Alessia Schinardi, Christine Weissenberg: Papa Konrad auf der Gefühlsschaukel
Rezensiert von Dr. Elisabeth Wappelshammer, 13.01.2023

Alessia Schinardi, Christine Weissenberg: Papa Konrad auf der Gefühlsschaukel. Books on Demand GmbH (Norderstedt) 2022. 48 Seiten. ISBN 978-3-7568-0275-3. D: 16,00 EUR, A: 16,50 EUR, CH: 23,50 sFr.
Thema
Aufklärung über bipolare Störungen zum Lesen und Vorlesen für Kinder vom Vorschulalter bis zum 8. Lebensjahr, die mit der Erkrankung eines/​einer Angehörigen konfrontiert sind.
Vorstellung von Autorinnen
Alessia Schinardi arbeitet als Psychiaterin in Zürich/CH in freier Praxis mit dem Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Christine Weissenberg ist Psychiaterin und Psychotherapeutin (FH Schweiz) im Ruhestand in Österreich und hat Jahrzehnte lange Erfahrung in der Behandlung und systemischen Begleitung von Menschen mit einer bipolaren Störung und ihren Angehörigen – mit einem fachlichen Schwerpunkt in Sozialpsychiatrie.
Iris Lindner ist Graphikerin im Ruhestand und lebt und arbeitet als Künstlerin im Waldviertel in Niederösterreich. Das Buch hat sie in einem engen Austausch mit den beiden Autorinnen graphisch gestaltet.
Entstehungshintergrund
Die beiden Psychiaterinnen haben sich als Kolleginnen im Rahmen eines Teams der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) kennen gelernt. Immer wieder begegneten ihnen PatientInnen die an einer bipolaren Störung litten und Eltern junger Kinder waren.
In der Angehörigenarbeit fiel daher auf, dass es einen entsprechenden Bedarf an kindgerechter Aufklärung über diese Erkrankung gibt. Eine Recherche bezüglich einschlägiger Kinderbücher hat die Wahrnehmung bestätigt, dass kindgerechtes Material kaum vorhanden bzw. erhältlich ist.
Aufbau
Anhand des Alltags einer Kleinfamilie werden die typischen Phasen und Probleme beschrieben, die auftreten, wenn ein Familienmitglied, in diesem Fall der Vater, an einer bipolaren Störung leidet. Im Anschluss an den dramatischen Höhepunkt einer Kette von belastenden Ereignissen -vor allem für das soziale Umfeld des Erkrankten – wird eine mögliche Auflösung der Probleme dargestellt, die den Alltag der Betroffenen weitgehend normalisiert.
Um die Geschichte spielerisch zu gestalten und zugleich eine gewisse Distanz zu den bedrängenden Gefühlen zu schaffen, die eine solche psychische Erkrankung eines Angehörigen auslösen kann, wurden Tiere als AkteurInnen gewählt. Auch haben die Autorinnen Abstand davon genommen, die Polizei ins Spiel zu bringen, die in solchen Fällen nötig sein kann. So wird die Dramatik einer möglichen Eskalation für die jungen BetrachterInnen und LeserInnen des Kinderbuchs etwas abgemildert.
Inhalte
Unversehens ändert sich der Alltag einer Eidechsenfamilie in irritierender Weise. Konrad, der Vater der Familie, verhält sich auffallend ungewohnt und sehr widersprüchlich. Mal liegt er nur apathisch im Bett, mal sorgt er in überschwänglicher Weise für die aufregendsten Erfahrungen seiner Familie. In den überaktiven Zeiten kauft er z.B. plötzlich einen teuren Sportwagen, der das Familienbudget überstrapaziert, zumal es bereits ein Familienauto gibt. Er beschimpft seinen Chef und seine MitarbeiterInnen, macht in der Arbeit gravierende Fehler und widmet sich einer gefährlichen Sportart. Zuletzt läuft er laut schreiend durchs Haus, ist für niemanden mehr erreichbar und will in diesem Zustand mit dem Auto fahren.
Vor allem Max und Paul, die Kinder, verstehen zunächst überhaupt nicht, was los ist. Sie entwickeln sogar das Gefühl, selber schuld am Verhalten ihres Vaters zu sein. Auch ihre Mutter Rosa ist sehr beunruhigt, schafft es aber nach einigen sehr verstörenden Ereignissen zusammen mit einer Ärztin und dem Team einer Rettung, dass ihr Mann begreift, dass er sich in medizinische Behandlung begeben muss. Im Krankenhaus erklärt ihm ein Arzt, dass er an einer bipolaren Störung leidet und dass sich die für diese psychiatrische Erkrankung typische Schaukel der Gefühle mit Medikamenten gut behandeln lässt. Hingewiesen wird auch auf eine Selbsthilfegruppe, an der Papa Konrad nach dem Spitalsaufenthalt ambulant teilnehmen kann.
Zurück aus dem Krankenhaus, kann Konrad selber seinen beiden Buben erklären, warum er sich eine Weile so seltsam verhalten hat. Da er auch an seinem Arbeitsplatz Schwierigkeiten bekommen hat, sucht er sich eine weniger stressige Arbeit. Regelmäßig nimmt er die im Krankenhaus verordneten Medikamente ein, besucht die empfohlene Selbsthilfegruppe und merkt, dass er Freunde hat, auf die er sich verlassen kann. In der Familie darf wieder der normale Alltag einkehren, Max und Paul können sich wieder ihren Bedürfnissen als Kinder widmen und dem Papa zusammen mit Mama Rosa zeigen, dass sie ihn liebhaben.
Diskussion
Eine bipolare Störung kann im engeren und weiteren sozialen Umfeld starke Irritationen auslösen. Das belastet Kinder vor allem dann sehr, wenn sie mit ihren Eindrücken vom oft befremdlichen Verhalten eines erkrankten Familienmitglieds allein gelassen werden. Genau das passiert im Buch zunächst auch Max und Paul, zwei Buben einer Eidechsenfamilie. Sie erleben mit, wie ihr Vater in höchst unterschiedliche Gefühlslagen gerät, was das tägliche Leben in verstörender Weise beeinträchtigt. Trotz einiger dramatischer Ereignisse gelingt es aber durch das besonnene Verhalten der Erwachsenen, dass sich das Leben der ganzen Familie wieder normalisiert und auch Max und Paul sich wieder ihren eigenen Bedürfnissen als Kinder widmen können. Dieses reich illustrierte Buch für Kinder bis zum achten Lebensjahr unterstützt Angehörige und das Personal medizinischer und sozialer Einrichtungen darin, Kindern zu erklären, was es bedeutet, wenn ein Elternteil an einer bipolaren Störung leidet. Text und Illustrationen laden Kinder vom Kindergarten bis zum Alter von acht Jahren ein, diese Art von psychiatrischer Erkrankung zu verstehen und zu erfahren, welche Möglichkeiten es für alle Beteiligten gibt, damit zurecht zu kommen. Den beiden Autorinnen und der Illustratorin ist es gelungen, das komplexe Krankheitsbild einer bipolaren Störung kindgerecht und gleichermaßen fachlich kompetent zu vermitteln.
Fazit
Wenn ein naher Angehöriger an einer bipolaren Störung leidet, kann das speziell Kinder sehr irritieren. Basierend auf einer fiktiven Tiergeschichte hilft das Buch Familien sowie medizinischen und sozialen Einrichtungen dabei, Kindern zu erklären, was es bedeutet, wenn ein Elternteil an einer bipolaren Störung erkrankt und welche Möglichkeiten es für alle Beteiligten gibt, damit zurecht zu kommen.
Rezension von
Dr. Elisabeth Wappelshammer
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Es gibt 1 Rezension von Elisabeth Wappelshammer.
Zitiervorschlag
Elisabeth Wappelshammer. Rezension vom 13.01.2023 zu:
Alessia Schinardi, Christine Weissenberg: Papa Konrad auf der Gefühlsschaukel. Books on Demand GmbH
(Norderstedt) 2022.
ISBN 978-3-7568-0275-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29639.php, Datum des Zugriffs 09.12.2023.
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