Becker Heike: Leon sagt NEIN!
Rezensiert von Saskia Warburg, 16.03.2023
Becker Heike: Leon sagt NEIN! ein Stark-mach-Buch für Grundschulkinder. ISB-Fachverlag (Oldenburg) 2021. 2., verbesserte Auflage. 48 Seiten. ISBN 978-3-942122-31-3. 6,80 EUR.
Thema
„Leon wird in der Schule gemobbt. Er wird beleidigt, erpresst und bedroht. Täglich geht er mit Bauchschmerzen zur Schule. Selbst seine Mutter ahnt nichts. Erst als die Situation eskaliert, ändert sich alles. (…)“. Das Kinderbuch „Leon sagt NEIN!“, das sich an Vor- und Grundschulkinder richtet, thematisiert Mobbing im schulischen Kontext und den damit verbundenen Erfahrungen von und Auswirkungen auf betroffene Kinder sowie stellt im Sinne des „Stark-Machens“ Präventionsansätze vor.
Autorin
Heike Becker wohnt mit ihrer Familie in Gladbeck und arbeitet seit vielen Jahren als Kinderpflegerin. Mit großem Engagement unterstützt sie unter anderem soziale Projekte. Ihr erstes Buch „Die Schnecke Maxi“ entstand, um mit Kindergartenkindern über das Thema Mobbing zu sprechen. Das vorliegende Buch war 2020 für den deutschen Buchtrailer Award nominiert.
Entstehungshintergrund
Das Stark-Mach-Buch „Leon sagt NEIN!“ ist gemeinsam mit Kindern aus dem Gelsenkirchener Freizeittreff entstanden, wobei nicht nur die einzelnen Erfahrungen der Kinder in der Geschichte erzählt werden, sondern auch die Illustrationen von diesen gestaltet wurden.
Gestaltung und Aufbau
Das Buch umfasst insgesamt 48 Seiten im DIN-A5-Format und wird damit beworben, unter ökologischen Standards – das Papier, die verwendete Farbe, der Druck sowie der Versand sind klimaneutral – produziert geworden zu sein. Jedes Buch beinhaltet zudem eine Postkarte mit der Beschriftung „Du bist etwas Besonderes!“, die entnommen und verschickt oder aufgehängt werden kann. Die Zeichnungen, die von den beteiligten Kindern stammen, nehmen zum Teil den größten Raum auf den einzelnen Seiten ein und verdecken teilweise die Seitenzahlen. Je nachdem, welche Kinder an den Zeichnungen beteiligt waren – was im Buch nicht eindeutig identifizierbar ist – unterschieden sich die „Zeichenstile“ etwas, jedoch sind sie durchgängig ansprechend für die Zielgruppe.
Inhalt
„Manchmal heißt stark zu sein, um Hilfe zu bitten!“ Die einführenden Worte von Heike Becker rahmen sehr schön die Intention des vorliegenden Buchs und brechen zudem mit der Vorstellung, dass stark zu sein heißt, alles mit sich selbst ausmachen zu müssen. Stark zu sein heißt eben auch, um Hilfe bitten zu können.
Die eigentliche Geschichte, die von dem Protagonisten Leon und dessen Mobbingerfahrungen handelt, beginnt erst auf Seite sechs und nimmt den größten Teil des Werks ein. Leon, der in die 3b geht, nimmt die lesenden Personen mit in seinen Alltag und beschreibt eindrücklich seine Mobbingerfahrungen mit Dennis, dessen vier Freunden und die – gesundheitlichen wie emotionalen – Auswirkungen auf ihn. Es werden verschiedene Erfahrungen bzw. Situationen geschildert, in denen Leon sich nicht gegen seine Angreifer wehren kann, aber aus Angst vor Konsequenzen nicht mit seinen Eltern oder Lehrkräften darüber spricht. Schlussendlich eskaliert die Situation in einem körperlichen Übergriff, der mit einem gebrochenen Finger im Krankenhaus endet. Erst durch den Übergriff erfahren die Lehrenden sowie Leons Eltern vom Mobbing und durch aufklärende Gespräche mit den beteiligten Kindern, bei denen sie bei einem wiederholenden Verhalten Sanktionen angedroht bekommen, wird die Situation thematisiert. Ergänzend zu den Gesprächen finden in den Klassen zudem Projekte zum Thema Mobbing statt. Die Geschichte endet mit dem Satz „Leon und Dennis sind keine Freunde, aber sie gehen sich in Zukunft aus dem Weg.“
Ergänzend lassen sich im Buch weitere Erfahrungen von Kindern aus dem Freizeittreffen Gelsenkirchen zum Thema Mobbing, die im Rahmen eines Anti-Mobbing-Projekts entstanden sind, finden. Zudem erhalten die Kinder im Buch selbst die Möglichkeit, von ihren eigenen Erfahrungen und/oder Beobachtungen zu berichten. Wobei beispielhaft auf die Möglichkeit verwiesen wird, dass sie den Lehrkräften einen anonymen Brief schreiben können.
Das Buch schließt mit einem Brief einer Mutter an Heike Becker ab, indem sie von ihren positiven Erfahrungen und dem Wert des Buchs berichtet. So diente das Buch als Gesprächsanlass mit ihrem eigenen Sohn, worüber sie erst erfuhr, dass dieser selbst in der Schule von Mobbing betroffen war und sich wie Leon aus Angst nicht mitgeteilt hatte.
Diskussion
Mobbing, aber auch Cybermobbing, das durch die Mediatisierung der kindlichen Lebenswelt leider immer früher an Bedeutung gewinnt, stellt ein sehr wichtiges Thema für die Grundschule dar und findet auch vermehrt Einzug in die universitäre Lehrer*innenausbildung des Grundschullehramts.
Die einzelnen Elemente des Buchs bieten wichtige Gesprächsanlässe und Möglichkeiten zum gemeinsamen Mit-, Weiter- und Nachdenken im schulischen, aber auch privaten Kontext an. Es kann einerseits nach konkreten Situationen – wobei an dieser Stelle kritisch anzumerken ist, dass nicht erst die körperliche Ebene des Mobbings, sondern bereits die verbalen Äußerungen als „Eskalation“ wahr- und ernst genommen werden müssen und sollen – oder präventiv eingesetzt werden. So lassen sich beispielsweise die verschiedenen Bewältigungsstrategien von Leon oder der beteiligten Kinder besprechen und gemeinsam überlegen, welche Möglichkeiten, Hilfsangebote und Ansprechpersonen in solchen Situationen bereitstehen.
Die Geschichte, die sich aus einer Vielzahl realer Erfahrungen zusammensetzt, kann zur Sensibilisierung beteiligter Personen führen sowie soll die Sorgen, Ängste und Befürchtungen der Kinder ernst nehmen. Ergänzend liegt der Fokus der Erzählung auch auf „unsichtbaren Symptomen“ wie Leons Bauchschmerzen oder sein Herzklopfen, die sich aufgrund des hervorgerufenen Stresses körperlich äußern, aber bei ärztlichen Untersuchung (siehe Gespräch mit seiner Mutter auf Seite 20 f.) keine erkennbaren Ursachen haben oder nachgewiesen werden können.
Gerade die Vorstellung weiterer Erfahrungen und/oder Beobachtungen von Mobbing anderer Kinder (siehe Seite 39 ff.) sowie die Möglichkeit selbst berichten zu können (siehe Seite 47) bieten vielfältige Gesprächsanlässe, wobei die Aussagen der Kinder, aber auch ihre Zeichnungen besprochen werden können, an. Jedoch geht aus dem Buch nicht hervor, um welches Anti-Mobbing-Projekt es sich konkret handelt oder welche Kriterien die Autorin für die Auswahl der Erfahrungen angelegt hat. Lehrende sollten zudem mit den Kindern besprechen, welche Vor- und/oder Nachteile es haben kann, Briefe anonym zu verfassen (siehe Beispiel auf Seite 47), da es hierzu keine weiteren Informationen gibt.
Besonders positiv hervorzuheben ist die doppelte Funktionalität des Buchs, indem es als sogenanntes „Stark-mach-Buch“ sowie für die Leseförderung eingesetzt werden kann. So können bereits Leseanfänger*innen ohne eine besonders lange Lesezeit für die Thematik sensibilisiert werden. Der Text weist mit seiner größeren serifenlosen Schrift sowie den breiten Zeilenabstand eine hohe Lesbarkeit auf und wird zudem durch die vielen bunten und liebevoll gestalteten Illustrationen aufgelockert.
Fazit
„(…), denn ohne Leons Geschichte hätte ich wohl nie etwas erfahren.“ Das Buch von Heike Becker möchte für das Thema Mobbing in der Schule – aber nicht nur – sensibilisieren und bietet einen tollen Gesprächsanlass für Leseanfänger*innen und darüber hinaus an.
Rezension von
Saskia Warburg
Institut für Kindheits- und Schulpädagogik
Professur für Erziehungswissenschaft mdS
Grundschulpädagogik und Didaktik des Sachunterrichts
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Zitiervorschlag
Saskia Warburg. Rezension vom 16.03.2023 zu:
Becker Heike: Leon sagt NEIN! ein Stark-mach-Buch für Grundschulkinder. ISB-Fachverlag
(Oldenburg) 2021. 2., verbesserte Auflage.
ISBN 978-3-942122-31-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29868.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.
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