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Dorothea Thomé, Günther Thomé: Ratgeber Rechtschreibprobleme

Rezensiert von Dr. Torsten Mergen, 04.01.2023

Cover Dorothea Thomé, Günther Thomé: Ratgeber Rechtschreibprobleme ISBN 978-3-942122-01-6

Dorothea Thomé, Günther Thomé: Ratgeber Rechtschreibprobleme (LRS/Legasthenie). ISB-Fachverlag (Oldenburg) 2021. 2. Auflage. 132 Seiten. ISBN 978-3-942122-01-6.

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Thema

Vorrangig an die Zielgruppen Eltern und Angehörige sowie Lehrkräfte gerichtet, bietet der 132 Seiten umfassende „Ratgeber Rechtschreibprobleme“ Erfahrungsberichte von Betroffenen und Einschätzungen zu LRS bzw. Legasthenie, um zu verdeutlichen, wie die Betroffenen und ihre Familien die spezifischen Rechtschreibprobleme erleben. Ein weiterer Schwerpunkt besteht im praxisnahen Aufzeigen von Wegen zur Bewältigung der Rechtschreibprobleme.

AutorInnen

Prof. Dr. Günther Thomé (Jg. 1952) forschte und lehrte bis zu seiner Pensionierung 2015 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main in den Bereichen Sprachwissenschaft des Neuhochdeutschen und Sprachdidaktik. Im Auftrag der Kultusministerkonferenz untersuchte er in der „DESI-Studie“ (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen International) die Rechtschreibleistung von über 9.000 Schülerinnen und Schülern. Ferner leitet er das private Institut für sprachliche Bildung in Oldenburg.

Dr. Dorothea Thomé ist Diplompädagogin und Co-Leiterin des Instituts für sprachliche Bildung in Oldenburg. Sie hat langjährige Erfahrungen in der Rechtschreibförderung und -therapie von Kindern und Jugendlichen. Zusammen mit ihrem Mann, Prof. Dr. Günther Thomé, entwickelte sie Förderkonzepte und die Oldenburger Fehleranalyse (OLFA).

Aufbau

Der Ratgeber ist in mehrere Abschnitte und Kapitel gegliedert:

Vorwort

  1. Ganz kurz: Worum geht es?
  2. Dimensionen von Lese-Rechtschreib-Problemen
  3. Von Pontius zu Pilatus
  4. Harte und schöne Texte
  5. Rat und Tat

Anhang mit Kopiervorlagen

Inhalt

Das Vorwort benennt präzise, worum es dem Autorenduo vorrangig geht: Sie wollen „nicht nur informieren und beraten, sondern auch die betroffenen Kinder und ihre Eltern zu Wort kommen lassen“ (S. 9).

Im ersten Kapitel geben die Thomés einen kurzen und verständlichen Überblick über die Grundlagen, indem sie das Verhältnis von Lesen und Rechtschreiben beleuchten und die Begriffe LRS und Legasthenie konzise klären. Damit verknüpft ist die Erläuterung, welche Möglichkeiten der Fehleranalyse es gibt.

Das zweite Kapitel referiert unter Bezugnahme auf Schilderungen von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern die Dimensionen (und vor allem die Folgen) von Lese-Rechtschreib-Problemen: Es werden Hürden bei der „Anerkennung“ als Legastheniker, Probleme mit der Schullaufbahn, mit dem Lernen lernen und mit der Hausaufgabenroutine exemplarisch vorgestellt. Die Darstellung verdeutlicht, welche Facetten LRS und Legasthenie haben können, bis hin zu dem Phänomen, dass es zu Verschleierungs- und Tarnhandlungen bei Betroffenen kommt, wie eine Schilderung zum Vorlesen dokumentiert: „Erstaunlich ist für mich, dass ich anfangs immer die Texte, die wir üben sollten, größtenteils auswendig gelernt habe, was dazu geführt hat, dass mein Leseproblem erst beim freien Textvorlesen richtig aufgefallen ist.“ (S. 32)

Im dritten Kapitel unter der Überschrift „Von Pontius zu Pilatus“ finden sich als authentisch vorgestellte Berichte von betroffenen Familien und Kindern bzw. Jugendlichen, die einzelfallbezogen die Herausforderungen beim Erhalt einer korrekten Diagnose, dem Finden der richtigen Therapie und der Finanzierung der Gesamtmaßnahmen beschreiben. Dabei wird auch auf die Formen und Folgen von wirkungslosen Therapien eingegangen.

Das vierte Kapitel, überschrieben mit „Harte und schöne Texte“, dokumentiert Texte einiger ausgewählter Kinder, die das Erleben und das Gefühlsleben der von LRS Betroffenen deutlich werden lassen. Einerseits gibt es die Schilderung von Leiden und negativen Erfahrungen, andererseits anekdotische Texte, darüber hinaus die Re-Lektüre von Schüleraufsätzen, die in schulischen Lernsituationen als mangelhaft bewertet wurden. Dabei hebt das Autorenduo zwei Aspekte besonders hervor: Erstens „schreiben zu Beginn einer Therapie die Jungen viel härtere (manchmal richtig brutale) Texte als Mädchen“ (S. 46), zweitens stellen sie mit Blick auf den Deutschunterricht weiterhin fest: „Der ‚traurige Normalfall‘ ist ein gut geschriebener Schulaufsatz, der aber aufgrund formaler Schwächen […] nicht gewürdigt wird.“ (S. 57)

Das fünfte Kapitel, zugleich das umfangreichste des Buchs, liefert, wie die Überschrift „Rat und Tat“ schon nahelegt, pädagogisch und sprachdidaktisch fundierte Ratschläge darüber, wie vor allem Eltern ihre betroffenen Kinder unterstützen können. Sachkundig und jeweils mit Fokus auf Grundlegendes werden relevante Bereiche thematisiert. Beispielsweise konstatiert das Autorenduo zu ungünstigen Einflüssen auf das Lernen und den Umgang mit Lernstoff: „[…] wir behaupten, dass die sprachdidaktische Qualität der meisten schulisch und außerschulisch eingesetzten Lernmaterialien, wie Übungshefte, Arbeitsmappen, aber auch Lernsoftware und -sendungen im Fernsehen, schlichtweg mangelhaft ist.“ (S. 64). Ferner vermittelt das Kapitel zahlreiche Fakten über die Unterschiede von Phonemen, Graphemen und Buchstaben und deren Rolle im Schreibprozess, des Weiteren über die Ähnlichkeitshemmung und eine fehlgeleitete Diktatpraxis: Die „Basisschreibungen sind die Grundlage unserer Orthographie (lautliches Prinzip). Jeder durchschnittliche deutsche Text besteht […] aus ca. 90 % Basisschreibungen.“ (S 67) Als Lösungswege werden u.a. vorgeschlagen, zu einem besseren „Umgang mit dem Geschriebenen zu Hause“ (S. 84) zu kommen, Lernkurven zur Erfassung des kindlichen Entwicklungsstandes einzusetzen sowie Geduld mit den Kindern zu haben, da die Dauer der nachhaltigen Förderung bis zu drei Jahre umfassen könne. Abgerundet wird das Kapitel durch die Aufführung und Erläuterung von vier Rechtschreibwerkzeugen für Kinder (etwa Mitlautverdoppelung nach einem kurzen Selbstlaut, Dehnungs-h oder Verdoppelung des langen Selbstlauts, Ableiten bei gleichem Wortstamm).

Der Anhang enthält vier Kopiervorlagen zu wichtigen Übungswörtern und Vorlagen für Lernkurven zur Dokumentation der orthographischen Entwicklung. Ferner bietet er ein knappes Literaturverzeichnis mit Hinweisen „zum Weiterlesen“ (S. 126) sowie ein differenziertes Sachregister.

Diskussion

Der „Ratgeber Rechtschreibprobleme“ von Dorothea und Günther Thomé fokussiert im engeren Sinne die LRS- bzw. Legasthenie-Thematik. Die 2021 erschienene, zweite Auflage weist gegenüber der Auflage von 2011 keine Akzent- oder Konzeptionsänderungen auf. Es handelt sich weiterhin um eine allgemeinverständliche, gerade für Laien gut erklärende Darstellung. Zudem sticht die Publikation durch die Vorstellung authentischer Berichte hervor, welche aus der Beratungs- und Förderarbeit des privaten Instituts für sprachliche Bildung hervorgegangen sind. Der Band illustriert so sehr anschaulich, welche Herausforderungen und Probleme Eltern und ihre Kinder mit LRS bzw. Legasthenie zu erwarten haben. Darüber hinaus bietet der Band, klassisch für Ratgeberliteratur, Impulse und Tipps dafür, wie Eltern oder Lehrkräfte betroffene Kinder unterstützen und dabei falsche bzw. ineffiziente Strategien vermeiden können. Charakteristisch für den Band ist also neben der Dokumentation der Betroffenenperspektive die Unterstützung auf dem Weg zu einer besseren Rechtschreibung.

Bisweilen fällt allerdings die Kritik am deutschen Bildungssystem im Allgemeinen und der Lehrkräfteausbildung sowie dem „Nachhilfehorror“ (S. 97) recht pauschal aus: „Falsche Lerninhalte findet man nicht nur bei der Vermittlung der ie-Schreibung, leider sind viele Bereiche betroffen. Warum? Weil sprachstatistische Häufigkeiten einfach nicht genügend bekannt sind!“ (S. 66) Das Plädoyer des Autorenduos für elementare Sprachbildung ist sicherlich plausibel, allerdings wirkt der angedachte Lösungsweg etwas eindimensional, die Zahl der Hochschullehrenden mit „Schwerpunkt (normaler, erschwerter und verlangsamter) Rechtschreiberwerb“ (S 104) zu erhöhen. Expertise schadet sicherlich nie, aber man könnte sich viele Wege, etwa über strukturierte Fort- und Weiterbildung oder Hilfe zur Selbsthilfe über entsprechende, bereits aktive Vereine, denken, um entsprechende Kompetenzen bei Lehrkräften respektive Eltern zu erhöhen.

Fazit

Der „Ratgeber Rechtschreibprobleme (LRS/Legasthenie)“ von Dorothea und Günther Thomé zeigt die Probleme und Herausforderungen auf, vor denen Familien stehen, wenn bei einem Kind LRS bzw. Legasthenie diagnostiziert wird und die schulischen Rechtschreibleistungen entsprechend schlecht ausfallen. In fünf Kapiteln werden Perspektiven der betroffenen Kinder und deren Eltern deutlich und nachvollziehbar dokumentiert. Darüber hinaus erklärt das allgemeinverständlich gehaltene Buch die Vielschichtigkeit der Rechtschreibprobleme und bietet erste Orientierung und Hilfestellung bei der Problembewältigung.

Rezension von
Dr. Torsten Mergen
Universität des Saarlandes, Fachrichtung 4.1
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Es gibt 43 Rezensionen von Torsten Mergen.

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ISSN 2190-9245