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Deutsches Kinderhilfswerk (Hrsg.): Kinderrechte in Deutschland

Rezensiert von Dr. Sabahat Gürbüz, 05.09.2023

Cover Deutsches Kinderhilfswerk (Hrsg.): Kinderrechte in Deutschland ISBN 978-3-96848-065-7

Deutsches Kinderhilfswerk (Hrsg.): Kinderrechte in Deutschland. Interdisziplinäre Perspektiven auf Errungenschaften und Herausforderungen kinderrechtlicher Arbeit in Deutschland. kopaed verlagsgmbh (München) 2022. 190 Seiten. ISBN 978-3-96848-065-7. D: 18,00 EUR, A: 18,50 EUR.

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Thema

Bei dem Buch handelt es sich um die Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des deutschen Kinderhilfswerks. Es enthält aus verschiedenen fachlichen Perspektiven Beiträge zu kinderrechtlich bedeutsamen Lebens-, Forschung- und Politikfeldern. Dabei vermittelt es einen Überblick über die bisherige Arbeit und das Erreichte, um Deutschland kindergerechter zu gestalten und den Rechten und Interessen von Kindern langfristig mehr Berücksichtigung zu verschaffen, und die verbleibenden Herausforderungen.

Autor:in oder Herausgeber:in

Bei den Autor:innen handelt es sich überwiegend um Sozialwissenschaftler:innen, Soziolog:innen, Politikwissenschaftler:innen und Pädagog:innen. Ergänzt wird das Autor:inenteam durch Sozialarbeiter:innen, eine Rechts- und eine Kommunikationswissenschaftlerin. Alle Autoren:innen verfügen aufgrund ihrer zum Teil langjährigen wissenschaftlichen und forschenden sowie ihrer praktischen Befassung mit der Thematik über besondere Expertise im Bereich der Kinderrechte und dem Wissen um die Situation von Kindern in Deutschland.

Entstehungshintergrund

Das deutsche Kinderhilfswerk feierte 2022 sein 50-jähriges Bestehen. Im Jahr 1989 wurde die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes verabschiedet und schließlich 1992 durch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert. Das deutsche Kinderhilfswerk setzt sich für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland und für ein kindgerechtes Deutschland ein. Das vorliegende Buch mit dem Untertitel „50 Jahre Deutsches Kinderhilfswerk“ versteht sich als Festschrift aus Anlass des 50-jährigen Bestehens. Es will Bilanz ziehen hinsichtlich der bislang erzielten Fortschritte auf dem Weg zu einer kindgerechten Gesellschaft, aber auch nach vorne blicken. Die Darstellung des Erreichten einerseits und der Blick auf die zukünftigen Herausforderungen in bestimmten Bereichen andererseits sind das Thema dieser Festschrift.

Aufbau

Der Band enthält elf eher kompakte Beiträge zu verschiedenen Fragestellungen aus dem Bereich der Kinderrechte. Die ersten vier Beiträge verstehen sich laut Herausgeber als allgemeiner gehaltene Analysen zur Situation und Rolle von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft. Die übrigen Kapitel enthalten spezifischere Ausführungen in Fach- und Lebensbereichen, die für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen eine besondere Bedeutung aufweisen. Die Beiträge bauen nicht aufeinander auf und können daher auch unabhängig voneinander gelesen werden. Die Autor:innen wählen ihrerseits auch unterschiedliche Arten der Darstellung und Aufbereitung der jeweiligen Fragestellungen. So liegt teilweise der Schwerpunkt in der Darstellung der Situation, während bei anderen Beiträgen die eigene Sichtweise und Meinung im Vordergrund steht. Den einzelnen Abschnitten sind ein Zitat und die Vorstellung der Autor:innen vorangestellt. Eine Übersicht über die Chronologie des deutschen Kinderhilfswerks und ein Interview mit der langjährigen Geschäftsführerin des Vereins schließen das Werk ab.

Inhalt

Im ersten Beitrag stellt Lothar Krappmann die historische Entwicklung und den Einfluss der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland dar (S. 19 - 32). Er gelangt zu einem kritischen aber durchaus auch positiven Fazit, auch wenn sich die Schritte zugunsten der Kinder langsam vollzögen. Dabei sei es wichtiger als Gesetze, dass die Rechte der Kinder das Denken der Menschen durchdringen. Die Anerkennung und Mitwirkung der Kinder müssten zu einer Selbstverständlichkeit gemacht werden. Der zweite Beitrag von Klaus Hurrelmann und Raimund Geene enthält ein Plädoyer für die Verbindung einer Politik für Kinder mit einer Politik von Kindern (S. 33 – 44). Das Wohl des Kindes lasse sich nicht allein durch Erwachsene bestimmen. Die Autoren anerkennen zwar den Nutzen von rechtlichen Regelungen, insbesondere einer Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, dies allein sei aber kein ausreichender Schritt. Er müsse flankiert werden durch eine Politik der Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut und eine stärkere Kinderorientierung in Bildung und Gesundheit, Umwelt und Städtebau sowie eine deutlich stärkere Beteiligungsorientierung in den Lebenswelten von Familien, Kindern und Jugendlichen.

Aladin El-Mafaalani beklagt in seinem Beitrag die ungerechte Gesellschaft, ihr Bildungssystem und seine Zukunft (S. 45 - 51). Insbesondere das Bildungssystem benachteilige die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Familien aus benachteiligten Bildungs- und sozioökonomischen Schichten. Ein hochaktuelles und den Gedanken der ungleichen Bildungschancen aufgreifendes Thema behandeln Christoph Butterwegge und Carolin Butterwegge (Seite 53 - 63). Sie stellen die Frage „Generation Corona“ oder eher Kinder der Ungleichheit? (S. 53 – 63) Wegen der sozioökonomischen Zerklüftung des Landes sei keine abstrakte Solidarität zwischen unterschiedlichen Generationen, sondern ein Interessenausgleich innerhalb jeder Generation nötig. Die Corona-Zeit habe gezeigt, dass es darum gehe, soziale Ungleichheit zu verringern und mehr Gerechtigkeit zu schaffen.

Mit Kinder- und Jugendbeteiligung in der Kommune befasst sich der Beitrag von Waldemar Stange (S. 65 - 89). Er beschreibt darin Partizipationslandschaften und Beteiligungsketten und auch deren aktuelle rechtlichen Rahmenbedingungen. Ziel seien eine verbindliche lokale Beteiligungskultur und flächendeckende kommunale Beteiligtenstrukturen, voll entfaltete komplette Partizipationslandschaften und nicht zuletzt durchgetaktete Beteiligungsketten. Der Beitrag beschreibt möglich Wege und Chancen einer stärkeren Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene.

Thomas Rauschenbach und Heinz Kindler befassen sich mit Möglichkeiten von kinderrechtsbasierten empirischen Qualitätsindikatoren zum Kinderschutz (S. 91 - 103). Anhand zu findender Indikatoren soll eine empirische Grundlage zur Bewertung des Kinderschutzsystems gefunden werden. Letztlich geht es darum, ein zunehmendes, empirisches Monitoring für den Bereich Kinderschutz zu ermöglichen. Die Anforderungen einer kindgerechten Justiz und Kinderrechte als Maßstab für die Ausgestaltung von Gerichtsverfahren untersuchen Beate Rudolf und Claudia Kittel (S. 105 – 117). Kindgerechte Verfahren, Unterstützung, Information, die Möglichkeit, sich bei unparteiischen Stellen beschweren zu können, seien notwendig, damit alle Kinder und Jugendliche ihre Rechte auch tatsächlich durchsetzen könnten. Die Autoren beschreiben den Begriff der kindgerechten Justiz und deren rechtlichen Rahmenbedingungen in Art. 3 Abs. 1 der UN-KRK und in den Leitlinien des Europarats für einen kindergerechte Justiz. Die aus diesen Bestimmungen resultierenden konkreten Anforderung werden sodann unter den Stichworten Kindgerechte Anhörung, Recht auf Unterstützung, Recht auf hinreichende Information und Wertschätzung näher diskutiert.

Ein Plädoyer für einen wachen Blick auf die Rechte von jungen Menschen in einer medialisierten Gesellschaft formuliert Ingrid Paus-Hasebrink in ihrem Beitrag (S. 119 - 137). Sie befasst sich mit dem gesellschaftlichen Wandel, der Mediatisierung, der daraus sich ändernden Kommunikation und schließlich den zunehmenden An- oder auch Überforderungen, den Kinder und Jugendliche im Bereich der Medien ausgesetzt sind. Dieser Aspekt wird mit dem der sozialen Ungleichheit verknüpft. Sie sei auf allen Ebenen auch politisch zu bekämpfen und damit zugleich die Handlungskompetenz junger Menschen bezogen auf einen kritisch-kompetenten Mediengebrauch zu stärken und damit einer drohenden Verschärfung von gesellschaftlicher Erosion entgegenzuwirken.

Das Thema einer nachhaltigen Umsetzung von Kinderrechten in städtischen Strukturen und Räumen greifen Raphaela Kogler und Korinna Lindinger auf (S. 139 - 151). Es geht um die Rolle von Kindern und Jugendlichen in der Stadtentwicklung. Die Autorinnen betonen deutlich die Bedeutung einer stärkeren Kinder- und Jugendbeteiligung an Planungsprozessen zur Stadtentwicklung in einer Zeit der Reurbanisierung des Familienlebens.

Kindheit in Familien: Haben Kinder in Familien heute mehr Rechte? Diese Frage untersucht Sabina Schutter (S. 151 - 162). Sie stellt Kindheit in einem in den letzten Jahren vollzogenen stetigen gesellschaftlichen Wandel dar. Die Machtverhältnisse von Erwachsenen und Kindern, zwischen den Geschlechtern und zwischen Familien- und Erwerbsarbeit wirkten stets zusammen. Auf dem Weg in eine kindergerechtere Gesellschaft müsse die Position aller Betroffenen gleichermaßen verhandelt werden und gleiches Gewicht erhalten. Dies gelte für Frauen- und Kinderrechte ebenso wie für die Rechte von alternativen Familien und die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern.

Den Kulturraum Kindheit beschreibt Mustafa Akca (S. 163 - 169). Anhand seines eigenen Lebenswegs als Sohn türkischer Einwanderer plädiert er für die Eröffnung kultureller Teilhabe von Kindern an der Gesellschaft.

Diskussion

Die Festschrift enthält interessante Beiträge zum Thema Kinderrechte in Deutschland. Wer sich erstmals mit dieser Thematik befasst, wird einen Eindruck von der Vielfalt und einen ersten Überblick über den aktuellen Stand verschiedener Fragestellungen erhalten. Aufgrund des Umfangs können die Beiträge allerdings nicht immer in die erforderliche Tiefe gehen. Sie bleiben manchmal etwas knapp, regen dadurch aber zur weiteren Befassung an. Dabei hilft ein am Ende jedes Kapitels angefügtes Literaturverzeichnis. Dem Charakter einer Festschrift entsprechend erfolgt keine umfassende Darstellung oder Einordnung der Kinderrechte in Deutschland, sondern eine Auswahl interessanter und aktueller Themenfelder. Dabei gelingt es den Autor:innen durchweg, diese in ihrer Aktualität und Bedeutung mit ihrer sozialen und politischen Komponente praxisbezogen darzustellen. Dabei gelangen die Beiträge allerdings überwiegend zu keinen überraschenden Ergebnissen, zumal der zugrunde gelegte politische Maßstab bei fast allen Autor:innen identisch ist. Insoweit fehlen neue Erkenntnisse und oder alternative Ansätze. Sie hätten Anlass für eine spannende Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen sein können. So bleibt der Eindruck, dass Bekanntes fortgesetzt wird.

Fazit

Das Werk enthält interessante und leicht lesbare Beiträge zum Thema Kinderrechte in Deutschland. Es eignet sich für interessierte Laien ebenso wie für professionell mit der Thematik Befasste.

Rezension von
Dr. Sabahat Gürbüz
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht
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Es gibt 16 Rezensionen von Sabahat Gürbüz.

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Zitiervorschlag
Sabahat Gürbüz. Rezension vom 05.09.2023 zu: Deutsches Kinderhilfswerk (Hrsg.): Kinderrechte in Deutschland. Interdisziplinäre Perspektiven auf Errungenschaften und Herausforderungen kinderrechtlicher Arbeit in Deutschland. kopaed verlagsgmbh (München) 2022. ISBN 978-3-96848-065-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29826.php, Datum des Zugriffs 30.09.2023.


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