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Charlotte Fröhlich: Improvisation und Beziehungsqualität

Rezensiert von Prof. Dr. Raika Lätzer, 03.07.2025

Cover Charlotte Fröhlich: Improvisation und Beziehungsqualität ISBN 978-3-7520-0675-9

Charlotte Fröhlich: Improvisation und Beziehungsqualität. Dr. Ludwig Reichert Verlag (Wiesbaden) 2022. 148 Seiten. ISBN 978-3-7520-0675-9. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR.
Reihe: Orff - Forschung und Diskurse - 2. zeitpunkt musik.

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Thema

Musiktherapie und Musikpädagogik sind zwei grundsätzlich eigenständige Disziplinen. Jede der beiden Disziplinen hat ihre eigenen Spezifika. Gleichwohl verbinden sich die beiden Disziplinen zum einen durch die Musik – Musik steht bei beiden im Zentrum und ist Dreh- und Angelpunkt jeglicher spezifischen disziplinenbezogenen Handelns. Zum anderen aber gibt es weitere Berührungspunkte, wie anhand bereits erschienener Publikationen deutlich wird.

Charlotte Fröhlich nimmt nun in ihrem Band insbesondere den Aspekte der Beziehung bzw. der Beziehungsqualität im Rahmen musikbezogener Interaktionen mit Kindern in den Blick. Musikpädagogik erkennt zwar grundsätzlich die Reziprozität pädagogischer Handlungen von lernenden zu lehrenden Personen an und wird beispielsweise als eine im weitesten Sinne auf Lernen ausgerichtete Beziehung zwischen Menschen und Musik sowie die damit verbundenen Situationen, Praxen, Reflexionen, Theorien und Forschungen beschrieben (Dartsch et al. 2018, S. 11). In der Musiktherapie jedoch wird die wechselseitige Beziehung der anwesenden Personen als weit bedeutsamer eingeschätzt: Das von Karin Schumacher erläuterte EBQ-Instrument (Einschätzung der Beziehungsqualität) ist in der Musiktherapie weithin bekannt und Gegenstand verschiedener Publikationen. Das EBQ-Instrument setzt sich ausschließlich mit der Beziehung zwischen den anwesenden Personen auseinander und unterstreicht somit die Relevanz der Beziehung zwischen den beiteiligten Personen in der Musiktherapie. In der Musikpädagogik wird dieses EBQ-Instrument bislang weder verwendet noch diskutiert und Charlotte Fröhlich unternimmt in ihrem Buch nun den Versuch, das Instrument als auch für die Musikpädagogik verwendbar zu beschreiben.

Autor:in

Charlotte Fröhlich blickt auf ein breites musikbezogenes Tätigkeitsfeld. Sie unterrichtete vielfach im Rahmen von Angeboten der Elementaren Musikpädagogik und ist als Professorin an zwei schweizerischen Pädagogischen Hochschulen tätig. Die Verbindung von Improvisation und Bewegung ist ihr ein besonderes Anliegen und sie legt insbesondere Wert auf ein spielerisches Miteinander in musikbezogenen Prozessen.

Entstehungshintergrund

Das Buch entstand als Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie an der Schnittstelle von Musiktherapie und Musikpädagogik; es geht insbesondere um die Möglichkeit der „Anpassung des EBQ-Instruments an schulische Lernsituationen“ (S. 43).

Aufbau

Charlotte Fröhlich beschreibt zunächst aus einer übergreifenden Perspektive das Verhältnis von Musikpädagogik und Musiktherapie (1 Musikpädagogik und Musiktherapie: Landschaften und Horizonte, 2 Säuglingsforschung – Musiktherapie – Musikpädagogik). Hernach stellt sie das EBQ-Instrument in und für die Musikpädgogik vor (3 Erweiterung des EBQ-Instruments in der Musikpädagogik: Methode und Referenztheorien). Sie erläutert dann ein von ihr durchgeführtes Forschungsprojekt (4 Hundert detaillierte Einschätzungen, 5 Beziehungsqualität in der Improvisation, 6 Das Lächeln der Muse, 7 Vertiefende Betrachtungen) und verknüpft Erkenntnisse, Beobachtungen und Ergebnisse mit musikpraktischem Arbeiten (8 Zurück zur Praxis. Zuletzt fasst sie zusammen und gibt einen Ausblick (9 Zukunftsmusik – Spielräume der Zukunft).

Inhalt

Wie bereits geschildert stellt Charlotte Fröhlich die Berührungspunkte von Musiktherapie und -pädagogik in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Es geht ihr insbesondere darum, das in der Musiktherapie häufiger verwendete EBQ-Instrument vorzustellen und seine Verwendungsmöglichkeiten in der Musikpädagogik – insbesondere der Elementaren Musikpädagogik bzw. der Schulmusikpädagogik – zu untersuchen. Einleitend rahmt sie die beiden Disziplinen Musiktherapie und Musikpädagogik zunächst allgemein und beschreibt dann im Kapitel 2.2.1 die Instrumentale Beziehungsqualität in der Musiktherapie genauer. In diesem Unterkapitel unternimmt Charlotte Fröhlich dann auch den Versuch, die Bedeutung der Beziehungsqualität für die Musikpädagogik zu beschreiben.

Hernach nimmt das Buch insofern Fahrt auf, als es in den folgenden Großkapiteln zur Beschreibung des Forschungsprojektes kommt. Vielfältige Aspekte werden beschrieben und durch zahlreiche Abbildungen visualisiert. Im Laufe der Kapitel wird deutlich, welche großen Datenmengen gesammelt werden konnten (4.2 Einschätzung von 100 Kindern während 7–11 Terminen) und wie detailliert die einzelnen Kinder im Rahmen der musikbezogenen Interventionen beobachtet und beschrieben wurden (S. 65). Teilweise wurden von Schüler*innen geschriebene Rückmeldungen in Ausschnitten veröffentlicht (z.B. S. 111, 114), wodurch ein sehr lebendiger Eindruck zur Arbeit mit den Kindern entstehen konnte. Hier wurde außerdem deutlich, wie die Kinder selbst die musikbezogenen Interventionen wahrgenommen hatten. Im Kapitel 7.6 unternimmt die Autorin eine rund 3-seitige kritische Betrachtung des Projekts, in der sie die Schwierigkeiten beleuchtet, mit denen das Projekt konfrontiert war.

Charlotte Fröhlich resümiert, dass „in der Musikpädagogik ein Umdenken“ werde stattfinden müssen (S. 139). Sie fasst noch einmal die Vorteile improvisierenden Musizierens und die Bedeutung der Beziehungsqualität für therapeutische wie pädagogische Prozesse zusammen. Sie konstatiert: „Die Spielräume und Anwendungsqualitäten werden in Zukunft wachsen.“ (S. 140).

Diskussion

Charlotte Fröhlichs Band greift einerseits wichtige Aspekte der beiden Disziplinen Musiktherapie und Musikpädagogik auf und verknüpft sie miteinander. Andererseits nimmt der Band eine grundsätzlich eher musiktherapeutische Perspektive ein und es werden Ansätze musiktherapeutischen Handelns auf musikpädagogische Situationen übertragen. Für den schulmusikpädagogischen Alltag, in dessen Rahmen sich das Projekt bewegt, scheinen die Überlegungen aufgrund ihres großen zeitlichen Aufwands nur teilweise anwendbar zu sein.

Fazit

„Improvisation und Beziehungsqualität“ nimmt Aspekte in den Blick, die in der Musikpädagogik grundsätzlich auch gelten; wie oben beschrieben kann musikpädagogisches Handeln im Rahmen einer auf Lernen ausgerichteten Beziehung zwischen Menschen und Musik verortet werden. Auch die Beschreibung und Anwendung von improvisierenden Musiziermöglichkeiten nehmen in der Musikpädagogik zunehmend Raum ein. Gleichzeitig aber werden beide Aspekte im musikpädagogischen Diskurs erst allmählich in den Blick genommen und beforscht. Der Blick über den Tellerrand in die Nachbardisziplin Musiktherapie dürfte für die Musikpädagogik also durchaus gewinnbingend sein – und vice versa.

Literatur

Buchquelle: M. Dartsch/J. Knigge,/A. Niessen/F. Platz/C. Stöger (2018): Einführung, in: M. Dartsch/J. Knigge,/A. Niessen/F. Platz/C. Stöger (Hg.). Handbuch Musikpädagogik. Münster: Waxmann, S. 11–16.

Rezension von
Prof. Dr. Raika Lätzer
Professorin für Musikpädagogik in der Sozialen Arbeit, Katholische Stiftungshochschule München
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Es gibt 18 Rezensionen von Raika Lätzer.

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ISSN 2190-9245