Reinert Hanswille (Hrsg.): Basiswissen systemische Therapie
Rezensiert von Katharina Maria Pongratz, Christine Wolf, 27.04.2023

Reinert Hanswille (Hrsg.): Basiswissen systemische Therapie. Gut vorbereitet in die Prüfung. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2022. 409 Seiten. ISBN 978-3-525-40781-3. D: 40,00 EUR, A: 42,00 EUR.
Thema
Hanswille, Reinert (Hg.); Baumann, Sebastian; Borst, Ulrike; Hermans, Björn Enno; Hunger-Schoppe, Christina; Kriz, Jürgen; Lieb, Hans und Ochs, Matthias stellen mit ihrem Werk Basiswissen Systemische Therapie. Gut vorbereitet in die Prüfung ein Grundlagenwerk der Systemischen Therapie zur Verfügung, wie es auf dem aktuellen Markt bisher nicht zu finden ist.
Basierend auf dem Gegenstandskatalog des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) gestalten die Autor:innen ein Standardwerk, das Interessierte unterschiedlicher Fachrichtungen auf den aktuellen Stand Systemischer Therapie bringt. Insbesondere mit der Aufnahme der Systemischen Therapie als Psychotherapieverfahren für Erwachsene in Deutschland mit Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 22.11.2019 (veröffentlicht im Bundesanzeiger am 23.01.2020) zeigt sich, dass Werke wie das hier vorzustellende unverzichtbar und notwendig sind – nicht nur für angehende Psychotherapeut:innen.
In Ihrer Einführung verweisen die Autor:innen darauf, dass das Werk ebenso Systemiker:innen der Praxis, Studierende und Interessierte adressiert. Die folgende Rezension blickt aus der Perspektive systemischer Therapeutinnen in der Erwachsenenbildung/eigener Praxis und Erwachsenenbilderinnen an deutschen Hochschulen auf das Buch und beschreibt allgemeine Eindrücke zur Nutzung des Buches für diese Kontexte. Vorne weg: Dieses Buch ist hervorragend für beide Perspektiven jenseits der Prüfungsvorbereitung gemäß IMPP geeignet.
Autor:in oder Herausgeber:in
Herausgeber und Autor:innenschaft bestehen aus einem intensiv und vielfach ausgebildeten, wie auch erfahrenen multiprofessionellem Team aus Wissenschaft und Praxis. Alle Autor:innen vereint, dass diese neben akademischen Qualifikationen zahlreiche Zusatzausbildungen, sowie jahrelange Berufserfahrung nachweisen können.
Für ein Standardwerk wie dieses eine sehr gute Bündelung von Fachwissen. Wenngleich – wie in jedem gemeinsamen Werk – an der ein oder anderen Stelle deutlich wird, dass es Herausforderungen bedarf, allen Perspektiven gerecht zu werden und dennoch konkret zu bleiben.
Aufbau und Inhalt
Auf rund 400 Seiten komprimieren die 8 Autor:innen strukturiertes und überblickbringendes Grundwissen in der Systemischen Therapie, das sicherlich nicht nur als Vorbereitung für die Prüfung sinnvoll ist. Insbesondere systemische Praktiker:innen jenseits der Approbationsprüfung, Studierende und an der Systemischen Therapie Interessierte erwartet in dem Buch ein Feuerwerk an Wissen, Praxis und aktuellem Forschungsstand.
Wie schon im Vorwort beschrieben, laden die Autor:innen all diejenigen ein, das Buch zu lesen, die sich tiefer mit der Thematik der Systemischen Therapie beschäftigen wollen. Den Autor:innen ist es ein Anliegen, mit diesem Buch „…einen Überblick über die zentralen Inhalte der Systemischen Therapie zu geben…“ (S. 19).
Sie haben den Anspruch, sich von einer Tendenz im Pool der Systemiker:innen insofern abzugrenzen, dass sie tiefes Wissen vermitteln wollen, statt sich dem Trend der sog. Tooligans anzuschließen. Sie beziehen Stellung dazu (siehe Einführung), dass die Systemische Therapie erkenntnistheoretische Rahmungen hat und theoretisch- konzeptionelle Hintergründe als Grundlagen wichtig und für eine fundierte systemische Arbeit unverzichtbar sind.
In 13 Themenkapiteln decken die Autor:innen ein breites Wissen und Hintergrundwissen zur Systemischen Therapie ab und informieren – fast nebenbei und doch gründlich – über die Entstehungsgeschichte der Systemischen Therapie, sowie über den aktuellen Stand der Akzeptanz in der Berufspolitik.
Die dargestellten Themenbereiche sind:
Konstruktivismus, Systemtheorien, Methodentheorien und Wirkfaktoren, Rahmungen und Grundhaltungen, Settings der Systemischen Therapie, Systemische Grundkonzepte, Systemische Entwicklungskonzepte, Diagnostik, Systemische Überlegungen zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Störungen, klassische Kernkonzepte intra- und interpersoneller Dynamiken, Varianten der Systemischen Therapie und manualisierte/integrative Therapien, Überblick: Techniken und Interventionen und Systemische (Psychotherapie-)Forschung.
In Kapitel 15 werden Ideen für die Vorbereitung auf die schriftliche und mündliche Approbationsprüfung gegeben.
Diese Themenauswahl dient dazu, die theoretischen Grundlagen der Systemischen Therapie mit der Praxisumsetzung zu verbinden, ohne dass ein Thema das andere ausgrenzt oder vernachlässigt. Trotzdem ist den Autor:innen sehr klar, dass sie eine Auswahl der Themen treffen mussten und somit nicht allumfassend sein können. Dieser Anspruch hätte den aktuell vorliegenden Rahmen des Buches deutlich überschritten und dem kompakten Werk den Charme des gebündelten Basiswissens genommen.
Das Buch ist klar strukturiert, bietet eingefügte Grafiken zur Verdeutlichung bestimmter Theorien und Erkenntnisse, lockert auf mit einigen Cartoons und bietet kapitel-/themenbetreffende Prüfungsfragen. Über den Link und Code -der am Ende des Buches zu finden ist- kann sich jede/r Prüfungsbeabsichtigte in den Antworten auf die Prüfungsfragen selbst einschätzen.
Diskussion
Der Herausgeber dieses Buches, Reinert Hanswille, hat mit dem Zusammenführen dieser insgesamt 8 Autor:innen ein sehr kompaktes Werk zum Thema Systemische Therapie geschaffen. Diese Kompaktheit ist je nach Autor:in und dargestelltem Thema immer mal wieder derart dicht, dass in all der sprachlichen und inhaltlichen Darstellung hohe Konzentration beim Lesen gefordert ist. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass das eine Thema praxisnaher bezogen werden kann und das andere den hintergründigen wissenschaftlichen Grundsatz in den Vordergrund stellt. Doch die innere Entscheidung, all das gebündelte Wissen und Hintergrundverständnis rund um die Systemische Therapie scheibchenweise zu verdauen, lässt die lesende Person die Komplexität der Inhalte erfassen. Gleichzeitig vermittelt das Buch ein konkretes Handwerkszeug, das zum Anwenden einlädt.
Die Inhalte der ca. 400 Seiten sind sicherlich sehr dienlich, um sich adäquat auf eine Prüfungssituation vorzubereiten; auch aus der Perspektive der allgemein Interessierten dient dieses Buch dazu, das eigene Wissensspektrum erweitern und vertiefen zu können.
Letztendlich ist dieser Facettenreichtum an Vermittlung ein großer Gewinn für die Gemeinschaft der Systemiker:innen in Wissenschaft und Praxis, da es die Systemische Therapie an sich aus dem Topf des „wilden Benutzens irgendwelcher Handwerkszeuge und Methoden“ heraushebt und die Grundlage und Struktur für eine fundierte Therapieart in all ihrer Komplexität darstellt.
Es wäre wünschenswert, solche Standardwerke auch für die Systemische Beratung und das Systemische Coaching vorfinden zu können, damit auch in diesen Bereichen klar wird, was dieses Buch transportiert: Systemisches Arbeiten ist praxisnah, wissenschaftsfundiert, klar und facettenreich.
Fazit
Das Buch ist thematisch dicht gestaltet, so unterschiedlich in den Kapiteln wie die Autor:innen selbst, umfangreich, mutmachend für fundierte Arbeit mit Menschen und kann all diejenigen erreichen, die sich in ihrem Systemischen Wissen überprüfen wollen und/oder Neues erfassen möchten. Dem Anspruch, Werkzeuge/Methoden nicht nur von ihrem Ablauf und Inhalt her zu kennen (Tooligan-Trend), sondern ein Fundament aus Zitat: „erkenntnistheoretischen Rahmungen“ als Basis zu vermitteln, wird der Inhalt dieses Buches gerecht.
Rezension von
Katharina Maria Pongratz
M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl wissenschaftliche Weiterbildung, Weiterbildungsforschung, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Website
Mailformular
Christine Wolf
Systemorientiertes Coaching und Beratung
Begründerin von LGM (LeichtGesinntMenschlich)
Website
Mailformular
Es gibt 4 Rezensionen von Katharina Maria Pongratz.
Es gibt 1 Rezension von Christine Wolf.