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Klaus Wölfling, Manfred Beutel: Computerspiel- und Internetsucht

Rezensiert von Michael Christopher, 20.07.2023

Cover Klaus Wölfling, Manfred Beutel: Computerspiel- und Internetsucht ISBN 978-3-17-037162-0

Klaus Wölfling, Manfred Beutel: Computerspiel- und Internetsucht. Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2022. 2., erweiterte und überarbeitete Auflage. 177 Seiten. ISBN 978-3-17-037162-0. 39,00 EUR.
Reihe: Störungsspezifische Psychotherapie.

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Thema

Mit dem Buch Computerspiel und Internetsucht. Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual haben die Autor*innen Klaus Wölfling, Manfred Beutel, Isabel Bengesser sowie Kai Müller einen Behandlungsleitfaden für die Therapie dieser im Titel genannten Störung erstellt, das 2022 in zweiter und überarbeiteter Auflage erschienen ist. Die Erstauflage wurde im gleichen Verlag bereits zehn Jahre zuvor herausgegeben.

Autor*innen

Klaus Wölfling ist psychologischer Leiter der Ambulanz für Spielsucht der Universitätsklinik Mainz.

Manfred E. Beutel ist der Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz.

Isabel Bengesser ist Psychotherapeutin für die Behandlung von Verhaltenssüchten in einer Klinik in Friedrichsdorf.

Kai Müller ist an der Ambulanz für Spielsucht der Universitätsklinik Mainz verantwortlich für die Forschung und Diagnostik.

Aufbau

Mit den Bereichen Theoretische Grundlagen des Therapieprogramms und Praktische Umsetzung des Therapieprogramms ist das Buch Computerspiel und Internetsucht in zwei große Abschnitte gegliedert. Während im ersten Teil in drei Kapiteln die Erscheinungsformen und die Hintergründe der Computer- und Internetsucht umrissen sowie das Herangehen in der Therapie kurz vorgestellt werden, bildet der zweite Teil einen Überblick über die Diagnostik und eine praktische Anleitung einer Therapie, unterteilt in die Beschreibungen der jeweiligen Therapiesitzungen. Abgerundet wird das Buch von Fallbeispielen, die einen Einblick in die individuellen Problematiken geben. Als Download steht für die einzelnen Sitzungen umfangreiches Zusatzmaterial zur Verfügung.

Inhalt

Zehn Jahre nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe des Manuals der Autor*innen hat sich die offizielle Anerkennung der Störung als Krankheit, zuerst 2013 im DSM-5 und später 2019 im ICD 11 auf die Wahrnehmung der Computerspiel und Internetsucht als Krankheit ausgewirkt. Über die Bedeutung der Problematik wird heutzutage noch immer kontrovers diskutiert. So streiten die Autor*innen den Umstand nicht ab, dass nicht jede übermäßige Nutzung von Online Angeboten eine Sucht ist, sie sich aber denen widmen möchten, deren Probleme mit dem Umgang mit Computern derart groß geworden sind, dass sie Hilfe benötigen.

Die Autor*innen beschreiben die Attraktion der Onlinenutzung, die in erster Linie von Nutzer*innen positiv wahrgenommen wird. Jedoch kann sich hieraus ein Verhaltensmuster manifestieren, das in einen Teufelskreis münden kann. In unterschiedlichem Umfang beschreiben die Autor*innen die verschiedenen Ausprägungen einer Internetsucht. So stehen Computerspiele (Gaming Disorder) an erster Stelle, die besonders in Form der Massen-Mehrspieler Rollen-Spiele (MMORPG) und Mehrspieler Kampfarenen Spiele (MOBA) ein immenses Suchtrisiko innehaben. Aber auch die Soziale-Netzwerke Nutzungsstörung, die suchtartige Nutzung von Onlinepornografie und die Onlinekaufsucht werden hier beschrieben. Des Weiteren betrachten die Autor*innen die undifferenzierte Internetnutzungsstörung, die sich im Verlieren in im Netz zu findenden Informationen zeigt als auch der Onlineglücksspielsucht, die trotz der immer mehr im Internet verfügbaren Angebote dennoch laut ICD 11 und DSM-5 als Störung durch Glücksspiele gilt.

Als Diagnosekriterien führen die Autor*innen vor allem die im DSM-5 aufgeführten Merkmale an, wie Eingenommenheit/​Carving (Drang der Internetnutzung), der Toleranzentwicklung (Steigerung der Intensität von Nutzung), entzugsähnlichen Symptomen, Kontrollverlust, Interessenverlust, Fortführung des Konsums trotz negativer Konsequenzen, Nutzung als Emotionsregulation, Verheimlichung des Ausmaßes, Gefährdung von wichtigen Beziehungen und der Perspektiven. Beim Auftreten von fünf Eigenschaften länger als zwölf Monate spräche man hiernach von einer Sucht. Kritisch sehen die Autoren, dass, auch im ICD 11, lediglich das Computerspielen als Form süchtigen Verhaltens genannt worden ist.

Die Autor*innen legen drei Ansätze zur Entstehung von Internetnutzungsstörungen dar. Lernpsychologische und neurobiologische Ansätze beschreiben für die Autor*innen einen brauchbaren Rahmen, in dem klassische und operante Konditionierung und neurobiologische Veränderungen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Verhaltenssüchten beschreiben.

Persönlichkeits-, umwelt- und suchtmittelbezogene Risikofaktoren zeigen die Wechselwirkungen unterschiedlicher Faktoren auf die Entstehung von dysfunktionalem Verhalten und letzten Endes von Süchten. Daran anschließend legen sie ihr eigenes Modell, das Integrative Prozessmodell der Internetsucht (InPrIS) dar, das die Suchtentwicklung als dynamischen Prozess beschreibt.

Das strategische therapeutische Vorgehen der Behandlung umfasst die Diagnostik, die Motivation und Zielvereinbarung, die Psychoedukation, die Intervention zur Veränderung des Erlebens und Verhaltens sowie den Transfer mit einhergehender Stabilisierung. Dabei werden Einzelsitzungen und Gruppensitzungen kombiniert, in denen es um den Aufbau von Problemlösungsfähigkeiten, sozialer Kompetenz, den Aufbau realer Kontakte zu Mitmenschen, und den Abbau von Prokrastinationstendenzen (auch Umgangssprachlich Aufschieberitis genannt) geht.

Die Diagnostik erfolgt im Einzelkontakt per Eigenanamnese, einer klinischen Anamnese entlang eines evaluierten Fragebogens (AICA-SKI – als Zusatzmaterial vorhanden), der Suchtanamnese sowie der Differenzialdiagnostik und der Frage nach Komorbidität (psychisch, z.B. begleitender Cannabis Konsum, physisch wie Übergewicht).

Während die Einzelsitzungen offen gehalten sind, folgen die Gruppensitzungen einem Plan, den die Autor*innen strukturiert für jede Sitzung beschreiben (Ziel, Material, Einführung und Hintergrund, detaillierter Ablaufplan, sowie den eventuell auftretenden Schwierigkeiten).

Am Ende des Buches werden noch zwei weitere Fälle vorgestellt.

Diskussion

In erster Linie ist das Buch Computerspiel und Internetsucht eine Anleitung für die Behandlung von Menschen mit eben dieser Suchtstörung. In diesem Rahmen funktioniert es ganz gut, da es strukturiert, klar und mit zahlreichem Material, welches Leser*innen in guter Qualität vom Server des Verlages beziehen können, versehen ist. Es wirkt in allen Ebenen praktikabel, was wiederum nicht verwunderlich erscheint, da die Autor*innen aus der Praxis kommen und hier eine langjährige Routine besitzen. Schließlich ist die Erstausgabe, die noch mit Christina Jo eine weitere Autorin hatte, bereits zehn Jahre her.

Dabei wirkt die Einführung im Buch noch als wären die Autoren in praktischer Sicht weit vom Thema Onlinenutzung weg und würden sich dem Thema sehr aus theoretischer Sicht nähern. Zudem fiel gleich auf den ersten beiden Seiten eine Ungenauigkeit bei einer Quellenangabe auf (verschiedene Jahreszahlen). Auch die starke Selbstreferenzialität der Autor*Innen (ca. 30 Literaturangaben stammen von ihnen selber) stößt etwas auf. Dadurch wird der Eindruck erhärtet, dass hier ein wenig innerhalb einer Blase geforscht und gearbeitet wird.

Allein stehen die Autor*innen in der Entwicklung einer Therapie für die Internetsucht nicht im Feld. Einen ähnlichen Therapieansatz haben aus dem Umfeld der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf die Autor*innen Bettina Moll, Rainer Thomasius (2020) mit ihrem kognitiv-verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm für Jugendliche vorgestellt.

Im Grunde geht es in diesem Buch aber auch nicht darum, die theoretische Forschung in den Mittelpunkt zu stellen, hierfür ist es zwar in seiner Hinführung zur Therapie als Überblick brauchbar, sondern um eine Anleitung für die Behandlung. Hier überzeugt die Klarheit der Methoden, die leicht in der Therapie anwendbar sind.

Fazit

Als Leitfaden für die Behandlung von Computer- und Internetsüchten eignet sich das Manual der Autor*innen Wölfling, Beutel, Bengesser und Müller aufgrund seiner klaren Struktur und den gegebenen theoretischen Hintergrundinformationen. Dem Fachpublikum wird hier eine wertvolle Darreichung an die Hand gegeben. Geeignet ist diese Buch vor allem für Therapeut*innen.

Rezension von
Michael Christopher
Filmwissenschaftler, Theaterwissenschaftler und Mitherausgeber der Zeitschrift manycinemas
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Es gibt 34 Rezensionen von Michael Christopher.

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Zitiervorschlag
Michael Christopher. Rezension vom 20.07.2023 zu: Klaus Wölfling, Manfred Beutel: Computerspiel- und Internetsucht. Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2022. 2., erweiterte und überarbeitete Auflage. ISBN 978-3-17-037162-0. Reihe: Störungsspezifische Psychotherapie. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30034.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.


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