Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Hans-Werner Eggemann-Dann, Andreas Fryszer: Systemisch arbeiten mit Jugendlichen

Rezensiert von Dr. phil. Oda Baldauf-Himmelmann, 13.07.2023

Cover Hans-Werner Eggemann-Dann, Andreas Fryszer: Systemisch arbeiten mit Jugendlichen ISBN 978-3-525-40761-5

Hans-Werner Eggemann-Dann, Andreas Fryszer: Systemisch arbeiten mit Jugendlichen. Haltungen, Strategien, Methoden und Settings. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2022. 471 Seiten. ISBN 978-3-525-40761-5. D: 35,00 EUR, A: 36,00 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema

Die Jugendphase ist mit verschiedenen Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben verknüpft, die in der Begleitung der jungen Menschen daher eine besondere Betrachtung erfordern. Dabei geht es nicht nur um z.B. Identitätsaspekte, sondern auch um Abnabelung und Abgrenzung zur elterlichen bzw. erwachsenen Generation. Spannend ist daher die Frage: Wie gelingen Zugänge und gemeinsame Prozesse in Krisensituationen, in Situationen wo Hilfe gerufen wird oder auch nur in Situationen, wo es um das gemeinsame Miteinander geht?

Autoren

Hans-Werner Eggemann-Dann, Diplompsychologe, hat in Marburg studiert und ist Gesprächspsychotherapeut und Familientherapeut und arbeitet in eigener Praxis als Supervisor, Familientherapeut, systemischer Ausbilder und Achtsamkeitstrainer.

Andreas Fryszer, Diplompsychologe, hat ebenfalls in Marburg studiert, ist approbierter Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in tiefenpsychologischer und systemischer Therapie, arbeitet in freier Praxis als Psychotherapeut, Supervisor, Coach, Konfliktmanager und im Führungskräftetraining.

Entstehungshintergrund

Die Veröffentlichung entstand in Ermangelung praxisnaher Literatur zur Arbeit mit Jugendlichen und soll für psychosoziale Unterstützerinnen von Jugendlichen, verstehende Zugänge zu Jugendlichen und deren Lebenswelt ermöglichen und zur fortwährenden Qualifizierung und kritischen Selbstreflexion ermutigen. Damit wird außerdem die Hoffnung der Autoren verknüpft, dass mehr beraterische, psychosoziale und therapeutische Kompetenz in Schulen, Hochschulen, Ausbildungsstätten und Vereinen selbstverständlichen Eingang findet.

Aufbau und Inhalt

Die Publikation untergliedert sich in ein Vorwort, eine Einleitung, sechs Hauptkapitel und eine Schlussbemerkung. Jedes der drei Hauptkapitel ist dann noch einmal in vier bis 10 Unterkapitel unterteilt.

Das von Antje Heigl formulierte Vorwort würdigt das von den Autoren aufgegriffene und behandelte Thema sowie deren konsequente systemische Grundhaltung und den darauf aufbauenden Denk- und Handlungsansätzen.

In der Einleitung formulieren die Autoren ihren Ausgangspunkt, die Fragestellungen und Anliegen, sowie den grundlegenden Aufbau dieser Veröffentlichung und setzen sich einleitend mit zwei Fragen auseinander:

  1. Warum schreiben wir über Jugendliche?
  2. Warum unterscheiden wir nicht zwischen Therapie, Beratung und Sozialarbeit?

Im ersten Kapitel „Jugendliche und ihre Entwicklungshelfer“ geht es zunächst um verschiedene relevante Lebenskontexte von Jugendlichen, wie Familie, Schule, Peergroup und Ausbildungsstelle etc. Ein weiterer Aspekt, der hier diskutiert wird, sind die zentralen Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen: Autonomie und Identität und ihre Auswirkungen auf Unterstützungsangebote. Da die Hintergründe und Bedingungen in Hilfekontexten auch Einfluss auf die Gestaltung von Begegnungen mit Jugendlichen nimmt, werden diese ebenfalls mit beleuchtet.

Im zweiten Kapitel werden „Haltungen und Strategien in der Arbeit mit Jugendlichen“ thematisiert und als wesentliche Grundlage dafür, wie Wirklichkeit erlebt und wie gehandelt wird, diskutiert. Neben klassischen, traditionellen Haltungen und Strategien: Utilisieren von Symptomen und Problemen, Kontextualisieren, Fokussieren auf Stärken, Lösungen, Interessen und Ressourcen, Zeitlichkeit in Gegenwart und Zukunft, One-down-position, Allparteilichkeit, holistische Betrachtungsweise sowie Hypothesenbildung etc. kommt es auch zur Erweiterung bisher weniger im Vordergrund gestandener systemischer Möglichkeiten, wie z.B.: Neutralität, Einbezug von Körper, Bedeutung von Sinn und Achtsamkeit.

Drittes Kapitel: Anliegen dieses Kapitels „Methoden in der Arbeit mit Jugendlichen“ ist es nun, die im ersten Kapitel präsentierten Herausforderungen auf beiden Seiten, der Jugendlichen und der Helfenden und die im zweiten Kapitel diskutierten Haltungen und Strategien, mit geeigneten Werkzeugen und methodischen Handlungsmöglichkeiten zu verknüpfen. Dabei betonen die Autoren, dass psychosoziale Arbeit weniger ein Handwerk ist und daher darauf zu achten wäre, nicht zum „Tooligan“ zu werden. Die methodischen Vorgehensweisen werden in diesem Sinne auf die vier wesentlichen Ebenen, die Menschen ausmachen, bezogen, nämlich: Körper, Psyche, soziale Beziehungen und institutionelle Rollen. Das methodische Handeln wird hierbei nicht mit dem Verhalten der Jugendlichen in Verbindung gebracht, sondern die Wahrnehmungen dieser rücken in den Mittelpunkt. Damit soll Neues, anstelle von Wiederholungen, in der Kommunikation entstehen sowie Spaß und Entspannung, im Rahmen eines wertschätzenden Austausches, ermöglicht werden.

Im vierten Kapitel geht es dann um die „Wahl und Variation des Settings“. Dieses Kapitel definiert Setting und zeigt anhand von Beispielen, wie groß die Bandbreite verschiedener Settings sein kann. Orientiert an Situation und aufgestellten Hypothesen, werden hier passende Settings gesucht, kombiniert, gewechselt und ausprobiert.

Kapitel fünf „Systemische Ideen zur Entwicklung von Problemen bei Jugendlichen“ befasst sich einerseits mit klassischen Ideen von Systemikerinnen, unter welchen Bedingungen professionelle Hilfe nötig wird und andererseits, unter welchen Bedingungen Probleme entstehen, also den sogenannten Störungsideen. Vor dem Hintergrund des radikalen Konstruktivismus, der Problemanalysen für überflüssig hält, werden in diesem Kapitel zwei Fragen diskutiert: 1. Sind Kontext und Symptom tatsächlich nur zirkulär beobachtbar? 2. …oder macht es Sinn auch über Ursachen von Symptomen nachzudenken und zu sprechen? Zur Beantwortung der Fragen werden traditionelle systemische Ideen und Theorien herangezogen und bilden den Ausgangspunkt für weitere Explorationen im Kapitel.

Das sechste Kapitel „Unterstützung von Jugendlichen in einer globalisierten Welt“ greift die Besonderheit, dass Jugendliche in Deutschland häufig einen Migrationshintergrund haben oder zumindest im alltäglichen Kontext, mit einer multikulturellen Gesellschaft konfrontiert sind, auf. Es wird nach Haltungen zu interkulturellem Leben, nach einem Kulturverständnis und dessen Einfluss auf Gestaltung und Sicht auf psychisches und soziales Leiden sowie geeigneten Methoden für interkulturelle Beratungssituationen gefragt. Die Relevanz dieser Überlegungen wird zum Beginn des Kapitels statistisch untermauert.

In der Schlussbemerkung wird abschließend auf die Nützlichkeit des Gedankens an Endlichkeit eines jeden Lebens verwiesen und der globale Kontext in seiner Rasanz der Entwicklung und den damit verbundenen Veränderungen der Ansprüche an und von Generationen verwiesen.

Diskussion

Das vorliegende Praxishandbuch setzt sich mit potenziellen Unterstützungsmöglichkeiten für das Bewältigen von Krisen und Herausforderungen junger Menschen auseinander, gibt dabei Orientierungen und Anregungen für Beratung, Therapie, Schule, offene Jugendarbeit, Erziehungshilfen und Coaching, für die Arbeit mit jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sowie Geflüchteten. Der Zusammenhang bzw. das Wechselspiel von Körper, Psyche und Sozialem bilden hierbei die Grundlage für Fragen nach geeigneten und flexiblen Settings, wichtiger und unterstützender Haltungen und passenden methodischen Vorgehensweisen.

Dabei ist besonders angenehm und wohltuend, dass die Annäherung immer unter Bezugnahme auf praktische Beispiele, oft fragend anstatt schon wissend sowie mit einer gewissen Haltung von Demut, aber auch bedingungslosem Respekt, vor den Lebensleistungen junger Menschen, erfolgt.

Fazit

Sprachlich und in der Umsetzung erscheint dieses Buch lebendig und einladend, sodass auch Interessierte, ohne systemische Vorkenntnisse, sicherlich Neues und Nützliches entdecken werden.

Rezension von
Dr. phil. Oda Baldauf-Himmelmann
Ausgebildete systemische Therapeutin / Familientherapeutin, Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin und Kulturwissenschaftlerin. Arbeitet als Akademische MA an der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus/Senftenberg (BTU CS)
Mailformular

Es gibt 28 Rezensionen von Oda Baldauf-Himmelmann.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Oda Baldauf-Himmelmann. Rezension vom 13.07.2023 zu: Hans-Werner Eggemann-Dann, Andreas Fryszer: Systemisch arbeiten mit Jugendlichen. Haltungen, Strategien, Methoden und Settings. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2022. ISBN 978-3-525-40761-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29766.php, Datum des Zugriffs 28.09.2023.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht