Jan Bleckwedel: Menschliche Beziehungsgestaltung
Rezensiert von Prof. Dr. Laura Best, 18.04.2023

Jan Bleckwedel: Menschliche Beziehungsgestaltung. Eine systemische Theorie des Zwischenmenschlichen. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2022. 244 Seiten. ISBN 978-3-525-49170-6. D: 25,00 EUR, A: 26,00 EUR.
Thema
Der Autor beschäftigt sich in diesem Buch mit zwischenmenschlicher Beziehungsgestaltung aus systemtheoretischer Perspektive. Der Fokus wird auf dabei auf die Evolution der Beziehungsgestaltung sowie den Prozess der gemeinsamen Gestaltung der Beziehung im Zwischenmenschlichen gelegt.
Autor
Der Autor Jan Bleckwedel ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut (Systemische Therapie) und Psychodramatiker. Außerdem ist er als Lehrtherapeut und lehrender Supervisor sowie freiberuflich praktizierend tätig.
Aufbau
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil behandelt die Geschichte und Evolution der Beziehungsgestaltung, während im zweiten Teil die entwicklungsorientierte systemische Theorie der Beziehungsgestaltung im Fokus steht. Fünf Kapitel unterteilen das Werk thematisch. Zunächst erfolgt eine ausführliche thematische Einführung (Kapitel 1). Teil I des Buches beinhaltet das zweite Kapitel Ursprünge der Menschwerdung und Teil II die Kapitel 3 Theoretische Grundlagen und Grundzüge, Kapitel 4 Eine systemische Theorie menschlicher Beziehungsgestaltung sowie Kapitel 5 Entwicklungsräume gemeinsam gestalten. Der Umfang des Buchs beträgt 244 Seiten.
Inhalt
Bereits in der Einführung dieses Buchs steigt der Autor tief in die Grundzüge der Beziehungsgestaltung ein. Die Relevanz der Beziehungsgestaltung und des interaktiven Aushandlungsprozesses zwischen Therapeut:innen oder Berater:innen und Klient:innen werden hier auf Basis wissenschaftlicher Studien verdeutlicht. Hierbei wird der Begriff der kreativen Kooperation besonders betont. Jan Bleckwedel verdeutlicht in seinem Buch, dass neben den Systemeinheiten wie familiären Systemen oder Therapeut:innen-Klient:innen-Systemen basale Beziehungssysteme als Entwicklungsräume anzusehen sind, welche Zivilisationsprozesse abbilden (vgl. S. 22). Diesen Prozessen widmet er sich in Kapitel 2 aus verschiedenen Perspektiven. Das zweite Kapitel lässt anhand der Überschrift Ursprünge der Menschwerdung bereits erahnen, dass der Autor sehr grundlegend die evolutionäre Entwicklung des Menschen darstellt und dabei den Blick auf die Entwicklung der Beziehungsgestaltung lenkt. Es werden historische Veränderungen in der Kommunikation, Kooperation und Sprache sowie des kulturellen Lernens beschrieben. Unter dem Aspekt der Beziehungsgestaltung werden verschiedene historisch gewachsene Formen des Zusammenlebens in Gemeinschaften dargestellt. Wichtige Merkmale der Beziehungsgestaltung wie Sicherheit, Konflikte, Bindung und Emotionen werden vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen betrachtet.
Im zweiten Teil des Buches widmet sich der Autor der Theorie des Zwischenmenschlichen und baut damit auf die Ausführungen aus Teil I auf: „In einer evolutionären Perspektive ermöglichen und bedingen Entwicklungen auf der personalen, sozialen, kommunikativen und kulturellen Selbstorganisations- und Regulationsebene sich gegenseitig“ (S. 118). Kapitel 3 beginnt mit grundlegenden Überlegungen und Prämissen zur Theoriebildung. Der Autor wirbt für eine Theoriebildung, welche sowohl das Subjekt als zentrale Perspektive wählt, als auch die Gesellschaft in den Blick nimmt und dadurch ein mehrperspektivisches Denken fördert (vgl. S. 121 f.). Es werden in der Folge vier theoretische Zugänge näher beleuchtet, um daran anknüpfend Prämissen einer Theorie des Zwischenmenschlichen (Kapitel 3.6) aufzustellen. Kapitel 4 widmet sich insbesondere den menschlichen basalen Beziehungssystemen, welche von Bleckwedel als „transgenerationale Entwicklungsräume“ (S. 142) beschrieben werden und die Basis für Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungsentwicklung darstellen (vgl. ebd.). Das Kapitel betrachtet insbesondere die Dynamik von basalen Beziehungssystemen sowie leibliche, emotionale, kooperative und kommunikative Dimensionen gemeinsamer Beziehungsgestaltung. Kapitel 5 Entwicklungsspielräume gemeinsam gestalten zeigt ethische Fragestellungen und Ambivalenzen der Kulturentwicklung auf, bevor zum Ende des Buches der Fokus nochmal auf das Therapiesetting gelenkt wird. Der Autor zeigt hier Besonderheiten in der therapeutischen Beziehung auf und stellt deren Bedeutung für einen geschützten Entwicklungsraum dar.
Diskussion
Lesende spüren bereits in der Einleitung, dass viele der Ausführungen insbesondere auf therapeutische Beziehungen ausgelegt sind, jedoch eine Übertragbarkeit auf andere Bereiche wie Beratung oder Coaching gut möglich ist. Die Einleitung ist fachlich und thematisch sehr dicht formuliert, der Autor spricht hier bereits viele unterschiedliche Aspekte und Facetten der Beziehungsgestaltung an, sodass Lesende sich zunächst in der thematischen Vielfalt orientieren müssen.
Bleckwedel nutzt vielfach alltagssprachliche Bilder und Metaphern wie ein Fußballspiel oder ein Konzert, um komplexe Zusammenhänge darzulegen. Dieses Vorgehen erleichtert Lesenden das Verständnis der teilweise vielschichtigen Ausführungen. Vereinzelt erfolgen kurze Zwischenzusammenfassungen, welche hilfreich sind, um die vorherigen Ausführungen nochmals prägnant nachvollziehen zu können. Beim Lesen fällt auf, dass das Buch in viele Unterkapitel gegliedert ist, die teilweise sehr kurz sind. Dies erleichtert zwar ein abschnitthaftes Lesen, führt aber dazu, dass innerhalb eines Kapitels teilweise eine Fülle unterschiedlicher Aspekte und Themen dicht aufeinander folgen und es daher eine hohe Konzentration erfordert, die inhaltlichen Verbindungen und Übergänge zwischen den Unterkapiteln nachzuvollziehen.
Während sich der erste Teil des Buches insbesondere mit entwicklungspsychologischen und evolutionsspezifischen Fragestellungen beschäftigt und der zweite Teil vielfältige systemtheoretische Aspekte aufgreift, erweist es sich als angenehm, dass am Ende des Buchs anknüpfend an die Einleitung nochmals ein Praxisbezug hergestellt wird, indem die therapeutische Beziehung auf Basis der vorherigen Ausführungen erneut in den Vordergrund rückt.
Fazit
Jan Bleckwedel hat mit dem Werk „Menschliche Beziehungsgestaltung – Eine systemische Theorie des Zwischenmenschlichen“ ein Buch mit hoher Informationsdichte sowie vielfältigen, insbesondere evolutionär geprägten Sichtweisen auf die menschliche Beziehungsgestaltung geschrieben. Das Buch hält, was es ankündigt: Der Autor begründet evolutionär und entwicklungspsychologisch eine allgemeine Theorie menschlicher Beziehungsgestaltung.
Rezension von
Prof. Dr. Laura Best
Fachhochschule Münster
Fachbereich Sozialwesen
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Es gibt 1 Rezension von Laura Best.
Zitiervorschlag
Laura Best. Rezension vom 18.04.2023 zu:
Jan Bleckwedel: Menschliche Beziehungsgestaltung. Eine systemische Theorie des Zwischenmenschlichen. Vandenhoeck & Ruprecht
(Göttingen) 2022.
ISBN 978-3-525-49170-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30067.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.
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