Tianjun Liu, Bernhard Trenkle: Die chinesische Truhe
Rezensiert von Prof. Dr. Susanne Wolf, 26.10.2023

Tianjun Liu, Bernhard Trenkle: Die chinesische Truhe. Symptome symbolisieren und unbewusst auflösen.
Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2021.
136 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0393-6.
D: 24,95 EUR,
A: 25,70 EUR.
Reihe: Hypnose, Hypnotherapie.
Thema
Mit „Die Chinesische Truhe. Symptome symbolisieren und unbewusst auflösen“ stellen die Autoren Liu und Trenkle eine chinesische Behandlungsmethode praxisnah vor, die sehr standardisiert angewendet wird und sich sowohl bei psychischen als auch bei physischen Problemen einsetzen lässt.
Autoren und Entstehungshintergrund
Der Hauptautor Liu Tianjun ist Professor in der Klinischen Abteilung der Fakultät für Akupunktur und Moxibustion und Leiter des Qigong-Forschungslabors an der Peking Universität für Chinesische Medizin. Er hat langjährige Erfahrung mit der Methode der Chinesischen Truhe. Bernhard Trenkle ist Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut und Präsident der International Society of Hypnosis. Er lernte die Chinesische Truhe im Rahmen seines Unterrichtes von Psychotherapeuten in China kennen und schätzen und betrachtet sie im letzten Kapitel des Buches mit westlichen Augen.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert und umfasst inklusive Literatur- sowie Autorenhinweise 136 Seiten. Das Ziel des Buches ist es, die Methode und Wirksamkeit der Chinesischen Truhe möglichst praxisnah und prägnant vorzustellen. Den Lesenden soll nach Liu die Möglichkeit „zum Lernen und Beherrschen der Technik“ angeboten werden (vgl. S. 9).
Im ersten Kapitel werden die Grundbegriffe der Methode erläutert wie z.B. der Zustand der Leere oder das Cunxiang (vertiefende Imagination). Dabei werden auch schon Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der chinesischen und der westlichen Medizin und Psychotherapie angesprochen. So wird beispielsweise – anders als in der westlichen Psychotherapie – keine Unterscheidung von Körper und Psyche vorgenommen. Als Gemeinsamkeit z.B. bedienen sich beider imaginativer Verfahren.
Im zweiten Kapitel geht es überblicksartig darum, das Therapieverfahren und dessen standardisierten Ablauf zu schildern. Es handelt sich um zehn Schritte, die in zwei verschiedenen Phasen, der sog. statischen und der dynamischen Phase durchgeführt werden. Flankiert werden diese Schritte an bestimmten Stellen von sog. regulierenden Entspannungsübungen für den Körper, den Atem und die Emotionen. Besonderen Wert wird auf das Ausgangssymptom gelegt: es soll sich um ein Symptom handeln. Mögliche weitere Symptome würden dann bei späteren Sitzungen jeweils einzeln bearbeitet. Dabei ist es bei der Chinesischen Truhe unerheblich, welches die Ursachen eines Symptomes wie z.B. Kopfschmerzen sind. Dieses Symptom wird dann vom Klienten im Hinblick auf die Beeinträchtigung auf einer Skala von 0 bis 10 eingeschätzt. Nun soll der Klient bzw. die Klientin ein Symbol für das Symptom festlegen, also z.B. ein spitzes Messer bei Kopfschmerzen. Dieses Symbol soll möglichst genau imaginiert werden, da es die Grundlage für die weitere Behandlung darstellt. Im Anschluss hat der Klient die Aufgabe, sich möglichst detailreich einen Träger, also z.B. ein Gefäß oder eine Kiste für das Symbol vorzustellen. Dies könnte beim Symbol des spitzen Messers z.B. eine durchbruchsichere Kiste sein. Am Ende dieser statischen Phase hält der Klient bzw. die Klientin das Symptom, die Beeinträchtigung dadurch, ferner das Symbol und den Träger schriftlich in einem Protokoll fest. In der sich anschließenden dynamischen Phase legt der Klient bzw. die Klientin in seiner Vorstellung das Symbol in den Träger, hier also das Messer gut gesichert in die Kiste. Diese wird in der Imagination fest verschlossen. Unter Anleitung des Behandelnden bewegt der Klient in seiner Vorstellung die Kiste in unterschiedlichen Entfernungen von sich hin und her. Gestartet wird an der Nase und der Träger wird ausschließlich in horizontaler Achse bewegt: im Sichtbaren, z.B. auf ein Meter, auf fünf Meter, auf 30 Meter. Dieser Vorgang wird häufiger wiederholt und schließlich soll die Kiste im Bereich des Nicht-Sichtbaren bewegt werden, z.B. auf 50 Meter, 100 Meter, 800 Meter. Auch diese Bewegungen werden häufiger wiederholt. Wenn sich der Klient im Bereich des Nicht-Sichtbaren befindet, befindet er sich gemäß der Methode in der Leere, in der er einige Zeit verweilen soll. Hier gibt es keine Beschwerden und dieser Zustand zeigt eine psychotherapeutische und entlastende Wirkung. Nach einer gewissen Zeit fährt der Klient bzw. die Klientin den Träger mit dem Symbol wieder in Richtung Nase. Er betrachtet beides aufmerksam und wird gefragt, ob Träger oder Symbol Veränderungen erfahren haben. So können sich z.B. Größe und Aussehen der Kiste bzw. des Symbols verändert haben. Nun äußert der Klient, ob auch seine Beschwerden eine Veränderung erfahren haben, und dies alles wird wieder schriftlich vom Klienten bzw. von der Klientin in ein Protokoll eingetragen.
Im anschließenden dritten Kapitel gibt Liu einige konkrete Fallbeispiele in Form von Fallskizzen, Fallprotokolle, Falldialoge und einer Falltranskription. Es handelt sich um Beschwerden wie Kopf- und HWS-Schmerzen, Ängste oder Schluckauf. Dabei wählt der Autor verschiedene Klienten verschiedenen Alters, so auch ein Kind. Auch handelt es sich bei den Therapeuten und Therapeutinnen um verschiedene Personen mit unterschiedlichem Background wie z.B. eine Managerin einer psychologischen Beratungsfirma, eine Psychologie-Professorin, eine Früherziehungspädagogin und den Autor selbst.
Das vierte Kapitel ist mit Wirkmechanismen überschrieben. In diesem Kapitel werden die einzelnen Phasen und Schritte der Chinesischen Truhe, die schon im zweiten Kapitel eingeführt wurden, erneut aufgegriffen und aus einer Art Metaebene heraus und besonders aus der Anwendersicht der Therapeuten und der Therapeutinnen beschrieben. Es wird an einzelnen Stellen dargelegt, wie die Veränderungen zu erklären sind, also beispielsweise, dass durch bestimmte Schritte innere Ressourcen aktiviert werden.
Das fünfte und letzte Kapitel steuert der Zweitautor Trenkle bei. Er stellt dar, in welcher Weise er die Chinesische Truhe bei seinen (westlichen) Klientinnen und Klienten einsetzt. Er verknüpft die Methode der Truhe mit anderen Techniken wie EMDR und EMI und erläutert sie. Angereichert wird seine Methode der Chinesischen Truhe durch einige Fallbeispiele.
Diskussion
In dem 136 Seiten umfassenden Werk „Die Chinesische Truhe. Symptome symbolisieren und unbewusst auflösen“ stellen der Hauptautor Liu und Trenkle die Methode der „Chinesischen Truhe“ dar. Es handelt sich, aus „westlicher“ Sicht, am ehesten um ein psychotherapeutisch-imaginatives Verfahren, das sowohl bei körperlichen als auch bei psychischen Beschwerden einsetzbar ist, wobei es bei letzteren besonders gut zu wirken scheint. Hier verfolge die chinesische Medizin/TCM einen anderen Ansatz: es wird keine Trennung zwischen Physis und Psyche vorgenommen, so wie dies beispielsweise in der „westlichen“ Welt meist üblich ist. Interessant aus „westlicher“ Sicht ist die Tatsache, dass die den Beschwerden zugrundeliegenden Ursachen für das Verfahren unerheblich sind – eine Diagnostik wird nicht verfolgt. Das Buch richtet sich an Therapeutinnen und Therapeuten und an Interessierte allgemein. Es ist gut lesbar geschrieben und gut didaktisch aufgebaut. Es vermittelt einerseits die standardisierten Abläufe der Methode der Chinesischen Truhe und andererseits hat es den Anspruch einer Handlungshilfe beim Therapeuten-Klienten-Kontakt. Dies wird besonders durch die sehr detaillierte Beschreibung der einzelnen Phasen und Schritte erreicht und durch die anschaulichen Fallbeispiele. Dadurch, dass es sich um ein für „westliche“ Therapeutinnen und Therapeuten sicher weit überwiegend unbekanntes Verfahren handelt, wäre die Möglichkeit des Zugriffs auf eine Live-Demonstration (z.B. DVD; Verlinkung z.B. durch QR-Code) hilfreich. Trotz der starken Standardisierung ist es möglich, die Methodik der „Chinesischen Truhe“ abzuwandeln und an „westliche“ Bedürfnisse anzupassen. Beispiele für Abwandlungen oder Weiterentwicklungen legt Trenkle im letzten Kapitel dar.
Fazit
Insgesamt handelt es sich bei der „Die Chinesischen Truhe. Symptome symbolisieren und unbewusst auflösen“ um ein gut lesbares und praxisnahes Werk. Es weckt Interesse, sich weiter mit der Thematik zu beschäftigen. Hilfreich wäre zusätzlich die Möglichkeit einer DVD oder einer Verlinkung/​QR-Code, die zu einer Live-Demonstration führen würden.
Rezension von
Prof. Dr. Susanne Wolf
Lehrgebiet Sozialmedizin
Fachbereich Sozial- und
Kulturwissenschaften
der Hochschule Düsseldorf
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Es gibt 6 Rezensionen von Susanne Wolf.
Zitiervorschlag
Susanne Wolf. Rezension vom 26.10.2023 zu:
Tianjun Liu, Bernhard Trenkle: Die chinesische Truhe. Symptome symbolisieren und unbewusst auflösen. Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2021.
ISBN 978-3-8497-0393-6.
Reihe: Hypnose, Hypnotherapie.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29883.php, Datum des Zugriffs 11.12.2023.
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