Heike Wolter, Julia Christof et al.: Bertha Benz - Die erste Autofahrerin
Rezensiert von Prof. Dr. Barbara Brüning, 14.08.2023

Heike Wolter, Julia Christof, Anika (Illustrator) Slawinski: Bertha Benz - Die erste Autofahrerin. Für kleine Leute mit großen Ideen.
edition Riedenburg e.U.
(Salzburg) 2022.
72 Seiten.
ISBN 978-3-99082-109-1.
D: 14,90 EUR,
A: 15,40 EUR,
CH: 27,50 sFr.
Reihe: Starke Frauen - 5.
Die Erfindung und Erprobung des weltweit ersten Autos
Im Zeitalter der Pferdewagen erfand der Ingenieur Carl Benz ein Fahrzeug mit Motor, für das damals niemand ein Patent geben wollte. Aber wem nützen die tollsten Erfindungen, wenn sie nicht in die Praxis umgesetzt werden? Diese Frage stellte sich auch Bertha Benz, die Ehefrau von Carl Benz, und traf eine mutige Entscheidung: sie wollte Carls Erfindung praktisch testen. Deshalb fuhr sie 1888 mit ihren Söhnen Eugen und Richard 106 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim. Dies war die Geburtsstunde der Automobilität.
Autor:innen
Die Historikerin Heike Wolter und die Lehrerin Julia Christof stellen die historische Autofahrt von Bertha Benz, die sie von Mannheim nach Pforzheim führte, in den Mittelpunkt ihres Buches für Kinder im Grundschulalter.
Erscheinungshintergrund
Das Kinderbuch erschien in der Reihe „Starke Frauen“ der Edition Riedenburg, in der bereits u.a. die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und die afrikanische Nobelpreisträgerin Wangari Mathai vorgestellt wurden. Erstere steht für mutige Frauen in der Politik und letztere für die Grüngürtel- Bewegung, die mit mehr als 51 Millionen Bäumen den afrikanischen Kontinent und die ganze Welt etwas grüner gemacht hat. Bertha Benz repräsentiert in dieser Reihe Erfindergeist und Technik, die jahrhundertelang eine Domäne der Männer gewesen sind.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in verschiedene kleinere Geschichten, von Berthas Kindheit bis hin zur Ehrenbürgerin von Ladenburg. In jeder Geschichte werden schwierige Begriffe oder historische Fakten erklärt, wie zum Beispiel der Ausdruck eine „Höhere Töchterschule“. Die beiden Autor: innen entwickeln ein besonderes Gespür dafür, dass Kinder biografische Erzählungen im Kontext ihrer Zeit verstehen sollten. Sie präsentieren zu jeder Geschichte Forscherfragen, die für eine interaktive Rezeption des Buches sorgen. So sollen sich die Kinder beispielsweise überlegen, welches Verkehrsmittel, das es bis heute noch nicht gibt, sie gern entwickeln würden? Am Schluss des Buches können sie malen, schreiben oder kleben und noch weitere Gedankenexperimente durchdenken. Das Buch schlägt auch eine Brücke zur ökologischen Verkehrswende, weil es die Kinder anregt, darüber nachzudenken, mit welchem Verkehrsmittel Bertha Benz wohl heute unterwegs wäre? Es stellt darüber hinaus auch Fakten rund um die Fahrt von Mannheim nach Pforzheim zusammen, wie zum Beispiel den Hinweis auf das Automuseum in Ladenburg.
Berthas Leben beginnt in der ersten Geschichte mit der Feststellung des Vaters, dass als drittes Kind leider wieder nur ein Mädchen geboren wurde, von dem man nicht so viel zu erwarten hat wie von einem Jungen. Bereits bei Berthas erster Begegnung mit ihrem künftigen Ehemann schwärmt dieser von einer Kutsche ohne Pferde, denn sie mache die Menschen unabhängig. Unabhängigkeit war auch für Bertha immer schon wichtig, und so hatte sie sich in vielen ihrer Kinderträume ebenso wie Carl ein selbstfahrendes Fortbewegungsmittel vorgestellt. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg: schlechte Geschäftspartner und ein immer wieder ausgefallener Motor sind zwar Hindernisse, gefährden aber den gemeinsamen Lebenstraum der Eheleute nicht. Und irgendwann bewegt sich das Metall-Gefährt auf Rädern sogar einige Meter. Allerdings fehlt noch eine Flüssigkeit, die den Motor entzündet. Durch Zufall liest Bertha von einem schrecklichen Wohnungsbrand mit Waschbenzin und findet die Lösung: das Waschbenzin kann Carls Gefährt in Bewegung setzen. Bertha probiert es als Erste aus und fährt auf dem Fabrikgelände 20 Meter weit. Es folgen weitere Versuchsfahrten in der Stadt, die nicht immer das ungeteilte Echo der Bevölkerung finden, bis hin zu der legendären Fahrt von Mannheim nach Pforzheim. Das Buch schildert die Fahrt nicht nur als Erfolg, sondern führt den Kindern auch vor Augen, mit welchen Problemen Bertha zu kämpfen hat. Eine zu heiße Kette, quietschende Bremsen, ein verstopftes Ventil oder Versorgungengpässe mit Kraftstoff, der damals noch in Apotheken gekauft werden musste. Darüber hinaus ist es erforderlich, ständig Kühlwasser nachzufüllen, damit der Moor nicht heiß läuft. Bertha und ihre Söhne schaffen es dennoch ölverschmiert ans Ziel.
Mit dieser Fahrt wird Bertha Benz die erste Autofahrerin der Welt, und ihr Mann Carl erhält endlich das langersehnte Patent. Zuvor bittet Bertha jedoch Carl um eine technische Ergänzung des Autos: es bräuchte dringend einen Rückwärtsgang, um in der Praxis zu bestehen.
Nach der ersten erfolgreichen Autofahrt zieht das Ehepaar nach Ladenburg, das Auto wird weltweit produziert. Nach dem Tod von Carl 1929 lebt Bertha noch bis 1944. Sie muss miterleben, wie ihre und Carls Erfindung im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wird und verurteilt den Krieg, weil er Leid über viele Menschen bringt. Und sie ist sich sicher: Auch Carl hätte diesen Krieg nicht gewollt.
Diskussion
Das Buch über die erste Autofahrerin der Welt zeichnet ein lebendiges Porträt von Bertha Benz. Der Untertitel verrät, dass es für „kleine Leute mit großen Ideen“ gedacht ist, die erfahren sollen, dass zu einem Forscherleben Erfolge wie auch Misserfolge gehören. Die Zeichnungen von Annika Slawinski verdeutlichen die historischen Fakten wie zum Beispiel die damalige Kleidung, sind aber ein eigenständiger Part des Buches und nicht nur schmückendes Beiwerk. Durch die Sprechblasen vertiefen sie die Erzählung und regen die Kinder zum Nachdenken an.
Fazit
Das Buch kann sowohl in der Schule in Fächern wie Sachunterricht, Deutsch oder Ethik eingesetzt werden, da insbesondere die hinteren Seiten wie bei Arbeitsheften üblich von den Kindern selbst gestaltet werden können. Aber auch in der außerschulischen Erziehung wird es seinen Platz finden, denn die vielen Forscherfragen laden zu praktischen Experimenten und zum Philosophieren ein. Ich wünsche dem Buch, dass es möglichst eine große Fangemeinde findet.
Rezension von
Prof. Dr. Barbara Brüning
Sachbuchautorin für Philosophie und Philosophieren mit Kindern; Schulbuchautorin für die Fächer Ethik und Philosophie für alle Schulformen und Schulstufen; bis 2016 Lehraufträge an den Universitäten Hamburg und Luxemburg
Website
Mailformular
Es gibt 1 Rezension von Barbara Brüning.