandel ist die einzige Konstante – so ließe sich auch sagen. Dabei zu helfen, diese Veränderung nachhaltig zum Positiven zu vollziehen, sei die Aufgabe der Beratenden, wobei der angestrebte Wandel im lösungsfokussierten Kontext in einer ganzheitlichen, multidimensionalen Transformation des Denkens, Handelns und Verhaltens der Klient/​innen bestehe. Dieser Wandel „ermöglicht es letztlich, die »temporäre« zur »dauerhaften Ausnahme« werden zu lassen, sprich: über eine Kette von Veränderungen als (Teil-)Erfolgen im Kleinen eine nachhaltig problembefreite neue Wirklichkeit zu schaffen und den Prozess somit zum abrundenden Gesamterfolg zu führen. Dabei ist dieser Wandel selbst ein komplexes Gefüge mit einem ebenso breiten wie reichhaltigen Spektrum voll vielfältig schillernder Facetten“, macht Herold deutlich (S. 336). Ein Ziel des Wandels und mithin ein Grundpfeiler für den Erfolg des Beratungsprozesses bestehe der Autorin zufolge dabei „oft auch im eben bereits angeklungenen Finden der »goldenen Mitte«, im Ausbalancieren von Extremen, Gegensätzen und unterschiedlichen Polaritäten, bei denen der Klient bislang ausschließlich oder vorrangig zur negativen Seite tendierte oder zwischen denen er hin- und hergerissen wurde“ (S. 346). Die Förderung der Klient/​innen mittels eines lösungsfokussierten Vorgehens „zu bewusstem, proaktivem Handeln, seine Ermutigung, die in ihm vorhandenen bzw. angelegten Ressourcen und Möglichkeiten wahrzunehmen, zu erkunden und einzusetzen […] sowie die Steigerung seiner Motivation, beharrlich und optimistisch die gewünschten Ziele zu verfolgen, sind hilfreiche Mittel auf dem Weg zu diesem Ausgleich“ (ebd.).

Herold benennt bzw. wiederholt in ihren Darlegungen nochmals die erfolgsfördernden Faktoren im Beratungsprozess und macht deutlich, wie bedeutsam die verwendete Sprache sei und wie schon Nuancierungen in der Formulierung einen bedeutenden Unterschied machen können. Auch das Iterieren (Wiederholen) und Pivotieren (Verschieben) seien bedeutsam. Beides wird ebenso umfänglich erläutert wie der Flow-Effekt, der „das rasche und erfolgreiche Entwickeln einer Lösung bzw. Erreichen des Ziels des Klienten umso schneller möglich macht“ (S. 358). Auch die Bedeutung von Prophylaxe und Prävention in den Folgesitzungen der Beratung werden als wichtige Erfolgsfaktoren betont, zumal gemachte Erfolge durch Rückschläge, gefühlte Stagnation und Rückfälle der Klient/​innen in schädliche Handlungs- und Denkmuster unterminiert werden könnten.

Konkludent beschreibt Herold, wie z.B. mittels des Skalierens von Rückschlägen, Rückfällen und gefühltem Stillstand in der Beratung vorgegangen werden könne. „Bei all dem Genannten geht es letztlich auch um eine Art ganzheitliches Feintuning: dem Klienten durch die in kleinen Schritten vorgehende Bewusstmachung von Erfolgen in vermeintlichen Misserfolgen dazu zu verhelfen, sensibler zu werden für seine Selbstwahrnehmung (»Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich wirklich? Was ist mir wichtig und bedeutsam für ein gutes, zufriedenes Leben?«) und wachsende Erkenntnis über sein Denken, Fühlen sowie seine Einstellungen und Reaktionen gegenüber sich selbst und anderen zu entwickeln“, macht die Autorin deutlich (S. 369). Eines der wesentlichen Ziele sämtlicher Prophylaxe- wie Präventionsmaßnahmen bestehe letztlich darin, „den Klienten zu einer Art Influencer seiner selbst zu machen, ihm also Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen er seine Ziele selbstgesteuert, proaktiv und eigenverantwortlich erreichen kann“ (S. 370). Die Werkzeuge, mittels derer das gelingen kann, beschreibt Herold in ihrem Buch.

Am Ende des Textes vollzieht die Autorin einen Ausblick, in dem sie den Nutzen ihres Fünf-Bausteine-Modells vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Veränderungen und Unsicherheiten nochmals erläutert und die Stärken des lösungsfokussierten Konzepts betont. Sie hält fest, dass im Fünf-Bausteine-Modell „ungeachtet seiner vordergründig klaren Struktur keine systematischen Vorgaben oder streng einzuhaltenden Regeln hinsichtlich der Methoden, Abläufe und Vorgehensweisen“ bestünden (S. 414). Es seien allein die „sich fallspezifisch und situativ ergebende Strategien handlungsleitend“ (ebd.).

Das Buch schließt mit einigen Darlegungen, in denen die Nützlichkeit des lösungsfokussierten Arbeitens vor dem Hintergrund neurowissenschaftlicher Erkenntnisse beleuchtet wird. Ihr Wunsch sei, so Herolds Fazit, dass Leser/​innen „durch das Fünf-Bausteine-Modell einen ersten oder (im Falle eventuell bereits vorhandener Erfahrungen) vielleicht ja auch erleichterten Zugang zum lösungsfokussierten Arbeiten finden werden. Mögen Sie auf dieser Grundlage künftig ebenfalls so oft wie möglich dieses Glücks­gefühl verspüren, eine sinnvolle und erfüllende Arbeit zu einem den Klienten in seinem Sinne befriedigenden Ende gebracht zu haben“ – so schließt sie ihren Text (S. 422), dem sich dann noch ein eine FAQ-Liste zum Fünf-Bausteine-Modell und zum lösungsfokussierten Arbeiten, ein Glossar, eine Danksagung und das obligatorische Literaturverzeichnis anschließen.

Diskussion

Wer sich über Grundlagen der Beratung informieren oder das eigene Beratungsverständnis erweitern will, findet am Markt eine unüberschaubare Masse an Publikationen, sowohl im Bereich der Leitfaden-Bücher, der populärwissenschaftlichen Publikationen und der wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Beim hier rezensierten Werk handelt es sich um eine Mischung aus wissenschaftlicher Veröffentlichung (Grundlagen/​Theorien des Ansatzes werden dargelegt) und Leitfaden (Anleitung, wie beraterisch vorgegangen werden kann). Zu fragen ist, ob die Lektüre Leser/​innen einen Mehrwert verspricht. Die Antwort ist: Wahrscheinlich schon. Es kommt letztlich auf die eigene Vorerfahrung an. Wer Lösungsorientierte Beratung (2022) von Günter G. Bamberger, Mehr als ein Wunder von Steve de Shazer und Yvonne Dolan, Lösungsorientierte Gesprächsführung (2016) von Lilo Schmitz, Ressourcen- und lösungsorientierte Beratung (2012) von Felizitas Hartwig oder Lösungsorientierte Beratung (2010) von Heike Berkling gelesen hat, findet bei Christa H. Herold wenig Neues. Sowohl der Theorieteil, in dem die Grundlagen des Beratungsansatzes erläutert werden, wie auch der Praxisteil, in dem Beispiele gegeben und das konkrete Beratungsvorgehen dargestellt werden, fallen bei ihr zwar teils deutlich ausführlicher aus als in den anderen oben genannten Werken (und sind teils auch angenehmer zu lesen als z.B. das Werk von de Shazer & Dolan), im Aufbau ähnelt Herolds Buch aber stark dem von Bamberger. Das ist wohlgemerkt nichts Schlechtes. Lösungsfokussierte Beratung liest sich stimmig und ist angenehm gelayoutet. Beispiele und besonders bedeutsame Textpassagen sind eingerückt und farblich hervorgehoben. Zudem finden sich im Buch konkrete Vorlagen dafür, wie das lösungsfokussierte Interview via Leitfaden dokumentiert und strukturiert werden kann.

Wer noch kein Buch zur Lösungsorientierung in Beratungsprozessen gelesen hat, dem kann dieses Werk uneingeschränkt empfohlen werden. Wer schon diverse Texte zur Lösungsorientierung kennt, erfährt nicht unbedingt Neues, kann die Lektüre aber zum Abgleich des bereits vorhandenen Wissen wie auch dazu nutzen, sich eigentlich Bekanntes wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das Buch spricht Studierende der Sozialen Arbeit, Pädagogik oder Psychologie ebenso an wie beratend tätige Sozialarbeiter/​innen, Personalberater/​innen, Mediator/​innen und andere, die viel und oft in potenziell konfliktreichen Settings interagieren. Ebenso können Lehrende an Hochschulen von der Lektüre profitieren.

Der Rezensent selbst arbeitet mit seinen Studierenden in einem Seminar über Beratungsmodelle in der Sozialen Arbeit einige Seiten aus dem Werk durch. Ein Kritikpunkt ist, dass die Autorin oft sehr lange Sätze mit diversen Nebensätzen verwendet, was das Nachvollziehen der Argumente für manche Leser/​innen erschweren kann. Gleiches gilt für diverse Fremdworte, die sich im Text finden. Ein weiterer Kritikpunkt ist aus Sicht des Rezensenten, dass diverse Darlegungen ungemein weitschweifig und teils redundant sind. Das gesamte Buch hätte nichts an Relevanz eingebüßt, wenn es komprimierter, etwa um 150 Seiten gekürzt, daherkäme. Im Gegenteil hatte mehr Prägnanz durch das Verzichten auf noch weitere Ausführungen, wenn ein Aspekt bereits nachvollziehbar erläutert wurde, den Lesefluss deutlich verbessert.

Es ist gut und richtig, dass die Autorin sich mit bedeutsamen Aspekten wie der Instrumentalisierung der Sprache, mit dem Flow-Effekt, dem Schnüren eines SOS-Paketes und vielem mehr befasst, das alles hätte aber deutlich kürzer ausfallen können, ohne an Verständlichkeit einzubüßen. Auch wenn Wiederholungen dem Lernen grundsätzlich dienlich sind, sollte für ein Fachbuch gelten, dass, wenn etwas bereits plausibel dargelegt wurde, es in aller Regel kein zweites oder gar drittes Mal in ähnlicher Forum wiederholt werden muss. Hier gäbe es Verbesserungspotenzial. Davon abgesehen ist das Werk aber zweifellos informativ. Der positive Eindruck überwiegt trotz mancher Redundanz und Weitschweifigkeit deutlich. Das Buch ist theoretisch enorm fundiert und zielt dabei dennoch auf die direkte Verwendung in der Praxis ab. Es in den eigenen Bestand aufzunehmen, kann Hochschulen mit Studiengängen wie Soziale Arbeit, Psychologie, Beratungswissenschaft, Supervision und Mediation nur empfohlen werden.

Fazit

Christa H. Herold legt mit „Lösungsfokussierte Beratung“ ein ansprechend gestaltetes, gut verständliches Grundlagenwerk vor, in dem überzeugend, wenn auch teils etwas weitschweifig, beschrieben wird, was Lösungsorientierung auszeichnet, wie sie vollzogen werden kann und warum sie nachhaltig wirkt. Studierenden und Lehrenden der Psychologie und Sozialen Arbeit kann das Buch ebenso empfohlen werden wie Supervisor/​innen, Mediator/​innen und Personalberatenden, die eine konstruktive(re) Kommunikationsweise trainieren und leben möchten.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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ISSN 2190-9245