Silvia Schanze, Andrea Lawlor: Mini-Handbuch Entspannungscoaching
Rezensiert von Dipl.-Psych. Marianne Tatschner, 02.05.2023

Silvia Schanze, Andrea Lawlor: Mini-Handbuch Entspannungscoaching.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2022.
155 Seiten.
ISBN 978-3-407-36841-6.
D: 24,95 EUR,
A: 25,60 EUR.
Reihe: Mini-Handbücher.
Thema
Dieses Buch möchte seinen Leser:innen „echte Entspannungsräume im Alltag (…) ermöglichen“ (S. 11) und stellt zu diesem Zweck rund 30 Übungen vor. Der Fokus liegt dabei auf praktischen Hinweisen zum Durchführen und Anleiten der beschriebenen Übungen.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in sechs Teile auf. Nur der erste Teil („Entspannungswissen“, S. 13–30) ist theoretisch ausgerichtet und liefert neben einigen Grundlagen auch Hinweise zum Anleiten der Übungen (S. 23–30).
Teile zwei bis sechs beschreiben insgesamt rund 30 praktische Übungen, zum Teil mit mehreren Versionen (z.B. bei der Progressiven Muskelentspannung, die in einer 10-minütigen Kurz- und einer 20-minütigen Langform präsentiert wird, S. 91–98). Jeder Teil beginnt mit einer kurzen Einführung der jeweiligen Gruppe an Übungen. Teil zwei hat „Atemübungen“ zum Thema (S. 31–50), Teil drei „Meditationen“ (S. 51–70), Teil vier „Achtsamkeitsübungen“ (S. 71–87), Teil fünf „systematische Verfahren“ (S. 89–132) und Teil sechs „bewegte Meditation“ (S. 134–152). Gerahmt werden die sechs Teile des Buches durch einen einführenden Prolog (S. 10–12) und am Ende ein kurzes Literaturverzeichnis (S. 153) sowie Informationen zu den beiden Autorinnen (S. 154 f.).
Die einzelnen Übungsanleitungen umfassen in der Regel zwei bis drei Seiten und sind immer gleich aufgebaut: Zu Beginn werden Hinweise gegeben zu Länge, Zielgruppe und Zielen der Übung (wie „Entspannung“, z.B. S. 60, „Wahrnehmung des Augenblicks“, S. 77, oder „Körperwahrnehmung“, S. 91). Darauf folgen ein paar einleitende Hinweise, eine ausformulierte Übungsanleitung und schließlich einige Reflexionsfragen (z.B. „Wie hast Du die Übung erlebt?“, S. 82, „Welches innere Bild ist während der Übung entstanden?“, S. 62, „Wie fühlt sich dein Körper jetzt an?“, S. 118). Einige Übungen wurden von den Autorinnen im Kontext ihres Podcasts „LehrHelden“ als Audio-Aufnahmen veröffentlicht und können im Internet angehört werden. Wo dies der Fall ist, wird nach den Reflexionsfragen darauf verwiesen, inklusive entsprechendem Link.
Diskussion
Die große Stärke dieses Buches liegt in seinem Praxisbezug. Die Autorinnen liefern – für so ein kompaktes Buch von unter 160 Seiten – eine große Fülle an Übungen, die sich direkt umsetzen lassen bzw. sich von Trainer:innen, Coaches, Lehrer:innen usw. direkt für die Arbeit mit ihren Klient:innen nutzen lassen. Selbst für die Nachbesprechung der Übungen bieten die vorgeschlagenen Reflexionsfragen sinnvolle Strukturierungshilfen.
Aus meiner Sicht ebenfalls positiv zu bewerten ist die klare und konsequent durchgehaltene Struktur des Buches. Wer eine Übung gelesen hat, weiß, was ihn auch in den anderen Kapiteln erwartet. Dies ermöglicht einen unkomplizierten Zugriff auf die einzelnen Übungen, bei der Seminarvorbereitung genauso wie bei der Auswahl einer Übung zur eigenen Entspannung.
Die Anleitungen selbst sind in einer angenehmen Sprache geschrieben, die es leicht macht, in die Übung zu finden und ihr zu folgen. Auch die Hinweise in Teil eins vermitteln klar und verständlich nützliche Informationen, auch wenn man über einzelne Ideen sicher streiten kann (wie etwa, Teilnehmende „sanft am Fuß zu ‚zwicken‘“ (S. 26), wenn sie Schlafgeräusche machen).
Was man von diesem Buch nicht erwarten darf, ist hohe wissenschaftliche Genauigkeit. In ihrem Vorwort geben die Autorinnen an, sie hätten alle Übungen „auf ihre Wirksamkeit hin geprüft“ (S. 10). Eine Quellenangabe fehlt hier, sodass davon auszugehen ist, dass damit eher anekdotisches Erfahrungswissen als ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis gemeint ist. Hier wäre eine vorsichtigere Formulierung sicher angebracht. Andernorts (S. 52) wird auf „viele Studien“ zur Wirksamkeit von Meditation verwiesen; dies mag den Tatsachen entsprechen, ist ohne Quellenangabe für die Leser:innen aber nicht zu überprüfen. Enttäuschend auch das Literaturverzeichnis: Es besteht aus lediglich 15 Literaturhinweisen und drei Internetquellen, darunter auch ein Wikipedia-Artikel (S. 153) – und selbst auf diese Literatur wird im Text des Buches nur selten explizit verwiesen. Vielleicht ist eine ausführlichere und besser nachvollziehbare wissenschaftliche Fundierung auch gar nicht der Anspruch eines „Mini-handbuchs“; aus meiner Sicht hätte man einem wissenschaftlich interessierten Publikum jedoch mit relativ einfachen Mitteln und etwas mehr Engagement in diese Richtung besser gerecht werden können.
Dass in einem Buch über Entspannung die Achtsamkeit einen prominenten Platz einnimmt, ist in Anbetracht dessen, wie das Konzept insbesondere in der populärwissenschaftlichen Literatur geframt wird, nicht weiter verwunderlich. Immerhin geben die Autorinnen bei den Achtsamkeitsübungen „Wahrnehmung des Augenblicks“ (S. 77), „Körperwahrnehmung“ (S. 80), „Annehmen von Emotionen“ (S. 85) und Ähnliches als Ziele der Übungen an, nicht „Entspannung“. Dennoch hätte ich mir eine klarere Abgrenzung zwischen Entspannung und Achtsamkeit gewünscht bzw. eine deutlichere Verortung der beiden Konzepte zueinander. Gleiches gilt auch für den Begriff der Meditation, der nicht definiert und sehr lose verwendet wird. Immerhin machen die Autorinnen ihr Verständnis von Achtsamkeit (für sich genommen, unabhängig vom Entspannungsbegriff) explizit (S. 72) und bleiben diesem Verständnis von Achtsamkeit als „menschliche[r] Fähigkeit des bewussten Gewahrseins (…) ohne (…) zu bewerten“ (ebd.) auch in ihren Anleitungen weitgehend treu.
Sehr gut gefallen hat mir, dass man zu diesem Print-Buch so viele zusätzliche Materialien bekommen kann: Das Buch kann auf der Verlagswebsite als E-Book heruntergeladen werden und der Podcast der Autorinnen umfasst, wie bereits erwähnt, die Audio-Versionen vieler Übungen.
Fazit
Zusammenfassend ein sehr empfehlenswertes Buch für alle, die sich eine übersichtliche Sammlung direkt anwendbarer Anleitungen für verschiedene Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen wünschen und die den wissenschaftlichen Hintergrund entweder bereits mitbringen oder an ihm nicht besonders interessiert sind. Wer hingegen eine Einführung sucht, die fundierte Informationen über Grundlagen und Wirksamkeit einschließt, ist mit diesem Buch weniger gut beraten.
Rezension von
Dipl.-Psych. Marianne Tatschner
systemische Therapeutin und MBSR-Lehrerin
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Zitiervorschlag
Marianne Tatschner. Rezension vom 02.05.2023 zu:
Silvia Schanze, Andrea Lawlor: Mini-Handbuch Entspannungscoaching. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2022.
ISBN 978-3-407-36841-6.
Reihe: Mini-Handbücher.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30009.php, Datum des Zugriffs 11.06.2023.
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