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Rudolf Sanders: Die Partnerschule

Rezensiert von Cornelia Cubasch-König, 21.09.2023

Cover Rudolf Sanders: Die Partnerschule ISBN 978-3-7495-0269-1

Rudolf Sanders: Die Partnerschule. Paartherapie im integrativen Verfahren. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2022. 252 Seiten. ISBN 978-3-7495-0269-1. D: 36,00 EUR, A: 37,10 EUR.
Reihe: Fachbuch. Paartherapie.

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Thema

Mit der Vorstellung des von ihm begründeten Programms der „Partnerschule“ erweitert Rudolf Sanders die Literatur zu Paartherapien um den integrativen Ansatz und schließt damit eine Lücke.

Autor

Rudolf Sanders, Dr. phil., ist Diplompädagoge, Ehe-, Familien- und Lebensberater sowie Begründer des Verfahrens Partnerschule.

Aufbau

Der Band gliedert sich in die vier Kapitel

(1) Der Ansatz Partnerschule (S. 17–80),

(2) Die Partnerschule als Paartherapie im Integrativen Verfahren (S. 67–80),

(3) Die fünf Module der Partnerschule (S. 81–92) und

(4) Die Praxis (S. 93–236).

Das letzte Kapitel enthält einen Beitrag von Renate Lissy-Honegger.

Den Einstieg zum Buch bietet ein Vorwort von Katharina Klees, den Abschluss ein kurzes Resümee des Autors. Mit drei Fünfteln liegt das Hauptgewicht der Darstellungen auf dem Praxiskapitel 4.

Inhalt

1. Der Ansatz Partnerschule

Die Benennung des Therapieangebots als „Partnerschule“ (Gründung 1990 durch den Autor) war Rudolf Sanders zufolge eine Reaktion auf die allseits bekannte Hürde für Paare, zugeben zu müssen, etwas vermeintlich Banales wie die eigene Beziehung ohne Hilfe nicht zu bewältigen. Statt als „Therapiebedürftige“ können sie sich hier selbst als „Lernende in Sachen Beziehung, Ehe und Partnerschaft“ (S. 29) sehen und dies auch weniger schambesetzt in ihrem sozialen Umfeld kommunizieren.

Die Feststellung, dass groß angelegte Studien zur Paartherapie (Roesler 2019) bis heute nicht einmal bei der Hälfte der ratsuchenden Paare einen Profit von den angebotenen Interventionen nachweisen können (S. 22), führte den Autor zur Entwicklung und ständigen Weiterentwicklung des eigenen Paartherapiekonzepts.

Dabei versteht Sanders die „Klärungs- und Bewältigungsperspektive als wichtigstes therapeutisches Wirkprinzip“ (S. 23; Grawe 1996). Der Partnerschule zugrunde gelegt wurde eine Einsichtsorientierung im Gegensatz zu einer reinen Bewältigungsorientierung, wie sie vor allem in der Verhaltenstherapie vorherrscht (S. 22), denn verständnisorientierte Therapien erzielen bei Paaren offenbar größere und nachhaltigere Wirkung (S. 22 f.; Grawe et al. 1994/2001). Schon früh in diesem Entwicklungsprozess konnte Sanders in einer eigenen Untersuchung (Sanders 1997) nachweisen, dass bei den Partner*innen mit der Klärung der maladaptiven Quellen ihrer gemeinsamen Probleme die Motivation stieg, „adaptive Verhaltensweisen zu lernen“ (S. 24).

Die Aufgabe der Paartherapie bestehe darin, „emotionale Blockaden […] durch frühe Lebenserfahrungen […] in einem gemeinsamen Entwicklungsprozess mit dem Einzelnen im Angesicht der Partnerin zu adaptiven Verhaltensweisen zu verändern“ (S. 64; Roth 2021). Sanders vermutet, die Partnerschaftsprobleme könnten „in einer transgenerationalen Weitergabe von maladaptiven Interaktions- und Kommunikationsmustern liegen“ (S. 23), denn „Paarkonflikte [seien] häufig aktualisierte Schemata“ (S. 63). Sanders spricht hier von Beziehungsschemata (Grawe 2000), die darauf ausgerichtet sind, „dass Menschen immer wieder ganz bestimmte Arten zwischenmenschlicher Beziehungen eingehen. Bei einem aktivierten Schema ist die psychische Aktivität darauf ausgerichtet, Wahrnehmungen im Sinne der Zielkomponente des Schemas herzustellen“ (S. 38). Zum Fundament der Partnerschule wurde daher ein emotionsfokussiertes und schematherapeutisches Konzept (S. 23 f.; Sanders und Kröger 2013). Da die Bindungstheorie heute davon ausgeht, dass Beziehungsschemata bzw. Bindungsrepräsentationen nicht fixiert sind, sondern lebenslang veränderbar bleiben, kann in einer Therapie auch in fortgeschrittenem Alter noch erfolgreich daran gearbeitet werden. Dabei kann auch der*die Paartherapeut*in „zu einer Bindungsrepräsentation werden, und zwar zu einer, die sämtlichen bisherigen Erwartungen widerspricht“ (S. 39).

Die Beziehung zwischen Therapeut*in und Klient*innen spielt in der Paartherapie eine ebenso zentrale Rolle wie in dyadischen Therapieprozessen. Am sicheren Ort, die von dem*r Therapeut*in zur Verfügung gestellt wird, entdecken Paare „für sich die Welt als einen berechenbaren Ort“ (S. 64), er erlaubt ihnen im „gemeinsame[n] Bedürfnis nach Co-Regulation“ neue Erfahrungen, oftmals „unterhalb der Bewusstseinsschwelle“ (S. 64). Nach der Herstellung dieser „therapeutischen Allianz“ (S. 63 f.) auf Basis einer vertrauensvollen Beziehung zueinander geht es in einem oft langwierigen Prozess „um ein implizites Umlernen tief eingegrabener Gewohnheiten des Spürens, Fühlens, Denkens und Handelns“ (S. 63, Reinelt 1996), mit (Aus-)Wirkungen weit in das Leben der Partner*innen hinein. Wichtig ist dem Autor festzuhalten, dass Therapeut*innen „lediglich einen Rahmen zur Verfügung stellen, in dem die Partner diese Arbeit selber leisten“ (S. 63; Roth und Strüber 2017; Sanders 2018).

2. Die Partnerschule als Paartherapie im integrativen Verfahren

Zugrunde liegt dabei das Konzept des bio-psycho-sozial-ökologischen Paradigmas der Integrativen Therapie (Petzold 1989/1996), das „Menschen ganzheitlich in ihrer körperlichen, seelischen und geistigen Realität mit ihren sozialen und ökologischen Kontexten und im Kontinuum der Lebensalter“ (S. 72) begreift. Zum Einsatz kommt ein breites Theorie- und Methodenspektrum, bei dem „Kognitionswissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und die Körperarbeit in einem transdisziplinären Projekt“ (S. 70; Tschacher et al. 2006/2017) vereint werden. Herangezogen werden Ansätze wie Kunsttherapie (Spreti et al. 2018), Hypnose (Kossack 2020), Imagination (Petermann et al. 2020), für die Leiborientierung insbesondere die Polyvagal-Theorie (Porges 2017/2021).

Die „Willkommenskultur“ (S. 77–80) der Partnerschule beginnt mit wohlwollender Aufmerksamkeit seitens der Therapeut*innen, fragt nach den Zielen der Paare bezüglich Sicherheit, Orientierung und Kontrolle und schließlich – für einen „Blick auf das Gelingende“ (S. 79) – nach dem, was beiden Freude bereitet.

3. Die fünf Module der Partnerschule

Hauptaufgaben des 1. Moduls „Beziehungsaufbau und Diagnostik“ sind der Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung und die Schilderung der Beziehungsgeschichte beider Partner*innen. In Modul 2 „Verständnis fördern. Zur Bedeutung individueller früher Beziehungserfahrungen“ findet eine Auseinandersetzung mit den Beziehungserfahrungen statt, die beide Partner*innen lange vor ihrer Paarwerdung in der Kindheit gemacht hatten. Modul 3 „In Verbundenheit wachsen“ gibt Gelegenheit zum Austausch über gegenseitige Erwartungen und Wünsche beider Partner*innen aneinander, mit der Entwicklung eines gemeinsamen Mottos zum Gelingen der Beziehung. Getragen ist dieses Modul von der „integrativen Grundidee […], dass Kommunikationsprozesse immer auch ‚verleiblicht‘ sind“ (S. 82; Storch und Tschacher 2015). Damit ist der Boden bereitet für Modul 4 „Sexualität – ein Ort der Lust und Kraftquelle“ mit dem Ziel, den Weg zu neuen körperlichen Erfahrungen miteinander zu eröffnen. Modul 5 „Die Partnerschule bringt Paare in Bewegung“ fungiert als eine Art Resümee des Erlernten. Über körpertherapeutische Übungen soll das Bewegungsrepertoire erweitert werden, das wiederum eine Voraussetzung darstellt „für ein stabiles Selbst und die Fähigkeit, in der Partnerschaft flexibel und souverän zu agieren“ (S. 83).

Das Durchlaufen des gesamten Prozesses soll dem Paar zu „Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, des Selbstwerts und der Selbstermächtigung“ (S. 85; Bandura 1977) verhelfen. Als zentrale Mittel dienen zunächst Bild- und Sprachfindung, da unverarbeitete (z.B. traumatische) Erfahrungen oft nur sensomotorisch zugänglich sind (S. 85; Barwinski 2020). Frustrationen in der Zwischenleiblichkeit werden verstanden als „Motor der persönlichen Weiterentwicklung“ (S. 193; Schnarch 2009/2011), denn die aufgrund von Unzufriedenheit eintretende Suchbewegung kann zu Affären und Trennung führen – oder aber zu Änderungen innerhalb der Partnerschaft.

Mit den Anleitungen wird beiden Partner*innen ermöglicht, „alte Beziehungsaufträge aus Kindertagen, die einen zum Objekt gemacht haben, hinter sich zu lassen und sich zum Subjekt“ (S. 237; Hüther 2018) zu entwickeln. Zugrunde liegt die Auffassung vom Menschen als originär sozialem Wesen, das sich in einer steten „sozial bezogenen Autonomie“ (S. 37; Fiedler 2007, S. 399) befindet. Subjektwerdung bzw. Ichstärkung können so auch zu (mehr) Bindungssicherheit führen (S. 237; Main 1995/2009).

Die Partnerschule stellt bei den Paaren nach Durchlaufen des Programms eine signifikant verbesserte Lebenszufriedenheit fest, bezüglich Partnerschaft/​Sexualität, gemeinsamer Freizeitgestaltung und Beziehungen zu Kindern sowie Freund*innen (S. 237; Kröger 2006). Die Wirkung des Angebots wird seit 25 Jahren immer wieder durch quantitative und qualitative Studien bestätigt (u.a. Sanders 1997; Kröger 2006; Lissy-Honegger 2015).

4. Die Praxis

Über die fünf Module hinweg werden im Programm der Partnerschule 22 Übungen angeboten, in einer empfohlenen Reihenfolge (S. 90 f.). Zu jeder Übung gibt der Autor eine kurze theoretische Einbindung bzw. Formulierung der Ziele und anschließend eine detaillierte Anleitung zum Ablauf, mit Variationen, Erweiterungsmöglichkeiten und Musiktipps zur Begleitung, ggf. auch mit Angaben zur erforderlichen Zeit sowie zu benötigtem Equipment. Nachfolgend wird zu jedem Modul exemplarisch eine dieser Übungen kurz vorgestellt.

Modul 1 „Beziehungsaufbau und Diagnostik“ (S. 93–134). Mit der Übung „Mein Standpunkt verändert die Sichtweise“ soll ein Zugang angeboten werden für scheinbar verfahrene Situationen, in der jede*r Partner*in auf den eigenen Standpunkt beharrt und die Perspektive des*r je anderen nicht einzunehmen in der Lage ist. Ziel ist es, die Vorerfahrungen kennenzulernen, die für die je andere Person den Anlass für ihren nun eingenommenen Standpunkt gegeben haben, und damit die „andere Wirklichkeit“ des*r Partner*in wahrzunehmen und als relevant zu akzeptieren (S. 103 f.).

Modul 2 „Verständnis fördern. Zur Bedeutung individueller früher Beziehungserfahrungen“ (S. 134–165). Die Übung „Sich durch Berühren Gutes tun“ lädt beide Partner*innen zu liebevollen Berührungen ein. Ziel ist es, unerfüllbaren Wünschen auf die Spur zu kommen, vor allem der „tief verleiblichte[n] Sehnsucht, doch endlich von Vater oder Mutter in den Arm genommen und liebkost zu werden und damit zu spüren, für diesen Menschen einmalig und wichtig zu sein“ (S. 156). Denn sie führt oftmals dazu, dass alles, „was der Partner an Aufmerksamkeit, Berührung und Zuwendung schenkt, nicht wirklich ankommen kann. So wird der Gebende immer mehr frustriert, und eine Spirale gegenseitiger Missverständnisse nimmt ihren Lauf“ (S. 157). Das gemeinsame Bewusstwerden über die verborgenen Gründe für solche destruktiven Dynamiken kann zu einer „wechselseitige[n] Zuneigung auf Augenhöhe“ (S. 157) führen.

Modul 3 „In Verbundenheit wachsen“ (S. 166–186). In der Übung „Resonanzgespräch“ erleben die Klient*innen jeweils beim Sprechen, dass ihnen von dem*r Partner*in „wohlwollend mit emotionaler Wärme“ (S. 170) zugehört wird. Dies geht über Empathie, das Hineinversetzen und -fühlen in die andere Person, hinaus, denn „Resonanz ist eine Erfahrung, die eine Beziehung voraussetzt und zu der mindestens zwei Menschen gehören“ (S. 170; Peyton 2017/2019). Ein „gelungener Dialog“ im Resonanzgespräch beinhaltet „Zuhören als ein Auf-sich-wirken-Lassen des Gehörten, aus einem inneren Schweigen heraus; Respektieren als Verzicht auf jede Form von Abwehr, Schuldzuweisung, Abwertung oder Kritik gegenüber dem Anderen; Suspendieren als Erkennen und Beobachten eigener Gedanken, Emotionen und Meinungen, ohne in eine Fixierung zu verfallen; Artikulieren als das Finden der eigenen, authentischen Sprache und des Aussprechens der eigenen Wahrheit“ (S 171).

Modul 4 „Sexualität – ein Ort der Lust und Kraftquelle“ (S. 187–212). In der Übung „Achtsame Berührung“, einer Weiterführung der oben referierten Übung „Sich durch Berühren Gutes tun“ aus Modul 2, wird durch Handauflegen eigenleibliches Spüren intendiert, mit einer Offenheit für dabei entstehende positive wie negative Gefühle. Der anschließende Austausch dient dazu, „der Berührung eine neue Bedeutung zu geben und die Kraft und Liebe, die in ihr steckt, in die Zwischenleiblichkeit zu integrieren. Durch eine bewusste Zweitreaktion und deren Einübung können Klient*innen in ein neues Spüren, Fühlen, Denken und Handeln kommen“ (S. 207). Dadurch können Verstimmungen zwischen den Partner*innen ausgeräumt werden, die in der Vergangenheit bei bestimmten Berührungen aufgrund (unbewusster) belastender Körpererinnerungen zu Irritationen geführt hatten (S. 206).

Modul 5 „Die Partnerschule bringt Paare in Bewegung“ (S. 213–232, Beitrag von Renate Lissy-Honegger). Die Übung „Kraft, Widerstand und sich fallen lassen können“ fokussiert mit dem „Gegensatzpaar kraftvolle und zarte Energie“ (S. 229) die körperliche Dynamik des Paars. „Begriffe wie fein, delikat, zart, sanft, federleicht und schwer, stark, energievoll, widerständig, powerful machen die beiden Qualitäten aus und werden in der Bewegung nachempfunden. Wenn Paare sich dieser Qualitäten bewusster werden und lernen, mit ihnen zu spielen und zu experimentieren, erhöht sich die Fähigkeit, körperliche Begegnung aktiv und lustvoll zu gestalten“ (S. 229).

Diskussion

Voraussetzung für die Entwicklung eines integrativen Paartherapiekonzepts ist zunächst die Auseinandersetzung mit bestehenden Theorien und Praxeologien, insbesondere zu Partnerschaft und Ehe. Dazu zählen das bio-psycho-sozial-ökologische Modell, die Klärungs- und Verständnisorientierung, ein transgenerationales Verständnis und die zentralen Bindungstheorie(n). Dies leistet Sanders im vorliegenden Buch in sehr gut recherchierter und zugleich verständlicher Weise.

Deutlich wird dabei auch, dass Therapie mit einem Paar mehr und anderes verlangt als im dyadischen Setting. Bestehende Schemata und Konflikte von zwei Einzelpersonen werden erweitert um die Dynamik, die sich auch vor Ort lebhaft manifestiert, entfaltet und entwickelt. Sanders beschreibt scheinbar paradoxe Ansätze für den Umgang mit „hochstrittige[n] Paare[n]“ (S. 32). So könne die Aggression, mit der viele Menschen auf eine existenzielle Bedrohung ihrer Partnerschaft reagierten (S. 32; Beer 2006), betrachtet werden „als in den Diensten des Strebens nach Anerkennung, Beziehung, Kooperation und sozialer Zugehörigkeit stehend“ (S. 32). Ihre gegenseitigen Aggressionen in dieser veränderten Weise zu verstehen, ermöglicht beiden während des Therapieprozesses neue gemeinsame Erfahrungen. „Der Schlüssel dazu ist Vertrauen, zunächst zum Therapeuten und dann immer mehr zum Partner/zur Partnerin“ (S. 32), was das Vertrauen zu einem „Gegenmittel zu Destruktion“ (S. 32; Gottman und Silver 2012/2021) werden lässt. Da es sich bei den Partner*innen in einer Paartherapie um beziehungsdestabilisierte Menschen handelt, obliegt die Initiierung für das Wachsen von Vertrauen den Therapeut*innen, sie müssen Vertrauensforscher*innen zufolge mit eigenem Vertrauen in „Vorleistung“ (Luhmann 2014, S. 27) gehen bzw. es den Klient*innen „schenken“ (Tiefel 2012, S. 29). Während das Vertrauen im Therapieprozess zwischen den Partner*innen wächst, verstärkt es bei beiden die Bereitschaft, das eigene Verhalten zum Wohle des*r Partner*in zu ändern, so auch Sanders (S. 32 f.). Damit ist die von dem*r Therapeut*in ausgestaltete professionelle „Bindungs- und Beziehungsarbeit […] nicht nur die oft angenommene Grundlage zu Beginn eines Hilfeprozesses, sondern vielmehr Medium, das sämtliche Explorations- und Veränderungsprozesse ermöglicht“ (S. 237; Gahleitner 2017, 2020; Lenz und Nestmann 2009).

Selbst Integrative Therapeutin und Paartherapeutin, empfinde ich das Buch von Sanders als sehr informativ, profund recherchiert, auf jahrelangen Prasixerfahrungen aufgebaut und damit als eine Bereicherung für die therapeutische Landschaft, nicht nur für Paartherapeut*innen, sondern für Psychotherapeut*innen und alle Menschen, die in einer Paarbeziehung stehen. Eingebettet in den bio-psycho-sozial-ökologischen Ansatz und auf der Grundlage der Integrativen Therapie mit ihrer Leiborientierung gibt das Buch einen wertschätzenden Einblick in Paarbeziehungen und die Arbeit mit Paaren in Beratung und Therapie. Mit diesem theoretischen und methodischen Gesamtpaket kann es gelingen, Sanders erklärtes Ziel zu erreichen, in der Therapie weit mehr zu bieten als ein reines „Darüber-Reden“ (S. 64).

Gewünscht hätte ich mir lediglich eine Würdigung der Imagotherapie, zumal es viele – theoretische wie praktische – Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen zum Ansatz der Partnerschule gibt. Bei der Imagotherapie (z.B. Resonanzgespräch, S. 169–193) handelt es sich um einen paartherapeutischen Ansatz, bereits in den 1980er-Jahren in den USA begründet von Hendrix und LaKelly Hunt (1988/2021, 2021), der klärungs- und bewältigungsorientiert sowie tiefenpsychologisch vorgeht, mit dem Dialog als Herzstück (Cubasch 2009). Seit vielen Jahren ist dieser Ansatz in internationalen Feldern der Paartherapie etabliert (vgl. z.B. Bösel und Bösel 2019) und wird in der freien Praxis angewandt wie auch in Seminaren gelehrt.

Fazit

Vorgestellt wird ein umfangreiches und fundiertes Werk zum Thema Beziehung, Partnerschaft und Paartherapie auf der Basis der Integrativen Therapie. Es vermittelt Fachpersonen aus Beratung und Therapie sowie Interessierten Leser:innen einen tiefen Einblick in die Thematik und kann sehr empfohlen werden.

Literatur

Bandura, Albert, 1977. Self-efficacy. Toward a unifying theory of behavioral change. In: Psychological Review. 84(2), S. 191–215. 10.1037//0033-295x.84.2.191. ISSN 0033-295X

Barwinski, Rosmarie, 2020. Steuerungsprozesse in der Psychodynamischen Traumatherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN 978-3-608-96424-0

Beer, Ragnar, 2006. Partnerschaftsstudie „Theratalk“ des Instituts für Psychologie der Universität Göttingen. In: Focus 08.05.2016, S. 140. ISSN 0943-7576

Bösel, Sabine und Roland Bösel, 2019. Paarbeziehung und Elternbeziehung. Imagotherapeutische Interventionen und der Generationen-Dialog. In: Karl Heinz Brisch, Hrsg. Bindung – Scheidung – Neubeginn. Möglichkeiten der Begleitung, Beratung, Psychotherapie und Prävention. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 193–216. ISBN 978-3-608-98150-6 [Rezension bei socialnet]

Cubasch, Cornelia, 2009. „Ich bin nicht du und weiß dich nicht.“ Der Paar-Dialog als therapeutische Intervention in der Integrativen Therapie. Norderstedt: Grin. ISBN 978-3-640-78951-1

Fiedler, Peter, 2007. Persönlichkeitsstörungen. Weinheim: Beltz. 6., vollst. überarb. Aufl. ISBN 978-3-621-27622-1

Gahleitner, Silke Birgitta, 2017. Soziale Arbeit als Beziehungsprofession. Bindung, Beziehung und Einbettung professionell ermöglichen. Weinheim: Beltz Juventa. ISBN 978-3-7799-3477-6 [Rezension bei socialnet]

Gahleitner, Silke Birgitta, 2020. Professionelle Beziehungsgestaltung in der psychosozialen Arbeit und Beratung. 2., überarb. u. erw. Aufl. Tübingen: DGVT. Beratung, Bd. 17. ISBN 978-3-87159-837-1 [Rezension bei socialnet]

Gottman, John Mordechai und Nan Silver, 2021. Die Vermessung der Liebe. Vertrauen und Betrug in Paarbeziehungen. 3., unveränd. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta. (Englisches Original erschienen 2012). ISBN 978-3-608-96406-6

Grawe, Klaus, 1996. Klärung und Bewältigung: Zum Verhältnis der beiden wichtigsten therapeutischen Wirkprinzipien. In: Hans S. Reinecker und Dieter Schmelzer, Hrsg. Verhaltenstherapie, Selbstregulation, Selbstmanagement. Frederick H. Kanfer zum 70. Geburtstag. Göttingen: Hogrefe, S. 49–74. ISBN 978-3-8017-0696-8

Grawe, Klaus, 2000. Psychologische Therapie. 2., korr. Aufl. Göttingen: Hogrefe. ISBN 978-3-8017-1369-0

Grawe, Klaus, Ruth Donati und Friederike Bernauer, 2001. Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession. 5., unveränd. Aufl. Göttingen: Hogrefe. (Erstauflage erschienen 1994). ISBN 978-3-8017-0481-0

Hendrix, Harville und Helen LaKelly Hunt, 2021. Doing imago relationship therapy in the space-between. New York, NY: Norton. A Clinician's Guide. ISBN 978-0-393-71381-7

Hendrix, Harville und Helen LaKelly Hunt, 2021. So viel Liebe wie du brauchst. Der Wegbegleiter für eine erfüllte Beziehung. 2., überarb. u. erw. Aufl. Dörfles: Götz. (Englische Erstaufl. erschienen 1988). ISBN 978-3-902625-79-3

Hüther, Gerald, 2018. Würde. Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft. München: Knaus. ISBN 978-3-8135-0783-6 [Rezension bei socialnet]

Kossack, Hans-Christian, 2020. Hypnose. In: Franz Petermann, Hrsg. Entspannungsverfahren – das Praxishandbuch. 6., überarb. Aufl. Weinheim: Beltz, S. 103–121. ISBN 978-3-621-28689-3

Kröger, Christine, 2006. Evaluation. In: Rudolf Sanders, Hrsg. Beziehungsprobleme verstehen Partnerschaft lernen. Partnerschule als Kompetenztraining in Ehe und Familienberatung. Paderborn: Junfermann. Reihe Kommunikation, Ehe & Partnerschaft, S. 256–268. ISBN 978-3-87387-635-4

Lenz, Karl und Frank Nestmann, 2009. Persönliche Beziehungen – eine Einleitung. In: Karl Lenz und Frank Nestmann, Hrsg. Handbuch Persönliche Beziehungen. Weinheim: Juventa, S. 9–25. ISBN 978-3-7799-0792-3 [Rezension bei socialnet]

Lissy-Honegger, Renate, 2015. Paare in Bewegung. Körperarbeit in der Partnerschule. Masterarbeit. Graz: Karl-Franzens-Universität. [Zugriff am: 27.10.2022]. http://www.partnerschule.de/bewegung.pdf

Luhmann, Niklas, 2014. Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. 5., durchges. Aufl. Konstanz: UVK. ISBN 978-3-8252-4004-2

Main, Mary B., 2009. Desorganisation im Bindungsverhalten. In: Gottfried Spangler und Peter Zimmermann, Hrsg. Die Bindungstheorie. Grundlagen, Forschung und Anwendung. 5., durchges. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 120–139. ISBN 978-3-608-94628-4 [Rezension bei socialnet]

Petermann, Franz, Michael Kuss und Franziska Ulrich, 2020. Imagination. In: Franz Petermann, Hrsg. Entspannungsverfahren – das Praxishandbuch. 6., überarb. Aufl. Weinheim: Beltz, S. 122–138. ISBN 978-3-621-28689-3

Petzold, Hilarion G., 1996. Integrative Bewegungs- und Leibtherapie. Ein ganzheitlicher Weg leibbezogener Psychotherapie. Bd. 1: Leib- und Bewegungspsychotherapie. Bd. 2: Klinische Leib- und Bewegungspsychotherapie. 3., überarb. Aufl. Paderborn: Junfermann. Integrative Therapie, Bd. 1. [Zugriff am: 27.10.2022]. https://www.fpi-publikation.de/download/​18844/. ISBN 978-3-87387-289-9

Peyton, Sarah, 2019. Selbstresonanz. Im Einklang mit sich und seinem Leben. Erkenntnisse aus Neurobiologie, Gewaltfreier Kommunikation und Traumaforschung. Paderborn: Junfermann. Aktive Lebensgestaltung. Selbstresonanz. (Englisches Original erschienen 2017). ISBN 978-3-95571-834-3

Porges, Stephen W., 2021. Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit. Gespräche und Reflexionen. Traumabehandlung, soziales Engagement und Bindung. 4., unveränd. Aufl. Lichtenau: Probst. Gespräche und Reflexionen zur Polyvagal-Theorie. (Englisches Original erschienen 2017). ISBN 978-3-944476-19-3

Reinelt, Toni, 1996. Spüren – Fühlen – Denken. Entwicklungspsychologische Anmerkungen zur Prophylaxe, Psychotherapie und Rehabilitation. In: Renate Hutterer-Krisch, Vera Pfersmann und Ingrid S. Farag, Hrsg. Psychotherapie, Lebensqualität und Prophylaxe. Beiträge zur Gesundheitsvorsorge in Gesellschaftspolitik, Arbeitswelt und beim Individuum. Wien: Springer. Springer-Psychotherapie, S. 301–314. ISBN 978-3-211-82773-4

Roesler, Christian, 2019. Die Wirksamkeit von Paarberatung in Deutschland: Ein Überblick über die Wirkungsforschung und Ergebnisse einer aktuellen bundesweiten Studie. In: Beratung Aktuell. 20(2), S. 4–25. [Zugriff am: 27.10.2022]. https://www.kh-freiburg.de/kh-freiburg/​personen/​personen-pdf/​roesler_beratung-aktuell_2-2019.pdf. ISSN 1439-5916

Roth, Gerhard, 2021. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. 4., völlig überarb. u. aktual. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN 978-3-608-94490-7

Roth, Gerhard und Nicole Strüber, 2021. Wie Gehirn die Seele macht. 4., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN 978-3-608-96251-2

Sanders, Rudolf, 1997. Integrative Paartherapie. Grundlagen – Praxeologie – Evaluation. Eine pädagogische Intervention zur Förderung der Beziehung von Frau und Mann als Partner. Dissertation. Frankfurt: Lang. ISBN 978-3-631-32018-1

Sanders, Rudolf, 2018. Empowerment – Hilfe zur Selbsthilfe – in der Ehe- und Familienberatung am Beispiel des „Netzwerk Partnerschule e.V. In: Beratung Aktuell. 19(1), S. 35–51. [Zugriff am: 27.10.2022]. https://partnerschule.de/dokumente/​netzwerk-ps.pdf. ISSN 1439-5916

Sanders, Rudolf und Christine Kröger, 2013. Die Partnerschule als schematherapeutisch orientierter und emotionsfokussierender Beratungsansatz für Paare. In: Beratung Aktuell. 14(1), S. 20–44. [Zugriff am: 27.10.2022]. https://www.active-books.de/kategorien/buch/449-beratung-aktuell-12013-junfermann-verlag/. ISSN 1439-5916

Schnarch, David, 2011. Intimität und Verlangen. Sexuelle Leidenschaft wieder wecken. Stuttgart: Klett-Cotta (Englisches Original erschienen 2009). ISBN 978-3-608-94662-8

Spreti, Flora von, Martius, Philipp & Steger, Florian (2018). KunstTherapie. Wirkung – Handwerk – Praxis. Stuttgart: Schattauer.

Storch, Maja und Wolfgang Tschacher, 2016. Embodied Communication. Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf. 2., erw. Aufl. Göttingen: Hogrefe. ISBN 978-3-456-85614-8 [Rezension bei socialnet]

Tiefel, Sandra, 2012. Strategien der Vertrauensherstellung im Beratungsprozess. In: Sandra Tiefel und Maren Zeller, Hrsg. Vertrauensprozesse in der Sozialen Arbeit. Baltmannsweiler: Schneider. Soziale Arbeit aktuell, Bd. 20, S. 15–32. ISBN 978-3-8340-1132-9 [Rezension bei socialnet]

Tschacher, Wolfgang, Maja Storch, Gerald Hüther und Benita Cantieni, 2017. Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. 3., unveränd. Aufl. Bern: Huber. (Erstauflage erschienen 2006). ISBN 978-3-456-85816-6

Rezension von
Cornelia Cubasch-König
MSc, Psychotherapeutin, Paartherapeutin und Supervisorin in freier Praxis (Integrative Therapie), Autorin, Lehrtherapeutin an der Donau-Universität Krems (DUK), Lehrbeauftragte u.a. an der Alice Salomon Hochschule Berlin.
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Zitiervorschlag
Cornelia Cubasch-König. Rezension vom 21.09.2023 zu: Rudolf Sanders: Die Partnerschule. Paartherapie im integrativen Verfahren. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2022. ISBN 978-3-7495-0269-1. Reihe: Fachbuch. Paartherapie. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30023.php, Datum des Zugriffs 02.12.2023.


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