Daniel Illy: Ratgeber Daueronline in Sozialen Netzwerken
Rezensiert von Prof. Dr. med. et Dr. disc. pol. Andreas G. Franke, 09.12.2022
Daniel Illy: Ratgeber Daueronline in Sozialen Netzwerken. Unterschätzte Gefahr der Abhängigkeit von Instagram, TikTok und Co. Urban & Fischer in Elsevier (München, Jena) 2022. 182 Seiten. ISBN 978-3-437-23036-3. D: 21,00 EUR, A: 21,60 EUR, CH: 29,00 sFr.
Thema & Zielsetzung
In seinem Buch setzt sich Daniel Illy mit der Anziehungs- und Strahlkraft von digitalen Sozialen Netzwerken auseinander. Dabei betrachtet er bei Weitem nicht nur das Phänomen selbst, sondern stellt es mit theoretischen und praktischen Hintergründen dar und steht dem Leser dabei beratend zur Seite. Dabei gliedert sich das Buch in einen Teil für (mit-)betroffene und „leidtragende“ Eltern und einen zweiten Teil für betroffene Jugendliche selbst.
Zuvor (2015) hatte er eine Spezialsprechstunde ins Leben gerufen, die sich mit dem Thema Videospiele beschäftigt(e) und allen Betroffenen offen steht.
Das Buch fügt sich in die von ihm ins Leben gerufene Reihe ein, in denen er verschiedene Themen aus der „Psychiatriewelt“ beleuchtet. Bisher erschienene Bücher behandeln verschiedene psychiatrische Erkrankung wie Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, bipolar affektiven Störungen und Video- sowie Internetspielsucht.
Autor
Dr. med. Daniel Illy ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er arbeitet seit 2021 als Leitender Oberarzt im Asklepios Fachklinikum Lübben in Königs Wusterhausen bei Berlin. Im Jahre 2015 initiierte er am Vivantes Klinikum in Friedrichshain gemeinsam mit einem Kollegen eine Sprechstunde für von Videospielsucht betroffene Jugendliche. An diese offene Sprechstunde gliedern sich gruppentherapeutische Angebot zur Behandlung der Videospiel- und Internetabhängigkeit an.
Entstehungshintergrund
Der Autor ist als Facharzt für psychisch kranke Erwachsene, Jugendliche und Kinder Spezialist für diverse psychische Erkrankungen. Aufbauend auf einer Spezialsprechstunde für videospielabhängige Jugendliche hat er sich mit dem Thema der exzessiven Nutzung von digitalen sozialen Netzwerken beschäftigt und dazu in der von ihm ins Leben gerufenen Buchreihe das aktuelle Werk eingegliedert.
Aufbau & Inhalt
Nach einem Vorwort, Angaben über den Autor und einem Abbildungs- sowie übersichtlich gestaltetem Inhaltsverzeichnis beginnt Daniel Illy seine Betrachtung mit der Einleitung, in der er danach fragt: „Wo bleiben die Mädchen?“. In diesem ersten Teil des Buches legt er zunächst die Entstehungsgeschichte seines Buches dar und widmet sich dann epidemiologischen Daten: Rund eine Million Menschen leiden an einer Abhängigkeit von internetbezogenen Medien. Dies sind weit überwiegend Jugendliche, und zwar (etwas) überwiegend Mädchen anstatt – wie bislang angenommen – Jungen. Dabei sei der Leidensdruck gerade bei den Eltern der Betroffenen vorhanden.
Der zweite Teil des Buches (mit den Kapiteln 2 – 12) wendet sich ratgebend an (mit-)leidende Eltern von Jugendlichen, bei denen eine Problematik hinsichtlich ihres Konsums von digitalen Medien erkennbar scheint. Der Autor geht in diesem Teil sehr empathisch auf die Sorgen und Nöte der Eltern ein. Hier wird zunächst darüber aufgeklärt, was sich eigentlich hinter dem exzessiven Konsum digitaler sozialer Netzwerke verbirgt bzw. verbergen könnte. Auch lässt der Autor die Corona-Pandemie nicht unbeachtet und widmet den coronabedingten Implikationen ein eigenes Unterkapitel. Er fragt sodann nach den Entstehungsmechanismen der oben genannten Abhängigkeit auf verschiedenen Ebenen (neurobiologisch, biographisch, etc.) und versucht diese vom „Normalverhalten“ abzugrenzen. Dabei stellt er aber die Nutzung sozialer digitaler Netzwerke nicht per se als „schlecht“ dar, sondern benennt auch ihre Nützlichkeit. Schließlich widmet er sich den Therapiemöglichkeiten bei entstandener Abhängigkeit. Der zweite Teil des Buches wird schließlich mit einem Kapitel abgeschlossen, das sich dem Sachverhalt widmet, warum Verbote eher schädlich als nützlich seien.
Der dritte Teil des Buches mit den Kapiteln 13 – 22 richtet sich gezielt an mögliche Betroffene – also Jugendliche. Hier wendet sich der Autor genau so empathisch an die betroffenen Jugendlichen und erklärt auch, warum die Lektüre sich für Betroffene lohnt. Die Jugendlichen werden vom Autor direkt angesprochen. Hier erfahren die jugendlichen Leser zunächst eine Hilfestellung bei der Selbsteinschätzung („Könntest du abhängig sein?“). Direkt im Anschluss fragt der Autor „Bereit, etwas zu ändern?“ und arbeitet damit an der Veränderungsmotivation der Betroffenen. Im weiteren Verlauf stellt er weitere Schlüsselfragen an die jugendliche Leserschaft und arbeitet dabei verschiedene Aspekte heraus. Er gibt dabei Auskunft über die Frage, was (genau) die Betroffenen an den Geräten fesselt und zeigt sodann Alternativen auf. Auch die Eltern bzw. Eltern-Kind-Dyade kommt dabei zur Sprache – aber eben aus Perspektive der betroffenen Jugendlichen. Darüber hinaus wird aber auch die Peergroup nicht außer Acht gelassen. Insgesamt werden den jugendlichen Lesern in diesem Teil zahlreiche Tips gegeben.
Im vierten und letzten Teil des Buches zieht der Autor ein Fazit für alle Leser – und zwar getrennt für Jugendliche und Eltern.
Zielgruppe
Die Zielgruppe des Buches sind sowohl betroffene Jugendliche als auch (mit-)betroffene bzw. (mit-)leidende Eltern. Beide werden mit ihren Sorgen und Nöten sowie Zielsetzungen nicht allein gelassen. Dabei betrachtet der Autor die Perspektiven von Eltern und Jugendlichen getrennt voneinander.
Diskussion
Daniel Illy legt mit seinem Buch über digitale soziale Medien und die Abhängigkeit von Letzteren einen überaus gelungenen Ratgeber vor, der sich sowohl an betroffene Jugendliche als auch an (mit-)betroffene Eltern richtet. Er versteht es exzellent, die jeweilige Gruppe mit ihren Sorgen und Nöten „mitzunehmen“ und ihnen nützliche Tips an die Hand zu geben, wie mit dem (übermäßigen) Konsum digitaler sozialer Medien umgegangen werden könnte bzw. sollte.
Fazit
Dr. med Daniel Illy stellt mit seinem aktuellen Buch aus seiner „Ratgeber-Reihe“ einmal mehr unter Beweis, wie treffsicher und empathisch er Betroffene ansprechen kann. Darüber hinaus liefert er ebenso einfühlsam und treffsicher Hinweise, wie man mit der (übermäßigen) digitalen sozialen Mediennutzung umgehen kann.
Rezension von
Prof. Dr. med. et Dr. disc. pol. Andreas G. Franke
M.A.
Professur für Medizin in Sozialer Arbeit, Bildung und Erziehung.
Hochschule der Bundesagentur für Arbeit Mannheim
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Zitiervorschlag
Andreas G. Franke. Rezension vom 09.12.2022 zu:
Daniel Illy: Ratgeber Daueronline in Sozialen Netzwerken. Unterschätzte Gefahr der Abhängigkeit von Instagram, TikTok und Co. Urban & Fischer in Elsevier
(München, Jena) 2022.
ISBN 978-3-437-23036-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29980.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
Urheberrecht
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