Anatol Dutta, Hartmut Guhling et al. (Hrsg.): Das Familienrecht in seiner großen Vielfalt
Rezensiert von Wolfgang Schneider, 22.05.2024
Anatol Dutta, Hartmut Guhling, Frank Klinkhammer (Hrsg.): Das Familienrecht in seiner großen Vielfalt. Festschrift für Hans-Joachim Dose zum Ausscheiden aus dem Richterdienst. Gieseking Verlag Verlag Ernst und Werner Gieseking GmbH (Bielefeld) 2022. 608 Seiten. ISBN 978-3-7694-1279-6. D: 149,00 EUR, A: 153,20 EUR.
Thema
Die dem langjährigen Vorsitzenden des XII. Zivilsenats – Familiensenats – des Bundesgerichtshofs zugleich zum Eintritt in den Ruhestand gewidmete Festschrift vereinigt für Praxis und Wissenschaft maßgebliche Beiträge von Fachkolleginnen und -kollegen sowie Weggefährten zu einer Vielfalt von familienrechtlichen Themen
AutorIn oder HerausgeberIn
Prof. Dr. Anatol Dutta ist Universitätsprofessor an der LMU München. Hartmut Guhling ist Richter in Karlsruhe am Bundesgerichtshof. Prof. Dr. Frank Klinkhammer ist dort ebenfalls im Richterdienst sowie Honorarprofessor an der Philipps-Universität Marburg. Insgesamt haben fast 40 Autor:innen Beiträge zu dieser Festschrift beigesteuert.
Entstehungshintergrund
Nach rund 20 Jahren als Richter am Bundesgerichtshof – dort im Bereich Zivilsachen mit unter anderem dem Schwerpunkt Familienrecht – in den Ruhestand gegangen. Die vergangenen zehn Jahre war er Vorsitzender des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Insgesamt war er über 30 Jahre als Richter tätig.
Aufbau und Inhalt
Rund 40 Beiträge bilden nahezu alle Facetten des Familienrechts ab. So beschäftigt sich Brunhilde Ackermann im Kapitel Die „Freiheit zur Krankheit“ und die „Freiheit zum Tod“ mit dem Thema Patientenverfügung und ärztliche Zwangsmaßnahmen sowie dem Einfluss ärztlicher Beurteilung. Danach folgen Beiträge über das Haftungsprivileg des § 1664 BGB, den Der Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten bei fehlgeschlagenem Versorgungsausgleich sowie ein Ausflug in die juristische Vergangenheit im Text über die Klage auf Feststellung der nichtehelichen Abstammung in der Rechtsprechung von 1900 bis 1945. Michael Coester setzt sich anschließend mit der Entwicklung des § 1618a BGB auseinander, bevor sich Dagmar Coester-Waltjen der verfahrensrechtlichen Stellung von Kindern in Kindesschutzverfahren widmet. Daran anschließend stehen die Leihmutterschaft als Herausforderung für Rechtsprechung und Gesetzgebung, die anwaltliche Vertretung des Kindes in Kindschaftssachen, Zahlungen zwischen Ehegatten als Familienunterhalt und ein Beitrag über Sparbücher auf den Namen Minderjähriger im Fokus. Tobias Fröschle geht in seinem Beitrag der Frage nach, ob die §§ 104 bis 105a BGB noch zeitgemäß sind, während Herbert Geisler die rechtliche Stellung der Ehefrau in den Gesetzestafeln von Gortyn beleuchtet.
Peter Gerhardt schreibt über die Schiedsgerichtsbarkeit im Familienrecht, die er am Beispiel des Süddeutschen Familienschiedsgerichts darstellt. Daniela Goerdeler diskutiert das Thema Vorsorgevollmacht im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und staatlicher Schutzpflicht, während Isabell Götz sich dem Kind als Einkommensquelle widmet und Peter Gottwald über einen effektiveren Rechtsschutz in Familiensachen durch Einführung einer Nichtzulassungsbeschwerde schreibt. Im Anschluss stehen die Themen überzahlter Unterhalt, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung des Abbruchs lebensverlängernder oder -erhaltender Maßnahmen, ambulante Zwangsbehandlung sowie zwei Wege des Interessenausgleichs der Eltern beim Wechselmodell und der § 1577 BGB zur Frage des Vermögenseinsatzes des Unterhaltsberechtigten beim nachehelichen Unterhalt im Mittelpunkt. Stephan Hammer beschäftigt sich mit dem Miteinander und Nebeneinander von Familiengericht und Jugendamt in Kindschaftssachen, während sich Tobias Helms dem Wechselmodell annähert. Dieter Höbbel thematisiert die Bestimmung des „Maß des Unterhalts“ mithilfe von Düsseldorfer Tabelle, Leitlinien, Formularen, Tabellen oder EDV und verfasst so zugleich ein Plädoyer für die Ersetzung der Leitlinien der Oberlandesgerichte durch eine BGH-Leitlinie oder durch vier Leitlinien Nord/Ost/West/Süd. Daran anschließend geht es richterliche Entscheidungsspielräume im Versorgungsausgleich, Kinderrechte im Grundgesetz, die Auflösung des Verlöbnisses, die Mitgift nach römischem Recht im Vergleich mit einem kollisionsrechtlich nach deutschem Sachrecht zu beurteilenden Brautgabeversprechen, Vorsorgevollmacht und Menschenrechte und die Frage nach der ehevertraglichen Kompensation und wie zwei oberste Bundesgerichte den Unternehmerehevertrag sehen.
Christina Müting und Gerd Uecker Latente liefern eine Praxisbetrachtung zum Thema Steuern im Zugewinnausgleich. Anschließend beschäftigen sich Claudio Nedden-Boeger mit der Reform des Versorgungsausgleichs und Walter Pintens mit dem Ehebegriff in den Verordnungen Brüssel II. Henning Radtke schreibt über den Grundrechtsschutz durch Verfahren am Beispiel der Verfahrensgestaltung in Sorgerechtsangelegenheiten. Andreas Roth macht sich daran anschließend Gedanken zu einem Vertretungsrecht unter Ehegatten und diskutiert, ob es dabei um ein überholtes Relikt aus der Vergangenheit oder neue Form ehelicher Solidarität geht.
Um die Dauer des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB und nach § 1615l Abs. 2 BGB, die Diskussion über Mehrelterlichkeit statt Mehrelternschaft, das Spannungsverhältnis zwischen Bundestag und Bundesverfassungsgericht im Kontext Bundesverfassungsgericht und das Geschlecht sowie das Tab – tax amortisation benefit – als einen weiteren Baustein der Unternehmensbewertung im Güterrecht geht es in den folgenden Kapiteln. Es folgen Betrachtungen über die eheliche Gesundheitsfürsorge zwischen Notvertretung und Schlüsselgewalt, Rechtsschutz im einstweiligen Rechtsschutz, unterhaltsrechtliche Aspekte von Influencern, den Abzug von Tilgungsleistungen im Unterhaltsrecht sowie die fiktive (latente) Steuerlast im Zugewinn auf Vermögensgegenstände des Betriebs- und Privatvermögens.
Einem aktuellen Behördenthema widmet sich Volkert Vorwerk mit seinem Beitrag über die elektronische Akte. Peter Wassermann schreibt daran anschließend über Schranken des eherechtlichen Notvertretungsrechts, Klaus Weil über die Renaissance des Wertausgleichs nach der Scheidung und Marina Wellenhofer über Grundstücke im Zugewinnausgleich und die Frage nach latenten Spekulationssteuern und hypothetischen Vorfälligkeitsentschädigungen. Zum Abschluss stehen der Vermögenszuwachs durch unentgeltliche Arbeitsleistungen und die kulturelle Bedeutung von Mutter und Vater im deutschen und iranischen Recht im Fokus.
Diskussion
Das Familienrecht in seiner großen Vielfalt – wohl selten stimmte ein Titel so sehr. Die Beiträge beleuchten mit wenigen Ausnahmen alle Bereiche mit denen AdressatInnen dieser Festschrift in seiner langen richterlichen Tätigkeit zu tun gehabt haben dürften. Dabei gelingt eine grandiose Mischung zwischen recht abstrakten Rechtsdiskussionen und Themen mit hohem juristischen Alltagsbezug.
Fazit
Wer Zeit hat und sich für die faszinierenden Tiefen des Familienrechts interessiert, dem sei dieses hochwertige Buch ans Herz gelegt.
Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
Mailformular
Es gibt 126 Rezensionen von Wolfgang Schneider.
Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 22.05.2024 zu:
Anatol Dutta, Hartmut Guhling, Frank Klinkhammer (Hrsg.): Das Familienrecht in seiner großen Vielfalt. Festschrift für Hans-Joachim Dose zum Ausscheiden aus dem Richterdienst. Gieseking Verlag Verlag Ernst und Werner Gieseking GmbH
(Bielefeld) 2022.
ISBN 978-3-7694-1279-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29923.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.