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Peter Hammerschmidt, Gerd Stecklina: Klassische Theorien der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Dieter Röh, 24.03.2023

Cover Peter Hammerschmidt, Gerd Stecklina: Klassische Theorien der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-7799-7222-8

Peter Hammerschmidt, Gerd Stecklina: Klassische Theorien der Sozialen Arbeit. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2022. 250 Seiten. ISBN 978-3-7799-7222-8. D: 28,00 EUR, A: 28,80 EUR.

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Thema

Peter Hammerschmidt und Gerd Stecklina befassen sich mit klassischen Theorien, indem sie Autor*innen von Theorien der Sozialpädagogik bzw. Sozialarbeit, beginnend im 18. Jahrhundert und bis 1945, portraitieren, diese Portraits historisch rahmen und schließlich miteinander vergleichen. Die Autoren leisten damit einen wichtigen Beitrag zur übersichtlichen Darstellung wichtiger Theorieursprünge und -traditionen, der nicht nur, wie sie selbst schreiben, aus den „Anforderungen und Bedürfnissen der Lehre (…) in Modulen zu Theorien Sozialer Arbeit“ entstanden ist. Sie leisten zugleich einen Beitrag zur disziplinären Vergewisserung, was mittlerweile als klassisch gelten darf.

Das Werk ist das Pendant zum von Peter Hammerschmidt u.a. verfassten Buch „Zeitgenössische Theorien Sozialer Arbeit“ (https://www.socialnet.de/rezensionen/​21990.php) und neben den diversen Übersichtswerken sowie Einzelportraits und werkgeschichtlichen Analysen zu den von ihnen behandelten Theoretiker*innen eines, das, nach Klaus Pranges „Schlüsselwerken der Pädagogik“ (2008/2013), wieder eine übersichtliche und kommentierte Darstellung wichtiger Werke bietet.

Autoren

Die Autoren arbeiten beide als Professoren an der Hochschule München und haben u.a. die zu dieser Publikation passenden Arbeitsschwerpunkte in Theorie und Geschichte der Sozialen Arbeit.

Entstehungshintergrund

Peter Hammerschmidt und Gerd Stecklina reagieren, wie oben bereits angedeutet, auf einen von ihnen wahrgenommenen Bedarf in der Hochschullehre, der eine kompakte, verständliche und zugleich systematische Übersicht und Einführung in die Werkgeschichte und die zentralen Annahmen erfordern würde.

Aufbau und Inhalt

Nach einer Einleitung (8 Seiten), in der die Autoren zunächst ihre Motivation darlegen, ihr eigenes erkenntnistheoretisches Verständnis erläutern sowie die Auswahl und Systematik erklären und schließlich den Aufbau darstellen, referieren sie in Kapitel 2 (auf 31 Seiten) die „Real- und Theoriegeschichte der Sozialen Arbeit“ von den „Anfängen der bürgerlichen Gesellschaft bis zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs“ bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und schließen dieses Kapitel mit einem „Ausblick auf die weitere Entwicklung nach 1945“.

Im zentralen Kapitel (mit 108 Seiten) werden dann in 12 Einzelkapiteln folgende Autoren mit folgenden Überschriften zu ihren Theorien nacheinander dargestellt:

  1. „Soziale Arbeit als Erziehung zur Armut – Pestalozzi“
  2. „Soziale Arbeit als Innere Mission – Wichern“
  3. „Soziale Arbeit als Lebens- oder Volkspädagogik – Diesterweg“
  4. „Soziale Arbeit als Willenserziehung – Natorp“
  5. „Soziale Arbeit als Erziehung, Versorgung und Verwertung der Unwirtschaftlichen – Klumker“
  6. „Soziale Arbeit als Bedürfnisbefriedigung – Arlt“
  7. „Soziale Arbeit als Theorie der Jugendwohlfahrt – Nohl“
  8. „Soziale Arbeit als Erziehungsfürsorge (außerhalb der Schule) – Bäumer“
  9. „Soziale Arbeit als Wohlfahrtspflege – Salomon“
  10. „Soziale Arbeit als Heranbildung zur Gesellschaftsfähigkeit – Mennicke“
  11. „Soziale Arbeit als Hilfe – Scherpner“
  12. „Soziale Arbeit als aufbauende Volkspflege – Althaus“

Alle Kapitel folgen dem Schema, dass nach einer „Definition und Gegenstandsbestimmung“ des jeweiligen Autors/der jeweiligen Autorin die Person sehr kurz biografisch vorgestellt und darauffolgend Kernaussagen, teilweise wortwörtlich, teilweise paraphrasiert wiedergegeben werden und zwar bzgl. „Grundannahmen/​Ausgangspunkt“, „Argumentation“ sowie „Summarischem“ und schließlich Grenzen und offenen Fragen zur jeweiligen Theorie diskutiert werden. Zum Ende jeden Unterkapitels werden die genutzten Schlüsseldokumente sowie weitere Schriften sowie Sekundärliteratur als „Literaturempfehlung“ aufgeführt. Ein ein-seitiger Steckbrief schließt das Kapitel ab.

Im vierten Hauptkapitel (21 Seiten) erfolgt dann der Theorievergleich, in dem die Autoren

  • zunächst (Kap. 4.1.) argumentieren, weshalb sie diese den „Strängen“ der Sozialpädagogik, der Sozialarbeit oder der sozialen Bewegungen zuordnen,
  • wie sie hinsichtlich bestimmter „Herkunftsdisziplinen“ und erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Bezugspunkte zu verorten sind, aus diesen entspringen oder diesen zugeordnet werden können (Kap 4.2),
  • wie in den Theorien „Normativität“ auftaucht bzw. welche Rolle sie darin spielt (Kap. 4.3),
  • wie die „AdressatInnen“ charakterisiert werden und welche „Handlungsfeldorientierung“ den Theorien selbst entspringt oder welcher sie zugeordnet werden können (Kap. 4.4) und
  • wie sie in „problemsoziologischer Perspektive“ einzuschätzen sind (Kap. 4.5).

In der Schlussbetrachtung (Kap. 4.6) stellen Hammerschmidt und Stecklina dann dar, worin sie Gemeinsamkeiten aller Theorien sehen. Sie kommen dabei zu folgendem Schluss: „Die (bürgerliche) Gesellschaft verursacht soziale Probleme, die Individuen gefährden, worauf die Gesellschaft (u.a.) mittels persönlicher Unterstützung durch die Soziale Arbeit reagieren muss, weil das ethisch geboten ist, was nicht nur den unmittelbar betroffenen Individuen hilft, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes verbessert.“ (S. 178)

Der umfangreiche Anhang enthält biographische Portraits, Übersichten zu den Problemkonstruktionen sowie eine tabellarische Übersicht zu allen vorgestellten Personen entlang wesentlicher Kernerkenntnisse aus dem dritten und vierten Kapitel. Dem Literaturverzeichnis vorgelagert sind Literaturempfehlungen zu Lehrbüchern, zur Theorie- und Diskursgeschichte, zur „(Real-)Geschichte der Sozialen Arbeit“ sowie zu biografischen Nachschlagewerken.

Diskussion

Der vorliegende Band gibt nicht nur einen guten Überblick über relevante klassische Theorien der Sozialen Arbeit, sondern präsentiert sie auch in einer Art und Weise, die direkt für Lehrveranstaltungen geeignet ist, die die Real- und Theoriegeschichte zum Gegenstand haben. Natürlich kann aufgrund der Breite der Darstellung und einer notwendiger Weise damit verbundenen „Oberflächlichkeit“ keine vertiefte Auseinandersetzung erfolgen, diese bleibt dem weiteren (Selbst-)Studium vorbehalten. Doch auch dafür liefern die Autoren mit den entsprechenden Literaturhinweisen zu den Originaltexten und zur Sekundärliteratur die entscheidenden Hinweise, an die direkt angeschlossen werden kann.

Wie jede Theorieauswahl blendet auch diese Schrift bestimmte Traditionen oder auch Denkrichtungen aus, z.B. im vorliegenden Band solche in einer internationalen Perspektive wie die Arbeiten von Jane Addams oder auch John Dewey, die jeweils spezifisch für die Tradition der Gemeinwesenarbeit bzw. der Reformpädagogik oder auch der Demokratietheorie ihre eigenen Ansätzen entwickelten.

Zudem erscheint es mir als eher nebensächlich, dass die Autoren sich selbst erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch positionieren („[…] lehnen wir uns an den symbolischen Interaktionismus an […“], S. 8) bzw. eine durchaus höchst diskutable Gegenstandsdefinition anbringen („Soziale Arbeit ist eine personenbezogene Dienstleistung, […], damit die AdressatInnen im gesellschaftlichen Interesse […] so unterstützt werden, dass sie in die Lage versetzt werden könne/sollen, gesellschaftlichen (Normalitäts-)Anforderungen zu entsprechen.“, S. 8 f.).

Dass die nachfolgende Vorstellung ausgewählter Theorien weder der erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen noch gegenstandsbezogenen Positionierung folgt, bildet aber kein wirkliches Monitum. Positiv hervorzuheben ist dagegen die klare Bestimmung dessen, was Theorie ist bzw. sein kann und was nicht (S. 8), und die entsprechende Begründung der getroffenen Auswahl.

Fazit

Das vorliegende Werk ist m.E. zugleich ein Lehrbuch über klassische Theorien Sozialer Arbeit, was auch der selbsterklärten Intention der Autoren entspricht, und ein Beitrag zur werkgeschichtlichen Forschung ebendieser Theorien und ihrer Autor*innen. Es liefert damit nicht nur gutes Material für die Lehre in Lehrveranstaltungen zu sowohl der Geschichte als auch den Theorien Sozialer Arbeit (sowie der Theoriegeschichte), sondern darüber hinaus auch Diskussionsstoff für die (Weiter-)Entwicklung der Sozialen Arbeit als Wissenschaft.

Rezension von
Prof. Dr. Dieter Röh
Dipl.-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge; MPH
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales - Department Soziale Arbeit
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Es gibt 9 Rezensionen von Dieter Röh.

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Zitiervorschlag
Dieter Röh. Rezension vom 24.03.2023 zu: Peter Hammerschmidt, Gerd Stecklina: Klassische Theorien der Sozialen Arbeit. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2022. ISBN 978-3-7799-7222-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30123.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.


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