Anna Maria Kalcher (Hrsg.): Orff im Wandel der Zeit
Rezensiert von Prof. Dr. Raika Lätzer, 31.03.2023

Anna Maria Kalcher (Hrsg.): Orff im Wandel der Zeit. Kunst trifft Pädagogik.
Dr. Ludwig Reichert Verlag
(Wiesbaden) 2022.
304 Seiten.
ISBN 978-3-7520-0699-5.
D: 24,90 EUR,
A: 25,60 EUR.
Reihe: Orff - Forschung und Diskurse - 1. zeitpunkt musik.
Thema
Die Herausgeberin Anna Maria Kalcher fasst in ihrer Einleitung prägnant zusammen, dass Carl Orff als eine Person betrachtet werden kann, die künstlerische und pädagogische Aspekte in sich vereint (S. 7). Im Mittelpunkt von „Orff im Wandel“steht also die Annäherung sowohl an den Künstler, als auch an den Pädagogen Carl Orff.
Autor:in oder Herausgeber:in
Die Herausgeberin Univ.-Prof. Dr. Anna Maria Kalcher hat Musik- und Tanzpädagogik studiert und im Fach Musikpädagogik sowohl promoviert, als auch habilitiert. Seit 2017 ist sie Universitätsprofessorin für Elementare Musik- und Tanzpädagogik an der Universität Mozarteum Salzburg. Anna Maria Kalcher geht einer umfassenden wissenschaftlichen Tätigkeit als Autorin und (Mit-)Herausgeberin nach. Ihre Foschungsschwerpunkte sind unter anderem Kreativität, musik- und tanzbezogene Entwicklungs- und Lernprozesse über die gesamte Lebensspanne. Sie verantwortet außerdem als Herausgeberin die neue Reihe „Orff-Forschung und Diskurse“ um deren ersten Band es sich bei der vorliegenden Publikation handelt (S. 301).
Neben der Herausgeberin selbst, die auch als Autorin in Erscheinung tritt, sind weitere Autor*innen der Publikation Thomas Rösch, Sigrun Heinzelmann, Bartolo Musik, Oliver Rathkolb, Michael Kugler, Wolfgang Hartmann, Thomas Hochradner, Michaela Schwarzenbauer & Katharina Anzengruber, Regina Pauls & Johanna Metz, Ines Mainz & Kaspar Mainz, Wolfgang Mastnak sowie Sibylle Köllinger-Krebl.
Entstehungshintergrund
Am „Department für Elementare Musik- und Tanzpädagogik – Orff-Institut der Universität Mozarteum Salzburg“ wurden sowohl eine Vortragsreihe, als auch ein Symposion anlässlich des 125. Geburtstags von Carl Orff und dem 60-jährigen Bestehen des Orff-Instituts durchgeführt. Die in der Publikation veröffentlichten Beiträge entstanden im Kontext dieser beiden Veranstaltungen.
Aufbau
„Orff im Wandel der Zeit“ enthält inklusive der Einleitung durch die Herausgeberin 17 Aufsätze sowie am Ende ausführliche Informationen über die einzelnen Autor*innen.
Inhalt
In den 17 verschiedenen Aufsätzen finden Auseinandersetzungen mit der Person und dem künstlerischen und pädagogischen Schaffen Carl Orffs aus verschiedenen Blickwinkeln heraus statt. Aufgrund dieser verschiedenen Blickwinkel haben alle Beiträge ihre jeweils eigenen methodischen und inhaltlichen Besonderheiten.
Auf musiktheoretischer Ebene beschäftigt sich Sigrun Heinzelmann beispielsweise mit der allseits bekannten „Carmina Burana“ in der Zusammenschau mit Igor Stravinskys „Psalmensymphonie“ („Ritualistische Topoi in Orffs Carmina Burana und Stravinskys Psalmensymphonie“). Sigrun Heinzelmann untersucht insbesondere den jeweils ersten Satz beider Werke und geht auf die zentralen musikalischen Mittel und deren Wirkung auf Zuhörer*innen ein. Für ihre Analyse nutzt Sigrun Heinzelmann die sog. Topic Theory und stellt final fest, dass „O Fortuna“ ein „viszerales Erlebnis“ darstellt, „dessen rituelle und musikalische Kräfte uralte evolutionäre Muster der menschlichen Perzeption aktivieren“ (S. 51). Genau aus diesem Grund eigne sich das Stück hervorragend für propagandistische und kommerzielle Zwecke.
Auf eher musikhistorischer Ebene hingegen setzt sich Thomas Hochradner in seinem Beitrag mit der Zusammenarbeit zwischen Carl Orff und Eberhard Preußner auseinander („In statu nascendi – Poldi und Guter Mond oder das Gerinnen einer Idee“). Es wird deutlich, dass Eberhard Preußner als Fürsprecher und Unterstützer einen wesentlichen Beitrag zur Institutionalisierung und Etablierung des „Orff-Schulwerks“ im Rahmen des „Orff-Instituts“ in Salzburg geleistet hat.
Zuletzt sei noch der Beitrag von Charlotte Fröhlich hervorgehoben. In diesem Beitrag werden insbesondere musikpädagogische Aspekte in den Fokus gerückt („Vom Kinde aus? Elementare Musik mit Erwachsenen als Weg zum Wesentlichen“). Charlotte Fröhlich setzt sich dem Titel des Aufsatzes entsprechend mit Elementarer Musik mit Erwachsenen auseinander. Hierbei stellt sie zunächst den Forschungsstand anhand der verfügbaren Literatur dar, setzt sich mit potentiellen Hürden für die Teilnahme von Erwachsenen an Angeboten Elementarer Musik auseinander und beschäftigt sich dann mit der Frage, inwieweit Elementare Musik für Erwachsene als Zielgruppe angemessen ist oder angemessen durchgeführt werden kann.
Diskussion
Während die „Carmina Burana“ oder die sog. Orff-Instrumente im deutschsprachigen Kulturraum umfassend bekannt sind, sind dezidierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit spezifischen Bereichen aus Carl Orffs Leben und Wirken nach wie vr eher selten. „Orff im Wandel der Zeit“ ist ein Sammelband, in dem Beiträge von renommierten Expert*innen zu Carl Orff versammelt sind. Die Beiträge sind allesamt von großem fachlichen Wissen geprägt und zeigen darüber hinaus sehr unterschiedliche und facettenreiche Zugänge zu Carl Orff.
Bereits in der Einleitung formuliert Anna Maria Kalcher die verschiedenen Schwerpunkte von Carl Orff selbst aus ihrer Sicht, indem sie die performativen, perkussiven und kreativen Aspekte in seinem Schaffen hervorhebt, auf seinen inter- und transdisziplinären Ansatz im Hinblick auf Musik, Sprache und Bewegung hinweist und den Ursprung von Carl Orffs Ideen in seinen musik- und kulturwissenschaftlichen Studien verortet (S. 8). Möglicherweise also entsprechen die unterschiedlichen Zugänge zu Carl Orff auch der Vielfalt von Carl Orff selbst und lassen gar keine andere als eine multiperspektivische Annäherung an Carl Orff als sinnvoll erscheinen.
Durch die unterschiedlichen Perspektiven und die damit verbundene Breite fehlt dem Sammelband allerdings teilweise etwas Tiefe, da auf manche Aspekte nur streiflichtartig geblickt wird.
Fazit
Eine facettenreiche und spannende Publikation mit teilweise lesefreundlichen Beiträgen. Insgesamt handelt es sich um eine für Fachkreise sehr interessante Publikation, die sich allerdings mit einem spezifischen Themenfeld auseinandersetzt und deswegen vermutlich nicht überall auf Interesse stoßen wird.
Rezension von
Prof. Dr. Raika Lätzer
Professorin für Musikpädagogik in der Sozialen Arbeit, Katholische Stiftungshochschule München
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Es gibt 15 Rezensionen von Raika Lätzer.
Zitiervorschlag
Raika Lätzer. Rezension vom 31.03.2023 zu:
Anna Maria Kalcher (Hrsg.): Orff im Wandel der Zeit. Kunst trifft Pädagogik. Dr. Ludwig Reichert Verlag
(Wiesbaden) 2022.
ISBN 978-3-7520-0699-5.
Reihe: Orff - Forschung und Diskurse - 1. zeitpunkt musik.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30144.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.
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