Dirk Zupancic: Stärken entfesseln!
Rezensiert von Thomas Reinhardt, 30.12.2022
Dirk Zupancic: Stärken entfesseln! Wie Sie mit couragierter Führung das Potenzial aller Mitarbeitenden ausschöpfen. WALHALLA Fachverlag /metropolitan Verlag (Regensburg) 2022. 199 Seiten. ISBN 978-3-96186-063-0. D: 29,95 EUR, A: 29,95 EUR.
Autor, Thema und Entstehungshintergrund
Prof. Dirk Zupancic erfüllt sich mit dem Buch „Stärken entfesseln“ einen persönlichen Wunsch, nämlich ein Buch zum Thema „Führung“ zu schreiben. Seit seiner militärischen Ausbildung zum Offizier der Luftwaffe begleitet ihn das Thema Führung. Er studierte u.a. an der Hochschule St. Gallen (HSG) und arbeitete nach Dissertation und Professur 13 Jahre lang dort. Heute ist er „Unternehmer“ in seiner Consultingfirma „DZP Prof. Dirk Zupancic Projekcts GmbH“ (www.dzp-consulting.com). Er ist wissenschaftlicher Beirat bei der Kölner „XLNC Leadership“, auf deren diagnostische Methode er sich in der Beschreibung seiner Führungsstile bezieht.
Führung ist für Zupancic eine Dienstleistung an den Mitarbeitenden. Dazu gehört eine Führungspersönlichkeit, die „mit Mut, Haltung und Stil die Stärken aller Mitarbeitenden entfesseln und alle Menschen, für die sie Verantwortung trägt, zu Höchstleistungen zu führen.“ im Stande ist (Seite 13). Es gibt nicht den idealtypischen Mitarbeitenden, nicht nur, die in der Managementliteratur häufig idealisiert dargestellten High Performer sondern sehr unterschiedliche Menschen. Deshalb braucht es eine breite Bandbreite von Führungsstilen, mit denen auf diese Unterschiede reagiert werden kann. Zupancic unterstreicht dies mit seiner ersten, durch ein Glühbirnenpictogramm gekennzeichneten, Erkenntnis hervor: „Statt allen Mitarbeitenden eine Erwartungshaltung überzustülpen, ist es erforderlich, dass Führungskräfte wieder den Willen und die Kompetenz erwerben, jedem Menschen seiner Einzigartigkeit gerecht zu werden.“ (Seite 14) Auf den folgenden, knapp 200 Seiten, möchte der Autor das nötige Rüstzeug dazu liefern.
Aufbau
Das Buch ist als Imprint von Walhalla und Praetoria im metropolitan Verlag erschienen. Das Titelbild zeigt einen aus vielen Individuen zusammengesetzter King Kong, es könnte auch ein starker Mann oder ein anderer Menschenaffee sein, der die Arme im Sinne der Demonstration von Stärke hebt. Zum Glück ist der Inhalt dieses knapp 200 Seiten umfassenden Werkes weniger brachial. Nach der Einleitung ist das Buch in drei grosse Abschnitte gegliedert: Eine Begründung, weshalb es mehr „Couragierte Führungspersönlichkeiten“ zur Wiedergewinnung der Orientierung in der „VUCA-Welt“ braucht, die Vorstellung des Konzepts und schließlich dessen praktische Umsetzung anhand herausfordernder Führungssituationen.
Eingestreut sind Grafiken, hervorgehobene Gedankenblitze zum Merken, Fragen zur Selbstreflexion („Nehmen Sie sich Zeit zum Nachdenken“) und abschliessende Zusammenfassungen. Ein übersichtliches, nicht zu üppiges Literaturverzeichnis schliesst den Band ab.
Inhalt
Ein neues Führungsverständnis wird in der viel zitierten VUCA Zeit benötigt um den vielen Verunsicherungsfaktoren, denen Führungsverantwortliche begegnen, die Orientierung wieder zu geben. Zupancic nennt sieben solcher Verunsicherungsfaktoren und er hebt mit dem Glühbirnensymbol hervor: „Ja, wir brauchen Führung – aber andere! Wir brauchen Couragierte Führungspersönlichkeiten, die mit Mut, Haltung und Stil ALLE Mitarbeitenden zu Höchstleistungen führen können und wollen. Wir brauchen Couragierte Führungspersönlichkeiten, die je nach Situation und Person souverän agieren und reagieren.“ (Seite 27)
Damit wird deutlich, dass Zupancic auf deutliche Distanz zu Ideen geht, die Führung für die Zukunft als überflüssig beurteilen. Er weist im 7. Verunsicherungsfaktor daraufhin, dass agile Leader oft ein „Paralleluniversum“ entwickeln. Das bedeutet, dass sie sich in Think Tanks bewegen, die mit dem Rest der Belegschaft wenig Berührungspunkte haben. Und sich so tatsächlich überflüssig machen, da sie nicht gebraucht werden.
Mit seinem Konzept der Couragierten Führungspersönlichkeit, die sich wiederum aus 7 Merkmalen zusammensetzt, will Zupancic diese Orientierung zurückgeben. Basis seiner Überlegungen ist das Menschenbild, das Führungsverantwortliche sich von ihren Mitarbeitenden machen.
Wiederum mit 7 Elementen beschreibt der Autor seinen 2. Baustein, nämlich die Courage als Kernkompetenz und er zählt auf:
- Mut
- Konstruktiver Umgang mit der VUCA-Welt
- Energie, Gestaltungskraft, Willensstärke
- Widerstandsfähigkeit (wiederum mit 7 Säulen der Resilienz)
- Kreativität, Erfindungsreichtum
- Verantwortungsübernahme
- Humor
Entscheidend ist zudem die „Integrität“ der Führungspersönlichkeit, wie sie diese 7 Punkte lebt: In jeder Situation zu den eigenen Werten, Normen und moralisch-ethischen Überzeugungen zu stehen.
Zupancic meint mit dem 3. Baustein(„Mut zum Sinn“) u.a. die Begrifflichkeit von Simon Sinek, nämlich die Frage nach dem „Warum“. Mit dieser Frage wird einerseits diese Sinnfrage unternehmensbezogen reflektiert und andererseits mit den Mitarbeitenden im Dialog erörtert. Schliesslich geht es darum, als Führungspersönlichkeit inspirierende Angebote der Sinnhaftigkeit zu machen. Im Abschnitt zum „Kompetenzcheck“, den er mit einer Spider-Grafik bestehend aus 11 Punkten visualisiert, nimmt der Autor Bezug zum „Musterbrecher“ Hans A.Wüthrich, indem er die Kompetenz zur Selbstreflexion an den Anfang stellt und das kreative Andersdenken als Voraussetzung von innovativen Lernprozessen beschreibt.
Schliesslich versteht sich das Kompetenzset als Vorschlag und der Autor empfiehlt, dieses auf die individuellen Gegebenheiten anzupassen. Seine Querverweise auf Ludwig Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“ und auf die organisationale Energieforschung von Heike Bruch und Sumantra Goshal sollen dazu inspirierende Anregungen sein.
Ambidextrie als weiterer Baustein differenziert der Autor in eine organisationale und in eine Mitarbeitenden Ambidextrie. Er meint damit die Fähigkeit auf Vielfalt einzugehen. Dazu schickt er das „Entweder-Oder-Denken“ in die Mottenkiste und plädiert für die „Sowohl-als-auch-Haltung“.
In der Beschreibung des Entwicklungswegs zum „Full Range-Leadership“ (Baustein Führungsstile) zitiert er die vom Autorentrio anhand der Fussballtrainer Magath und Klinsmann sowie der Fussballtrainerin Voss-Tecklenburg illustrierten Stile um sich sogleich davon zu distanzieren: Der Sportkontext stößt im Bereich von Unternehmen an Grenzen. Dort kann man sich beispielsweise keine Mannschaft zusammenstellen, man übernimmt eine. Zupancic nimmt Bezug auf 6 Führungsstile, die er gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen des eingangs erwähnten XLNC Leadership Diagnostic Teams beschrieben hat und verweist auf seine Publikation von 2019 (Zupancic S. 120-127):
Innerhalb des transaktionalen Führungsstils werden die Ansätze „normativ“, „direktiv“ und „partizipativ“, innerhalb des transformationalen Führungsstils die Ansätze „integrativ“, „coachiv“ und „inspirativ“ erklärt. Hier sei auf die Wortneuschöpfung „coachiv“ dahingehend eingegangen, die der Autor differenziert und schreibt: „Allerdings steht eine Führungskraft in einer anderen Verantwortung als ein unabhängiger Coach. Das sollten Sie sich immer wieder bewusst machen, wenn gefordert wird, moderne Führungskräfte sollten als Coaches agieren. Coaching kann und sollte von Führungskräften vor allem als ein Teil ihres Führungsrepertoires genutzt werden, ohne sich darin zu erschöpfen.“ (Seite 106)
Führungsverantwortliche sollten also die „Be-water-Philosophie“ beherzigen (zitiert nach Bruce Lee, Actionkarateheld: „Be water, my friend“). Das heißt, anpassungsfähig sein und flexibel reagieren. Die Entwicklung zur Virtuosität beschreibt Zupancic in seinem Buch „Sales Drive“ (2019) und ordnet die Schritte im Vier-Felderschema mit den Achsen „Soziale Kompetenz“ und „Kompetenz in der Rolle“ ein.
Schliesslich endet auch der Teil B des Buches mit der Aufforderung, Selbstreflexion zur Gewohnheit werden zu lassen.
Teil C befasst sich mit der Praxisrealität denen Führungsverantwortliche gegenüberstehen. Die Situationen werden mit Beispielen aus der Beratungspraxis des Autors eingeführt und beginnen mit dem bekannten Cartoon des Baumes vor dem Affen, Elefanten und Fische stehen und aufgefordert werden, hochzuklettern. Leistungen sind konstruktiv zu beurteilen und es ist dabei von den jeweiligen individuellen Möglichkeiten auszugehen. Dabei sollte die Verhaltens- und nicht die Identitätsebene angesprochen werden. Zielvereinbarungen sind vor allem für Low-Performer gedacht, Weiterbildungsmaßnahmen sollten im Nachhinein mit Reflexionsfragen abgerufen und im Dialog besprochen werden.
Im Schlusswort (Seite 191 ff.) verdeutlicht Zupancic noch einmal, dass gerade in der VUCA-Welt Couragierte Führung, so wie er sie definiert, „wichtiger denn je“ sei. Er will nicht als „Besserwisser“ auftreten, jedoch sieht er die Tatsache, dass viele Mitarbeitende den Kontakt und die Bindung zu ihrem Arbeitgeber verloren haben, als triftigen Grund, sich seinem Herzensthema zu widmen: „dass gute Führung den Menschen und den Organisationen dienen muss“.
Diskussion
Ob „das vorliegende Buch als die Geburt eines neuen Führungskonzepts aus der Tragödie schlechter Führungsergebnisse“ (Seite 191) zu verstehen ist, sei dahingestellt. Auf jeden Fall liefert es eine Fülle von guten Ansätzen, die für die praktische Führungsarbeit sehr hilfreich sein können. Als Dozent in Führungskursen diskutiere ich mit den Teilnehmenden regelmässig die Frage der Bedeutung unseres Menschenbildes und deren Interaktion mit den von ihnen geführten Mitarbeitenden. Dies führte zu etlichen „Aha-Erlebnissen“ beim angeregten Lesen dieses gut und erfrischend geschriebenen Fachbuches. Schließlich geht es um den Dialog mit allen in einer Organisation beschäftigten Menschen. Arbeit, die ohne innere Bindung erfolgt, ist Mühsal und behindert kreative Ideen und Innovation.
Fazit
Zupancic will die Führung dazu bewegen, das Prokrustesbett zu verlassen, ohne Phantasmen nachzueifern, die oft im Zusammenhang mit Agilität heraufbeschworen werden. Es geht darum, Arbeit so zu gestalten, dass alle darin ihren Sinn und letztendlich auch ihr Lebensglück finden können. Dabei gilt es, die Orientierung zu bewahren: Menschen wollen Leistung bringen. Gerade Ausnahmen davon, an denen sich Führungshandeln zu oft orientiert, bestätigen diese Regel!
Zupancic ruft am Ende zum Dialog mit den Leserinnen und Lesern auf: Nutze diese Gelegenheit und schreibe ihm – nach dem Lesen des Buches: dirk.zupancic@dzp-consulting.com.
Dieses Buch wird in meine Arbeit als Personal- und Führungsentwickler einfliessen.
Rezension von
Thomas Reinhardt
Diplomierter Berater für Organisationsentwicklung. Arbeitet als interner Coach im Universitätsspital Basel und freiberuflich in den Bereichen Organisationsentwicklung, Gesundheitsmanagement, Konfliktmoderation, Coaching für Führungsverantwortliche, Teamentwicklung und Supervision. Schwerpunkte: Gesundheit und Führung, Change Management, Leadership, Kommunikation, Psychohygiene und Glück.
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Zitiervorschlag
Thomas Reinhardt. Rezension vom 30.12.2022 zu:
Dirk Zupancic: Stärken entfesseln! Wie Sie mit couragierter Führung das Potenzial aller Mitarbeitenden ausschöpfen. WALHALLA Fachverlag /metropolitan Verlag
(Regensburg) 2022.
ISBN 978-3-96186-063-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29946.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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