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Manfred Pretis, Andrea Jagusch-Espei u.a. (Hrsg.): ICF-basierte Gutachten erstellen

Rezensiert von Prof. Dr.PH Max Ueberle, 21.04.2023

Cover Manfred Pretis, Andrea Jagusch-Espei u.a. (Hrsg.): ICF-basierte Gutachten erstellen ISBN 978-3-497-03099-6

Manfred Pretis, Andrea Jagusch-Espei, Silvia Kopp-Sixt, Meike Hörnke (Hrsg.): ICF-basierte Gutachten erstellen. Entwicklung im interdisziplinären Team. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2022. 204 Seiten. ISBN 978-3-497-03099-6. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR.

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Thema

Sozialrechtliche Gutachten sind durchweg mit dem besonderen Schwerpunkt der Teilhabe zu erstellen. Diese Anforderung wurde durch die Regelungen aufgrund des Bundesteilhabegesetzes weiter geschärft.

Dazu sind Aspekte aus unterschiedlichen Bereichen der arbeitsteilig durchgeführten Therapie und medizinischen Diagnostik bedeutsam. Außerdem werden hoch individuelle Lebenslagen betrachtet, für die die professionelle Einsicht unterschiedliche Berufsgruppen zum einen nutzbar gemacht werden soll, zum anderen auch vorhandenes Wissen aus dem Umgang mit Probanden gehoben werden soll.

Eine inzwischen paradigmatische Vorgehensweise bei der Sicht auf den Probanden und für die Organisation inter- oder (seltener) transdisziplinärer Teams ist die Verwendung der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation).

Überzeugende und umsetzbare Konzepte für ein solches Vorgehen wurden in den letzten 20 Jahren entwickelt. Dennoch verläuft die Implementierung in der Praxis weiterhin gefühlt schleppend.

In dem 200-seitigen Band zur Gutachtenerstellung fasst Herausgeber Manfred Pretis mit einem Autorenteam einige Aspekte zum „Goldstandard“ der Umsetzungspraxis einer ICF-orientierten Begutachtung aus Teamkonstellationen heraus, wie sie sich etwa in Rehabilitationseinrichtungen oder bei der Ermittlung des Hilfebedarfs von Menschen mit Behinderung ergeben.

Herausgeber

Der Herausgeber hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe von praxisorientierten Handbüchern zur Verwendung der ICF im pädagogischen Bereich vorgelegt.

Aufbau

Das Buch ist in die gut abgrenzbaren Teile Begutachtung, Befundung und Gutachtenerstellung gegliedert.

Im Begutachtungsteil werden allgemeine Anforderungen an Begutachtungssituationen rekapituliert und resultierende Herausforderungen bei der Begutachtung als Teamarbeit und mit der ICF hervorgehoben.

In den Kapiteln zur Befundung werden Wege zur Übertragung bestehender Assessments in eine ICF-orientierte Befundung diskutiert und Möglichkeiten zur Arbeitsteilung im Team dargestellt. Besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Teilhabe und Aktivitäten.

Im Begutachtungsteil werden Möglichkeiten zur Zusammenführung der Erkenntnisse der Teammitglieder in einem Gutachtenprodukt vorgestellt. Daneben wird die Frage der Anschlussfähigkeit einer ICF-orientierten Begutachtung an die Erwartungen sozialrechtlicher Auftraggeber diskutiert. Es schließen sich einige kurze Beispielgutachten an.

Inhalt

Zur Begutachtung werden die Verwendungsmöglichkeiten der ICF als Dokumentationssystem dargestellt, die Verwendung als gemeinsame Sprache, als Kategoriensystem für Befunde sowie als „nomothetische“ sc. allgemeingültige Folie von Beurteilungsmerkmalen oder Begutachtungsfragen. Dazu werden bewährte Lösungsansätze für Herausforderungen bei der Anwendung der ICF im Team präsentiert, etwa zum Vorgehen angesichts des komplexen Zusammenhangs der Komponenten („alles hängt mit allem zusammen“) und zur professionsorientierten Arbeitsteilung und Zusammenarbeit.

Aus der Verwendung der ICF als „gemeinsame Sprache“ stellt sich die Frage, wie die Fachlichkeit und Prägnanz der Fachsprachen erhalten werden können. Letztlich gilt dies auch für die Verwendung von Assessmentverfahren, die mit einem numerischen Ergebnis besonders exakt sind oder erscheinen. Die möglichen Wege zur Umskalierung werden diskutiert sowie die damit einhergehenden Probleme.

Die Hälfte des Buches befasst sich mit der Befundung der verschiedenen Kategorien. Dabei sind einerseits die unterschiedlichen Beurteilungsmerkmale zu berücksichtigen und ein inhaltliches Verständnis zu schaffen. Dies gelingt kurzgefasst an einzelnen Beispielen. Überwiegend sind die dargestellten Herausforderungen hier allerdings nicht spezifisch für Gutachtensituationen, sondern gelten auch bei der Verwendung der ICF als Dokumentations- oder Befundsystem.

Der Dokumentation des Befundes schließt sich ein Kapitel zur Nutzung der Befunde zu einer insbesondere teilhabeorientierten Begutachtung. Kurz aber immerhin angesprochen wird hier das Verhältnis zum Auftraggeber der Begutachtung und dessen Erwartungshaltung sowie die produktionsorientiere Zusammenführung der Erkenntnisse zu einem kolloborativen und interdisziplinären Gutachtendokument.

Das Buch schließt mit drei Beispielen für Gutachten in verschiedenen Begutachtungssituationen.

Diskussion

Die Autoren leiten instruktiv in die Teambasierte Gutachtenerstellung unter Verwendung der ICF ein und stellen mögliche und bewährte Wege zur Umsetzungspraxis dar.

Zum Verständnis sollten solide Kenntnisse in der ICF vorliegen sowie zumindest praktische Erfahrungen im Umgang mit sozialrechtlichen Gutachten.

Insgesamt gelingt es den Autoren, die logischen Herausforderungen, die sich bei einer Verwendung der ICF ergeben, klar anzusprechen und damit für den Leser handhabbar zu machen. So manches diffuses Unbehagen von (angehenden) ICF-Praktikern dürfte sich hier in ein Aha-Erlebnis auflösen.

Von dem Buch dürften besonders die Teamorganisatoren in Einrichtungen profitieren, in praxi auch Ärzte, die die Gutachtenerstellung etwa in Rehakliniken auf mehr Schultern verteilen möchten. Diese finden hier eine solide und erfreulich übersichtliche Darstellung von aktuellen Aspekten zum Vorgehen. Durch eine stringente Gliederung des Textes und erläuternde Beispiele ist das Buch auch erfreulich lesefreundlich.

Fazit

Eine kompakte Überblicksdarstellung zu bewährten Vorgehen bei der interdisziplinären Gutachtenerstellung im Team.

Rezension von
Prof. Dr.PH Max Ueberle
Professor für Gesundheits- und Sozialmanagement, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Essen, Hochschulzentrum Frankfurt am Main
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Es gibt 8 Rezensionen von Max Ueberle.

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Zitiervorschlag
Max Ueberle. Rezension vom 21.04.2023 zu: Manfred Pretis, Andrea Jagusch-Espei, Silvia Kopp-Sixt, Meike Hörnke (Hrsg.): ICF-basierte Gutachten erstellen. Entwicklung im interdisziplinären Team. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2022. ISBN 978-3-497-03099-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29669.php, Datum des Zugriffs 11.06.2023.


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