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Tim Krüger: Trauer in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Alexandra Günther, 06.09.2023

Cover Tim Krüger: Trauer in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-17-040804-3

Tim Krüger: Trauer in der Sozialen Arbeit. Bedeutung von Verlust und Trost. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2022. 170 Seiten. ISBN 978-3-17-040804-3. D: 32,00 EUR, A: 32,90 EUR.

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Thema

Verluste und Trauer spielen in der Sozialen Arbeit in fast jedem Arbeitsbereich eine Rolle. Daher stellt sich die Frage, wie professionelles Handeln gegenüber Trauernden in einer pluralistischen, multikulturellen Gesellschaft gestaltet werden kann. In der gegenwärtigen Gesellschaft wird Trauer zunehmend allein psychiatrisch-medizinisch definiert. Therapien sollen helfen. Eine andere Möglichkeit liegt für die Soziale Arbeit im Begriff des Trosts bzw. im Trost geben.

Autor

Prof. Dr. Tim Krüger ist Professor für Soziale Arbeit an der TH Rosenheim. Seine Arbeitsschwerpunkte sind theoretische und historische Grundlagen Sozialer Arbeit, erziehungswissenschaftliche Theorien und Methoden, sozialpädagogische Kasuistik und Soziale Arbeit im Kontext von Verlust und Trauer.

Aufbau

Das Fachbuch ist folgendermaßen aufgebaut:

Statt einer Einleitung: Sterben und Tod nach Auschwitz

  1. Sterben und Tod – Grundlegendes zu einem anthropologischen Problem
  2. Die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten – Trauer in ihrer Entwicklung und aktuellen Modellen
  3. Verlust als Gegenstand – Eine Landkarte der Sozialen Arbeit in Bezug auf Verlust und Trauer
  4. Die Sorge um Trauernde – Trost als Aufgabe für die Soziale Arbeit

Inhalt

Die NS-Diktatur, der 2. Weltkrieg und Holocaust haben Folgen für das Verhältnis zu Tod und Sterben in der deutschen Gesellschaft. Im Vorwort umreißt Tim Krüger die Ausgangslage und geht dabei auf u.a. den Umgang mit Trauer in der deutschen (Nachkriegs)Geschichte und eine vorherrschend verhaltenstherapeutisch-psychiatrische Perspektive in Standardwerken zur Trauer ein.

Das erste Kapitel gibt einen Überblick über die gesellschaftlichen und sozialen Dimensionen von Tod und Sterben wie z.B. den Umgang mit der eigenen Endlichkeit in der Geschichte, Bestimmung des Todes, Sterbeorte und das Phänomen des sozialen Todes. Der Umgang mit Sterben, Tod und Trauer ist kultur- und epochenabhängig und verändert sich in der multikulturellen, individualistischen Gesellschaft. Krüger zeigt u.a. Entwicklungen wie die Hospizbewegung, Death Education oder technisch-medizinische Todesverschiebung wie im Fall Kim Snozzi.

Das zweite Kapitel behandelt Trauertheorien und -modelle. Als Ausgangspunkt erläutert Krüger  Freuds Trauerbegriff. Kritisch diskutiert er gängige Trauer-Modelle, die eine Einteilung in Trauerphasen oder nach Trauersymptomen beinhalten, und zieht dazu u.a. die Studie von George Bonanno heran. Er stellt aktuelle Ansätze vor, die die verschiedenen Aspekte von Trauer untersuchen. Hierbei bespricht er u.a. das Dual Prozess Model von Margaret Stroebe und Henk Schut, Phyllis Silverman oder Thomas Attig. Des Weiteren führt er u.a. die Ansätze von Kenneth Doka oder Therese Rando aus zur entrechteten Trauer als Trauer, die nicht gesellschaftlich anerkannt wird.

Im dritten Kapitel bezieht Krüger seine Analyseergebnisse auf die Soziale Arbeit. Er zeigt u.a. aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wie eine Mentalität des schnellen Abbruchs von zwischenmenschlichen Beziehungen, zu Dingen und die Entwicklung einer Therapy Culture auf. Dazu verweist er zum Beispiel auf Untersuchungen von Eva Illouz, Frank Trentmann, Byung-Chul Han und Frank Furedi.

Anhand der Schilderungen von J. D. Vance und der Studie über die Arbeitslosen von Marienthal analysiert Krüger biografische Verlusterfahrungen und zeigt deren Bedeutung für die Soziale Arbeit. Krüger bezieht sich dabei u.a. auf die sozialpädagogische Theorie von Michael Winkler. Die Bewältigung von existentiellen Verlusten setzt u.a. die Möglichkeiten auf Aneignung der Lebensverhältnisse voraus. Verluste können personenbezogen, materiell, biologisch-körperlich oder ein Verlust von Bewältigungsfähigkeiten sein.

Das vierte Kapitel beleuchtet den Begriff des Trosts. Krüger erläutert u.a. die geschichtliche Entwicklung und setzt sich mit Theorien von Michael Ignatieff und Christoph Jedan auseinander. Die Bedeutung von Trost in individualisierten, pluralistischen, multikulturellen Lebensverhältnissen wird herausgearbeitet. Krüger stellt Bedingungen und Haltungen vor. Er erläutert u.a. ein 5-Achsen-Modell nach Jedan und erarbeitet Elementefür die Soziale Arbeit, um Trost als sozialpädagogische Handlungsmöglichkeit zu entwickeln und zu gestalten.

Diskussion

Existentielle Verluste gehören zum Leben. Der Rückgriff auf Religion und Tradition im Umgang mit Trauer ist in der multikulturellen, pluralistischen Gesellschaft nicht mehr unbedingt möglich. Durch die Betonung von Erfolg und Glück als Lebensprämissen werden zusätzliche Verlusterlebnisse erzeugt. Zunehmend wird eine therapie- und optimierungsorientierte Perspektive eingenommen, die auf Heilung und Lösung gerichtet ist. Doch Verluste und Trauer lassen sich nicht wegtherapieren oder rückgängig machen.

Im Begriff des Trosts liegen alternative Handlungsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit im Umgang mit Menschen und ihren existentiellen Verlusten. Tim Krüger zeigt auf, was Trost in der Sozialen Arbeit als Beziehungsprofession als Teil des professionellen Handelns bewirken kann. Im Trost liegt die Chance auf Wiedereinbindung und subjektive Neuorientierung mit der Verlusterfahrung und der Trauer darüber.

Fazit

Das Fachbuch von Tim Krüger ist eine inspirierende Arbeit über die Bedeutung von Trost für die Soziale Arbeit. Fach- und Führungskräfte, Studierende der Sozialen Arbeit und Interessierte bekommen dadurch eine Grundlage, um professionell mit Trauer und Verlust in ihren jeweiligen Handlungsfeldern umzugehen.

Rezension von
Alexandra Günther
Sozialpädagogin und Ethikerin
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Es gibt 45 Rezensionen von Alexandra Günther.

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Zitiervorschlag
Alexandra Günther. Rezension vom 06.09.2023 zu: Tim Krüger: Trauer in der Sozialen Arbeit. Bedeutung von Verlust und Trost. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2022. ISBN 978-3-17-040804-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29781.php, Datum des Zugriffs 19.01.2025.


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