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Christian Schanz, Hannah Mattheus u.a.: Therapie-Tools Transdiagnostische Psychoedukation

Rezensiert von Dr. Winfried Leisgang, 23.05.2023

Cover Christian Schanz, Hannah Mattheus u.a.: Therapie-Tools Transdiagnostische Psychoedukation ISBN 978-3-621-28955-9

Christian Schanz, Hannah Mattheus, Monika Equit, Sarah Schäfer: Therapie-Tools Transdiagnostische Psychoedukation. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2022. 231 Seiten. ISBN 978-3-621-28955-9. D: 42,95 EUR, A: 44,40 EUR.
Reihe: Therapie-Tools. Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial.

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Autor:innen

Alle Autor:innen sind psychologische Psychotherapeuten teils in Ausbildung.

Dr. Christian Schanz ist Lehrkoordinator an der Universität des Saarlands.

Hannah Mattheus arbeitet als Therapeutin in der psychotherapeutischen Ambulanz der Universität des Saarlandes.

Prof. Dr. Monika Equit ist Leiterin der psychotherapeutischen Ambulanz der Universität des Saarlandes und Leiterin des Weiterbildungsinstituts für Psychotherapie in Saarbrücken.

Dr. Sarah Schäfer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz.

Aufbau

Aufgrund der Zusammenarbeit der Autor:innen entwickelte sich in einer Intervisionsgruppe die Idee zu diesem Buch, die gesammelten transdiagnostischen Materialen zu veröffentlichen. Das Buch bietet in fünf Kapiteln theoretische Einführungen und praktische Anleitungen für die transdiagnostische therapeutische Arbeit. Es werden in der Einführung fünf transdiagnostische Krankheitsfaktoren beschrieben, die die Überschriften und Inhalte der Kapitel bilden: Emotionen und Emotionsregulation, Schlaf und Schlafprobleme, Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeitsverzerrungen, Stress und Resilienz, Kognitionen und kognitive Verzerrungen.

In der Einführung werden auch die Varianten der Psychoedukation vorgestellt und deren Effektivität anhand eines Überblicks über Studien dazu diskutiert. Anschließend werden deren Grundprinzipien nachgezeichnet. Sie sollte zielgerichtet sein, auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen eingehen, deren Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden, stärken und didaktische Elemente einsetzen. (14) Daher darf eine Übersicht über die Dos und Don’ts nicht fehlen und es wird ein erster Überblick über das Arbeits- und Informationsmaterial zu den einzelnen Themen aufgeführt. (18ff)

Inhalt

Alle Kapitel sind in ihrer Struktur gleich aufgebaut. Nach einer theoretischen inhaltlichen Einführung werden die einzelnen Schritte und der Einsatz der Therapietools anhand der Info- und Arbeitsblätter vorgestellt.

Kapitel eins widmet sich den Emotionen und der Emotionsregulation. Der Ausgangspunkt ist die Definition von Emotionen. Sie sind ein „psychophysiologische Reaktionsmuster, die sowohl eine subjektive Erlebenskomponente (ein »Gefühl«) als auch spezifische Verhaltenstendenzen und körperliche Veränderungen einschließen“. (23) Damit sind die beiden entscheidenden Elemente der Arbeit mit Emotionen benannt: das individuelle Erleben und dessen Variationen der Umsetzung in Handlungen.

In der Emotionsregulation geht es nicht um die Unterdrückung von Emotionen, sondern um das Verringern der psychischen Belastung und die Stärkung von angemessenen Reaktionen darauf. (24) Wie dies geschehen kann, wird anhand des Ablaufes von zwei Sitzungen zur Emotionsregulation kurz skizziert. Die Infos reichen von der Kenntnis über die Funktion von Emotionen, über deren Intensität, die Möglichkeiten der Emotionsregulation inkl. Skillstrategien bis hin zu den Hausaufgaben. Anhand eines Schaubildes wird dargestellt, wie die vier Basisemotionen Ärger, Scham, Angst und Freude in einem Kontinuum zwischen zu starker, zu geringer oder einer funktionalen Ausprägung verortet sein können. (30)

Damit lassen sich die o.g. Inhalte der Sitzungen vertiefen. Freude macht Menschen aktiv, Angst führt zu Vermeidung oder Flucht, Ärger kann Widerstände bei Vermeidung oder Annäherung beseitigen und Scham lässt unser Verhalten an den Normen der Gruppe orientieren. (32) Die Strategien zur Emotionsregulation sind das Vermeiden, ein lösungsorientiertes Handeln, das Festhalten am Problem, das Akzeptieren, das Katastrophieren, die Um- und Neubewertung, die Selbstschädigung und das Anwenden von Skills. (36) So kann zwischen nützlichen und hinderlichen Strategien unterschieden werden. (38)

Weiter wird beschrieben, wie mit sog. Skills emotionale Anspannungen reduziert werden können. Veranschaulicht wird dies mit einer Abbildung, die die geeigneten Skills je nach Anspannungsgrad in Anlehnung an die Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT – vergl. dazu meine Rezension von Bohus et al.) darstellt. (41) Es folgen weitere Arbeitsblätter zu den Funktionen und der angemessenen Intensität der Emotionen, einem Emotionsprotokoll, der Regulation von Emotionen, zu Anspannungen und Skills inkl. einem Anspannungsprotokoll. Abschließend sind auch Infoblätter zu den o.g. Themen angefügt. (52ff)

In Kapitel zwei geht es um den Schlaf und um Schlafprobleme. Der Schlaf ist ein entscheidender Faktor für psychische Stabilität. Im Schlaf wird das Gedächtnis konsolidiert und damit die Voraussetzung für eine gelungene Emotionsregulierung geschaffen. Durch die Verringerung der synaptischen Aktivitäten ist es möglich, die neuronale Plastizität des Gehirns aufrechtzuerhalten. Die Autoren betonen, dass über eine Verbesserung des Schlafes eine Verringerung der psychischen Auffälligkeiten erreicht werden kann und wenden sich dann den Einflussfaktoren für die Schlafqualität zu. Diese sind ein unregelmäßiger Wach-/​Schlafrhythmus inkl. der damit verbundenen unregelmäßigen Zeiten für die Nahrungsaufnahme. Regelmäßig sportlich aktiv zu sein verbessert, Alkoholkonsum verschlechtert die Qualität des Schlafes. Schließlich erschwert der Einfluss von „blauem“ Licht von Laptop, PC, Smartphone oder dem Fernseher in den Abendstunden das Einschlafen. Auch hier werden wieder die Info- und Arbeitsblätter zu den Themen vorgestellt. Diese beinhalten u.a. die innere Uhr, den Schlafdruck, schlafbezogene Interventionen, den Teufelskreis der Schlafprobleme, Zubettgeh-Routinen und die Verkürzung der Bettliegezeit sowie die Erkenntnisse zu aktuellen Schlafmythen. Ein Schaubild ermöglicht z.B. die Tagesroutine für sich gezielt festzuhalten.

Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeitsverzerrungen sind der Inhalt in Kapitel drei. „Aufmerksamkeit bezeichnet die Fokussierung der kognitiven Ressourcen auf einen oder mehrere externale, internale oder mentale Stimuli“. (102) Man kann zwischen erleichterter sowie vermeidender Aufmerksamkeitslenkung und Defiziten in der Aufmerksamkeitskontrolle unterscheiden. Im ersten Fall existieren bestimmte Stimuli, die sofort die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Im zweiten Fall werden bestimmte Stimuli ausgeblendet und vermieden. Und die Defizite der Kontrolle zeigen sich darin, dass man an einem belastenden Stimulus festhält und die Aufmerksamkeit nicht auf entlastende Stimuli lenken kann (ebd.).

Aufmerksamkeitsverzerrungen sind ein wesentliches Merkmal psychischer Beeinträchtigungen. Sei es, dass die Aufmerksamkeit durch die psychischen Defizite beeinflusst wird, wie bei Essstörungen der Blick auf Lebensmittel. Oder, dass der Aufmerksamkeitsfokus durch die psychische Erkrankung auf bestimmte Ereignisse gerichtet wird, wie bei Depressionen auf belastende Lebensereignisse in der Vergangenheit oder im Alltag. (103) Dieser Sachverhalt wird wieder mit Hilfe von Info- und Arbeitsblättern vertieft. Sie befassen sich u.a. mit den Informationsquellen und der Steuerung der Aufmerksamkeit, mit der Steuerung der Aufmerksamkeit, der Achtsamkeit inkl. Übungen und Tagebuch, der Aufmerksamkeit und ihren Wahrnehmungsebenen und die Arten von Aufmerksamkeitsproblemen.

Ziel der Psychoedukation ist hier, den Patient*innen auf den Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeitsverzerrungen und den individuellen Symptomen aufzuzeigen und alternative Sichtweisen zu fördern.

Kapitel vier befasst sich mit dem Stress und der Resilienz. Stress kann sich positiv und negativ auf die körperliche und seelische Gesundheit auswirken. „Stress entsteht vor dem Hintergrund eines komplexen Zusammenwirkens von Umwelt- und Personenvariablen. Umweltreize beeinflussen Personen und Personen wiederum beeinflussen die Umwelt.“ (141) Die Resilienz wiederum bezeichnet die Fähigkeit, wie man mit den Stressoren umgehen kann. Dabei unterscheidet man zwischen Resilienz als Personenvariable, als Fähigkeit gesund zu bleiben und als Prozess der Aufrechterhaltung vor allem der seelischen Gesundheit. Es werden die klassischen Faktoren der Resilienz vorgestellt: das Kohärenzgefühl, die kognitive Flexibilität, die Selbstwirksamkeit, sowie den Ort der Kontrolle, die Religiosität oder Spiritualität und einen angeborenen Optimismus. (142) Existieren viele schützende Faktoren kann die Verletzlichkeit deutlich reduziert werden.

Das Ziel der Psychoedukation wird damit beschrieben, die häufig vorhandene negative Selbstsicht der Betroffenen zu verändern und ein wert- und bedürfnisorientiertes Erleben und Verhalten aufzubauen. Auch hier ist wieder das ausführliche Info- und Arbeitsmaterial angehängt. Darin geht es u.a. um die Themen der Pathogenese und Solutogenese, dem Zusammenhang zwischen Stress und den eigenen Bedürfnissen, die Resilienz und ihre Kategorien der Selbstwirksamkeit und der Bedeutsamkeit, Sinn und Bedeutung im Leben, um Stress und psychische Erkrankungen und um Schutzfaktoren gegen den Stress.

Kapitel fünf legt den Fokus auf Kognitionen und kognitive Verzerrungen. Der Begriff der Kognition umfasst drei Komponenten: die Grundannahmen, die aus Vorerfahrungen gespeist werden, bedingte Annahmen, deren Grundlage die Grundannahmen darstellen und automatische Gedanken, das sind aus den bedingten Annahmen gezogene Schlussfolgerungen. (179) Die Autoren betonen, dass die kognitiven Verzerrungen stets einhergehen mit psychischem Leiden und diagnoseübergreifend auftreten. (181)

Ziel der Psychoedukation ist es, den Leidensdruck zu verringern, indem eigene Denkmuster besser verstanden werden und die Sensibilisierung, wie es zu Verzerrungen in der kognitiven Informationsverarbeitung kommen kann. (ebd.) Als Info- und Arbeitsmaterialen werden für diesen Themenbereich folgende vorgestellt und erläutert: ein gemäßigter Konstruktivismus, Vorerfahrungen und Grundannahmen und der Umgang damit, Verzerrungen, die beim Interpretieren von Situationen auftreten und wie diese korrigiert werden können z.B. durch die Überprüfung von Interpretationen, die Überprüfung von Grundannahmen, die unser Verhalten beeinflussen, das Denken in Extremen und das Vernachlässigen von Informationen und Tipps zum Ausprobieren neuer Gedanken.

Diskussion.

Die einzelnen Themen werden in ihrer Genese nicht weiter vertieft. Daher ist bei der Lektüre und der Anwendung der Tools mehr Hintergrundwissen nötig. Dies setzen die Autor:innen voraus. Die Schule der Verhaltenstherapie ist anhand des präsentierten Materials klar zu erkennen. Diese arbeitet sehr häufig mit kognitiven und sehr strukturierten Reflexionsansätzen, die nicht immer der Lebenswelt der psychisch erkrankten Personen gerecht wird. Vor allem, wenn sie nicht aus einem Mittelschichtsmilieu kommen. Bei dieser Zielgruppe braucht es neben der kognitiven Bearbeitung oft ein konkretes Training sozialer Kompetenzen im Alltag und eine direkte sofortige Rückmeldung.

Fazit

Wer sich bereits grundsätzliche Kenntnisse zu den einzelnen Themen in den einzelnen Kapiteln erarbeitet hat, findet in den knappen Einführungen kaum neue Informationen. Hilfreich sind die Arbeitsblätter dennoch, weil sie komplexe Sachverhalte gut in Schaubildern darstellen. Damit bilden sie ein hilfreiches Instrumentarium, für viele Therapeutinnen und Therapeuten.

Rezension von
Dr. Winfried Leisgang
Dipl. Soz.-Päd., Master of Social Work (M.S.W.)
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Es gibt 47 Rezensionen von Winfried Leisgang.

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Zitiervorschlag
Winfried Leisgang. Rezension vom 23.05.2023 zu: Christian Schanz, Hannah Mattheus, Monika Equit, Sarah Schäfer: Therapie-Tools Transdiagnostische Psychoedukation. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2022. ISBN 978-3-621-28955-9. Reihe: Therapie-Tools. Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29919.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.


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