David A. Clark, Claudia (Übersetzer) Campisi: Negative Gedanken bewältigen
Rezensiert von Dr. Philipp Thaler, 24.10.2023
David A. Clark, Claudia (Übersetzer) Campisi: Negative Gedanken bewältigen. Hilfe finden bei sorgenvollem Grübeln, Scham und anderen belastenden Gefühlen. Ein Arbeitsbuch. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2022. 150 Seiten. ISBN 978-3-7495-0316-2. D: 28,00 EUR, A: 28,80 EUR.
Thema und Inhalt
Es handelt sich um ein Selbsthilfebuch, welches an wiederkehrenden negativen Gedanken als Grundlage von belastenden Gefühlen ansetzt – ganz im Sinne der kognitiven Verhaltenstherapie.
Autor
David A. Clark ist promovierter klinischer Psychologe, Professor emeritus an der University of New Brunswick, Gründungsmitglied der Academy of Cognitive and Behavioral Therapies und Mitglied der Canadian Psychological Association. Er ist Verfasser mehrerer Bücher zu Depression, Ängsten sowie Zwangsstörungen und hat u.a. mit A.T. Beck ein Übungsbuch zum Thema Ängste bewältigen veröffentlicht (2014 im Junfermann Verlag erschienen).
Entstehungshintergrund
Das Selbsthilfe-Buch richtet sich an Menschen mit Ängsten, Depressionen, Schuldgefühlen oder Wut. Es werden wissenschaftlich begründete Selbsteinschätzungsinstrumente und Strategien bereitgestellt, entsprechende Fallbeispiele basieren auf langjähriger praktischer Erfahrung in kognitiver Verhaltenstherapie sowie als klinischer Psychologe, Forscher und Ausbilder (12, 13).
Aufbau und Inhalt
Das Werk ist in acht Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel wird erklärt, was repetitive negative Gedanken sind und es wird eine Selbsteinschätzung ermöglicht. Im zweiten Kapitel wird auf das Kontrollparadox und auf angemessene Kontrollstrategien eingegangen. Die nächsten beiden Kapitel behandeln zwei nach Clark wichtige Formen von repetitiven negativen Gedanken: Sorgen (Kapitel 3) und Grübeln (Kapitel 4). In den verbleibenden Kapiteln wird behandelt, welche Rolle repetitive negative Gedanken bei Reue (Kapitel 5), Scham (Kapitel 6), Demütigung (Kapitel 7) und schließlich Groll (Kapitel 8) spielen. Am Ende folgen abschließende Worte, Danksagung, Literaturverzeichnis und Angaben zu Buch und Autor. Ein E-book- Exemplar ist zum kostenlosen Download enthalten.
In einem Vorwort von Robert L. Leahy, Direktor des American Institute for Cognitive Therapy, wird das Werk für solche mit immer wiederkehrenden negativen Gedanken empfohlen. Clark sei anerkannter kognitiver Verhaltenspsychologe und Forscher auf dem Gebiet der Angst sowie Depression und würde in dem vorliegenden Übungsbuch viele verschiedene Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie verbinden (9). Darin werden nützliche Werkzeuge geliefert, um diesen Gedanken wirksam zu begegnen, da etwa ein Unterdrücken der Gedanken diese eher verstärkt. Repetitive negative Gedanken stehen mit einem Bedürfnis nach Kontrolle in Verbindung, welche jedoch eine Illusion sei und die Gefahreneinschätzung finde mehr im Kopf als in der Realität statt. Leahy zeichnet das Bild eines persönlichen Spitzentrainers, ‚der Sie nicht anschnautzt, sich mehr auf dem Fitnessgerät anzustrengen, sondern Sie freundlich dazu auffordert, sich mental besser in den Griff zu kriegen, und Ihnen dafür die optimalen Methoden fachgerecht zur Verfügung stellt‘ (9).
In einer Einleitung benennt David Clark als Ausgangspunkt des Übungsbuches, dass negative Emotionen, u.a. Ängste, Depressionen und Schuldgefühle ‚deswegen weiterbestehen, weil wir immer wieder denselben negativen Gedanken über belastende persönliche Erfahrungen nachhängen. Man nennt das repetitives negatives Denken (RND)‘ (11). Maßnahmen zur Wiederherstellung des emotionalen Wohlbefindens müssten dort ansetzen (11). Daher würde das vorliegende Selbsthilfebuch nicht auf eine Störung (wie Depression oder Ängste) abzielen, sondern auf ein Symptom, das vielen negativen Emotionen zugrunde liege (12). Clark geht auf den Aufbau des Buches ein und stellt Betroffenen in Aussicht, dass die Strategien und Übungen helfen würden, ‚die negativen Emotionen schließlich zu überwinden‘ (12). Besserung erfordere ein Befassen mit diesen Gedanken und eine Veränderung von Denkmustern (12). Das Buch richte sich an Menschen mit Ängsten, Depressionen, Schuldgefühlen oder Wut – ob mit oder ohne Diagnose oder Therapie (12). In den ersten Kapiteln würden auch Einschätzungshilfen zum etwaigen Therapiebedarf angeboten. Clark empfiehlt, die ersten beiden Kapitel nicht auszulassen, da diese die Grundlage für alles Folgende bilden würden (12).
Zuerst wird behandelt, was repetitives negatives Denken (RND) ist und es wird eine Selbsteinschätzung ermöglicht (Kapitel 1). Nach einem kurzen Fallbeispiel geht Clark auf die Definition von RND von Ehring und Watkins ein: als ein ständig wiederkehrender negativer Gedanke, der passiv, selbstbezogen und unkontrollierbar (16) sei. Anhand von sieben Haupteigenschaften soll die eigene Betroffenheit eingeschätzt werden (16, 17).
- Repetitiv
- Negativ
- Intrusiv
- Hartnäckig
- Unkontrollierbar
- Abstrakt
- Passiv
Es folgt eine Übung zu eigenen negativen Erlebnissen und Gedanken, die im Hinblick auf diese sieben Eigenschaften eingeschätzt werden sollen (18). Anschließend wird mit einer Checkliste zum RND ein Selbsttest angeboten, deren Aussagen auf bewährte RND- Fragebögen basieren, z.B.: ‚Mein negativer Gedanke über mich selbst oder ein Erlebnis geht mir immer wieder durch den Kopf‘ (19). Clark weist darauf hin, dass es keine festgelegten Grenzwerte gebe, dass aber eine bestimmte Anzahl an Kreuzen dafür sprechen könnte, dass RND-Kriterien erfüllt sind (19). Danach folgt eine Übung zum RND-Trigger- Tagebuch, bei der zwischen verschiedenen Triggern (Situation/​Kontext, aufdringliche/​spontane Einfälle oder Gefühle, quälende Erinnerungen) unterschieden wird (20). Daraufhin folgt eine Übung zur Einschätzung der Folgen von RND, z.B.: ‚Nahezu alles kann dazu führen, dass ich in eine Phase wiederkehrender negativer Gedanken abrutsche‘ (23). Wiederum weist Clark darauf hin, dass hier ein ‚grober Anhaltspunkt‘ geliefert werden kann, ‚ob RND eine wichtige Rolle bei Ihrem emotionalen Problem spielt‘ (24). Abschließend liefert der Autor eine Checkliste des psychischen Befindens (25), um Anhaltspunkte dafür zu liefern, ob eine psychologische Beratung empfehlenswert ist (24), z.B.: ‚Phasenweise überkommen mich negative Emotionen wie zum Beispiel Traurigkeit, Angst oder Wut (25). Hier wird nahegelegt, bei mehreren angekreuzten Aussagen vielleicht mit der Hausärztin oder Psychologin zu sprechen (26). Im Rahmen einer Therapie lasse sich das Buch gewinnbringend als Selbsthilferessource integrieren (24). Am Ende jeden Kapitels liefert Clark eine kurze Zusammenfassung und einen Ausblick.
Anschließend geht der Autor auf das Kontrollparadox ein (Kapitel 2). Clark sieht in der Selbstbeherrschung den ‚Grundpfeiler psychischer Gesundheit‘ (27), genauso wichtig sei die mentale Kontrolle. Das Kontrollparadox bestehe darin, dass, je mehr jemand ‚ihre sorgenvollen Gedanken unter Kontrolle bringen will, desto weniger Kontrolle hat sie über sie‘ (27). Clark spricht von einer Schwächung durch Überanstrengung und davon, sich zu viel Mühe zu geben (27). Die beste Methode bestehe jedoch darin, ‚die Zügel loszulassen‘ (27). Anhand einer Übung zum Eisbärenexperiment wird veranschaulicht, wieviel Mühe es kostet, sich auf einen Gedanken zu konzentrieren bzw. einen unerwünschten Gedanken zu unterdrücken (28). Zur Vertiefung wird eine weitere Übung zum Zweitage-Experiment angeboten (30, 31). Anschließend werden effektive Strategien (z.B.: ‚den Gedanken durch einen anderen ersetzen‘, 33) und ineffektive Strategien (z.B.: ‚sich selbst zurechtweisen‘, 33) ausgewiesen. Zur effektiven Steuerung des Denkens führt Clark weiter aus, dass Achtsamkeit, imaginierte Konfrontation und fokussierte Ablenkung zu den wirksamsten Strategien zählen. Positive Selbstaffirmation, kognitive Umstrukturierung und Gedanken ersetzen weisen eine mittlere Wirksamkeit auf. Am wenigsten wirksam seien Selbstkritik, Bestrafung, Zwangsverhalten, Rückversichern, Vermeidung und Gedankenstopp (Abb., 34). Manche der Strategien seien effektiv, aber schwierig zu meistern bzw. ohne professionelle Anweisung kaum erlernbar (34). Clark liefert eine Tabelle zur Darstellung der Strategien nach ihrer Wirksamkeit mit Beschreibungen und Beispielen (35, 36). Zum Abschluss des Kapitels folgt eine Übung zum Erkennen der eigenen besten Strategie im Umgang mit negativen Dingen, die den Alltag nicht beeinträchtigen (37).
Daraufhin behandelt der Autor das Thema Sorge (Kapitel 3). Während es normal sei, sich Sorgen zu machen, sei es ab einem bestimmten Ausmaß Kennzeichen von nervöser Angst. Chronische Sorge würde sich schon um Kleinigkeiten drehen, schade der Gesundheit, sei maladaptiv und erfülle die Kriterien von RND (39). Clark weist darauf hin, dass ein leichtes Leben kein Garant für Sorglosigkeit sei und umgekehrt ein schwieriges Leben nicht notwendigerweise Anlass zur Sorge gebe (39). Nach einem kurzen Fallbeispiel zu lähmender Sorge geht der Autor auf den unwiderstehlichen Drang zur Sorge ein (40). Sorge sei nach einer Definition von Clark & Beck ‚eine sich permanent wiederholende Gedankenkette, die sich […] auf ein drohendes Unheil konzentriert‘ (40), wobei die dabei durchgespielten Problemlösungen die Verunsicherung nicht vermindern können. Clark benennt sechs Hauptbestandteile der unwiderstehlichen Sorge (40, 41): Ungewissheit, Unkontrollierbarkeit, Fixierung auf Bedrohungen, Wirkungslose Strategien, Gutgläubigkeit, und fehlgeschlagene Problemlösungen. Es folgt eine Übung zur Selbstreflexion der eigenen Sorgen (41, 42). Daraufhin wird ein Selbsttest angeboten, inwieweit es sich bei eigenen Sorgen um eine chronische Form von RND handele (43), beginnend mit einer Checkliste zu Sorgen in verschiedenen Lebensbereichen (43) und mit einer anschließenden Übung zur Analyse der eigenen Sorgenbereiche anhand von verschiedenen Aussagen, z.B.: ‚Ich mache mir in mehreren Lebensbereichen Sorgen‘ (44). Daraufhin unterscheidet Clark zwischen realitätsnahe Sorgen und realitätsferne Sorgen und bietet eine Übung zu Sorgentypen (45) an, die auf eine entsprechende Einschätzung zielt. Bei realitätsnahen Problemen bieten sich Problemlösestrategien an, während bei realitätsfernen Sorgen entkatastrophisierende Interventionen und Konfrontation geeignet seien (46). Anschließend folgt eine mehrschrittige Übung zum effektiven Problemlösen. Im ersten Schritt soll das Ausmaß der eigenen Verantwortung und Kontrolle eingeschätzt werden (46, 47). Im zweiten Schritt soll das Problem so umdefiniert werden (48, 49), dass die Betroffenen etwas beschließen oder tun können, das sich im Bereich der eigenen Möglichkeiten befinde und die Situation verbessern könne (49). Dies wird auch anhand des bereits eingeführten Fallbeispiels kurz veranschaulicht (49). Im dritten Schritt wird dies in die Tat umgesetzt, mithilfe eines Handlungsprotokolls (50, 51). Auch hier und im Weiteren wird immer wieder Bezug zum Fallbeispiel genommen (52). Im vierten und letzten Schritt wird der Erfolg bewertet (52). Im Folgenden liefert der Autor einen Weg mit mehreren Phasen, um Sorgen zu entkatastrophisieren (52). Die erste Phase besteht darin, die Katastrophe zu benennen (53), wofür Clark eine Übung anbietet zur Geschichte der eigenen Katastrophe (54). In der zweiten Phase soll die Katastrophe bewertet werden. Wenig hilfreichen Denkformen wie Katastrophendenken könne gut durch kognitive Umstrukturierung begegnet werden (54). Clark bietet eine Tabelle mit verbreiteten Denkfehlern bei Sorge an (55) und eine Übung zum kognitiven Umstrukturieren (56). Dabei sollen Beweise aufgelistet werden einerseits für und gegen das Eintreten der Katastrophe und andererseits für und gegen die eigene Fähigkeit, die Katastrophe zu bewältigen (55). Anschließend sollen die eigenen Denkfehler ermittelt werden und ein Verhaltensexperiment durchgeführt werden (56). In der dritten Phase soll ein anderes Endszenario entwickelt werden und anhand einer Übung eine realistischere Prognose abgegeben werden (57). Zum Abschluss des Kapitels bietet der Autor eine Übung zur systematischen Konfrontation mit der Sorge anhand eines Arbeitsblattes an (59, 60).
Im folgenden Kapiteln geht Clark auf das Thema Grübeln ein (Kapitel 4). Während chronische Sorge bei Angststörungen auftritt, spiele Grübeln vor allem bei Depressionen eine Rolle (61). Grübeln sei der Sorge sehr ähnlich, jedoch würden Besorgte den Blick auf die Zukunft richten und sich fragen: ‚Was ist, wenn…?‘ – während Grübelnde sich der Vergangenheit zuwendeten und sich nach dem Warum fragen würden (62). Der Autor liefert eine Übung dazu, worüber sich die Betroffenen den Kopf zerbrechen (63) und zum Selbsttest wird eine Grübelskala angeboten, mit Aussagen wie z.B.: ‚Wenn ich ins Grübeln gerate, denke ich lange über das Problem nach, erlange jedoch niemals mehr Klarheit oder Einsicht‘ (64). Der Autor weist hier wiederum auf fehlende Grenzwerte hin (65). Anschließend folgt eine Übung dazu, dem nicht erreichten Ziel auf die Spur zu kommen (66), mit dem Ziel, ‚die Einstellung zu früheren negativen Erlebnissen zu ändern‘ (67). Die darauf folgende Übung zur Einsicht durch Grübeln mündet darin, dass die Betroffenen vier Dinge formulieren, die sie tun können, um dem Ziel wieder ein Stück näher zu kommen (68). Es folgt eine Übung dazu, mit einem Alternativplan ans Ziel zu gelangen (69). Daraufhin folgen mehrere Übungen mit dem Ziel, von Warum-Fragen zu Wie-Fragen zu gelangen: Ein Bewusstsein für Warum-Fragen (71), Wie statt Warum (72), Beim Grübeln in einen anderen Gang schalten (73, 74). Zum Abschluss des Kapitels folgt eine Übung dazu, spannende Sachen zu machen (75, 76).
Daraufhin behandelt der Autor das Thema Reue (Kapitel 5). Reue könne mit dem damit verbundenen selbstkritischen Denkstil Schuldgefühle wecken und Depressionen verursachen (79). Reue ist nach Clark stark mit Selbstmitleid verbunden, sei aber nicht immer schlecht: ‚Wenn sie dazu motiviert, die Richtung zu wechseln statt sich selbst zu kasteien, ist sie sogar ausgesprochen hilfreich‘ (80). Der Autor benennt sieben Faktoren des Entscheidungsfindungsprozesses, die ein Bereuen begünstigen (81, 82): bedeutsames negatives Ergebnis, Misserfolg durch Untätigkeit, Fantasievorstellungen, falsche Hoffnungen, Erklärungsnot, wahrgenommene Verantwortung und Kontrolle, und Schuldgefühle. Zum Selbsttest folgt eine Übung dazu, in welchen Lebensbereichen Reue empfunden wird (83) und eine Checkliste zu Reue, mit Aussagen, wie z.B.: ‚Ich bereue meine Entscheidungen und Handlungen oft‘ (85). Daraufhin wird eine Übung geliefert, die eigenen Optionen zu prüfen (86), was darin mündet, ein alternatives Ziel zu erwägen und zu bewerten (87). Nach Clark besteht eine ‚Diskrepanz zwischen dem, was passiert ist und dem Bild, das man sich von sich selbst macht‘ (89). Diese Diskrepanz lässt sich durch die Einsicht reduzieren, dass die Entscheidung aufgrund der vorliegenden Informationen getroffen wurde (89). Es folgt eine Übung zum Überdenken des eigenen Entscheidungsprozesses. Im ersten Teil zur Reueerzählung wird der vergangene Entscheidungsprozess rekonstruiert (90, 91) und im zweiten Teil erfolgt ein Rechtfertigungstest, mit Aussagen wie z.B.: ‚Lagen Ihnen damals genügend Informationen für eine wohlüberlegte Entscheidung oder Handlung vor, gleichwohl Sie sie heute bereuen?‘ (92). Dies mündet darin, dass die Betroffenen aufschreiben sollen, warum es sich bei damaligem Kenntnisstand um die bestmögliche Entscheidung handelte (92).
Anschließend widmet sich der Autor dem Thema Scham (Kapitel 6). Scham sei eine ‚soziale Emotion mit verheerenden Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl‘ (95), zentral sei die Abhängigkeit von der Meinung anderer (95). Scham könne zu Depressionen, Schuldgefühlen und Suizidwünschen führen, Demütigung zu Wutanfällen und Rachegelüsten (96, mit Verweis auf Gilbert). Zunächst werden in einer Übung peinliche Momente erinnert (98), anschließend werden beschämende Erlebnisse erforscht, wozu fünf Kriterien geliefert werden: Es handelte sich um eine entsetzliche Erfahrung, bei der eine soziale Grenze übertreten wurde, mit einem Verlust an Sozialstatus, anschließenden Minderwertigkeitsgefühlen und dem Bemühen, die Scham vor anderen zu verheimlichen (99). Zum Selbsttest wird eine Checkliste zur Scham angeboten, mit Aussagen wie z.B.: ‚Bei der Erinnerung an den Vorfall, rege ich mich immer noch auf‘ (101). Eine Strategie besteht darin, eine gesündere Einstellung zu entwickeln und Clark liefert eine Übung dazu, das beschämende Ereignis ins Lot zu bringen (103-106). Im ersten Schritt werden die kurz- und langfristigen Folgen betrachtet (103). Im zweiten Schritt wird herausgefunden, ob sich die Vorwürfe gegen persönliche Schwächen oder gegen situationsspezifische Verfehlungen richten (104). Im dritten Schritt werden Beweise dafür gesammelt, dass die Betroffenen einerseits verachtet und andererseits weiterhin geachtet werden (105). Im vierten Schritt wird eine alternative Sichtweise herausgearbeitet, indem einer besten Freundin ein Rat gegeben wird, die in der Vorstellung dasselbe erlebt hat (105, 106). Eine zweite Strategie besteht darin, die Schande abzuschütteln (107). Bei Scham bestehe meist der Drang, sich zu verstecken, doch Vermeidung und Passivität verstärkten die Scham, weshalb man sich konträr dazu verhalten sollte (107). Es folgt eine Übung zum eigenen Verhalten, wenn man sich schämt, mit Aussagen wie z.B.: ‚Ich meide Leute, die bei dem beschämenden Vorfall zugegen waren oder von der Angelegenheit wissen‘ (108). In einer anschließenden Übung zur Kostenbilanz werden kurz- und langfristige Kosten der Schamreaktion ermittelt (109). Daraufhin folgt eine Übung zu konträrem Verhalten, mit Aussagen wie z.B.: ‚Ich treffe Menschen, die bei dem beschämenden Vorfall dabei waren oder von der Angelegenheit wissen, und stelle mich ihnen‘ (110). Die Betroffenen sollen sich ca. zwei heftige Schamreaktionen heraussuchen und ins Gegenteil verkehren (110).
Im vorletzten Kapitel behandelt Clark das Thema Demütigung (Kapitel 7). Im Gegensatz zu den Beschämten würden die Gedemütigten ihre Behandlung ungerecht finden und sehen die Verantwortung bei ihren Peinigern (113, mit Verweis auf Elshout und andere). Und weiter spielten Demütigungen eine Rolle bei narzisstischen Rachegelüsten, bei Depressionen und Suizidalität (113). Demütigungen seien in den USA häufig im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt oder Mobbing am Arbeitsplatz zu finden (114). Zum Selbsttest folgt eine Übung zu demütigenden Erlebnissen (116) sowie eine Checkliste zur Demütigung, mit Aussagen wie z.B.: ‚Wenn ich mich an die Demütigung erinnere, werde ich wütend‘ (117). Für die weitere Bearbeitung wird vorausgesetzt, ‚dass die Misshandlung aufgehört hat‘ (119). Es folgt eine Übung mit einer Checkliste zum Selbstmitgefühl (120), bei der es darum geht, das Vorliegen von sechs Eigenschaften des Selbstmitgefühls (119, mit Verweis auf Gilbert), einzuschätzen: Fürsorge, Sensibilität, Anteilnahme, Stresstoleranz, Empathie, und nicht-wertende Haltung (120). Es folgt eine Demütigungsimagination (121) zur Konfrontation mit dem Erlebnis und daran anschließend eine Mitgefühlsimagination (122), bei der eine mitfühlende Person beim demütigenden Erlebnis aktiv dabei ist (123). Abschließend folgt eine Übung zum Selbstwerttagebuch (124, 125).
Im letzten Kapitel befasst sich Clark mit dem Thema Groll (Kapitel 8). Wie Scham sei Groll eine moralische Emotion, da nach Richtig und Falsch bewertet wird. Groll richte sich jedoch auf andere Menschen, gehe mit Wut, Neid und Schadenfreude einher (128, mit Verweis auf Feather & Sherman) sowie der Selbstwahrnehmung, sich dagegen zu wehren, der Ungerechtigkeit auf dieser Welt zum Opfer zu fallen (128, mit Verweis auf Enright). Der Autor verweist auf das Vergleichsdenken in ‚einer Wettbewerbsgesellschaft des 21. Jahrhunderts, die den Wert eines Menschen an dessen Leistung, Erfolg und Status misst‘ (127). Doch sei der Vergleich mit anderen ‚riskant, denn nicht selten sieht es für uns so aus, als würden sie besser abschneiden‘ (127). Clark benennt sechs Hauptbestandteile von Groll (128, 129):
- Wünsche und Sehnsüchte
- Missgunst
- Den Erfolg anderer als unverdient bewerten
- Beeinflussbarkeit/​Kontrollierbarkeit
- Ungerechtigkeitsempfinden
- Repetitives negatives Denken (RND)
Zum Selbsttest folgt eine Übung zu bitteren Erfahrungen (130) und eine Checkliste zu Groll, mit Aussagen wie z.B.: ‚Ich erkenne eher als andere Leute, wenn etwas in meinem Umfeld nicht gerecht oder fair zugeht‘ (131). Clark fordert zunächst dazu auf, sich mit dem eigenen Groll zu konfrontieren (133) und führt als Gegenstück zu Groll die Dankbarkeit ein, welche u.a. mit einer größeren Lebenszufriedenheit und besseren zwischenmenschlichen Beziehungen in Verbindung gebracht wird (133 mit Verweis auf Dickens). Es folgt eine Übung zur Bestandsaufnahme des Grolls, bei der sich vorgestellt wird, eine Person sei bei dem Erlebnis dabei, die findet, dass die Betroffenen nicht unfair behandelt wurden, anschließend werden die Kosten des Grolls aufgeführt und zu einer alternativen Erzählung der Geschichte angeregt (134). Daran anschließend folgt eine Übung zum Dankbarkeitstagebuch (136). Neben der Dankbarkeit sei auch die Vergebung sehr hilfreich (137). Zunächst folgt eine Übung zum Kränkungsbrief (137), daran anschließend folgt eine Übung dazu, über sich selbst hinauszuwachsen (139), die darin mündet, drei kränkende Vorfälle aus einem verständnisvolleren Blickwinkel zu beschreiben (140). Abgeschlossen wird die Übung zum Vergebungsprozess mit einer Übung zum nachsichtigen Verhalten, bei der fünf negative Verhaltensweisen im Umgang mit anderen Menschen in ihr Gegenteil gekehrt werden sollen (141).
Clark fasst zum Abschluss zusammen, dass das beste Gegenmittel bei RND sei, sich gar nicht erst darauf einzulassen: ‚Mit diesem passiv-akzeptierenden Ansatz wird die Aufmerksamkeit wieder zurück auf den gegenwärtigen Augenblick gelenkt und das Verlagen nach direkter Kontrolle über das eigene Denken aufgegeben‘ (143). Der Autor erkennt an, dass Selbsthilfe bei negativen Emotionen viel Einsicht, Motivation und Durchhaltevermögen erfordert.
Diskussion
David Clark setzt in diesem Selbsthilfebuch an repetitiven negativen Gedanken (RND) an, was er als Symptom auffasst, dass vielen negativen Emotionen zugrunde liegt. Der Autor richtet sich an ein breites Publikum und stellt Übungen bereit, die geeignet sind, um diese negativen Emotionen zu überwinden und zu emotionalem Wohlbefinden zu gelangen. Die einzelnen Kapitel starten meist mit einer prägnanten Einführung, basierend auf einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, ohne weitergehende theoretische Erörterungen, gefolgt von einem kurzen fiktiven Fallbeispiel. Anschließend wird die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen sowie zur Selbsteinschätzung gegeben, gefolgt von Übungen aus verschiedenen Bereichen der kognitiven Verhaltenstherapie. Bei den Selbsteinschätzungen werden keine Grenzwerte dargeboten, sondern von Anhaltspunkten gesprochen. In Bezug auf psychische Gesundheit ist für Clark Selbstbeherrschung und mentale Kontrolle zentral und er schafft es, das Kontrollparadox auf den Punkt zu bringen und sogleich mit einer Übung zu verbinden. Er weist darauf hin, dass bestimmte Strategien zwar effektiv, aber auch anspruchsvoll sind. Schließlich behandelt der Autor verschiedene negative Emotionen und stellt entsprechende, fundierte Übungen zur Verfügung.
Fazit
Ein Selbsthilfebuch für ein breites erwachsenes Publikum, mit anerkannten, effektiven und auch durchaus anspruchsvollen Übungen aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie, gut strukturiert und reich an Materialien, die zu einer Auseinandersetzung anregen und auch im Sinne einer Selbsterfahrung genutzt werden können.
Rezension von
Dr. Philipp Thaler
Pädagoge an der Frühförderung Kinderhilfe Treuchtlingen / Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg e.V., in Ausbildung zum psychologischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten am IVS in Fürth.
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Es gibt 13 Rezensionen von Philipp Thaler.
Zitiervorschlag
Philipp Thaler. Rezension vom 24.10.2023 zu:
David A. Clark, Claudia (Übersetzer) Campisi: Negative Gedanken bewältigen. Hilfe finden bei sorgenvollem Grübeln, Scham und anderen belastenden Gefühlen. Ein Arbeitsbuch. Junfermann Verlag GmbH
(Paderborn) 2022.
ISBN 978-3-7495-0316-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30185.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.
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