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Annedore Prengel: Schulen inklusiv gestalten

Rezensiert von Lars Lucas, 24.02.2023

Cover Annedore Prengel: Schulen inklusiv gestalten ISBN 978-3-8474-2651-6

Annedore Prengel: Schulen inklusiv gestalten. Eine Einführung in Gründe und Handlungsmöglichkeiten. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2022. 119 Seiten. ISBN 978-3-8474-2651-6. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR.
Reihe: Pädagogische Einsichten: Praxis und Wissenschaft im Dialog - 1.

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Thema

Die Veröffentlichung trägt den Titel: „Schulen inklusiv gestalten – Eine Einführung in Gründe und Handlungsmöglichkeiten“. Thematisch lässt sie sich somit in die laufende Inklusionsdebatte im Bildungswesen einordnen, welche wiederum simultan zu Inklusionsdebatten in anderen Gesellschaftsbereichen (Arbeit, Wohnen, Freizeit, etc.) geführt wird. Inhaltlich kann die Publikation sowohl in der theoretischen wie auch in der praktischen Betrachtung der Thematik einsortiert werden, da sie beide Sichtweisen gleichermaßen berücksichtigt. Sie liefert sowohl wissenschaftliches und historisches Grundlagenwissen wie auch praktische Handlungsempfehlungen zur inklusiven Gestaltung von Schulen.

Autorin

Die Publikation wurde von Annedore Prengel verfasst. Die Erziehungswissenschaftlerin ist Professorin im Ruhestand an der Universität Potsdam und Seniorprofessorin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind unter anderem „Pädagogische Beziehungen und Kinderrechte“ sowie „Inklusion in Kindertagesstätten und Schule“.

Entstehungshintergrund

Das Buch wurde im Rahmen der Reihe „Pädagogische Einsichten: Praxis und Wissenschaft im Dialog“ veröffentlicht. Diese strebt an, in alltäglichen pädagogischen Erfahrungen und in wissenschaftlichen Studien gewonnenes Wissen im Bildungswesen bekannt zu machen. Hierbei beruht sie auf der Einsicht, dass sowohl in pädagogischen als auch in wissenschaftlichen Arbeitsfeldern Erkenntnisquellen erschlossen werden. Jedes Buch der Reihe soll dazu beitragen, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu bauen.

Aufbau & Inhalt

Die Publikation beinhaltet, neben einem Vorwortes, insgesamt sechs inhaltliche Kapitel sowie ein erweitertes Literaturverzeichnis und einen Anhang, welcher ergänzende Informationen zur Thematik beinhaltet. Im Folgenden werden der Aufbau und Inhalt der einzelnen Kapitel zusammengefasst und dargestellt:

Im ersten Kapitel: Einleitung wird zunächst die der Veröffentlichung zugrunde liegende Absicht vorgestellt, welche es ist, Grundlagenwissen über inklusive Pädagogik bereitzustellen. Hierzu sollen im Rahmen der Publikation insbesondere zwei Fragen beantwortet werden: „Wie wird Inklusive Pädagogik begründet?“ und „Welche Bausteine gehören zur inklusiven pädagogischen Praxis?“. Hierauf folgt eine kurze Erläuterung der Zielgruppen des Buches sowie der Notwendigkeit von deren Kooperation als Grundlage Inklusiver Pädagogik. Den Kern des Kapitels bildet daraufhin die Darstellung der Relevanz des Themas, welches sich aktuell im Spannungsfeld zwischen Zuspruch und Ablehnung einer Inklusiven Pädagogik und deren Nutzen bewegt. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer kurzen inhaltlichen Erläuterung der fünf folgenden Kapitel.

Im darauffolgenden Kapitel: Menschenrechtliche Grundlagen wird zunächst ein Überblick über die für eine Inklusive Pädagogik relevanten menschenrechtlichen Dokumente geliefert. Hierbei werden sowohl internationale wie auch europäische und deutsche Schriftstücke sowie deren Verfassende benannt und beschrieben. Im Anschluss daran widmet sich das Kapitel den wegweisenden menschenrechtlichen Prinzipien. Diese sind laut der Autorin: Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Dementsprechend setzt sich diese mit der grundsätzlichen Bestimmung und Reflexion dieser Begrifflichkeiten auseinander. Im anschließenden Abschnitt werden die drei Prinzipien erneut aufgegriffen. Diesmal allerdings im Kontext von deren Bedeutung für pädagogische Generationenverhältnisse. Hierbei werden in Bezug auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität sogenannte intergenerationale Relationen dargestellt und deren Bedeutung erläutert. Hierauf folgt eine Auseinandersetzung mit der Frage danach, wie sich diverse pädagogische Konzeptionen an den Menschenrechten orientieren. Hierbei werden unter anderem die verschiedenen dynamischen Strömungen im Bildungsbereich (die feministischen, die interkulturellen, die interreligiösen, etc.) benannt und deren Gemeinsamkeiten charakterisiert. Insbesondere erfolgt in Bezug hierauf eine Betrachtung des Begriffes der egalitären Differenz und dessen Bedeutung für die Inklusive Pädagogik. Auch der folgende Abschnitt widmet sich Begrifflichkeiten, wobei hier eine äußerst kritische Auseinandersetzung mit dem Adultismus und dem Ableismus zu finden ist. In dieser wird verdeutlicht, welche dramatischen Folgen diese Diskriminierungsformen mit sich bringen und wie wichtig es ist, an deren Abbau zu arbeiten. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer Erklärung der Tatsache, dass sich immer Widersprüche zwischen Normierungen und der Wirklichkeit finden lassen. Hierbei werden die Menschenrechte als Ideal benannt, welches Orientierung auf den unabschließbaren Wegen der Demokratisierung liefert. Hierdurch soll dazu beigetragen werden, dass Inklusive Pädagogik auf Widersprüche und Schwierigkeit vorbereitet ist und nicht von ihnen überrascht wird.

Mit dem Kapitel: Wissenschaftliche Grundlagen liefert die Publikation einen Einblick in die interdisziplinären wissenschaftlichen Grundlagen, welche der Inklusiven Pädagogik innewohnen. Hierbei stellt die Autorin zunächst die Frage danach, welche sozial- und bildungsphilosophischen Erkenntnisse dabei helfen, Inklusive Pädagogik zu verstehen. Um diese Frage zu beantworten, wird sich im Rahmen des Kapitels zunächst erneut mit der sogenannten Denkfigur der egalitären Differenz auseinandergesetzt. Daraufhin wird der Bogen gespannt, hin zu einer Betrachtung von Heterogenität, Intersektionalität und der Diskussion um Kategorien und Hierarchien. Hierbei steht insbesondere die Darstellung und Erläuterung von fünf verschiedenen Heterogenitätsverständnissen im Mittelpunkt des Abschnittes. Hieran wird mit einer Erläuterung aber auch kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Anerkennung und dessen Bedeutung für das Bildungswesen angeschlossen. Abgerundet wird die Beantwortung der oben genannten Frage mit einer Sensibilisierung bezüglich Verletzlichkeit, Sorge und Partizipation. Im zweiten Teil des Kapitels geht es erneut um die Beantwortung einer Frage. Diesmal lautet diese: „Welche empirischen Befunde tragen zur Begründung Inklusiver Pädagogik bei?“ Dieser Teil ist insbesondere für jene Menschen interessant, welche sich einen Überblick über die aktuelle Studienlandschaft diesbezüglich verschaffen möchten. So liefert die Autorin einen reichhaltigen Überblick über Studien zu Entwicklungen im trennenden Bildungswesen, Studien zu Entwicklungen und inklusiven Schulen und Forschungsbefunden zu Schul- und Unterrichtsqualität.

Nachdem die menschenrechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen ausführlich dargestellt wurden, wird im Kapitel: Historische Spuren und gesellschaftliche Entwicklungen der Versuch unternommen, die Bedeutung Inklusiver Pädagogik für die Erneuerungen im Bildungswesen, anhand einer Betrachtung langfristiger historisch-gesellschaftlicher Entwicklungen zu analysieren. Hierbei werden ständische, moderne und spätmoderne Gesellschaftsentwicklungen prägnant betrachtet. Ziel ist es allerdings nicht, eine detaillierte Strukturanalyse zu liefern, sondern vielmehr die Bedeutung dieser Entwicklungen und deren Relationen zur Inklusion aufzuzeigen und zu reflektieren. Dies geschieht beispielsweise durch das Aufzeigen der Vorteile eines inklusiven Denken und Handelns in einem gewachsenen leistungskonkurrenzbezogenen Bildungsmodell. In Bezug hierauf schließt die Autorin eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Bedeutung einer Pädagogikethik an. Hierbei setzt sich zunächst mit einer Untersuchung der sieben Prinzipien der Pädagogikethik auseinander, in welcher sie deren Kompatibilität mit einer Inklusiven Pädagogik herausarbeitet und darstellt. Nachdem dies geschehen ist, werden die sogenannten zehn Leitlinien einer Ethik pädagogischer Beziehungen in ihrer Bedeutung erläutert und anschließend dargestellt. Anschließend wird die Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten durch die Darstellung der zwölf Regeln für eine ethische Erziehung vertieft. Abgerundet wird das Kapitel durch ein Darstellung von Hilfen bei Verhaltensproblemen. Hierbei wird sich unter anderem mit der Bedeutung und dem Umgang mit negativen Emotionen wie beispielsweise Ärger und Wut sowie dessen Folgen auseinandergesetzt.

Das Kapitel: Bausteine inklusiver pädagogischer Praxis widmet sich wie der Titel vermuten lässt, der praxisorientierten Auseinandersetzung mit Inklusiver Pädagogik. Hierbei werden zunächst vier verschiedene Beispiele erläutert, welche allesamt darauf abzielen die wesentlichen Elemente inklusiven pädagogischen Handelns zu benennen und versuchen diese im Schulwesen bekannt zu machen. Hierbei werden unter anderem der Index für Inklusion und der Bielefelder Ansatz der inklusiven Didaktik behandelt. Hierauf folgt der Kern des Kapitels. Es wird der Versuch gewagt, einzelne sogenannte Bausteine der Inklusion ökosystemisch zu verorten und auf fünf Handlungseben darzustellen. Die insgesamt zwölf Bausteine werden hierbei auf folgenden Ebenen verordnet und erläutert: Der institutionellen Ebene, der professionellen Ebene, der Beziehungsebene, der didaktischen Ebene und der finanziellen sowie bildungspolitischen Ebene. Die Erläuterungen der einzelnen Bausteine sind hierbei zwar vergleichsweise kurz, aber dennoch gekonnt und vor allem für jene interessant, welche eine multiperspektivischen und reflexiven Blick auf die für Inklusive Pädagogik relevanten Ebenen werfen möchten.

Abgeschlossen wird die Publikation durch das Kapitel: Zusammenfassung und Ausblick, in welchem in aller Kürze der bearbeitete Inhalt der einzelnen Kapitel resümiert wird. Die Autorin schafft es hierbei auf lediglich zweieinhalb Seiten die Kernaussagen des Buches prägnant darzustellen, ohne diese zu verwässern. Anschließend findet sich das sehr umfangreiche Literaturverzeichnis, welches ergänzt wird von einem Anhang, mit zusätzlichen Informationen zu Bänden der Buchreihe, Internetquellen zu Inklusiver Pädagogik und Links zu Dokumentarfilmen zum Thema Inklusion.

Diskussion

Die vorgestellte Publikation gibt insgesamt nur wenig Anlass zur Diskussion bzw. Kritik. Sie ist inhaltlich äußerst sauber gearbeitet und liefert eine umfangreiche Menge an relevanten und aktuellen Informationen. Hier wird die große Erfahrung der Autorin sichtbar. Allerdings scheint es diese zu sein, die der lesenden Person hin und wieder Hürden setzt. Den der Inhalt des Buches wird des Öfteren in einer Sprache wiedergegeben, welche rhetorisch sehr anspruchsvoll ist. Hierdurch werden vor allem für Studierende des Grundstudiums oder fachfremde Personen, welche sich aus Interesse am Thema informieren möchten, hohe Hürden gesetzt. Dieser ausgrenzende Aspekt ist in einem Titel, welcher sich mit der Gestaltung von Inklusion auseinandersetzt, sehr schade, wenn nicht sogar etwas unangemessen. Denn, wer versucht Inklusion zu bearbeiten, sollte hierbei, wenn möglich auf unnötige Verklausulierungen verzichten. Ein zusätzliches kurzes Glossar hätte hier für Abhilfe sorgen können.

Fazit

Das Buch „Schulen inklusiv gestalten“ von Annedore Prengel überzeugt durch seinen auf relativ wenigen Seiten (81 Seiten zzgl. Verzeichnisse) dargestellten, aber sehr gehaltvollen und lückenlos recherchierten Inhalt. Hierbei zeigt es weder Defizite aufseiten der theoretischen noch der praktischen Betrachtung, sondern schafft eine gute Balance dieser beiden Sichtweisen, was die Publikation sowohl für Personen aus der Wissenschaft wie auch der praktischen Lehrtätigkeit interessant macht. Lediglich ein gewisses Maß an rhetorischem Vorwissen sollte die lesende Person mitbringen, da das Buch mitunter einen hohen sprachlichen Anspruch stellt.

Rezension von
Lars Lucas
M.A. (Studiengang: Bildung und Soziale Arbeit), Promotionsstudent Universität Siegen.
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Es gibt 3 Rezensionen von Lars Lucas.

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Zitiervorschlag
Lars Lucas. Rezension vom 24.02.2023 zu: Annedore Prengel: Schulen inklusiv gestalten. Eine Einführung in Gründe und Handlungsmöglichkeiten. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2022. ISBN 978-3-8474-2651-6. Reihe: Pädagogische Einsichten: Praxis und Wissenschaft im Dialog - 1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30082.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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