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Carolin Ehlke, Britta Sievers u.a.: Werkbuch Leaving Care

Rezensiert von Ruth Seyboldt, 18.11.2022

Cover Carolin Ehlke, Britta Sievers u.a.: Werkbuch Leaving Care ISBN 978-3-947704-08-8

Carolin Ehlke, Britta Sievers, Severine Thomas: Werkbuch Leaving Care. Verlässliche Infrastrukturen im Übergang aus stationären Erziehungshilfen ins Erwachsenenleben. Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) (Frankfurt am Main) 2022. 240 Seiten. ISBN 978-3-947704-08-8.

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Thema

Dieses Werkbuch setzt sich mit dem Thema Leaving Care auseinander: dem Übergang von der stationären Jugendhilfe in die Selbstständigkeit. Es zeichnet die Entwicklung der Diskussion in den vergangenen zehn Jahren nach, führt in die rechtlichen Grundlagen im Zuge des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes ein und zeigt eine Vielzahl an „best practice-Beispielen“ auf, wie Care Leaver*innen unterstützt werden können.

Autorinnen

Dr. phil. Carolin Ehlke und Dr. phil. Severine Thomas arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an der Universität Hildesheim und beschäftigen sich seit vielen Jahren und mit jeweils neuen Schwerpunktsetzungen mit dem Thema Leaving Care.

Auf langjährige Projekterfahrung im Kontext Leaving Care kann auch Britta Sievers zurückblicken. Sie arbeitete dabei u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V.

Entstehungshintergrund

Das Werkbuch fasst die Ergebnisse des Modellprojekts „Gut begleitet ins Erwachsenenleben – Übergangsmanagement in und nach stationären Hilfen“ zusammen, welches von der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V. und der Stiftung Universität Hildesheim im Zeitraum von September 2016 bis August 2019 durchgeführt wurde. Im Rahmen des Projekts wurde an den drei Standorten Karlsruhe, Dortmund und Landkreis Harz zur Weiterentwicklung der Hilfeplanung zu einer Übergangsplanung, zur rechtskreisübergreifenden Vernetzung der Akteur*innen sowie zur Stärkung von Partizipation und Selbstorganisation junger Menschen gearbeitet. Ziel war die kommunale Verankerung von Übergangsinfrastrukturen.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert, denen eine Einleitung vorangestellt ist, welche den Entstehungshintergrund des Werkes erläutert und Hinweise zu dessen Verwendung gibt. Die Kapitel sind so verfasst, dass sie eigenständig gelesen werden können und es nicht den Bezug zu den anderen Passagen braucht. Grafisch ist das Buch durch eine Vielzahl an Kästen strukturiert, die u.a. Definitionen, rechtliche Grundlagen, Fallbeispiele und Handlungsempfehlungen enthalten. Ein zentrales Kennzeichen des Werkbuches ist der durchgängige rechtebasierte Ansatz, wonach nicht die Bedürfnisse von Care Leaver*innen an sich im Fokus stehen, sondern die ihnen gegenüber einzulösenden Rechte auf Selbstbestimmung, Beteiligung und soziale Teilhabe.

Im ersten Kapitel werden die Entwicklung des Diskurses um Leaving Care nachgezeichnet und die Herausforderungen erläutert, denen Care Leaver*innen gegenüberstehen. Sodann werden Hinweise zu Projekten und Initiativen gegeben, die das Thema bearbeiten. Nach einem empirischen Blick auf das Thema schließt das Kapitel mit einer ausführlichen Darstellung der rechtlichen Situation: Die im Rahmen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes veränderten Regelungen, die das Thema Leaving Care berühren, werden vorgestellt und erläutert.

Im zweiten Kapitel wird der rechtebasierte Ansatz entfaltet. Dafür werden zuerst die Grundrechte aller junger Menschen herausgearbeitet, indem u.a. der in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Dreiklang von Schutzrechten, Förderrechten und Beteiligungsrechten dargestellt wird. Diese Rechte werden sodann für junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe konkretisiert, um abschließend ihre Bedeutung im Kontext von Leaving Care darzustellen. Damit in dieser Lebensphase keine Rechts- und Schutzlücke aufkommt, braucht es eine institutionelle Absicherung der Rechte junger Menschen in Einrichtungen.

Das dritte Kapitel fasst die Bedarfslagen von Care Leaver*innen zusammen: Die soziale Existenz muss gesichert sein ebenso wie die Freizeitgestaltung. Ergänzend werden in diesem Kapitel auch die Bedarfe einzelner Gruppen von Care Leaver*innen herausgearbeitet wie zum Beispiel Care Leaver*innen aus Pflegefamilien, mit Fluchthintergrund oder im ländlichen Raum. Als zentrales Qualitätsmerkmal im Kontext von Leaving Care werden im zweiten Teil des Kapitels das Thema Beteiligung genauer bearbeitet und verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten erörtert. Das Kapitel schließt mit einer Darstellung des britischen Modells zur Übergangsplanung „Pathway Planning“ und Ideen, wie dieses in Deutschland adaptiert werden könnte.

Im vierten Kapitel werden konkrete Infrastrukturen zur Unterstützung von Care Leaver*innen vorgestellt. Die jungen Menschen brauchen sowohl Informationen für ihre Lebensphase, welche durch die vorgestellten Broschüren, Webseiten und Apps zur Verfügung gestellt werden können, sowie Formen der Beratung und Begleitung. An dieser Stelle werden eine Vielzahl an Unterstützungsmöglichkeiten wie Peer-Education, Patenschaften und Beteiligungswerkstätten vorgestellt. Der zweite Teil des Kapitels beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung der kommunalen Infrastruktur. Diese muss rechtskreisübergreifend, integrativ und kooperativ organisiert sein. Beispielhaft werden kommunale Übergangsmodelle, Modelle von Jugendberufsagenturen sowie Kooperationsmodelle vorgestellt. Dabei muss die Kinder- und Jugendhilfe die federführende Verantwortung für das junge Erwachsenenalter übernehmen und das Miteinander (nicht Nacheinander) von Hilfen und Zuständigkeiten koordinieren.

Das letzte Kapitel, welches die Autorinnen gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Schröer (Universität Hildesheim) und Josef Koch (Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V.) verfasst haben, liest sich als Aufforderung, die Potenziale, die das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz in Bezug auf Selbstbestimmung und eine diskriminierungsfreie soziale Teilhabe eröffnet in der Praxis zu nutzen und rundet damit mit einem programmatischen Ausblick ab.

Diskussion

Das Werkbuch stellt eine gelungene Zusammenfassung des aktuellen Diskussionsstandes zum Thema Leaving Care dar. Es führt in die Hintergründe ein, gibt einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen und zeigt eine Vielzahl an Möglichkeiten auf, die die Fachpraxis zur Unterstützung von Care Leaver*innen entwickelt hat. In diesem Sinne eignet es sich insbesondere für Fachkräfte, die mit jungen Menschen im Übergang in ein eigenständiges Leben arbeiten. Die grafische Aufbereitung hilft innerhalb kurzer Zeit gezielt einzelne der vielfältigen Impulse nutzbar zu machen und das eigene fachliche Handeln zu reflektieren und weiterzuentwickeln. In diesem Sinne stellt es ein Ideenkompendium dar und folgt weniger den Logiken eines stringent aufgebauten Fachbuches. Bereichernd kann zudem der rechtebasierte Ansatz sein, der sich insbesondere als Argumentationshilfe gegenüber anderen Akteur*innen als hilfreich erweisen kann.

Fazit

Das Werkbuch stellt insbesondere für Praktiker*innen die Herausforderungen von Care Leaver*innen, die rechtlichen Grundlagen für ihre Unterstützung sowie eine Vielzahl konkreter „best practice“-Beispiele vor. Die Autorinnen argumentieren dabei rechtebasiert und treten für eine rechtskreisübergreifende, integrative und kooperative kommunale Infrastruktur ein. Die Kinder- und Jugendhilfe sehen sie in der federführenden Verantwortung für das junge Erwachsenenalter; sie muss das Miteinander der verschiedenen Hilfen und Zuständigkeiten koordinieren.

Rezension von
Ruth Seyboldt
Sozialpädagogin, wissenschaftliche Referentin im Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft, langjährige Vorsitzende des Careleaver e.V.
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Es gibt 1 Rezension von Ruth Seyboldt.

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Zitiervorschlag
Ruth Seyboldt. Rezension vom 18.11.2022 zu: Carolin Ehlke, Britta Sievers, Severine Thomas: Werkbuch Leaving Care. Verlässliche Infrastrukturen im Übergang aus stationären Erziehungshilfen ins Erwachsenenleben. Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) (Frankfurt am Main) 2022. ISBN 978-3-947704-08-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29770.php, Datum des Zugriffs 04.12.2023.


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