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Elmar Schüll, Heiko Berner et al. (Hrsg.): Soziale Innovation im Kontext

Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 16.12.2022

Cover Elmar Schüll, Heiko Berner et al. (Hrsg.): Soziale Innovation im Kontext ISBN 978-3-658-37220-0

Elmar Schüll, Heiko Berner, Martin Lu Kolbinger, Markus Pausch (Hrsg.): Soziale Innovation im Kontext. Beiträge zur Konturierung eines unscharfen Konzepts. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Wiesbaden) 2022. 305 Seiten. ISBN 978-3-658-37220-0. D: 60,74 EUR, A: 66,81 EUR, CH: 72,00 sFr.
Reihe: Zukunft und Forschung.

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Die Herausgeber und Autoren

Elmar Schüll, ist an der Fachhochschule Salzburg im Masterstudiengang Soziale Innovation und der Forschungsgruppe Innovation und Gesellschaft tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind gesellschaftlicher Wandel und soziale Innovation, Hochschul- und Organisationsforschung sowie Grundlagen und Methoden zukunftsbezogener Forschung.

Heiko Berner ist an der Fachhochschule Salzburg als Senior Researcher in den Studiengängen BA Soziale Arbeit und MA Soziale Innovation tätig. Seine Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Empowerment und Anerkennung, soziale Innovation, insbesondere durch Partizipation und neue Einflüsse in der Postmigrationsgesellschaft sowie bildungstheoretisch fundierte Biographieforschung.

Martin Lu Kolbinger ist Leiter der Studiengänge BA Soziale Arbeit, MA Soziale Innovation sowie der zugeordneten Forschungsgruppen am Department Sozialwissenschaften der Fachhochschule Salzburg. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in der Gruppendynamik, der Erlebnispädagogik, der Kinder- und Jugendhilfe, im Bereich Neue Medien, der Hochschuldidaktik und im Bildungs-, Sozial- und Innovationsmanagement.

Markus Pausch arbeitet in den Studiengängen BA Soziale Arbeit und MA Soziale Innovation der Fachhochschule Salzburg. Seine Themenschwerpunkte in Forschung und Lehre sind Demokratie und Demokratisierung in Europa, Polarisierung und politische Bildung sowie soziale und demokratische Innovationen.

Die an der FH Salzburg tätigen Herausgeber haben weitere 17 AutorInnen aus Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland, Italien und Österreich gewonnen, um die „unscharfen Inhalte von sozialen Innovationen“ zu konturieren.

Themen und Zielsetzungen

Mit diesem Sammelband wollen die Herausgeber in drei Themenbereiche mit jeweils vier Artikeln einen Einblick in den Themenbereich sozialer Innovation ermöglichen:

1. Themenbereich: Konzeptionelle Aspekte sozialer Innovation

  • Soziale Innovation und gesellschaftliche Transformationsprozesse
  • Zur Normativität sozialer Innovationen
  • Soziotechnische Innovationen – vom Wechselspiel sozialer und technischer Einflüsse im Innovationsprozess
  • Soziale Innovationen und Vertrauen am Beispiel von Digitalisierung im Bildungsbereich

Das Kapitel spannt damit den Bogen von gesellschaftlicher Veränderung über die technologischen und auch organisatorischen Veränderungen bis zum Problem „Vertrauen in die Technologie“ auf der persönlichen Ebene. Doch weder die marxistisch inspirierten kritischen Theoretiker*innen noch die neoliberal argumentierenden ÖkonomInnen haben den Terminus „Soziale Innovation“ normativ-theoretisch ausreichend aufgeladen oder philosophisch durchdrungen.

2. Themenbereich: Soziale Innovation und gesellschaftliche Teilhabe

  • Empowerment und soziale Innovation
  • Soziale Innovationen aus der Perspektive der Social Citizen Science
  • Zur Akzeptanz sozialer Innovationen in Demokratien
  • Sparkassen und Genossenschaftskassen als „soziale Innovation“ im 19. Jahrhundert

Veränderung erfordert in vermehrtem Maße eine positive Einstellung der Beteiligten: Sie „müssen“ die Veränderungen mittragen, zudem ist auch die Beteiligung der Bürger tendenziell hilfreich. Die Pilotierung und Umsetzung sozialer Innovationen kann damit sowohl erleichtert aber auch erschwert werden. Was im „Kleinen“ für Veränderungsprojekte gilt, ist auch für Demokratien auf höherer Ebene gültig. Als eindrucksvolles Beispiel für „soziale Innovation“ werden in einem Beitrag – historisch gesehen – Sparkassen und Genossenschaftskassen diskutiert, deren Wirkung bis heute andauert.

3. Themenbereich: Institutionelle, organisatorische und räumliche Aspekte sozialer Innovation

  • Soziale Innovation in und durch die öffentliche Verwaltung – theoretische Überlegungen und empirische Ergebnisse für Österreich
  • Räumliche Dimensionen sozialer Innovation
  • Autogene soziale Innovation: Fridays for Future als synergetisch selbstgesteuerte Jugendbewegung
  • Auf dem Weg zur Klimaneutralität – soziale Innovationen als Erfolgsfaktor lokaler projektbezogener Transformationsvorhaben

Eine der wesentlichsten Dimensionen im Zuge von sozialen Innovationen ist die Rolle der öffentlichen Verwaltung, die dann auch für das flächendeckende Umsetzen von sozialen Innovationen verantwortlich wäre bzw. ist. Veränderungen werden so unterstützt, aber auch recht schaumgebremst ermöglicht. Interessant ist die räumliche Dimension von sozialen Innovationen bis hin zur Klimaneutralität und der Fridays for Future Bewegung. Lokale Transformationsvorhaben könn(t)en im Erfolgsfalle auf größere Gebiete umgelegt werden.

Die obigen drei Fragenbereiche tauchten immer wieder im Zuge von Forschungsprojekten sowie bei der Entwicklung eines Masterstudiums „Soziale Innovation“ auf und wurden für die Herausgeber bislang unbefriedigend beantwortet. Eine schärfere Kontur des Begriffes ist – zusammen mit den beteiligten AutorInnen – das Ziel der vorliegenden Publikation.

Diskussion

Konzeptionelle Aspekte sozialer Innovation zwischen „Marxismus“ und „Neoliberalismus“ werden angesprochen und es bleibt eine Lücke, die es im Sinne von These und Antithese zu schließen gilt. Es braucht dazu die Verbindung der gesellschaftlichen bis zur individuellen, persönlichen Ebene. Sie wird insbesondere mit der Verbindung von Digitalisierung und Vertrauen angesprochen. Damit wird wiederum eine kaum endende Diskussionsdimension im Sinne der Akzeptanz von Innovationen über den Nutzen von Veränderungen eröffnet. Die Beiträge bleiben hier auf einer beschreibenden und problemorientierten Dimension -weitgehend ohne einer lösungsorientierten Orientierung – stehen.

Im zweiten Teil des Buches „Soziale Innovation und gesellschaftliche Teilhabe“ wird mit dem Empowerment ein wesentlicher Aspekt des Kulturwandels als unabdingbare Notwendigkeit für „soziale Innovation“ angesprochen. Konsequent dazu wird weiterführend die Beteiligung der Bürger diskutiert. Die noch tiefer gehende Einbeziehung der Bürger als betroffene KlientInnen oder PatientInnen als Koproduzenten bleibt etwa im Sinne des Service Designs und/oder einer salutogenetischen Versorgung von Personen mit Unterstützungsbedarf – sicher dem Umfang geschuldet – einem zweiten Band vorbehalten.

Der dritte Teil der Publikation arbeitet als Resume an der Rolle der Öffentlichen Verwaltung als Beitrag zur Schärfung des Begriffs der sozialen Innovation. Wesentlich ist das Ansprechen der Umweltthematik sowie der räumlichen Thematik im Sinne einer Netzwerkorganisation. Die Fridays for Future-Bewegung könnte als Humus für nachhaltige Projekte insbesondere in der Sozialwirtschaft gesehen und genutzt werden. Der Weg zu diesen Umsetzungsschritten im Sinne der Angewandten Wissenschaft ist naheliegend.

Weitere Schritte zur Schärfung des Themenbereiches „Soziale Innovation“ sind in der Publikation getan. In einem ersten Schritt wird der Bereich der Öffentlichen Verwaltung angesprochen, ebenso das Thema Nachhaltigkeit und auch die räumliche Dimension sozialer Innovation sowie das Wechselspiel sozialer und technischer Einflüsse im Innovationsprozess – ebenso natürlich die Normativität sozialer Innovationen. Bei all der Komplexität dieser Betrachtungsweisen bräuchte es neben der Rolle der Öffentlichen Verwaltung bei sozialen Innovationen noch eine betriebswirtschaftliche Dimension, die ein konsequentes Verlassen der funktionalen Organisationsformen hin in Richtung der Prozessorganisation zum Inhalt hat. Dieser Ansatz steht zugegebenermaßen im Bereich der Sozialwirtschaft noch am Anfang, ebenso die räumliche Dimension, sodass die Integration in eine theoretische Betrachtung einem zweiten Band vorbehalten sein muss. Zusammen mit der räumlichen Dimension kann die Integration der Prozessorganisation (als Basis für die fortschreitende Digitalisierung) in den Themenbereich „Soziale Innovation“ weiter an Schärfe gewinnen und zu einer stärker strategischen Ausrichtung von sozialen Innovationen führen.

Fazit

Interessant ist die Dreiteilung des Buches: Konzeptionelle Aspekte, die gesellschaftliche Teilhabe sowie die institutionellen, organisatorischen und räumlichen Aspekte sozialer Innovation. Durch die Vielfalt der Autoren werden die wesentlichen Aspekte von „Sozialer Innovation“ angesprochen, einzige Ausnahme ist der betriebswirtschaftliche Aspekt samt strategischer Ausrichtung. Eine solide Grundlage für einen Studiengang wird sichtbar, ebenso wäre die Ausgangsbasis für einen zweiten Band gelegt.

Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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Es gibt 123 Rezensionen von Paul Brandl.

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Zitiervorschlag
Paul Brandl. Rezension vom 16.12.2022 zu: Elmar Schüll, Heiko Berner, Martin Lu Kolbinger, Markus Pausch (Hrsg.): Soziale Innovation im Kontext. Beiträge zur Konturierung eines unscharfen Konzepts. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Wiesbaden) 2022. ISBN 978-3-658-37220-0. Reihe: Zukunft und Forschung. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30049.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.


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