Michele L. Blume, Friederike (Übersetzer) Moldenhauer: Mit Achtsamkeit und Körperbewusstheit Ängste überwinden
Rezensiert von Ute Laß, 06.12.2023
Michele L. Blume, Friederike (Übersetzer) Moldenhauer: Mit Achtsamkeit und Körperbewusstheit Ängste überwinden. Ein körperbasierter Ansatz. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2022. 160 Seiten. ISBN 978-3-7495-0312-4. D: 24,00 EUR, A: 24,70 EUR.
Hinführung zum Thema
Frau Michelle L. Blume beschreibt auf ihrer Homepage ihr Buch als einen „sanften Leitfaden für diejenigen, die ihre Angst und Sorgen überwinden und durch Gedanken-Körper-Disziplin zu ihrer wahren Natur erwachen möchten.“
Sie beschreibt das Ziel ihres Buches wie folgt: „Mein Buch bietet ein grundlegendes, aber detailliertes Verständnis der außergewöhnlichen Beziehung zwischen Geist und Körper und zeigt, wie tiefe emotionale Wunden, die in der inneren Landschaft Ihres Geisteskörperbewusstseins eingebettet sind, auf die Ursprünge deiner chronischen Angst und Sorge hinweisen“.
Aber was ist Angst?
„Angst ist eine Emotion, die in bedrohlichen Situationen auftritt.“ Somit ist sie eine normale menschliche Reaktion, die das Überleben sichert.
Und was sind Angstzustände?
Laut der Stiftung Gesundheitswissen besteht eine Angststörung, „wenn Angstreaktionen in eigentlich ungefährlichen Situationen auftreten. Die Angst steht in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung. Betroffene erleben die Angst dennoch psychisch und körperlich sehr intensiv.“ (https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/angststoerung/hintergrund Zugriff 10/2023)
Dadurch, dass diese „Angsterlebnisse“ zu bestimmten Situationen oder an bestimmten Orten auftreten, meiden Betroffenen diese angstauslösenden Situationen bzw. Orte. Die extremste Folge kann der vollkommene Rückzug der Betroffene aus dem Leben sein.
Autor:in
Michele L. Blume ist klinische Psychologin und EMDR*-Therapeutin in eigener privater Praxis in Redondo Beach, Kalifornien. Sie arbeitet mit vielen Menschen, die unter einem frühkindlichen Trauma leiden und dessen Auswirkungen deren Leben sehr stark beeinflussen, wie z.B. im Aufbau und Halten von Beziehungen. Mit Hilfe von Geist-Körper-Integrationen will sie Entwicklungstraumata heilen.
Desweitern sind ihre Tätigkeitsschwerpunkte die Unterstützung von Menschen mit anhaltenden Angstzuständen und Depressionen sowie Menschen, die unter dem emotionalen Schmerz in Form von Verlust und/oder Trauer leiden, und Menschen, die mit Sucht und Essstörungen zu kämpfen haben.
Die Autorin des Vorwortes, Dr. Arielle Schwarz, ist ebenfalls klinische Psychologin und EMDR*-Therapeutin sowie Yoga-Lehrerin. Auch sie ist in eine eigene Praxis in Boulder, Colorado, tätig.
* EMDR: „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ (Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung)
Entstehungshintergrund
Das Selbsthilfe-Buch richtet sich an Menschen, die mit Achtsamkeit und Körperbewusstheit ihre Ängste überwinden möchten. Es werden Selbsteinschätzungsübungen bereitgestellt und mit Praxisbeispielen untermauert.
Aufbau
In dem Buch schreibt – nach einem theoretischen Input zur Entstehung von Ängsten und dessen Zusammenhang mit dem menschlichen Nervensystem – Michele L. Blume, dass Ängste oft mit Situationen bzw. Erfahrungen aus der Kindheit zusammenhängen. Sie beschreibt in folgenden Kapiteln unterschiedliche Angstformen und zeigt in jedem Kapitel mit spezielle Übungen Möglichkeiten auf, wie Betroffene versuchen können, diese Ängste zu mindern bzw. abzubauen.
Inhalt
Zu Beginn ihres Buches setzt sich Michele L. Blume mit „Angst und das somatische Selbst“ auseinander. Sie beschreibt, was Angst in einem Menschen auslösen kann. Verdeutlichen tut sie dies sehr anschaulich anhand von Angstzuständen einer von ihr betreuten Patientin.
Sie möchte aber den Blick nicht nur auf die körperlichen Reaktionen bei Angstzuständen legen, sondern betrachtet in diesem Zusammenhang auch den „Geist“. Somit fordert sie die Lesenden auf, auf eine ganzheitliche Wahrnehmung zu achten. Sie nutzt dazu den Begriff nach Eugene Gendlin „Felt-Sense-Erleben“. Dieser Begriff kann mit „gefühlter Bedeutung bzw. körperlich gespürte Gesamterfahrung“ übersetzt werden.
Im ersten Kapitel schreibt sie: „Angst ist ein Zustand gegenwärtiger Furcht, der auf früheren Erfahrungen beruht und der Einfluss darauf hat, was Sie von der Zukunft erwarteten“. Somit verdeutlicht Blume, dass ein früheres Ereignis meine Ängste beeinflussen und ich dieses Ereignis bearbeiten sollte, um meine Ängste zu mindern bzw. zu verlieren.
Bevor Michelle L. Blume die unterschiedlichen Angstzustände thematisiert, führt sie die Lesenden in die Neurobiologie ein, um ein Grundverständnis für das vegetative Nervensystem des Menschen zu bilden: Sympathikus – Parasympathikus – Hirnstamm – limbische System – Neocortex (rechte und linke Hemisphäre).
Im zweiten Kapitel setzt sich Michelle L. Blume mit ihrem Verständnis von „achtsamer Körperbewusstheit“ auseinander. Sie schreibt „achtsame Körperbewusstheit ist die Fertigkeit, der einzigartigen Stimme des Körpers zu lauschen, zu verstehen, was sie Ihnen mitteilt und dies Information zu nutzen, um die Angst hinter sich zu lassen.“ Somit ist es ihrer Meinung aufgrund der „Felt-Sense“ nach möglich, die eigene Körperreaktion zu kontrollieren und mögliche Angstzustände zu vermeiden. Auch hier verdeutlicht Michelle L. Blume ihre Analyse mit Hilfe von Patient:innenbeispielen, die sie begleitet hat. Den Lesenden stellt Michelle L. Blume eine „Vier-Schritt-Methode“ vor, um selber achtsames Körperbewusstsein zu entwickeln: Spüren – Beobachten – Ausdrücken – Reflektieren (kurz SBAR). Als Erstes soll der oder die Lesende den eigenen Körper in der beängstigenden Situation spüren, anschließend die entsprechende Empfindung beobachten und im nächsten Schritt die Beobachtung verbal ausdrücken. Am Ende erfolgt die Reflektion.
Durch diese Handlungen werden sowohl die linke als auch die rechte Hirnhälfte angeregt und sowohl das Nervensystem reguliert als auch „Felt-Sense“ ermöglicht.
Im Anschluss bietet Michelle L. Blume für diese vier Schritte verschiedene Übungen an, damit die Lesenden den „SBAR-Prozess“ zur Erfahrung der „Achtsamen Körperbewusstheit“ nutzen und verinnerlichen können, um so schwierige Situation besser bewältigen zu können und eventuell auch den Ursprung der Angst zu ergründen bzw. die Ursache der Angst aufzulösen.
Das dritte Kapitel beginnt gleich mit einer Übung, die die Lesenden durchführen sollen, um das eigene Körperempfinden zu aktivieren (das „somatische Selbst“), Empfindungen wahrzunehmen, „Felt-Sense“ zu erleben. Die Menschen haben laut Michelle L. Blume verlernt auf den eigenen Körper zu hören, somit ihre Gefühle wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Auch hier verknüpft sie ihre Ausführungen mit einem Patientenbeispiel. Sie schildert, dass Menschen meist unangenehme Körperempfindungen vermeiden, kurzfristig führt das zu keinen Komplikationen, doch hält die Vermeidungsstrategie an, kann es zu erheblichen gesundheitlichen Problemen für den- oder diejenigen führen – man ist „somatisch abgekoppelt“.
Michelle L. Blume verdeutlich in diesem Kapitel, dass sich das unbewusste somatische Gedächtnis eines Menschen, also der Umgang mit Gefühlen, in den ersten Lebensjahren entwickelt. Sie verknüpft ihre Ausführungen mit neurobiologischen Untersuchungen sowie dem bereits oben erwähnten Patientenbeispiel.
Im Anschluss an diesen Ausführungen werden die Lesenden aufgefordert durch verschiedene Übungen sich mit ihrem „somatisches Selbst zu verbinden und ihre SBAR-Fähigkeiten zu verbessern.“
„Angst und Angstreaktionen“ werden im vierten Kapitel thematisiert. Nachdem die Lesenden nun Erfahrung mit ihrem „somatischen Selbst“ hatten, wird im Folgenden versucht, die „somatischen Informationen bezüglich“ der individuellen „Angst zu interpretieren“. Angstreaktionen sind spontane Reaktionen auf bestimmte, in der Regel bedrohliche Situationen. Daher ist es hilfreich zu ergründen, warum eine Angstreaktion in einer bestimmten Weise erfolgt und wodurch diese Angstreaktion ausgelöst wird. Auch hier verknüpft sie ihre Ausführungen mit neurobiologischen Hintergrundwissen. Im nächsten Schritt werden die Lesenden in einer Übung aufgefordert sich ihrer individuellen körperlichen Angstreaktion und deren Auslöser (physiologische Symptome) bewusst zu machen. Auf Angst folgt meist der Wunsch dieses unangenehme Gefühl wieder los zu werden. Diese Reaktionen werden als Kampf- oder Fluchtreaktionen oder als Regungslosigkeit betitelt.
Nach einer kurzen Patientenbeschreibung in solch einer Situation erfolgt wieder eine Möglichkeit der individuellen Übung, um sich mit den eigenen verhaltensbezogenen Reaktionen auseinanderzusetzen.
Angstreaktionen hängen mit bestimmten Gedankenmustern zusammen und lähmen Menschen anders in diesen Situationen zu reagieren bzw. zu agieren. Michelle L. Blume führt im Folgenden in die Ursprünge und den Einfluss angstbasierender Gedanken und Überzeugungen ein.
Auf das Phänomen der „Überkopplung“ im Rahmen der Angstreaktionen legt die Autorin ein besonderes Augenmerk. Hierbei werden verschiedene negative Erfahrungen verknüpft und auf andere Situationen übertragen, auch wenn von diesen keine Gefahr ausgeht. Das Gedankenkarussell besteht aus „Wenn … geschieht, dann wird … passieren“. In wieweit die Lesenden das „Überkopplungs-Narrativ“ selber anwenden, können sie mit einer dem Unterkapitel abschließenden Übungen erforschen.
Zum Abschluss dieses Kapitels bietet Michelle L. Blume einen Einblick in „drei sensorische Feedbacksysteme des Nervensystems“ an: Exterozeption, Propriozeption und Interozeption. Sie helfen auf das „unbewusste Gedächtnissystem zu zugreifen“, um so auch Angstreaktionen zu verstehen, die anscheinend ohne spezielle Auslöser erfolgten.
Exterozeption beschreibt die Außenwahrnehmung. Um Angstreaktionen zu analysieren, sollten Betroffene immer die Situationsumgebung – sowohl die bewusst als die unbewusste – genauer betrachten.
Bei der Propriozeption handelt es sich um eine Eigenwahrnehmung des Körpers: Wie sich dieser im Raum bewegt, was er in einer bestimmten Situation tut.
Die Interozeption wird in dem Buch als „Herzstück der Achtsamen Körperbewusstheit“ genannt. Hierunter ist die eigene Körperwahrnehmung, wie Hunger oder Durst, aber auch Körpertemperatur und Anspannung zu verstehen.
Nach diesem psychologischen Input haben die Lesenden die Möglichkeit sich mit diesen drei sensorischen Feedbacksystem in einer Übung auseinanderzusetzten. Am Ende des Kapitels nimmt Michelle L. Blume wieder Bezug zu der Patientin, die sie bereits in diesem Kapitel vorgestellt hat und zeigt auf, welche Wirkung diese Übung hatte.
Nachdem die Lesenden nun ihre „somatische“ Körperreaktionen aufgrund von Ängsten nachvollziehen können, lenkt Michelle L. Blume im nächsten Kapitel, dem Kapitel 5, den Blick auf die „kognitiven Elemente der Angstreaktionen“.
Gerade in den ersten Lebensjahren werden „Gedankenmuster“ und „Grundüberzeugungen“ gebildet und in der rechten Hemisphäre verankert, ohne die bewusste Einflussnahme des Menschen. Michelle L. Blume veranschaulicht diesen Prozess anhand der Kombination von heutigen Lebenserfahrungen und Kindheitserfahrungen eines ihrer Patienten. Aufgrund bestimmter Überzeugungen, die sich in der Kindheit manifestierten, war es ihm im heutigen Leben nicht möglich aus seinem Verhaltensmuster und daraus folgenden Angstreaktionen auszubrechen. Negative Gedanken und Grundüberzeugungen haben ihren Ursprung in den Erfahrungen in der Kindheit. Sie werden so verinnerlicht, dass sie auch im Erwachsenenalter einen Menschen in seinem Handeln (negativ) beeinflussen. Um sich den Erfahrungen aus der frühen Kindheit bewusst zu machen, ist das bereits dargestellte „Konzept der Überkopplung“ nützlich. Man muss also bewusst alte bzw. gewohnte Strukturen aufbrechen – „entkoppeln“, um Änderungen im Geist und Körper zu ermöglichen.
Mit Entkopplungsübungen können die Lesenden diesen Schritt gehen und ihre Denkmuster und Grundüberzeugungen aus der Kindheit bewusst wahrnehmen, die unter Umstände den Ängsten zugrunde liegen, und in positive umformulieren lernen, um wieder in ein „Achtsamens Körperbewusstsein“ zu gelangen.
Im folgenden Kapitel 6 wechselt Michelle L. Blume die Blickrichtung. Bisher war diese nach innen gerichtet. Nun wird der Blick des „Geist-Körper-Systems“ auf die Betrachtung der Welt gerichtet. Wie also nimmt der ängstliche Mensch die Welt wahr. Angst beruht auf Erfahrungen aus der Vergangenheit, z.B. der frühen Kindheit, und beeinflusst auf dieser Grundlage das heutige sowie zukünftige Handeln bzw. die Erwartungen auf das Heute und Morgen. „Das, was war, ist das, was sein wird.“ Durch diese Aussage wird deutlich, dass das was man befürchtet auch (oft) eintritt.
Aus diesem Grund können die Lesenden in der nächsten Übung ihre Wahrnehmungen kritisch hinterfragen und versuchen einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Welche Wirkung soll ein Perspektivwechsel haben kann beschreibt Michelle L. Blume wiederanschaulich anhand einen von ihr begleiteten Patientenbeispiels.
Das Problem ist, dass man lernen muss, sich auf die Ignoranz der Vergangenheit und der Akzeptanz der Gegenwart einzulassen. Michelle L. Blume bezeichnet dies gemäß Rotschild als „duales Gewahrsam“. Die Vergangenheit muss nicht die Gegenwart darstellen. Wenn die Lesenden diese Abgrenzung vornehmen können, können sie ihre Wahrnehmungen kritisch reflektieren und beginnen ihre Ängste zu verarbeiten. Auch hierzu werden im Anschluss Übungen auf der Grundlage der vorangegangenen Übungen angeboten und mit der weiterführenden Darstellung des Patientenbeispiels untermauert.
Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Angst und Grenzsetzungserfahrungen. Grenzen zu setzen dienen u. A. der individuellen Lebenserhaltung als auch der Lebenserhaltung der Mitmenschen. Grenzen bieten einen Schutz bis hin zu einem Schutzwall. Doch man muss überhaupt in der Lage sein Grenzen zu setzen. Michelle L. Blume unterscheidet die innere und die äußere Grenze. Starke innere Grenzen schützen das Individuum, sodass das „Felt-Sense“ ausgewogen ist. Man fühlt sich nicht vor der Wahrnehmung der Wirklichkeit bedroht. Äußere Grenzen bestimmen, wie nah ein Mensch andere in seiner Umgebung an sich heranlässt. Dieser Abstand kann in Abhängigkeit der Personen zwischen Millimeter und etliche Meter differieren. Äußere Grenzen betreffen aber auch materielle Dinge. Besonders deutlich wird der Übertritt dieser äußeren Grenze, wenn jemand in die Wohnung eines anderen einbricht. Hier die Schutz- und Hilfslosigkeit bei dem Geschädigten durch den Grenzübertritt besonders deutlich.
Nachdem die Grenzarten betrachtet wurden, zeigt Michelle L. Blume im Folgenden vier Abgrenzungsstile auf, wie der Mensch Grenzen ziehen kann.
Zum einen wären da die „lockeren Grenzen“. Menschen, die vorrangig lockere Grenzen ziehen, stellen die Bedürfnisse anderer über die eigenen. Hier existieren laut Michelle L. Blume Ängste der Ablehnung oder des Verlassenwerdens. Dadurch sagt dieser Menschentyp eher „Ja“, obwohl er lieber „Nein“ sagen möchte. Durch diese lockeren Grenzen ist der Mensch offen für die Bedürfnisse der anderen, verliert aber u.U. seine eigenen. „Starre Grenzen“ auf der anderen Seite schützen die individuelle Privatsphäre. Dieser Menschentyp sagt fast generell „Nein“. Das führt aber u.U. auch zur Einsamkeit, da keine Nähe zugelassen werden kann. „Oszillierende Grenzen“ sind ein hin und her von locker und starr: Man tut sich sowohl im „Ja-Sagen“ als auch im „Nein-Sagen“ schwer. Hilfsbereitschaft und Abgrenzung stehen hier im Widerspruch und somit ist eine Abgrenzung schwer zu realisieren. Als letzter Abgrenzungsart werden die „flexiblen Grenzen“ thematisiert. „Flexible Grenzen“ basieren auf einem situativen Ansatz. So ist der Mensch in Abhängigkeit der konkreten Situation in der Lage entweder „Ja“ oder „Nein“ zu sagen ohne dabei Schuldgefühle oder Ängste zu projizieren.
Die Lesenden haben anschließend die Möglichkeit mit Hilfe von Übungen ihren eigenen Abgrenzungsstil zu analysieren sowie „Nein-Sagen“ auszuprobieren.
Im achten Kapitel werden „Angst und Beziehungen“ thematisiert. Der Mensch benötigt Beziehungen wie die Luft zum Atmen. Beziehungen fördern Sicherheit und Geborgenheit und vermindern Angstreaktionen. Aber aufgrund frühkindlicher Erfahrungen können gerade durch Beziehungen auch Ängste und Angstreaktionen entstehen. Michelle L. Blume bezeichnet die Fähigkeit „Ausgeglichenheit und Sicherheit in Partnerschaften und sozialen Beziehungen zu erfahren“ als „Ko-Regulation“. Sie äußert sich z.B. in der der Wahrnehmung von positiver nonverbaler Kommunikationsmethoden und der daraus entstehenden Empathie. Fehlte diese positive Ko-Regulation in der frühkindlichen Entwicklung, so werden die Erwachsenen erhebliche Probleme in der Bewältigung von Angst und Sorgen haben. Aber auch im Leben von Erwachsen ist die „Ko-Regulation“ nicht immer beständig. Beziehungen verändern sich, gehen kaputt, werden wieder aufgebaut. In Abhängigkeit der in der Kindheit gemachten Erfahrungen, reagieren Menschen auf diese „Brüche“ sehr unterschiedlich. Unterstützt wird diese These mit Schilderung eines Patientenbeispiels aus der Praxis von Michelle L. Blume. Die Lesenden können selber durch diverse Übungen ausprobieren, wie sie Beziehungen in vergangenen Situationen erlebt und darauf reagiert haben.
Das vorletzte Kapitel 9 ist mit „Angst und Spielen“ betitelt. Das Spiel ist lt. Michelle L. Blume ein „wirksames Gegenmittel gegen Angst und Sorgen“. Aber auf der andren Seite blockieren Angst und Sorgen auch das freie Spiel. Mit Spiel wird meist Spaß – Lebensspaß – verbunden. Das bedeutet aber auch, dass die Spielenden offen und bereit für das Unbekannte sein sollten. Ist dies nicht der Fall, treten beim Spiel Ängste auf, die die Spielenden einschränken. Die beim Spielen aufkommenden negativen Gefühle haben meist einen Ursprung in der Kindheit in der Verbindung mit negativen Erfahrungen aus der „Ko-Regulation“. Somit ist die Möglichkeit seine Potenziale auszuleben nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich.
Im letzten Kapitel 10 wird der „Weg der Heilung“ betrachtet. Sich mit seiner eigenen Angst auseinanderzusetzen, ist der erste Schritt der Heilung. Angst bzw. Angstzustände zu heilen ist allerdings ein komplexes Vorhaben, da Angst auch ein notwendiges Phänomen ist, somit muss man bereit sein, seine „Sichtweise auf die Angst“ sowie „auf sich selbst“ zu verändern. Michelle L. Blume fordert die Lesenden auf, ehrlich gegenüber sich selber zu sein, um mutig diesen Weg der Heilung gehen zu können. Neben Mut und Ehrlichkeit ist für diese Weg aber auch „Beständigkeit“ erforderlich. Denn der Weg der Heilung kann sehr lang und mühevoll sein. Die Lesenden sollten sich dann eher eine Pause im Heilungsprozess gönnen als aufzugeben und nicht in alte Angstreaktion zurückzufallen.
Diskussion
Michelle L. Blume stellt in diesem Selbsthilfebuch verschiedene Strategien zur Überwindung von Angstzuständen verbunden mit neurologischem Wissen vor. Sie stellt dazu den Lesenden verschiedenen Übungen zur Verfügung, deren Durchführung sie anhand von Patientenbeispielen aus ihrer Praxis beschreibt. Diese angeführten Patienten haben den Luxus, dass sie durch Michelle L. Blume intensiv betreut wurden. Teilweise sind die im Buch vorgestellten Übungen sehr intensiv und können m.E. zu Reaktionen führen, die unbedingt einer professionellen Betreuung bzw. Aufarbeitung bedürfen. Das Körperbewusstsein in Bezug auf Angst wird in diesem Buch sehr intensiv thematisiert und mit zahlreichen Fallbeispielen ausführlich beschrieben.
Fazit
Rebekkah LaDyne schreibt auf dem Buchrücken, dass sie dieses Buch „all jenen, die unter Ängsten leiden, genauso wie Menschen, die anderen in ihrem Kampf gegen Ängste helfen“ empfiehlt. Den letzten kann ich dieses Buch auch empfehlen, gerade wenn sie Übungen für die zu Betreuende suchen. Aber nur den letzten.
Rezension von
Ute Laß
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Es gibt 3 Rezensionen von Ute Laß.
Zitiervorschlag
Ute Laß. Rezension vom 06.12.2023 zu:
Michele L. Blume, Friederike (Übersetzer) Moldenhauer: Mit Achtsamkeit und Körperbewusstheit Ängste überwinden. Ein körperbasierter Ansatz. Junfermann Verlag GmbH
(Paderborn) 2022.
ISBN 978-3-7495-0312-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30187.php, Datum des Zugriffs 07.10.2024.
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