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Marlis Pörtner, Martina Portmann et al.: Ernstnehmen, zuhören, Erfahrungen ermöglichen

Rezensiert von Prof. Dr. Marius Metzger, 30.01.2024

Cover Marlis Pörtner, Martina Portmann et al.: Ernstnehmen, zuhören, Erfahrungen ermöglichen ISBN 978-3-608-98402-6

Marlis Pörtner, Martina Portmann, Peter Indergand: Ernstnehmen, zuhören, Erfahrungen ermöglichen. Personzentrierte Haltung in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2022. 249 Seiten. ISBN 978-3-608-98402-6. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR.

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Thema

Das Buch „Ernstnehmen, Zuhören, Erfahrungen ermöglichen. Personzentrierte Haltung in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen“ reiht sich in die von Marlis Pörtner bereits erschienen Bücher zur personzentrierten Haltung in der Begleitung von Menschen mit Behinderung sowie der Begleitung von alten Menschen ein. Zentrales Anliegen dieser Bücher ist es, die personzentrierte Haltung für die Begleitung von Menschen fruchtbar zu machen – unter der besonderen Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensalter und Lebenslagen.

Autor:Innen

Verfasst wurde das Buch von Martina Portmann und Peter Indergand. Von Marlis Pörtner wurden verschiedene Grundlagentexte aus ihrem Buch „Ernstnehmen – Zutrauen – Verstehen“ übernommen und leicht gekürzt, weswegen sie ebenfalls als Autorin aufgeführt wird. Die inzwischen verstorbene Marlis Pörtner (1933-2020) war Psychologin und Psychotherapeutin. Sie hatte sich intensiv mit dem personzentrierten Ansatz auseinandergesetzt und diesen über die Psychotherapie hinaus für Betreuung und Begleitung fruchtbar gemacht. In Absprache mit Marlis Pörtner und später ihrem Enkel Lino Moser haben Martina Portmann und Peter Indergand das Buchprojekt realisiert. Martina Portmann ist ausgebildete Fachfrau Betreuung und arbeitet in einer Kindertagesstätte. Peter Indergand ist Fachlehrperson im Bereich Kinderbetreuung an einem Berufsbildungszentrum.

Inhalt

Nach Ausführungen zur Entstehung des vorgelegten Buches wird im Kapitel „Worum geht es?“ aufzuzeigen versucht, was für Fragen sich aus personzentrierter Sicht stellen, wenn Menschen auf Unterstützung angewiesen sind. Die daran anschließenden Kapitel „Theoretische Grundlagen der personzentrierten Arbeit“ und „Handlungsgrundlagen in der personzentrierten Arbeit“ führen aus, wie aus dem humanistischen Menschenbild die Notwendigkeit zur Einnahme einer personzentrierten Haltung in der Begegnung und Beziehung zu anderen Menschen entsteht.

Das Kapitel „Richtlinien für den Alltag“ soll gemäß der Autorenschaft dabei unterstützen, die humanistischen Werte im Handeln „spür- und erfahrbar werden zu lassen“ (S. 70). So soll beispielsweise die Beachtung der Richtlinie „Erfahrung ermöglichen“ dazu beitragen, dass professionelle Handlungen auf deren Potenzial hin geprüft werden, dem Gegenüber möglichst viel Verantwortung zu übergeben, damit dieser an eigenen Erfahrungen wachsen kann.

Im Kapitel „Entwicklungsaspekte aus personzentrierter Sicht“ wird ausgehend von Ausführungen zur Bedürftigkeit des Säuglings auf die existentielle Bedeutung des Aufbaus einer sicheren Bindung des Kindes zu Bindungspersonen verwiesen. Anschließend folgen Überlegungen zur Eigenheit und Förderung von Spracherwerb, Autonomieentwicklung und Erfahrungslernen von Kindern.

Das Kapitel „Auswirkungen auf die Betreuenden“ fokussiert auf die Haltungsvariable „Kongruenz“, also den Umstand, dass sich die Betreuenden ihres eigenen Erlebens bewusst sind, dieses eigene Erleben vom Erleben des Gegenübers trennen können und dem Gegenüber als Person begegnen können. Kongruenz wird hier auch als „Navigationsinstrument“ im professionellen Alltag betrachtet, das metaphorisch einen Abgleich mit der inneren Meldestelle erfordert.

Im Kapitel „Personzentriert arbeiten in Kita, Hort und Kinderhaus“ wird auf struktureller Ebene aufzuzeigen versucht, was es heißt, eine Institution personzentriert zu führen und zu organisieren. Ein besonderes Gewicht wird dabei dem Konzept beigemessen, welches für die Klientel „[…] eine Gewähr [ist], dass neue Mitarbeiterinnen nicht alles auf den Kopf stellen. Für die Mitarbeitenden steckt es den Rahmen ab, in welchem sie ihre Energie sinnvoll einsetzen könnten“ (S. 164).

Im Kapitel „Übungen zur Aus- und Weiterbildung“ finden sich verschiedene Vorschläge zur Vermittlung der personzentrierten Haltung, wie beispielsweise der „Stop-and-go-Austausch“, bei dem in immer wieder wechselnden Zweiergruppen verschiedene Grundsätze des personzentrierten Ansatzes gegenseitig erklärt werden. Ergänzend zu den hier beschriebenen Übungen stehen auf der Internetseite des Verlages verschiedene Arbeitsmaterialien und Vorlagen zur Verfügung, die heruntergeladen werden und für die Übungen eingesetzt werden können.

Das Buch schließt mit dem Kapitel „Essenz der Handlungsgrundlagen und Richtlinien“, in welchem die vorab beschriebenen Handlungsgrundlagen und Richtlinien nochmals zusammenfassend wiedergegeben werden.

Diskussion

Das vorgelegte Buch versucht aufzuzeigen, wie die personzentrierte Haltung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Eingang finden kann. Dieser Versuch ist insbesondere dank den zahlreichen Praxisbeispielen und den dazugehörigen Erläuterungen als gelungen zu beurteilen. Diese Praxisbeispiele sind auch deswegen als so wichtig einzuschätzen, da die „Grundpfeiler des personzentrierten Ansatzes“ (S. 17) vergleichsweise schnell abgehandelt sind, deren Umsetzung im Praxisalltag jedoch die weitaus grössere Herausforderung darstellt.

Die im Buch als „Handlungsgrundlagen in der personzentrierten Arbeit“ (S. 40) bezeichneten Postulate wie etwa „Klarheit schafft Sicherheit und Vertrauen“ ergänzen die Orientierung an den Haltungsvariabeln Empathie, Wertschätzung und Kongruenz in sinnvoller Weise. So argumentiert Pörtner völlig zu Recht, dass eben etwa „Klarheit […] ein Postulat sei, das nicht ohne Weiteres mit dem personzentrierten Ansatz in Verbindung gebracht […] wird. Klarheit ist jedoch eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die personzentrierte Haltung überhaupt wirksam werden kann“ (S. 44). Diese Postulate leisten also einen wichtigen Beitrag, um die Einnahme der Haltungsvariabeln zu erleichtern. Demgegenüber wird bei den sogenannten „Richtlinien für den Alltag“ (S. 70ff) nicht ganz klar, inwiefern sie die Einnahme der Haltungsvariablen erleichtern sollen, da sie sich direkt aus deren Einnahme ergeben. So ist beispielsweise das „Ernstnehmen“ (S. 75ff) oder das „den eigenen Anteil erkennen“ (S. 113ff) nichts anderes als eine direkte Konsequenz, die sich aus der Einnahme der Haltungsvariabeln Empathie, Wertschätzung und Kongruenz ergibt.

Wichtiger aber als diese Kritik am unklaren Verhältnis von Haltungsvariabeln und Richtlinien ist die Würdigung der hervorragenden Praxisbeispiele und deren Erörterungen, die sich hier finden lassen. Wenn diese „Richtlinien für den Alltag“ nicht als Richtlinien, sondern vielmehr als Titel für die Praxisbeispiele verstanden werden können, so ergeben sich daraus keine Schwierigkeiten.

Neben diesen inhaltlichen Überlegungen soll an dieser Stelle noch eine formale Besonderheit des Buches hervorgehoben werden: Aufgrund der zahlreichen Bezüge auf die beiden Bücher „Ernstnehmen – Zutrauen – Verstehen“ und „Altsein ist anders“ von Marlis Pörtner haben sich der Autor und die Autorin entschieden, die verschiedenen Zitate von Marlis Pörtner nicht im Text aufzuführen, sondern am Ende des Buches in einer Übersicht auszuweisen (S. 243–246): „Wir verbinden mit diesem Vorgehen das Ziel, die Lesbarkeit des Textes zu verbessern, der somit weniger durch Zitatnachweisen unterbrochen wird“ (S. 19). Dieses Ziel einer verbesserten Lesbarkeit wird dann erreicht, wenn sich die Leserschaft weniger für die Herkunft der verschiedenen Zitate, sondern primär für den Inhalt der jeweiligen Kapitel interessiert. Wenn die Leserschaft jedoch auch nachvollziehen können möchte, woher diese Zitate stammen, so wird das Ziel einer verbesserten Leserschaft nicht erreicht, da dies nur über ein mühsames Hin- und Herblättern im Buch und dem Abgleich mit den anderen beiden Büchern von Marlis Pörtner erreicht werden kann.

Fazit

Das Buch „Ernstnehmen, Zuhören, Erfahrungen ermöglichen“ zeigt auf, wie die personzentrierte Haltung auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen übersetzt werden kann. Obwohl die personzentrierte Haltung insbesondere in der Beratung und Therapie Eingang gefunden hat, wird im vorgelegten Buch anhand zahlreicher, anschaulicher Praxisbeispiele nachvollziehbar aufgezeigt, dass sich die personzentrierte Haltung gewinnbringend auch auf die Begleitung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen übertragen lässt.

Rezension von
Prof. Dr. Marius Metzger
Verantwortlicher Kompetenzzentrum Erziehung, Bildung und Betreuung in Lebensphasen am Institut für Sozialpädagogik und Bildung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
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Es gibt 17 Rezensionen von Marius Metzger.

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Zitiervorschlag
Marius Metzger. Rezension vom 30.01.2024 zu: Marlis Pörtner, Martina Portmann, Peter Indergand: Ernstnehmen, zuhören, Erfahrungen ermöglichen. Personzentrierte Haltung in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2022. ISBN 978-3-608-98402-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29803.php, Datum des Zugriffs 06.11.2024.


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