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Friederike von Gross, Renate Röllecke (Hrsg.): Love, Hate & More

Rezensiert von Prof. Dr. Johann Bischoff, 08.08.2023

Cover Friederike von Gross, Renate Röllecke (Hrsg.): Love, Hate & More ISBN 978-3-96848-070-1

Friederike von Gross, Renate Röllecke (Hrsg.): Love, Hate & More. Chancen und Risiken digital-analoger Interaktion medienpädagogisch betrachtet. kopaed verlagsgmbh (München) 2022. 177 Seiten. ISBN 978-3-96848-070-1. D: 18,00 EUR, A: 18,50 EUR.
Reihe: Dieter Baacke Preis Handbuch - 17.

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Herausgeberinnen und Autorenteam

Die Herausgeberinnen sind leitende Mitarbeiter der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur GMK in Bielefeld.

Dr. Friederike von Gross ist seit 2016 Geschäftsführerin der GMK, ihr fachlicher Schwerpunkt liegt im Bereich Medienerziehung im Kontext von Computerspielen sowie Social Media Nutzung durch Kinder und Jugendliche.

Renate Röllecke ist Referentin für Medienpädagogik und Medienbildung GMK.

Für Beiträge aus Forschung und Praxis konnten die Herausgeberinnen renommierte Wissenschaftlicher aus dem Hochschulbereich gewinnen, z.B. Dr. P. Holzwarth, PH Zürich, Prof. Dr. T. Witting, Ostfalia Hochschule in Braunschweig/​Wolfenbüttel sowie Expertinnen aus der Berufspraxis: S. Diener-Kropp und A. Seikel/A. Zerres.

Spezielle Praxiserfahrungen teilen erfahrene Medienpädagoginnen/​Medienpädagogen in Kurzberichten und in prämierten Projekterläuterungen übersichtlich mit.

Thema

Die Handbuchreihe der GMK stellt fortlaufend aktuelle medienpädagogische Themen vor. Immer wieder in den Schlagzeilen der Zeitungen sind Berichte über „Love/Hate“ Botschaften in den digitalen Medien zu lesen, die von Kindern und Jugendlichen initiiert wurden. Hier sind Handlungsempfehlungen gefordert, die auch von den erfahrenen Fachleuten geleistet werden. Thematisiert werden dabei insbesondere Sexualität, Identitätsfindung, Beziehungskonflikte und Möglichkeiten der sozialen Partizipation.

Das ruft geradezu nach medienpädagogischen Ansätzen, um eine digitale Teilhabe der besagten Zielgruppe zu ermöglichen. Medienpädagogik, die befähigen soll, kreativ und kritisch mit Medien zu leben, auf Fragen zu Cybermobbing und Gewaltphantasien Antworten zu finden. Diese Fragen werden im Band geklärt, auch, wie Medienpädagogik im Verbund mit Jugendschutz, Sexualpädagogik und Sozialer Arbeit wirksam werden kann. Insbesondere Identitätskrisen junger Menschen im Kontext der Sexualität sind ein wichtiges Feld, um pädagogische Hilfe anzubieten. Eine Auseinandersetzung hiermit lässt sich den Aufsätzen von Diener-Kropp (Liebe(s)leben digital) und Seikel und Zerres entnehmen (Queer im Netz). Aber auch die kreative Seite der digitalen Mediennutzung (digitale Spielangebote) wird als ein wichtiges Aufgabenfeld der Medienpädagogik beschrieben. Ein unkonventioneller Umgang mit Medien kann auch helfen, präventiv auf Anforderungen in Krisenzeiten zu reagieren. Die Vermittlung von Grenzachtung ist in diesem Zusammenhang konstitutiv, wie wird z.B. Nähe und Distanz erlebt oder allgemein formuliert, wie wird der Umgang mit Gefühlen wahrgenommen. Hier kann medienpädagogisches Arbeiten Hilfe bieten.

Prämierte Projekte des Dieter Baacke Preises geben dem Leser/der Leserin die Möglichkeit, Kriterien zur Planung, Realisation und Evaluation kennenzulernen. Neben eher konventionellen Konzepten zum Medienkompetenzerwerb werden auch innovative Projekte vorgestellt, die eine große Bandbreite der Medien im weiteren Sinne beinhalten und damit auch exzellente Ergebnisse erzielen konnten. Diese beschriebenen Projekte können für pädagogisch geschulte Medienfachleute durchaus Vorbildcharakter haben.

Aufbau und Inhalt

Das GMK Handbuch Nr. 17 „Love, Hate & More“ ist in drei Teile gegliedert. Teil 1 erfasst Beiträge aus Forschung und Praxis, Teil 2 prämierte Projekte des Dieter Baacke Preises, Teil 3 Hinweise zum Dieter Baacke Preis.

Der 1. Teil der Publikation beginnt mit einem Aufsatz von P. Holzwarth, er thematisiert audiovisuelle Formen der Identitätskonstruktion am Beispiel von Social Media. Am Beispiel der „Selfie“- Erstellung bietet Medienpädagogik Hilfestellung an, die Ambivalenz zwischen Selbstbefähigung/Ermächtigung und Anerkennung einerseits sowie Normunterwerfung, Selbstsexualisierung und Selbstentmachtung andererseits aufzuarbeiten, konstatiert Holzwarth. Die Erprobung verschiedener Identitätsentwürfe sei in der medienpraktischen Arbeit dabei konstitutiv. Holzwarth schließt seine Ausführungen mit einer Aufstellung pädagogisch relevanter Fragestellungen ab. T. Wittig setzt sich mit dem Arbeitsfeld „Gaming“ auseinander. Für sie bedeutet das nicht nur spielen und gewinnen oder verlieren, sondern Regeln zu lernen für ein soziales Umgehen. Computerspiele mit medienpädagogischer Betreuung, so Wittig, fördere die Kommunikationsfähigkeit der einzelnen Individuen. Es ist davon auszugehen, dass bei den Kindern und Jugendlichen eine ausgeprägte „gamingbezogene“ Mediensozialisation vorhanden sei. Für die Sexualpädagogin S. Diener-Kropp sind Medien eine grundlegende Quelle des sexuellen Forschens, der Identitätsstärkung und des sozialen Umgangs miteinander. Sexualität finde ihre Ausdrucksformen in und mit digitalen Medien, so S. Diener-Kropp. Insbesondere Jugendliche erfahren durch die Nutzung digitaler Medien etwas über ihre Sexualität und ihre sexuelle Identität. Unangebracht sei es, bei Sexualthemen die Medienpädagogik als Bewahrpädagogik zu Rate zu ziehen, Medienpädagogik müsse als eine aufklärende, alltags- und handlungsorientierte Pädagogik verstanden werden. A. Sekel/A. Zerres beschäftigten sich während ihres Studiums der Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig ebenfalls mit der Thematik der Identitätsfindung im Rahmen der Zielgruppe „Queere Jugendliche“. Online-Plattformen seien für queere Jugendliche oft der einzige Weg, um Personen aus ihrer Community zu finden, um mit ihnen ihre eigenen Zweifel zu teilen, über Erfahrungen und Probleme zu sprechen. Die Autorinnen fordern resümierend für die Zielgruppe eine umfassende Aufklärung in der Schule mit der Vermittlung von Medienkompetenz, damit sie ihre Sexualität frei und ohne Stigmata entfalten können. Ein Glossar zur speziellen Thematik schließt sich ihren Ausführungen an. [1] Folgend postulieren A. Tillmann, Professorin der TU Köln und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter A. Weßel ein Recht auf Medienbildung in stationären Einrichtungen der Erziehungs- und Eigliederungshilfe. Ihre Ausführungen beziehen sich auf medienpädagogische Konzepte und parallel dazu auch auf aktuelle rechtswissenschaftliche Diskurse zur Geltung der Kinderrechte im digitalen Raum. Konstitutiv dazu präsentieren sie Ergebnisse der Studie „DigiPäd 24/7“. [2] Für die Medienpädagogik müsse die Stärkung des Rechts auf Bildung im digitalen Umfeld mit dem Konzept der Medienkompetenz verknüpft werden, konstatieren die Autoren, es sei dann anzustreben, die Kenntnisse in Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden, um dann gestaltend auf ihre Entwicklungsumgebung einwirken zu können. In einer Gesprächsrunde mit M. Felling, D. Bouzikou und A. Franke werden Rechte- und Schutzkonzepte zur Gewaltprävention, Sexualpädagogik und Medienpädagogik diskutiert, E. Kukuk, Diplompädagogin GMK, stellt die Ergebnisse eines Crossover – Workshops vor, um Mädchen und Frauen gezielt Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskompetenzen zu vermitteln. Dazu werden kreative Fotomethoden erprobt, um Alternativen zur „Instagram-Ästhetik“ zu entwickeln.

Der 2. Teil der Publikation beschreibt prämierte medienpädagogisch initiierte Projekte, vorgestellt wird das Projekt „Kinderstadt 2020 - Halle an Salle“, das Projekt „Salzbrunner TV – Haus für Kinder Salzbrunner Straße“, das Projekt der Grips Werke e.V. „Harte Arbeit – Der frühe Vogel kommt ins Schloss“, das Projekt der Future of Ghana Germany e.V. „Vorbilder.Lab“, das Projekt der anyway e.V. „Kindergrau“, das Projekt der Kommunikation & Medien e.V. „Online-Mediencamp für Kids“, das Projekt der Krea-Jugendclub – Kreativschule Bergisch Gladbach e.V. „Unter Druck“, ein Kooperationsprojekt der Jugendpflege mit der LAG Jugend & Film Niedersachsen „Who am I – Gestaltung eines digitalen Social-Media-Krimis“ sowie ein Projekt der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW, „Gaming ohne Grenzen“. Die jeweiligen Projektbeschreibungen sind zur Übersichtlichkeit standardisiert aufgeführt und erfassen die Gliederungspunkte: Projektbeschreibung, Projektthema, Zielgruppe, Methoden, Projektlaufzeit und Ergebnisse. Die folgenden Interviews der Projektverantwortlichen erfassen Ausführungen zu den Arbeitsschwerpunkten: Besonderheiten des Projekts, Ziele und Methoden, Medienkompetenzerwerb und Medienbildung, Probleme und Grenzen, Technik, Praxistipps, Themen und Motivationshinweise, Nachhaltigkeits- und Wirkungsaspekte, zielgruppenbezogene Ausführungen, Feedback/​Evaluation und Perspektiven.

In den einzelnen Interviews wird deutlich, dass die Projektverantwortlichen bei der Beschreibung ihrer Projekte als Strukturhilfe häufig auf Baackes Medienkompetenzkonzept von 1999 [3] zurückgegriffen wird, ihre Projektergebnisse durchaus aber komplexer sind. Hilfreich sind die unterschiedlichen Handlungsempfehlungen, die von den Projektverantwortlichen kommuniziert werden.

Im 3. Teil der Publikation werden Hinweise zum Dieter Baacke Preis gegeben. Neben den erwähnten Dimensionen zum Medienkompetenzerwerb werden Kategorien zur Einreichung von Medienprojekten ausgewiesen [4]: Projekte von und mit Kindern, Projekte von und mit Jugendlichen, interkulturelle und internationale Projekte, inklusive und intersektionale Projekte, Netzwerkprojekte sowie Hinweise zum Sonderpreis.

Zielgruppe

Die Veröffentlichung richtet sich insbesondere an Medienpädagoginnen/​Medienpädagogen, Sexualpädagoginnen/​Sexualpädagogen, Mitarbeiterinnen/​Mitarbeiter der sozialen Arbeit, somit an Fachpersonal, das medienpädagogisch orientierte Praxisarbeit mit Kindern und Jugendlichen im Bereich der digitalen kreativen Auseinandersetzungen mit Medien leisten muss. Für Studierende im pädagogischen Bereich ist die Publikation ebenfalls hilfreich.

Fazit

Die einzelnen Beiträge greifen aktuelle gesellschaftliche Problembereiche auf, die ein medienpädagogisches Handeln erforderlich machen. Kinder und Jugendliche sind auf der Suche nach ihrer Identität, sie wünschen sich ein angemessenes Beziehungshandeln; Jugendliche sind auf der Suche nach einer befriedigenden Sexualität, insbesondere dann, wenn sie nicht der „mainstream“ Auffassung entspricht. Medienpädagogisch geschulte Fachkräfte sind auf der Suche nach Handlungsorientierung bezüglich Jugendschutz – Maßnahmen, Möglichkeiten der Werte – und Normen Internalisierung bei Kindern und Jugendlichen. Hierbei kann die Publikation hilfreich sein, zumindest kreative Anregungen bieten, wie mit Hilfe der Medien die pädagogischen Ziele erreicht werden können.

Für Kultur-, Medien- und Soziale Arbeit Studierende sollten die GMK – Handbücher generell zur Ausbildung gehören, sie motivieren zur eigenen pädagogischen Arbeit und helfen, einen möglicherweise vorhandenen Praxisschock nach Studienabschluss entgegenzutreten.


[1] M.E. fehlt ein Hinweis auf spezifische Hochschulstudiengänge, z.B. Masterstudiengänge zur „Sexualwissenschaft“ und „Sexologie“, Fachrichtungen an der Hochschule Merseburg. Die Studiengänge bieten zielgerichtet Informationen zur Sexualität Jugendlicher im Kontext der Medienarbeit an.

[2] Siehe dazu: DigiPäd. 24/7 (2022), Das Recht junger Menschen auf analog-digitale Teilhabe verwirklichen – Empfehlungen für stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Internate. Universitätsverlag Hildesheim.

[3] In der Publikation sind Medienkompetenzdimensionen Baackes ausgewiesen. Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung, Mediengestaltung.

[4] Dieter Baacke Preis – die bundesweite Auszeichnung für medienpädagogische Projekte.

Rezension von
Prof. Dr. Johann Bischoff
Professor für Medienwissenschaft und angewandte Ästhetik an der Hochschule Merseburg
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Es gibt 8 Rezensionen von Johann Bischoff.

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Zitiervorschlag
Johann Bischoff. Rezension vom 08.08.2023 zu: Friederike von Gross, Renate Röllecke (Hrsg.): Love, Hate & More. Chancen und Risiken digital-analoger Interaktion medienpädagogisch betrachtet. kopaed verlagsgmbh (München) 2022. ISBN 978-3-96848-070-1. Reihe: Dieter Baacke Preis Handbuch - 17. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29829.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.


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