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Mareike Evans, Lisa Heiland: Vom Jugendamt zum YOUgendamt

Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Klug, 31.03.2023

Cover Mareike Evans, Lisa Heiland: Vom Jugendamt zum YOUgendamt ISBN 978-3-8029-7659-9

Mareike Evans, Lisa Heiland: Vom Jugendamt zum YOUgendamt. Eine Studie zu jugendlichen Selbstmelder*innen und den Hintergründen ihrer Meldung beim ASD. WALHALLA Fachverlag / metropolitan Verlag (Regensburg) 2022. 204 Seiten. ISBN 978-3-8029-7659-9. 24,95 EUR.

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Zusammenfassung

Jugendliche Selbstmelder*innen, die sich in einer persönlichen Not- und Konfliktlage befinden, nehmen ihren gesetzlichen Anspruch auf Beratung durch das Jugendamt lediglich zu einem geringen Teil wahr. Die Gründe dafür sind vielfältig und kaum untersucht. Eine qualitative Befragung unter jugendlichen Selbstmelder*innen benennt nun Hintergründe, sich auf eigene Initiative an den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Jugendamts zu wenden. (Verlagsangabe)

Autorinnen

Lisa Heiland, studierte Soziale Arbeit in Fulda und absolvierte den Masterstudiengang Kindheits- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Kinderschutz in Koblenz. Seit 2014 arbeitet sie im ASD eines Jugendamts.

Mareike Evans, studierte Ergotherapie in Heerlen (NL) und absolvierte den Masterstudiengang Kindheits- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Kinderschutz in Koblenz. Seit 2007 arbeitet sie sowohl im therapeutischen als auch im sozialpädagogischen Setting mit Kindern und Jugendlichen.

Dem Vorwort von Frau Prof. Beckmann ist, ebenso wie der Internet-Recherche, zu entnehmen, dass es sich bei der vorliegenden Publikation um eine Masterarbeit an der Hochschule Koblenz handelt (https://www.hs-koblenz.de/hochschule/​organisation/​zentrale-einrichtungen/​qualitaet-in-studium-und-lehre/news/aktuelles/​detail/_n/studentinnen-des-masterstudiengangs-kindheits-und-sozialwissenschaften-veroeffentlichen-studie-im-walhalla-verlag (24.01.2023)).

Inhalt

Im ersten Teil werden die „Theoretischen Grundlagen“ dargelegt. Dies betrifft zunächst den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) (rechtliche Grundlagen, Besonderheiten eines kommunalen Dienstes, Organisation und Aufgaben des ASD). Insbesondere werden die ökonomischen und personellen Herausforderungen betont, aufgrund derer der Arbeitsplatz im ASD deutlich an Attraktivität verloren habe. In der Folge werden Aspekte des Kinderschutzes im ASD, Beteiligung von Jugendlichen sowie von Lebens- und Sozialisationskontexte Jugendlicher referiert. Schließlich, ab S. 101, geht es um das eigentliche Thema, die jugendlichen Selbstmelder. Auch hier steht am Anfang der aktuelle Stand der Forschung (Definition, Zahlen, Motive der Selbstmelder). Der Abschnitt zu „aktuellen Studien/Veröffentlichungen zum Thema jugendliche Selbstmelder*innen“ besteht aus genau einer Studie, mehr gibt es dazu offensichtlich nicht. Das mag daran liegen, dass die Zahl der Selbstmelder*innen recht klein ist und noch dazu zurückgeht.

Im empirischen Teil wird ein eigenes Forschungsdesign zum Thema jugendlicher Selbstmelder*innen im ASD vorgelegt. Diesem liegt folgende forschungsleitende Fragestellung zugrunde:

„Welche Hintergründe benennen jugendliche Selbstmelder*innen, sich in einer Not- und Konfliktlage auf eigene Initiative an den ASD zu wenden?“ (S. 110)

Nach der Entwicklung des Forschungsinstrumentes folgt die Diskussion der Ergebnisse. Hervorgehoben werden als begünstigende Faktoren für Selbstmelder*innen u.a.:

  • Wissen um Abläufe und Angebote des Jugendamtes
  • Persönlicher Reflexionsprozess bezogen auf die belastende Situation.

Auf die Selbstmeldung erschwerend wirken sich u.a. aus:

  • Ängste vor dem Jugendamt
  • Unwissenheit und Vorurteile
  • Fehlende Niedrigschwelligkeit des Amtes
  • Verantwortungsgefühl gegenüber Geschwistern.

Zusammenfassend sind es Themen rund um „Wissen, Erfahrungen, Unwissenheit, Ängste und Vorurteile“ (S. 147). Auch wurden Aspekte herausgearbeitet, die es den Jugendlichen erleichtern, Zugang zu finden:

  • Ernstgenommen werden im persönlichen Kontakt
  • Vermittlung von Ruhe
  • Aufklärung und Werbung

Lange Wartezeiten, Verzögerungen und nicht eingehaltene Zusagen erschweren den Zugang.

Im Folgenden diskutieren die Autorinnen die Ergebnisse und bestätigen bzw. falsifizieren ihre ursprünglichen Hypothesen. Die Autorinnen sehen sich bestätigt in der Annahme, dass „persönliche Belastungsfaktoren der Selbstmelder*innen als auslösender Faktor gewertet“ werden können (S. 152). Sie verweisen auf das Faktum, dass die überwiegende Zahl der interviewten Jugendlichen aus Ein-Eltern-Familien stammen, woraus sie schließen (wohl aber nicht erhoben haben), dass diese Jugendlichen unter Armutsbedingungen leben und/oder dass Gewalt und/oder Vernachlässigung vorliegen. Diskutiert wird auch der Prozess der Entscheidungsfindung der Jugendlichen. Ausschlaggebende Faktoren seien hier deren Fähigkeit zur Reflexion, ihr Alter, die Bindung an die Eltern, aber auch Loyalitätskonflikte mit der Familie und Verselbstständigungsprozesse. Wichtig für den letzten Schritt sei die Kenntnis des ASD und von dessen Abläufen, weshalb Aufklärungsarbeit und eine Verbesserung des Images des ASD nötig seien. Über solche Informationen könnten Ängste abgebaut werden.

Bezeichnend sei, dass weder die Eltern noch die Schulen als „aufklärende Instanz“ dienten (S. 155). Breiten Raum wird der Darstellung des Wunsches der Jugendlichen gegeben, diese Aufklärungsarbeit, insbesondere über Rechte von Kindern und Jugendlichen, an Schulen (Lehrplan, eigenes Unterrichtsfach, gemeinsame Partnerschaft ASD-Schule, Workshops …) geleistet zu wissen. Interessant ist, dass die Möglichkeiten des ASD über Social Media an die Jugendlichen heranzutreten, einerseits eher kritisch betrachtet wird (S. 158), andererseits dann doch Spotify und YouTube eingesetzt werden sollten (S. 159). Als eine zentrale Möglichkeit der Verringerung von Ängsten und Verbesserung des Zugangs werden Vertrauenspersonen genannt. In diesem Zusammenhang wird von den Autorinnen das Zeitproblem des ASD, das an mehreren Stellen thematisiert wird, ausgiebig beleuchtet.

Ihr Fazit: „Was die befragten Jugendlichen sich für den Bereich Aufklärung wünschen und worin sie Veränderungspotenzial sehen, ist realistisch gedacht und wäre grundsätzlich umsetzbar, wäre da nicht die Frage nach der Finanzierung. Es müsste aber wahrscheinlich erst geprüft werden, ob präventiver Kinderschutz langfristig gesehen günstiger wäre als akuter Kinderschutz. Daraus könnte sich ein überzeugendes Argument entwickeln. Allerdings stehen wir dabei vor dem Dilemma der Messbarkeit präventiver Arbeit. Im Grunde betrifft der überwiegende Teil der Veränderungsvorschläge für den ASD den Zeit-Personal-Faktor und damit unausweichlich die Finanzierungsthematik. Es müsste also politisch eine Entscheidung fallen, ob die Jugendhilfe künftig auf mehr finanzielle Beteiligung vom Bund hoffen darf, ob ein professioneller präventiver Kinderschutz entwickelt werden kann oder ob die Aufrechterhaltung des negativen Images der Jugendämter als Eingriffsbehörde zu bevorzugen ist.“ (S. 164)

Die Studie endet mit einer kurzen Reflexion des Forschungsprozesses (Stärken/Schwächen) in der die gewählte Methodik (leitfadengestützte Interviews) als grundsätzlich geeignet bewertet wird.

Diskussion

Anders als der für ein Fachbuch (vorsichtig gesagt) gewöhnungsbedürftige Obertitel vermuten lässt, haben wir es bei dem Thema „jugendliche Selbstmelder*innen und den Hintergründen ihrer Meldung beim ASD“ mit einem höchst sensiblen Gegenstand zu tun, der im Untertitel auch klar so benannt wird. Erstaunlich ist, dass zu dem Thema „Zugangswege“ von Jugendlichen zum Jugendamt bislang so wenig geforscht wird. Diese Lücke ein wenig zu verkleinern, ist das Verdienst der beiden Autorinnen, für das die Leser*innenschaft herzlich danken muss. Dass es sich bei der „Studie zu jugendlichen Selbstmelder*innen“ um eine Masterarbeit handelt, soll an dieser Stelle noch einmal lobend hervorgehoben werden, denn es ist für eine Qualifikationsarbeit durchaus mutig, sich eines weitgehend unerforschten Themenfeldes anzunehmen.

Der Theorieteil ist solide und referiert die aktuelle Literatur zum Thema ASD anhand wichtiger Grundlagenwerke. Herausgehoben werden die ökonomischen und personellen Herausforderungen, die am Ende der Arbeit noch einmal eine Rolle spielen, wenn es um die Zukunftsaussichten geht. Bisweilen fehlt es etwas an der Stringenz der Darstellung, wenn Sachverhalte – bisweilen fast wortgleich – wiederholt werden (S. 28 und S. 37 und S. 65; S. 25 und S. 30 und S. 51; S. 39 und S. 80, allerdings mit unterschiedlichen Jahreszahlen). Die Theorien sind hilfreich zum Verständnis des Gesamtzusammenhanges, insbesondere die Anmerkungen zur Jugendforschung und zur Lebenswelt. Die verarbeitete Literatur zum „Kinderschutz“ ist relativ schmal, vielleicht aber auch nicht so entscheidend.

Möglicherweise der Buchform geschuldet ist das Fehlen wichtiger Informationen zum empirischen Prozess. So erfahren wir über das Sampling: „Eine der beiden Verfasserinnen ist als Fachkraft beim MD des Jugendamtes in Hessen beschäftigt und konnte über diese Tätigkeit einen Zugang zum Feld herstellen. Zunächst erfolgte anhand einer ASD-Mitarbeiter*innenbefragung und einer Aktendurchsicht eine Vorauswahl der Stichprobe.“ (S. 113)

Dass diese Vorgehensweise neben dem Datenschutz auch noch andere Fragen aufwirft (z.B. Rollendiffusion im Forschungsprozess; tätigkeitsbezogene Nähe der Autorin zu den Befragten mit der Frage nach der Möglichkeit von sozialer Erwünschtheit der Antworten), sei nur am Rande erwähnt. Wichtiger ist ein anderes Problem: Wenn neben Reflexions- und Artikulationsvermögen, die persönliche Reife und Autonomie entscheidende Vorauswahlkriterien für die Befragung sind, ist das Ergebnis der Befragung, nämlich, dass vollzogene Reflexionsprozesse und entsprechende Autonomie der Jugendlichen zu ihren Eltern zur Selbstmeldung führen, nicht mehr sehr überraschend. Zudem erfahren wir in der Ergebnisdarstellung sehr wenig über die Jugendlichen selbst. Diesbezügliche Informationen werden auch im Interviewleitfaden nicht abgefragt.

Im Diskussionsteil (S. 152) wird erwähnt, dass die Interviewten hauptsächlich aus Ein-Eltern-Familien stammten, ohne dass die Herkunft dieser Informationen transparent ist. Die in den Interviews vorgenommene starke Fixierung auf die Entscheidungssituation selbst setzt aufseiten der Jugendlichen ein hohes Maß an Abstraktions- und Artikulationsfähigkeit voraus. Aufgrund des dargestellten Lebensweltansatzes wäre zu überlegen, inwieweit diese Entscheidungsprozesse nicht als stärker verankert in der Lebenswelt konstruiert werden müssten. Die forschungsmethodische Frage ist deshalb, ob die Entscheidungsprozesse nicht besser in narrativen Interviews oder mit rekonstruktiven Verfahren hätten eruiert werden können.

Interessanter als diese forschungsmethodischen Schwächen sind die Ergebnisse, die es zu diskutieren gilt. Die Autorinnen zeigen zwei Argumentationsstränge zur Forschungsfrage der Selbstmeldung auf. Es sind

  • personale Ressourcen (Reflexionsvermögen, Bindung an die Eltern, Kenntnisse der Funktion und Arbeitsweise des Jugendamtes, Verfügbarkeit von vertrauensvollen Bezugspersonen) und
  • sozialstrukturelle Faktoren, insbesondere Zugangsschwellen des Jugendamtes und informative Instanzen (z.B. Schule, ASD),

die die Selbstmeldung Jugendlicher im Kontext von Kindeswohlgefährdung wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen.

Zu beiden Faktorenbündeln finden wir eine Reihe von – zum Teil auch überraschenden – Ansatzpunkten, die es weiter zu verfolgen gilt. An dieser Stelle muss eine (subjektive und kurz kommentierte) Auswahl des Rezensenten genügen:

  1. Der subjektive Entscheidungsprozess der Jugendlichen ist unter motivationstheoretischen Aspekten interessant. Zum vorhandenen Leidensdruck müssen offensichtlich noch andere Faktoren hinzukommen, damit Jugendliche den Weg zur „Ressource“ Jugendamt finden, so z.B. die Hoffnung auf Änderungspotenziale des eigenen Lebens mithilfe des Jugendamtes. Wie sich diese Hoffnung auf Besserung aufgrund welcher Sozialisationsbedingungen einerseits und Jugendamtserfahrung andererseits subjektiv entwickelt, wäre sicher eine weitere interessante Forschungsfrage. Ob, wie die Autorinnen wiederholt feststellen, „unzureichende Kenntnisse über Kinder- und Jugendrechte“ (S. 156) der größte Hemmungsfaktor für Selbstmeldungen sind, sei einmal dahingestellt, angesichts der komplexen Motivationslage erscheint das dem Rezensenten keineswegs sicher. Die Hinweise auf Geschwister, Loyalität und mögliche Vertrauenspersonen könnten sicherlich noch vertieft und motivationstheoretisch gerahmt werden. Insgesamt ist eine Einbettung der in der Studie vorgelegten Aspekte in Theorien der Motivationsentstehung innerhalb von Zwangskontexten sicherlich sinnvoll und notwendig (vgl. Klug/Zobrist 2021).
  2. Sehr spannend zu lesen sind die Anmerkungen der Jugendlichen über „Zugangsschwellen“, die das Jugendamt offenkundig aus Sicht der Betroffenen aufweist: Wartezeiten, Zuständigkeit, Zeitmangel, Imageprobleme. Diese sind zunächst als authentische Äußerungen unbestreitbar. Um zu Lösungen dieser fachlichen Dilemmata zu kommen, wäre es nötig, die Sicht der von den Autorinnen an dieser Stelle genannten sonstigen Akteure (z.B. Schule) einzubeziehen, was natürlich nicht die Aufgabe der vorliegenden Studie war. Vielleicht sollte man sich aber gerade deshalb davor hüten, Aufgaben (z.B. Informationsaufgabe) an andere Instanzen (Pflichtfach, Lehrplan, Workshop) weiterzureichen, die das Jugendamt offensichtlich nicht selbst zu lösen imstande ist. Die Potenziale Sozialer Arbeit sind aus Sicht des Rezensenten längst noch nicht ausgeschöpft (wo bleibt beispielsweise die Schulsozialarbeit?). Zu denken wäre hier möglicherweise an Fall- und Systemsteuerung innerhalb des Case Management (vgl. Löcherbach/​Mennemann/​Hermsen 2009).
  3. Die Diskussion wäre also zu führen, was Soziale Arbeit methodisch tun kann, um Jugendliche zu ermutigen, den Weg raus aus der Familie hin zum Jugendamt zu wagen. Hier bietet die Studie einige Anhaltspunkte. Diese betreffen den Umgang mit dem „doppelten Mandat“, das als Konstitutionsbedingung Sozialer Arbeit im Jugendamt nicht unbedingt ein Hindernis sein muss, das aber methodisch gesehen alternative Vorgehens- und Sichtweisen zu anderen sozialarbeiterischen Arbeitsfeldern nötig macht (siehe Zobrist/Kähler 2017). Dazu müssten wir vermutlich mehr über die Zielgruppe wissen, besonders auch über diejenigen Jugendlichen, die nicht so artikulationsfähig, selbstreflektiert und autonom sind wie die Befragten. Wir bräuchten sicherlich noch viel mehr solcher Studien, wie die Autorinnen sie vorgelegt haben. Diese sind sich der Limitationen durchaus bewusst.
  4. Nicht nur, was die Zielgruppe betrifft, müsste wesentlich mehr Evaluationsforschung betrieben werden. So wissen wir auch sehr wenig über die tatsächlichen Vorgehensweisen der Sozialen Arbeit im Jugendamt, besonders weil diese kommunal geführt werden. Mangels empirischen Wissens ist der von den Autorinnen gezogene Schluss, dass nur mit mehr Geld und Personal „ein professioneller präventiver Kinderschutz entwickelt werden kann“, während mit den bisherigen finanziellen Mitteln „die Aufrechterhaltung des negativen Images der Jugendämter als Eingriffsbehörde“ (S. 164) bevorzugt werde, im Hinblick auf die massiv gestiegenen Ausgaben im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sehr gewagt. Aus Sicht des Rezensenten wäre es im Sinne der Professionalität vielmehr primär notwendig, die eigenen Ressourcen (wissenschaftlich) zu evaluieren, dabei mögliche methodische Schwächen (z.B. in der Hilfeplanung) selbstkritisch zu analysieren (z.B. Klug 2017; 2022) und letztlich daraus Schlüsse für Personal, Geld und Methodik zu ziehen. Wenn sich als Ergebnis der Evaluation herausstellt, dass die Ressourcen für die gestellten Aufgaben nicht mehr ausreichen und die Politik diese Aufgaben erfüllt wissen will, ist eine Forderung nach mehr Geld jenseits der unterstellten Dichotomie auch für Außenstehende nachvollziehbar (siehe zum Thema „empirische Wende“: Rauschenbach 2011). Dass ein schlechtes Image ausschließlich an fehlendem Personal und Geld liegt, ist jedenfalls eine These, die es zu beweisen gilt.

Fazit

Die vorliegende Studie ist trotz genannter Schwächen sehr lesenswert. Insbesondere greift sie eine eklatante Forschungslücke auf und zeigt, wie wenig wir über eine Kernklientel der Sozialen Arbeit eigentlich wissen. Es ist den Autorinnen als Masterabsolventinnen ihres Faches zu wünschen, dass sie sich den in ihrer Studie gezeigten Mut bewahren und bereit sind, den Finger auch in die Wunde der eigenen Einrichtungen und deren professionellen Handelns zu legen.

Literatur

Klug, Wolfgang (2017): Handlungsprobleme in der sozialarbeiterischen Case-Management-Praxis. In: Case Management. 14 Jg. (4), S. 152−160

Klug Wolfgang (2022): Case Management als Möglichkeit der Komplexitätsbewältigung. In: Case Management. 19 Jg. (3), S. 108−118

Klug Wolfgang/​Zobrist Patrick (2021): Motivierte Klienten trotz Zwangskontext, München: Ernst Reinhardt (3. Auflage)

Löcherbach Peter/​Mennemann Hugo/Hermsen Thomas (Hrsg.) (2009): Case Management in der Jugendhilfe, München: Ernst Reinhardt

Rauschenbach Thomas (2011): 20 Jahre Kinder- und Jugendhilfe im Spiegel ihrer Statistik. Eine Bilanz der empirischen Wende, in: Rauschenbach Thomas/​Schilling Matthias (Hrsg.): Kinder- und Jugendhilfereport 3. Bilanz der empirischen Wende, Weinheim und München: Juventa, S. 11−24

Zobrist Patrick/Kähler Harro Dietrich (2017): Soziale Arbeit in Zwangskontexten, München: Ernst Reinhardt (3. Auflage)

Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Klug
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Fakultät Soziale Arbeit
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Es gibt 56 Rezensionen von Wolfgang Klug.

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Zitiervorschlag
Wolfgang Klug. Rezension vom 31.03.2023 zu: Mareike Evans, Lisa Heiland: Vom Jugendamt zum YOUgendamt. Eine Studie zu jugendlichen Selbstmelder*innen und den Hintergründen ihrer Meldung beim ASD. WALHALLA Fachverlag / metropolitan Verlag (Regensburg) 2022. ISBN 978-3-8029-7659-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29988.php, Datum des Zugriffs 09.06.2023.


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