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Juliane Wahren: Soziale Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen

Rezensiert von Franziska Weiser, 03.03.2023

Cover Juliane Wahren: Soziale Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen ISBN 978-3-17-035737-2

Juliane Wahren: Soziale Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen. Erklärungsmodelle, Interventionen und Kooperationen. Verlag W. Kohlhammer (Stuttgart) 2022. 215 Seiten. ISBN 978-3-17-035737-2. 29,00 EUR.

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Thema

Das Buch „Soziale Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen. Erklärungsmodelle, Interventionen und Kooperationen“ ist im Feld der Publikationen zu Häuslicher Gewalt zu verorten und fokussiert hierbei Gewalt, welche sich gegen Frauen richtet. In diesem Zusammenhang verbindet es professionstheoretische Bezüge der Sozialen Arbeit mit dem Phänomen Häuslicher Gewalt gegen Frauen und stellt damit weitaus mehr als ein Standardwerk dar. Um diesen Anspruch zu erfüllen, werden sowohl theoretische Grundlagen wie auch aktuelles Zeitgeschehen analysiert und reflektiert.

Autorin

Die Autorin Frau Prof.in Dr. Juliane Wahren forscht zu Häuslicher Gewalt, sozialer Gesundheit(-sförderung), sozialer Unterstützung und Digitalisierung in der Sozialen Arbeit. Sie ist Professorin für Soziale Arbeit an der IU Internationalen Hochschule. Sie verfügt über langjährige sozialarbeiterische Praxiserfahrung durch ihre Leitungstätigkeit in einer Fachberatungsstelle für gewaltbetroffene Frauen und von Frauenzufluchtswohnungen.

Aufbau & Inhalt

Die Publikation ist in neun Kapitel und zahlreiche Unterkapitel gegliedert und enthält darüber hinaus eine Einleitung, ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie einen Anhang mit Adressen, Checklisten und Sicherheitsplänen. Im Folgenden werden Aufbau und Inhalte der einzelnen Kapitel zusammengefasst und dargestellt:

Das erste Kapitel Häusliche Gewalt" vermittelt bedeutsame Grundlagen zur umfassenden Thematik Häuslicher Gewalt, wobei die Entstehung dieser zunächst anhand eines moderneren multifaktoriellen Erklärungsansatzes, dem ökologischen Modell, ausführlich erläutert wird. Hierbei bettet die Autorin Juliane Wahren eindringliche Fallbeispiele in die vier Ebenen des Modells ein, welche aus Interviews, welche sie mit gewaltbetroffenen Frauen geführt hat, stammen (vgl. Wahren 2016). Ähnlich wird in einem weiteren Abschnitt mit den verschiedenen Gewaltarten verfahren. Auch hier sind solche Fallbeispiele eng verwoben mit theoretischen Beschreibungen. Wie häufig welche Art von Gewalt aufritt, wird in einem Unterkapitel behandelt, ebenso wie die Dynamiken Häuslicher Gewalt. In diesem Unterkapitel werden ausführlich der Kreislauf der Gewalt anhand dessen verschiedene Phasen gewalttätigen Verhaltens in (Ex-)Beziehungen erklärt werden, der Zusammenhang zwischen Bindungsmustern und Häuslicher Gewalt dargestellt sowie das ‚Stockholm-Syndrom‘ genauer erläutert. Vor allem die vielseitigen Folgen, die Häusliche Gewalt direkt und indirekt haben kann, werden sehr ausführlich in einem eigenen Unterkapitel beschrieben. Anschließend schreibt die Autorin aber auch über protektive Faktoren, welche in ihrer Multidimensionalität dargestellt und mit dem Konzept der Resilienz in Verbindung gebracht werden. Auch gesellschaftliche Reaktionen auf die Thematik werden erläutert sowie eine Vielzahl an Faktoren, die das Hilfesuchverhalten gewaltbetroffener Frauen fördern oder behindern. In diesem Zuge führt die Autorin das Konzept der Salutogenese aus. Im gleichen Unterkapitel wird auch der Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der Bewältigung von Häuslicher Gewalt deutlich.

Angepasst an die Hilfebedarfe gewaltbetroffener Frauen werden im darauffolgenden Kapitel „Soziale Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen“ zunächst sozialarbeiterische Prinzipien vorgestellt und auf die konkrete Arbeit mit dieser Zielgruppe übertragen. Anschließend beschreibt die Autorin die verschiedenen Hilfeformen sowie spezialisierte Stellen innerhalb des Hilfesystems und verbindet diese mit Beispielen. Außerdem werden mögliche Rollen der Sozialarbeitenden angeführt und auf die Anti-Gewalt-Arbeit übertragen.

Im dritten Kapitel „Handlungstheoretische und methodische Hintergründe“ werden Konzepte, Methoden und Ansätze wie Parteilichkeit beschrieben, die entscheidend sind für Sozialarbeitenden im Anti-Gewalt-Bereich.

Das darauffolgende Kapitel „Rechtliche Grundlagen“ befasst sich mit gesetzlich verankerten Interventionsmöglichkeiten im juristischen Bereich und fasst relevante rechtliche Bezüge auf Individualebene (z.B. Gewaltschutzgesetz) und Staatsebene (z.B. Istanbul-Konvention) zusammen.

Das fünfte Kapitel „Interventionen – Beteiligte, Kooperationspartner*innen und Aufgaben“ beschreibt, wie der Titel bereits vorwegnimmt, wofür die an Interventionen beteiligten Institutionen wie die Staatsanwaltschaft zuständig sind, in Fällen von Häuslicher Gewalt.

Im anschließenden Kapitel „Rolle und Auftrag des Gesundheitswesens“ wird deutlich, weshalb Akteur*innen im Gesundheitswesen bedeutsame Gatekeeper*innen für gewaltbetroffene Frauen zum Hilfesystem und daher auch wichtige Kooperationspartner*innen für Sozialarbeitende im Anti-Gewalt-Bereich sind. Angepasst an die Dynamiken bei Häuslicher Gewalt werden Empfehlungen für ein sensibles Vorgehen bei Frauen mit Gewalterfahrungen dargestellt.

Im siebten Kapitel „Häusliche Gewalt und Corona“ werden Ergebnisse von Studien zum Zusammenhang des Anstiegs von Häuslicher Gewalt und den Einschränkungen und Belastungen durch die Corona-Pandemie vorgestellt. Daraus werden Empfehlungen zur Prävention von Gewalt während Pandemien konkludiert.

Im Kapitel Fazit" spricht sich die Autorin Prof.in Dr. Juliane Wahren für einen Fokus auf protektive Faktoren und Prävention Häuslicher Gewalt aus sowie für ein an die Bedarfe von gewaltbetroffenen Frauen angepasstes, kooperierendes Hilfesystem. Vor allem die Rolle der Sozialen Arbeit bei Häuslicher Gewalt wird nochmals prägnant hervorgehoben. Abschließend fordert die Autorin eine sichere Finanzierung der Projekte im Anti-Gewalt-Bereich.

Zuletzt stellt die Autorin im Kapitel Fallbeispiele" mittels zwei Fallbeispielen die in der Praxis häufig mit Häuslicher Gewalt auftretende Komplexität dar. Hierbei liegt der Fokus auf dem praktischen Vorgehen von Sozialarbeitenden mit gewaltbetroffenen Frauen.

Diskussion

Der vorliegende Titel kommt dem durch die Autorin beschriebenen Ziel, der Aufklärung über Häusliche Gewalt dienlich zu sein und dabei die Charakteristika Sozialer Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen zu fokussieren, in einem sprachlich sehr gut verständlichen Beitrag nach. Die Untergliederung in viele kleine Unterkapitel, die auch ohne die vorherigen Kapitel gut verständlich sind, lässt eine durchdachte Strukturierung erkennen, verschafft Übersichtlichkeit und ist daher bestens geeignet für Praktiker*innen der Sozialen Arbeit mit wenig Zeit und Studierende, die viel zu lesen haben. Die sehr eindrücklichen kleineren Fallbeispiele in den einzelnen Kapiteln wie auch die beiden großen Fallbeispiele am Ende des Buches schaffen eine realistische und notwendige Praxisverknüpfung der dargestellten theoretischen Inhalte und lockern das Lesen auf. Die vielen gut platzierten Originalzitate sowie das umfangreiche Literaturverzeichnis lassen auf ein sehr gut recherchiertes Werk schließen. Besonders die grauen Merkkästen fassen häufig prägnante Inhalte auf oder bilden einen interessanten weiterführenden Exkurs ab. Gerade das zweite und dritte Kapitel, welche die Bezüge zur Sozialen Arbeit fokussieren, bilden alle professionsrelevanten (klinisch-)sozialarbeiterischen Konzepte verständlich erklärt ab. Als einzigen Kritikpunkt könnte benannt werden, dass beispielsweise der Arbeitsalltag von Sozialarbeiterinnen in Frauenberatungsstellen leider nicht immer so idealtypisch abläuft wie in diesem Werk beschrieben. Dies liegt unter anderem an fehlender Finanzierung, zu wenig personelle Ressourcen und weiteren strukturellen Gründen, die aber am Rande in dieser Veröffentlichung beschrieben werden. In ihrem Fazit spricht sich die Autorin Prof.in Dr. Juliane Wahren klar für verbesserte strukturelle Bedingungen in diesem Bereich des Hilfesystems aus und fordert eine langfristige Finanzierung, was durchaus zeigt, dass sie sich den Schwächen und den Verbesserungsmöglichkeiten der Hilfen im Anti-Gewalt-Bereich bewusst ist. 

Fazit

Das Buch „Soziale Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen. Erklärungsmodelle, Interventionen und Kooperationen“ liefert umfangreich das erforderliche Wissen über das soziale Phänomen Häusliche Gewalt gegen Frauen und stellt, wie der Titel bereits korrekt ankündigt, Interventionsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit innerhalb ihrer professionseigenen Spezifika dar. Weiterhin eröffnet Vorschläge für relevante Kooperationen von Institutionen im Hilfesystem. Damit kann dieses Werk als Grundlagenwerk für Praktiker*innen, Studierende sowie Forschende, die mit diesen Themen befasst sind, erachtet werden, welches eins der ersten dieser Art ist und damit einen bedeutenden Beitrag in der Anti-Gewalt-Arbeit leistet.

Literaturangaben

Wahren, J. (2016): Soziale Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen. Neue Wege der Gesundheitsförderung. Marburg: Tectum Verlag

Rezension von
Franziska Weiser
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Es gibt 1 Rezension von Franziska Weiser.

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Zitiervorschlag
Franziska Weiser. Rezension vom 03.03.2023 zu: Juliane Wahren: Soziale Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen. Erklärungsmodelle, Interventionen und Kooperationen. Verlag W. Kohlhammer (Stuttgart) 2022. ISBN 978-3-17-035737-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30171.php, Datum des Zugriffs 28.03.2023.


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