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Alice Romanus-Ludewig: Trauma bewältigen

Rezensiert von Prof. Dr. med. Vera Hähnlein, 19.06.2024

Cover Alice Romanus-Ludewig: Trauma bewältigen ISBN 978-3-7495-0324-7

Alice Romanus-Ludewig: Trauma bewältigen. Übungen zur Selbsthilfe und für die Therapie. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2022. 164 Seiten. ISBN 978-3-7495-0324-7. D: 22,00 EUR, A: 22,70 EUR.
Reihe: aktive Lebensgestaltung. Traumabewältigung.

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Thema der Publikation

Das Buch versteht sich als „Krisenbegleiter“ für Betroffene. In diesem Sinn bietet es als Ratgeber „Hilfe zur Selbsthilfe“ – entweder, um einen laufenden Traumatherapieprozess zu unterstützen, oder auch, um Anleitung zur Entfaltung der Selbstheilungskräfte zu geben.

Autor:in oder Herausgeber:in

Alice Romanus-Ludewig ist als promovierte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in eigener Psychotherapeutischer Praxis niedergelassen. Die von ihr entwickelte Therapiemethode, die sich „RebiT“ (Resilienz- und bindungsorientierte Traumatherapie) nennt, orientiert sich an den anerkannten Therapierichtlinien für die Behandlung von Traumafolgestörungen. Alice Romanus-Ludewig bildet Traumatherapeut:innen aus und hat bereits mehrere Bücher, u.a. auch ein Handbuch zu der von ihr entwickelten Resilienz- und bindungsorientierten Traumatherapie (RebiT) veröffentlicht.

Aufbau

In einem 1. Teil des Buches wird den direkt adressierten Leser:innen allgemeinverständlich erläutert, was ein psychisches Trauma ist, was es von einer „normalen“ Belastung unterscheidet und was es in der Psyche bewirkt. Die „traumatische Falle“ als eine Situation, in der es keinen Fluchtweg gibt und ein Kampf zwecklos oder nicht möglich ist, wird zusammen mit den psychischen Reaktionen erklärt. Dabei wird differenziert, dass ein Trauma nicht zwangsläufig krank machen muss, sondern oft auch durch Selbstheilungskräfte überwunden werden kann. Es kann sich aber auch eine Traumafolgestörung, etwa eine Posttraumatische Belastungsstörung, entwickeln. Die Autorin beschreibt in dem Zusammenhang folgende „vier Symptome“ als typisch: Sich aufdrängende Erinnerungen (Intrusionen), Gefühlsleere und depressive Verstimmungen, Vermeidung und Übererregung (Hyperarousal, Hypervigilanz).

Neben einem ersten Überblick über die Funktionsweise und den Verlauf einer Traumatherapie sowie Empfehlungen zur Stärkung der eigenen psychischen Gesundheit bzw. Resilienz werden Hilfestellungen zur Klärung gegeben, ob eine Traumatherapie hilfreich oder erforderlich ist und wie ein:e individuell geeignete:r Therapeut:in gefunden werden kann.

Im 2. Teil des Buches wird die „Stabilisierung“ als äußerst wichtige, meist unerlässliche erste Phase der Traumatherapie ins Zentrum gestellt. Die Autorin hat unter Bezug auf ihre Methode RebiT ihre Favoriten zu den einzelnen Stabilisierungszielen unter der Vielfalt bekannter Methoden als „Big Five der Stabilisierungsphase“ zusammengefasst. Die Techniken werden detailliert mit den erforderlichen Hinweisen und auch hilfreichem Arbeitsmaterial dargestellt. Die Mehrzahl kann so auch zur Selbstanwendung vor oder begleitend zu einer Therapie eingesetzt werden. Neben Imaginationsübungen (wie dem Sicheren inneren Ort, Kraftbaum, Tresorübung etc.) werden hier auch Skills (wie Reorientierungsübungen, Dissoziationsstopps, Liste angenehmer Tätigkeiten etc.) beschrieben.

Im 3. Teil wird die eigentliche „Traumakonfrontation“ beschrieben, die ausschließlich im Rahmen einer Psychotherapie mit entsprechend qualifizierten Therapeut:innen erfolgen soll. Hier gibt die Autorin unterschiedliche Empfehlungen, wann aus ihrer Sicht eine Traumaexposition sinnvoll erscheint.

Von den verschiedenen traumatherapeutisch etablierten Methoden hat die Autorin im Rahmen ihres Programms „RebiT“ die Bildschirmtechnik (Screening) ausgewählt, die hier ausführlich beschrieben wird. Sie verweist nachdrücklich darauf, dass die folgenden „Therapieschritte“ ausschließlich gemeinsam mit qualifizierten Therapeut:innen erfolgen sollten.

Das Ziel dieser ausführlichen Darstellung im Buch, so wird ausdrücklich betont, ist keinesfalls die eigenständige Durchführung, sondern die innerliche Vorbereitung auf das, was die Klient:innen in einer Traumatherapie erwartet. Das soll helfen, Erwartungsängste zu reduzieren und sich mit geringerer Anspannung auf das Verfahren einzulassen. Das beispielhafte konkrete Wortprotokoll einer fiktiven Expositionssitzung macht die Schilderungen besonders plastisch.

Im 4. und letzten Teil des Buches wird auf die ggf. erforderliche Nacharbeit nach einer erfolgreichen Durcharbeitung der traumatischen Szenen eingegangen. Gefühle der Trauer, das empfundene Bedürfnis nach Rache oder Vergebung und die Klärung der Sinnfrage mit der Suche nach alten oder neuen Zielen sind hier Thema.

Diskussion

Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch nicht um einen der vielen Selbsthilferatgeber zum Positiven Denken nach erlebtem Psychotrauma. Vielmehr wird ganz konkret aus der Praxis der wissenschaftlich fundierten Traumatherapie in allgemeinverständlichen Worten und Bildern berichtet. Es werden detaillierte Einblicke in das Geschehen in den verschiedenen Phasen einer Traumatherapie möglich gemacht. Partiell wünscht man sich eine höheren Passungsgrad mit der Fachliteratur, damit Klient:innen sich ggf. dort vertiefend informieren können. So ist die Posttraumatische Belastungsstörung nach internationalem Standard durch drei Symptomkategorien charakterisiert. Die korrekte Darstellung hilft, anschlussfähig zu sein und die Lücke zwischen Ratgeberliteratur und Fachliteratur zu schließen.

Die Autorin hat sich neben einer klinischen Tätigkeit als Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit den Grundlagen der tiefenpsychologisch fundierten Therapie, des NLP und der Hypnotherapie intensiv mit der Psychotraumatologie und traumazentrierten Psychotherapie befasst. Bei ihren „Big Five“ hat sie Techniken der Imagination und Hypnotherapie bis hin zu Dissoziationsstopps zusammengetragen, die in der Stabilisierungsphase gut erprobt und etablierter Standard sind. Positiv ist ferner hervorzuheben, dass hier sehr klar erläutert wird, welche dieser Techniken gut und sicher allein praktiziert werden können und welche einem therapeutischen Kontext vorbehalten bleiben sollten.

Gerade auch in dem Abschnitt zur Neuorientierung nach erfolgter Traumaexposition finden sich kluge Gedanken und Anregungen zur Entwicklung individueller Trauerrituale und zur vertieften Suche nach Zielen und Inhalten für die persönliche Weiterentwicklung.

Fazit

Das für interessierte Laien gut verständliche und gleichzeitig für eine hilfreich distanzierte Betrachtung Betroffener nützliche Buch wird seinen Ansprüchen durchaus gerecht. Es kann als „Begleitbuch“ für eigene Stabilisierungsarbeit oder auch neben einer professionell durchgeführten Traumabehandlung sehr gut empfohlen werden.

Literatur

Romanus-Ludewig, A. (2019). Resilienz- und bindungsorientierte Traumatherapie (RebiT): Ein Handbuch. Paderborn: Junfermann Verlag.

Rezension von
Prof. Dr. med. Vera Hähnlein
Professorin für Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Beratung an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin
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Es gibt 3 Rezensionen von Vera Hähnlein.

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ISSN 2190-9245