Yvonne Pfäffli, Madeleine Pfäffli Schmid et al.: Freiwillig aktiv Bern
Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 16.01.2023
Yvonne Pfäffli, Madeleine Pfäffli Schmid, Markus (Fotograf) Burla: Freiwillig aktiv Bern. rüffer & rub Sachbuchverlag (Zürich) 2022. 208 Seiten. ISBN 978-3-906304-85-4.
Thema
In der Schweiz kommt der Freiwilligenarbeit eine große gesellschaftliche Bedeutung zu, engagieren sich auf diese Weise dort doch rund ein Drittel der erwachsenen Menschen. In „Freiwillig aktiv Bern“ werden 14 Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts aus dem Kanton Bern portraitiert, die sich freiwillig in ganz verschiedenen Bereichen der Gesellschaft engagieren.
Autorinnen und Fotograf
Verfasst wurde das Buch von Madeleine Pfäffli Schmid (Jahrgang 1974), promovierte Erziehungswissenschaftlerin, die als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Bern arbeitet, und ihrer Schwester Yvonne Pfäffli (Jahrgang 1979), Historikerin, die als Archivarin im Unternehmen „docuteam AG“ und Laienrichterin am Regionalgericht Bern tätig ist.
Die zahlreichen Farbfotos zu der Veröffentlichung stammen von Markus Burla (Jahrgang 1958). Er arbeitete als Projektmanager bei einer Großbank und ist Amateurfotograf, wobei er mehrere Jahre offizieller Fotograf des Basler Fastnachts-Comités war.
Entstehungshintergrund
Ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen entstand bei den beiden Autorinnen der Wunsch, wie sie in ihrem Nachwort schreiben, „sich mit Freiwilligenarbeit intensiver auseinanderzusetzen und das Engagement von Freiwilligen sichtbar zu machen“ (S. 191). Hierzu hätten ihnen nicht nur verschiedenste Personen Einblicke in ihre Freiwilligenarbeit, sondern auch ein Stück weit Einblick in ihr Leben gegeben.
Während der „rüffer & rub Sachbuchverlag“ vom Schweizerischen Bundesamt für Kultur mit einem sogenannten Strukturbeitrag für die Jahre 2021 bis 2024 unterstützt wird, wurde die Veröffentlichung des vorliegenden Buches unter anderem durch fünf Schweizer Gemeinden und „Pro Senectute“, der größten und bedeutendsten Schweizer Fach- und Dienstleistungsorganisation für Altersfragen, gefördert.
Aufbau
Nach einem Vorwort (S. 6–9) werden in dem Buch 14 Personen in Wort und Bild vorgestellt. Zwischen den einzelnen Portraits finden sich auf jeweils einer Doppelseite insgesamt zehn kurze Faktenchecks mit Informationen rund und die Freiwilligenarbeit in der Schweiz. Ergänzt wird die Darstellung durch fünf Interviews mit Vertreter:innen verschiedener Gemeinden zum Thema „Freiwilligenarbeit in der Gemeinde“ (S. 182–188).
Inhalt
Die hier aus dem Kanton Bern vorgestellten Personen leisten sehr unterschiedliche Arten von Freiwilligenarbeit, wobei das Spektrum von der Flüchtlingsnothilfe über die Initiative zu einem genossenschaftlich geführten Kino über die Bekämpfung invasiver Neophyten und der Begleitung eines jungen Mannes mit psychischer Beeinträchtigung sowie der Ausbildung von Katastrophensuchhunden bis hin zur Begleitung von Menschen im Straf- und Maßnahmenvollzug, der Behindertenarbeit und Sprachkursen für Menschen mit Migrationshintergrund reicht.
Die einzelnen Portraits, zu denen auch der Vizepräsident eines Turnvereins, ein Sonnenbeobachter, eine Klimaaktivistin, ein Wikipedianer und ein Begleiter seines demenzkranken Vaters gehören, sind jeweils mit zahlreichen, zum Teil ganzseitigen Farbfotos illustriert, auf denen die vorgestellten Personen bei ihren Freiwilligenarbeit zu sehen sind.
Die zwischendrin eingefügten Informationsseiten geben kurzgefasst Auskunft zu verschiedenen Themen und Fragen rund um die Freiwilligenarbeit in der Schweiz, wozu beispielsweise auch grundlegende Definitionen der Begriffe „Institutionelle Freiwilligenarbeit“, „Ehrenamt“ und „Informelle Freiwilligenarbeit“, Zahlen und Fakten rund um die Freiwilligenarbeit sowie über Veränderungen und Motive von Freiwilligen gehören.
Nina Gutweniger, Geschäftsleiterin von „benevol Kanton Bern“, der Fachstelle für Freiwilligenarbeit im Kanton Bern, die Freiwillige, gemeinnützige Organisationen und Gemeinden mit dem Ziel berät und vernetzt sowie das Ziel verfolgt, wirksames freiwilliges Engagement zu fördern und dessen Anerkennung in der Gesellschaft zu stärken, hat zu dem Buch ein Vorwort (S. 6–9) beigesteuert. Darin lässt sie keinen Zweifel daran, dass freiwilliges Engagement jegliche Bereiche der schweizerischen Gesellschaft prägt und unerlässlich für das kulturelle Leben, die soziale Integration, das wirtschaftliche Wachstum und das Funktionieren der Demokratie ist. Zugleich betont die Autorin, dass Freiwilligenarbeit, auch wenn sie von qualifizierten Personen geleistet wird, die professionelle Arbeit nicht ersetzen kann. Wörtlich hält sie hierzu fest: „Sie darf kein Instrument der Sparpolitik sein, sondern ergänzt und unterstützt die bezahlte Arbeit“ (S. 7). Freiwilligkeit schaffe Raum für kreative Lösungen und besitze daher ein ganz besonderes Innovationspotenzial. Dabei ließen sich zwei Konstanten beobachten: „Der gesellschaftliche Bedarf an Freiwilligenarbeit auf der einen und das Bedürfnis der Menschen, sich freiwillig zu engagieren, auf der anderen Seite“ (S. 8). Freiwillige Engagements seien eine Bereicherung, so Nina Gutweniger, für das Individuum, das sich freiwillig engagiert, ebenso wie für die Gesellschaft.
Während der Politik die Aufgabe obliegt, die Rahmenbedingungen der Freiwilligenarbeit zu bestimmen, können sich die Gemeinden aktiv für die Freiwilligenarbeit einsetzen, indem sie Organisationen auf lokaler Ebene wie Vereine oder Non-Profit-Organisationen unterstützen, deren Vernetzung fördern und freiwillige Engagements honorieren. Vor diesem Hintergrund haben Madeleine Pfäffli Schmid und Yvonne Pfäffli für ihr Buch auch Gespräche mit fünf Vertreter:innen verschiedener Gemeinden – Birgit Zuppinger (Leiterin der Fachstelle Alter, Jugend und Integration der Gemeinde Köniz), Markus Bieri (Leiter des Sozialdienstes Frutigen), Nathalie Hörnlimann Mitarbeiterin Abteilung Bildung und Kultur, Münsingen), Sarah Pfister (Leiterin des Museums Münsingen) und Thomas Eggler (Vorsteher des Sozialamts der Stadt Langenthal) – zum Thema „Freiwilligenarbeit in der Gemeinde“ (S. 182–188) geführt. Demnach erachten die befragten Gemeinden die Freiwilligenarbeit als wichtig, weil die Freiwilligenarbeit in der Gemeinde das soziale Gefüge zwischen den Menschen stärke. Umgekehrt würden Vereine, die durch freiwillige Engagements getragen werden, von den Gemeinden unterstützt und in die Zusammenarbeit eingebunden. Eine wichtige Aufgabe der Gemeinde sei auch die Würdigung von freiwilligen Engagements, beispielsweise durch persönliche Geburtstagskarten, einen Ausflug oder Kinoabend mit Essen. Bezüglich dem Entwicklungspotenzial der Freiwilligenarbeit wünschten sich die Gemeindevertreter:innen insbesondere „eine verstärkte Koordination und einheitliche Standards innerhalb ihrer Gemeinden“ (S. 187).
Diskussion
In der Schweiz ist die Freiwilligenarbeit ein wichtiger Pfeiler der Gesellschaft, engagierten sich dort doch rund ein Drittel der erwachsenen Menschen. Gemeinsam leisten sie jährlich gut 600 Millionen Stunden freiwillige Arbeit. Umso erstaunlicher ist deshalb, dass es in der Schweiz für die Freiwilligenarbeit keine staatlich organisierten Einsatzmöglichkeiten gibt. Vielmehr bestehen verschiedene private beziehungsweise kirchliche Organisationen und Institutionen, die entsprechende Einsatzmöglichkeiten anbieten und auf den Einsatz von Freiwilligen bauen.
Die Arbeitsbereiche der Freiwilligenarbeit sind dabei äußerst vielfältig und reichen von der Mitarbeit in karitativen, sozialen und kirchlichen Organisationen bis hin zu Einsätzen für die Umwelt oder die Menschenrechte. Das Engagement in Sport, Kultur oder in Interessengemeinschaften ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag für das Gemeinwohl, genau wie die Nachbarschaftshilfe oder der Einsatz in Behörden und politischen Gemeinden. Nicht zu vergessen sind hier auch neuere Formen der Freiwilligkeit zum Beispiel im Bereich des Internets oder der Citizen Sciene, also Methoden und Fachgebiete der Wissenschaft, bei denen Forschungsprojekte unter Mithilfe von oder komplett durch interessierte Laien durchgeführt werden.
Wer sich unterdessen schon mal gefragt hat, wer diese Menschen sind, die sich freiwillig engagieren, weshalb sie dies tun und welche Arten von Freiwilligenarbeit es gibt, findet hierzu in „Freiwillig aktiv Bern“ zahlreiche Antworten. Wie Madeleine Pfäffli Schmid und Yvonne Pfäffli auf dem Klappentext schreiben, verfolgen sie mit ihrer Veröffentlichung zwei Ziele: Einerseits möchten sie „Einblicke in das Engagement von freiwilligen im Kanton Bern“ geben, andererseits den Menschen, die zukünftig ebenfalls in der Freiwilligenarbeit tätig sein möchten, „Ideen und grundsätzliche Informationen“ liefern. Zugleich wollen sie ihre Leserschaft dazu ermutigen, selbst freiwillig aktiv zu werden.
Ihrem selbst gesetzten Anspruch werden die Autorinnen in vollem Umfang gerecht. Ihr Buch gewährt nicht nur am Beispiel einzelner Personen – Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, die sich freiwillig in sehr verschiedenen Bereichen engagieren – tiefe Einblicke in die Motive und Beweggründe von Menschen, sich freiwillig für andere einzusetzen, sondern macht in Wort und Bild auch die verschiedenen Facetten freiwilliger Engagements sichtbar. Die mitgelieferten, knapp gehaltenen grundsätzlichen Informationen zum Freiwilligendienst in der Schweiz sind insbesondere für jene hilfreich und nützlich, die mit dem Gedanken spielen, selbst freiwillig aktiv zu werden.
Fazit
„Freiwillig aktiv Bern“ bietet tiefe Einblicke in das vielfältige Engagement von Freiwilligen in der Schweiz. Wer etwas darüber erfahren möchte, wird an dem kurzweilig zu lesenden Buch seine Freude haben – und danach vielleicht sogar selbst aktiv werden.
Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
Mailformular
Es gibt 191 Rezensionen von Hubert Kolling.
Zitiervorschlag
Hubert Kolling. Rezension vom 16.01.2023 zu:
Yvonne Pfäffli, Madeleine Pfäffli Schmid, Markus (Fotograf) Burla: Freiwillig aktiv Bern. rüffer & rub Sachbuchverlag
(Zürich) 2022.
ISBN 978-3-906304-85-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30112.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.