Regina Münderlein, Jana Autor: Youth Work in Europa
Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Ilg, 13.03.2023
Regina Münderlein, Jana Autor: Youth Work in Europa. Europäische Jugendarbeit kurz erklärt. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2022. 107 Seiten. ISBN 978-3-8474-2600-4. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR.
Thema
Unter dem Begriff „Youth Work“ hat sich in den letzten Jahren eine intensive europäische Debatte entwickelt, die sich sowohl auf die Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII) als auch auf die Jugendsozialarbeit (§ 13 SGB VIII) bezieht. Nicht nur die Strukturen, sondern auch die Inhalte erweisen sich in diesem internationalen Feld als komplex. Das schmale Buch hat sich zur Aufgabe gesetzt, auf gut 100 Seiten in die Thematik einzuführen und bietet zudem einen lexikalischen Teil, bei dem Institutionen, Strukturen und Förderprogramme vorgestellt werden.
Herausgeberinnen
Prof. Dr. Regina Münderlein ist Jugendarbeiterin, Pädagogin und Professorin an der Hochschule Kempten. Dort lehrt sie im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit.
Jana Autor ist Sozialpädagogin und ehemalige Studentin der Hochschule Kempten. Sie arbeitet in verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit und Jugendarbeit und ist zudem freiberuflich aktiv.
Weitere Informationen zu den Autorinnen finden sich unter https://www.youthworkineuropa.de.
Entstehungshintergrund
Dass im Blick auf europäische Möglichkeiten die „Informations- und Aktionsfülle (…) oft unzugänglich und verwirrend wirkt, bzw. von der Fachbasis (in Deutschland) schlicht und ergreifend nicht gekannt wird“ (S. 61) ist nicht nur eine Feststellung dieses Buchs, sondern auch der Anlass seines Erscheinens: Die Autorinnen möchten die komplexen Strukturen darstellen, einordnen und zugleich zum Handeln in diesen Strukturen ermutigen. Der Ausgangspunkt des Buchs liegt in einer virtuellen Ringvorlesung der Hochschule Kempten in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) und der TH Köln (S. 16).
Aufbau
Das Buch wechselt zwischen informierenden Kapiteln im Fließtext und eher lexikalischen Teilen ab.
- Kapitel 1 führt inhaltlich in die „Youth Work“ ein und erläutert die Begrifflichkeit und ihr Anliegen.
- Kapitel 2 stellt die großen „Player“ vor, insbesondere den Europarat, die EU sowie deren Jugendpartnerschaft.
- Kapitel 3 beschreibt Initiativen der Qualitätsentwicklung zur Youth Work.
- Kapitel 4 listet Fördermöglichkeiten im europäischen Feld auf.
- Kapitel 5 widmet sich dem umfangreichen Feld von Datenbanken und Informationsressourcen. Hier, wie auch an anderen Stellen, gilt eine besondere Aufmerksamkeit der „Community of Practice“, also den konkreten Akteur:innen auf den verschiedensten Ebenen.
- Kapitel 6 ist dann wieder inhaltlich bestimmt und ordnet die Entwicklungen historisch und mit einem Ausblick ein.
Ein Abkürzungsverzeichnis, ein Vorwort, ein Dank, ein Nachwort und ein Literaturverzeichnis runden das Buch ab.
Inhalt
Die „Youth Work“ (auf deren Großschreibung die beiden Autorinnen Wert legen, S. 19) wird in diesem Buch als ein Arbeitsbereich dargestellt, der deutlich mehr ist als die englische Fassung deutscher Jugendarbeit. Mit Youth Work wird in Europa das Feld bezeichnet, das nach deutschem Verständnis sowohl die Jugendarbeit als auch die Jugendsozialarbeit, also die Paragrafen 11 bis 13 SGB VIII, umfasst (S. 19). In den letzten Jahren hat das Feld in Europa erheblich an Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt durch die Youth Work Agenda, die einen strategischen Rahmen für die Weiterentwicklung des Feldes darstellt (S. 13). Youth Work wird dabei verstanden als „Schlüsselbegriff für alle Arten von Aktivitäten mit, für und von jungen Menschen mit sozialem, kulturellem, bildendem und politischem Charakter, die freiwilligen Charakter haben“ (S. 17).
Das Buch versteht sich nach eigener Darstellung als „Nachschlagewerk“ (S. 15) und enthält eine Mischung aus einführenden Texten, lexikalischen Erläuterungen zu Einzelthemen und subjektiven Kommentaren von Personen mit besonderer Expertise, die auf S. 16 genannt sind.
Bei aller Heterogenität der Ansätze von Youth Work in Europa stellt deren Wertebasierung und ihr partizipativer Ansatz zugunsten junger Menschen als Subjekte eine verbindende Basis dar, die über Ländergrenzen hinweg geteilt wird. „All youth work is simultaneously about providing young people with ‚spaces‘ (for youth autonomy and self-determination) and ‚bridges‘ (to support positive transitions to the next steps of their lives)“ (Williamson, zitiert auf S. 20).
Die Autorinnen beschreiben, wie sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts der europäische Blick auf junge Menschen von einer Fokussierung auf Jugendarbeitslosigkeit und Beschäftigungsfähigkeit (employability) zu einem umfassenderen Blick auf Bildungsprozesse und Persönlichkeitsentwicklung geweitet hat. Der non-formale Bildungsbereich wurde dabei in seiner Bedeutung neu entdeckt und aufgewertet (S. 22 f.). Der Europarat als inhaltlich auf Menschenrechte ausgerichteter Zusammenschluss fasst Youth Work inhaltlich sehr weit. Dagegen liegen die Definitionen aus dem Bereich der EU (die sich stärker ökonomisch als inhaltlich fokussiert) auf der Unterstützung benachteiligter Jugendlicher sowie auf den Beitrag von Youth Work zum (informellen) Lernen. (S. 23–27). Besonders aktiv im Feld der Youth Work ist die Youth Partnership zwischen EU und Europarat (EU-CoE-Youth-Partnership), deren Definition von Youth Work auf S. 27 abgedruckt ist.
Die folgenden Kapitel beschreiben sowohl die zentralen Akteure als auch Details zu konkreten Fördermöglichkeiten oder Informationskanälen. An manchen Stellen sind die vielfältigen Initiativen und Möglichkeiten nur mit wenigen Zeilen beschrieben, sodass einige Passen des Buchs eher wie eine kommentierte Linkliste wirken. Die Auswahl erscheint an manchen Stellen subjektiv, in der Summe sind aber viele wichtige Hinweise versammelt, die zu weiteren eigenen Recherchen ermuntern.
Diskussion
Ohne Frage: Ein solches Buch hat bislang gefehlt, da es wichtige Schneisen in den Dschungel der europäischen Youth Work schlägt. Den Autorinnen ist hoch anzurechnen, dass sie ihr Vorhaben tatsächlich in kompakter Form umgesetzt haben, die den Band auch als Erstinformation zugänglich macht. Wenn eine Fülle von Themen auf engem Raum dargestellt werden soll, bleibt die Gewichtung notwendigerweise umstritten. Das gilt auch für dieses Buch. So erhalten beispielsweise die bilateralen Jugendwerke (DFJW, DPJW und weitere), die in Deutschland zu den Vorreitern der internationalen Jugendarbeit gehören und auch in finanzieller Hinsicht gewichtige Akteure sind, lediglich einen summarischen Hinweis von 10 Zeilen in Kapitel 4.5 (S. 77 f.)
Viele Texte wurden, wie die Autorinnen selbst berichten (S. 15), aus dem Internet bzw. aus Dokumenten übernommen. Dabei kam die redaktionelle Bearbeitung allerdings manchmal zu kurz – überflüssige Trennstriche aus den Originaltexten oder die im Deutschen ungewöhnliche Silbentrennung „Y-outh Work“ finden sich an zahlreichen Stellen (z.B. S. 7, 37). Auch andere Nachlässigkeiten könnten in einer Folgeauflage korrigiert werden, so trägt Kapitel 2.5.1 fälschlicherweise die Nummerierung 2.5. (S. 63). Solche Details schränken die Nutzbarkeit aber nicht wirklich ein.
Die vielen im Buch abgedruckten Internet-Links sind aufgrund ihrer Länge in der Druckfassung kaum sinnvoll nutzbar. Dieser Fakt und die Tatsache, dass sich in diesem dynamischen Feld die Informationen permanent ändern, legt die Frage nahe, ob der lexikalische Teil des Buchs nicht besser als permanent aktualisierte Internetseite dargeboten werden sollte. Eine solche Internetseite zum Buch ist zwar unter https://www.youthworkineuropa.de angelegt, bislang sind dort aber keine Linklisten, sondern lediglich wenige allgemeine Informationen zum Buch und zu den Autorinnen vorhanden. Ein weiterer Ausbau dieser Seite wäre ein dankbarer (allerdings auch aufwändiger) Service für die Leser:innen des Buchs.
Wenn man beim Lesen in der Fülle der angebotenen Institutionen, Programme und Abkürzungen zuweilen beinahe die Orientierung verliert, so liegt das nicht an der Strukturierung des Buchs (die gut gelungen ist), sondern daran, dass das Buch eine Realität abbildet, die zurecht als „Feuerwerk der Programme, Maßnahmen (und Fördertöpfe)“ (S. 60) beschrieben wird. Noch kompakter lässt sich die gegebene Vielfalt kaum darstellen.
Fazit
Das Buch bietet einen empfehlenswerten Einstieg in das wichtiger werdende Feld europäischer Youth Work. Die Mischung aus informativen und einordnenden bzw. bewertenden Teilen ist insgesamt gut gelungen. Ein schmales Buch, das für alle Interessierten im Feld der Youth Work sowohl Wiedererkennungseffekte als auch Neues bereithält.
Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Ilg
Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik
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Es gibt 1 Rezension von Wolfgang Ilg.
Zitiervorschlag
Wolfgang Ilg. Rezension vom 13.03.2023 zu:
Regina Münderlein, Jana Autor: Youth Work in Europa. Europäische Jugendarbeit kurz erklärt. Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2022.
ISBN 978-3-8474-2600-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30126.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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