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Heinz Von Foerster, Ernst von Glasersfeld: Wie wir uns erfinden

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 28.02.2024

Cover Heinz Von Foerster, Ernst von Glasersfeld: Wie wir uns erfinden ISBN 978-3-89670-580-8

Heinz Von Foerster, Ernst von Glasersfeld: Wie wir uns erfinden. Eine Autobiographie des radikalen Konstruktivismus. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2022. 6. Auflage. 250 Seiten. ISBN 978-3-89670-580-8. D: 29,95 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 44,00 sFr.
Reihe: Philosophie, Systemtheorie, Gesellschaft.

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Kybernetik und Konstruktivismus

Im philosophischen Erkenntnis-, Existenz- und Wissenserwerb kommt dem systemorientierten Bewusstsein eine besondere Bedeutung zu: Denken ist ein Prozess, bei dem die Kompetenz, objektiv Wirklichkeiten zu erkennen, konstruiert wird. Dabei lauern Fallgruben und Mauern; es zeigen sich aber auch Schlupflöcher (vgl. z.B. dazu auch: Heinz von Foerster/Bernhard Pörksen, Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker, 2011, www.socialnet.de/rezensionen/​13980.php). Beim „Radikalen Konstruktivismus“ wird betont, dass die Wirklichkeit, als subjektive Wahrnehmung und objektives Faktum, auf Sinnesreizungen und Gedächtnisleistungen beruht. 

Entstehungshintergrund und Autorenteam

Wissenschaft schafft Wissen! Die existenziellen, intellektuellen Fragen – „Wer bin ich?“, „Wie bin ich geworden, was und wie ich bin?“, „Was ist Welt?“… – sind Gerüst und Gebot für Menschsein! In der Menschheitsgeschichte treten immer wieder Denkerinnen und Denker auf, die Antworten auf diese Fragen formulieren. Da sind der Biophysiker Heinz von Foerster (1911 – 2002) und der Psychologe Ernst von Glasersfeld (1917 – 2010), die systematische und komplexe Denk- und Handlungssysteme entwickelt haben und diese im Dialog thematisierten. Der Carl-Auer-Verlag publiziert diese Bemühungen in der wissenschaftlichen Buchreihe „Systemische Horizonte“.

Aufbau und Inhalt

In der „Autobiografie des radikalen Konstruktivismus“ werden die Gespräche, die Heinz von Foerster und Ernst von Glasersfeld im Herbst 1993 und danach miteinander führten, veröffentlicht. Daraus, in wissenschaftlichen Diskursen davor und weiterhin, zusammen mit anderen, überwiegend anglophonen Denkern, entwickelte sich kybernetisches Bewusstsein. Wie im Zählreim von 1 bis 9 entsteht eine Erzählung, die das Leben und Schaffen der beiden Autoren schildert: Systematisch und populär wie in einem Kramladen Denksachen aufklauben und konstruktivistisch interpretieren: „Bitte, mein lieber Leser, bedenke doch, dass ich diese Geschichte schreibe und das meine Eindrücke sind“. In den autobiografischen Schilderungen platzieren und bestimmen immer wieder Sachen und Orte die Erlebnisse: ein gefundenes Motorrad als Fortbewegungsmittel, und ein Zelt als Wohnort; aber auch: Mitläufertum und Opposition während der Nazi-Zeit, als Journalisten. Schließlich die Entdeckungen des Wissens, beim Studium: Aufmerksamkeit und systematisches Denken, Begegnungen und Auseinandersetzungen, Zeiten des Wandels (vgl. dazu auch: Wolfram Eilenberger, Zeit der Zauberer, 2018, www.socialnet.de/rezensionen/​24111.php). Es ist das intellektuelle, naturale und technische Denken, die Wahrnehmungsmuster aufzeigen und produzieren, z.B. bei der Entwicklung von Computern, bis hin zur KI (siehe: Manfred Geier, Geisteblitze, 2013, www.socialnet.de/rezensionen/​16058.php). Es sind die grundlegenden, konstruktiven und konträren Fragen, wie Kommunikation funktioniert: „Was kommt zuerst: Sprache oder Bewusstsein?“. Es ist die Ich- und Weltanschauung, die gewissermaßen „Platzhalter“- Charakter besitzen – Interpreteur, nicht Ersatz: „Man denkt in Platzhaltern und spricht in Worten“.

Diskussion

In den autobiografischen Erzählungen werden schrittweise und unsystematisch Gelegenheiten und Erfahrungen bei Begegnungen mit anderen Denker*innen und Zitationen aus Denkwerken erinnert. Es sind Namen und Konzepte, die im wissenschaftlichen Diskurs bedeutsam sind: Piaget, Berkeley, der Wiener Kreis, Gregory Bateson, Hilary Putnam, Norbert Wiener, Ross Ashby, Humberto Maturana, Gordon Pask, Konrad Lorenz, Noa Eschkol, und viele andere, die sich müh(t)en, den Fragen nach dem „Wer bin ich?“ und „Wie erfinden wir uns?“ monologisch und dialogisch nachzugehen. Die persönlichen Erzählungen von Heinz von Foerster und Ernst von Glasersfeld können Türen öffnen und Selbsterkenntnisse bewirken. Es sind Hinweise darauf, wie im wissenschaftlichen Diskurs Vergangenes, Historisches, Globales mit der persönlichen Biografie zusammenhängen und entdeckt werden können.

Fazit

Die in der Publikationsreihe „Systemische Horizonte“ vorgelegten Fraktale sind nicht nur für Studienzwecke interessant; sie können Wegweiser sein für existenzielles, individuelles und kollektives, humanes Denken.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1707 Rezensionen von Jos Schnurer.

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ISSN 2190-9245