Dirk Eilert: Integratives Ego-State-Coaching mit emTrace
Rezensiert von Elke Michauk, 24.11.2023

Dirk Eilert: Integratives Ego-State-Coaching mit emTrace. Emotionscoaching mit Persönlichkeitsanteilen. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2023. 320 Seiten. ISBN 978-3-7495-0345-2. D: 39,00 EUR, A: 40,10 EUR.
Thema
Mit nur einem Klick können weltweite Konflikte, Krisen, Kriege… Bestandteil unseres Alltags werden. Die zunehmenden Herausforderungen im Globalen hinterlassen ihre Spuren im Individuellen. Inflation, politische Umstürze, existenzielle Ängste, zunehmender Hass und Anfeindungen, das Spannungsfeld zwischen Anforderungen und eigenen Ressourcen… befeuern den Wunsch nach Harmonie – wenigstens im Inneren. Die Sehnsucht nach einem Platz, an dem alles „im Lot“ ist, sich ganz anfühlt, nimmt gleichzeitig zu. Kurz: Menschen sind vermehrt auf der Suche nach Stabilität, Orientierung und Ausgeglichenheit in turbulenten Zeiten. Die Suche danach im Außen wird rasch enttäuscht und/oder nicht nachhaltig befriedigt. Dabei liegt dieser Ort doch so nah: in uns selbst; im konsistenten Zusammenspiel unserer Persönlichkeitsanteile.
Unser Alltag und unsere Sprache bietet bereits eine Reihe von Anknüpfungspunkten für das integrative Emotionscoaching mit Persönlichkeitsanteilen. Viele kennen den „inneren Schweinehund“ oder die Aussage „ich bin hin- und hergerissen“. Es scheint, als seien wir unterschiedliche Menschen in ein und demselben Körper. Widersprüchliche Persönlichkeiten, die gegeneinander arbeiten und uns auf diese Weise das Leben schwer machen. „Wer bin ich und wenn ja wie viele?,“ trifft dabei den Nagel auf den Kopf.
Mit seiner neuesten Publikation bietet Eilert Coaches eine Möglichkeit an, die Erfahrungswelt der sie aufsuchenden Menschen aufzugreifen und mithilfe des integrativen Ego-State-Coachings mit emTrace nachhaltig zu verändern.
Autor
Dr. Dirk W. Eilert ist Wirtschaftspsychologe und spezialisiert auf emotionale Intelligenz. In diesem Zusammenhang hat er 2018 emTrace entwickelt und seither praxisorientiert weiterentwickelt. Der Autor ist darüber hinaus einer der führenden Mimik- und Körpersprachenexperten im deutschsprachigen Raum.
Aufbau
Die vorliegende Publikation umfasst 328 Seiten. Sie ist in drei große Abschnitte unterteilt:
- Teil Grundlagen der Teilearbeit
- Prozessziele der Teilearbeit im Emotionscoaching
- Emotionscoaching – Interventionen der Telearbeit
Die drei großen Abschnitte werden gerahmt von einer Einleitung („Zwei Seelen wohnen ach! In meiner Brust“ – eine Einführung in die Teilearbeit) sowie einem Schlusswort (Der Beginn einer faszinierenden Reise) und einem Anhang.
In den Grundlagen der Teilearbeit (Teil 1) werden zunächst die Grundprinzipien der Teilearbeit eingeführt. Diese werden um Ausführungen zu den Kategorien von Persönlichkeitsanteilen ergänzt.
Diesen Ausführungen folgt die Einführung der insgesamt sieben Prozessziele (Teil 2). Die Ausführungen folgen dabei jeweils dem gleichen Aufbau: Zunächst wird das Prozessziel beschrieben, um daran anschließend anhand von kurz vorgestellten Interventionen und Methoden/Tools den Wirkungsmechanismus zu verdeutlichen.
In Teil 3 (Emotionscoaching – Interventionen der Telearbeit) folgen Ausführungen zu einer Wirksamkeitsstudie zur Planung und Durchführung eines Ego-State-Prozesses anhand des Empowering Parts-Prozess. Darauf aufbauend werden die Interventionen Smart Part Lab, Core-Transformation, Parts-Negotiation-Prozess und das Wesource-Meeting vor dem Hintergrund der Prozessziele beispielhaft und praxisnah kurz vorgestellt. Ergänzt werden die Ausführungen durch Erläuterungen zum One-Eye-Spotting und dem Myostatiktest. Der letzte Teil schließt mit einem emTrace-Interventionskompass der Teilearbeit in Form einer Tabelle.
In allen drei Abschnitten finden sich immer wieder Coachingtipps sowie Reflexionsangebote. Diese sind jeweils in einer grauen Box vom Rest des Textes abgegrenzt. Zudem werden die Ausführungen an einigen Stellen durch QR-Codes ergänzt. Die vorliegende Hardcopy der Publikation kommt beim Kauf mit einem eBook (ohne zusätzliche Kosten).
Inhalt
„Zwei Seelen wohnen ach! In meiner Brust“
Der Autor leitet mit einem Praxisbeispiel und verschiedenen Metaphern, die sich im Alltag und in Sitzungen mit Klienten und Klientinnen immer wieder finden, in das Themenfeld der vorliegenden Publikation ein. Ziel der Publikation ist die Kompetenzvermittlung, um „mit emotionalen Kernthemen, die auf der zweiten neurologischen Ebene liegen, im Emotionscoaching gekonnt umzugehen.“ (S. 10). Coaching arbeitet mit Glaubenssätzen und Werten, dem Level 2 des Wholeception-Klärungsmodels. Um diese besser für das Emotionscoaching mit Persönlichkeitsanteilen greifbar zu machen. Hierzu beleuchtet der Autor überblicksmäßig die Ebenen „Identität“ (Level 3) und „Emotionen“ (Level 1) des gleichnamigen Models. Für detaillierte Informationen zum Wholeception-Klärungsmodel wird auf das Grundlagenbuch „Integratives Emotionscoaching mit emTrace. Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt“ (Eilert 2021) verwiesen. Ergänzt wird die Einleitung durch einen emTrace Coachingtipp zur Wahrnehmung von Persönlichkeitsanteilen im Alltag.
Grundlagen der Teilearbeit
Emotionscoaching wird zunächst mit der Metapher einer Reise, Expedition eingeführt. Eine Expedition deren Territorium das emotionale System ist. Ein System dem sich Coaching durch Hilfsmittel in Form gezielter Interventionen und Erklärungsmodelle zu nähern versucht (S. 15).
Doch bevor auf die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen näher eingegangen wird, werden die Grundprinzipien der Teilearbeit (Akronym PZU) eingeführt:
- Prinzip der Persönlichkeitsvielfalt
- Prinzip der Zweckgerichtetheit
- Prinzip der unbewussten Organisation
Bezugnehmend auf Frederick (2005), Watkins and Watkins (2019), Siegel (2012) u.a. wird das Prinzip der Persönlichkeitsvielfalt neurologisch eingeführt. Demzufolge sind Ich-Zustände jeweils spezielle Nervenzellennetzwerke, ein dezidiertes Set an Prozessen, Aktivitäten, die in bestimmten Situationen aktiviert werden (S. 19). In ihrer Gesamtheit sind sie wie eine Familie aus Ich-Zuständen (S. 18), die in der Sprache von Klienten und Klientinnen ihren Niederschlag finden (z.B. „innerer Schweinehund“).
Das Prinzip der Zweckgerichtetheit wird, bezugnehmend auf die neurobiologischen Grundmotive, Core Level im Wholeception-Klärungsmodel, wie folgt veranschaulicht: Menschen und ihre Persönlichkeitsanteile streben im Motivkompass [bestehend aus den vier großen Feldern „Ordnung und Stabilität“; „Harmonie und Geborgenheit“; „Inspiration und Leichtigkeit“ sowie „Durchsetzung und Einfluss“], nach Kongruenz (vgl. Grawe, 2004). Wobei jeder Ego-State mit seinem Streben nach Kongruenz eine positive Absicht verfolgt. Eine Absicht, die auf Motiven oder Motivclustern (Bedürfnisfeldern) basiert. Letztgenannte drücken sich in einem Verhaltens- und Erfahrungssystem aus. Während die Motive eines Ego-States eindeutig festgelegt sind, ist die Zielerreichungsstrategie jedoch flexibel (S. 25f). Daraus leitet sich für das Coaching eine essenzielle Fragen ab: „Welche emotionale Energie verbinden wir subjektiv mit dem Konzept der jeweiligen Funktion (hier: innere Kraft)? Und welche physische Erscheinung assoziieren wir mit dieser individuellen Konzeptualisierung?“ (S. 27).
Ergänzt werden die Einführungen des zweiten Prinzips durch einen emTrace Coachingtipp in Form von Reflexionsfragen, bevor in einem Exkurs auf die Entstehung von Persönlichkeitsanteilen eingegangen wird. Hierbei unterscheidet Eilert drei Entstehungsformen:
- normale Differenzierung als Erfahrungs- und Verhaltensmuster in einem Kontext (Rolle)
- vertikale oder horizontaler Selbsttransfer durch emotional bedeutsame Begegnungen
- pathologische Dissoziation infolge eines traumatischen Erlebnisses
Bezugnehmend auf die Ausführungen wird Rollenbildung, im Folgenden, als assoziativer Lernprozess der operanten Konditionierung beschrieben. In Abgrenzung dazu macht sich der vertikale oder horizontale Selbsttransfer, das Resonanzsystem der Spiegelneuronen, vorrangig in der frühen Entwicklung, aber auch in späteren Lebensabschnitten zunutze. Dieser Prozess wiederum hat einen entscheidenden Einfluss auf die Level 2–4 des Wholeception-Klärungsmodells (namentlich: „Ich-Zustände“, „Identitätsgefühl“ und „Zugehörigkeit“). Die sich so entwickelnden Ich-Zustände sind durch durchlässige Grenzen miteinander verbunden (S. 32f). In Abgrenzung dazu sind bei der Traumatisierung, dem dritten Weg, auf dem Persönlichkeitsanteile entstehen können, die Ich-Zustände durch starre, weniger durchlässige Grenzen miteinander verbunden. Die dabei entstehenden Ich-Zustände können als pathologische Bewältigungsreaktionen auf ein traumatisches Ereignis verstanden werden.
In einem weiteren Exkurs wendet sich der Autor der „Bineuronale Aktivierung als grundlegendes Prinzip der Emotionsregulation“ zu. In diesem arbeitet er zunächst die Konkurrenz zwischen dem Default-Netzwork (Unbewussten) mit dem limbischen System um Ressourcen heraus. Unter Bezug auf insbesondere Raichel et all, 2001 und de Voogd, Hermans & Phelps, 2018) wird die Bedeutung dieser wissenschaftlichen Erkenntnis für das Emotionscoaching und die Anwendung des Eye-SPOT ausgeführt. Die duale Aufmerksamkeitsfokussierung (bioneurale Aktivierung) wird eine Kernbedeutung im Emotionscoaching zugeschrieben. In einem Funktionsdreieck zwischen „transformativer Allianz“, „Ressourcenaktivierung“ und „Emotionsregulation“ öffnet sich demnach ein Veränderungsraum. Dieser hilft festgefahrene neuronale Dialoge aufzubrechen und ermöglicht so die „Sinfonie der Veränderung“ (Hervorhebungen im Original, vgl. S. 37).
Daran anschließend geht der Autor auf das Prinzip der unbewussten Organisation ein. Unser Verhalten und Erleben fußt auf bewussten, bedingt bewussten und unbewussten Prozessen. Bezugnehmend auf diese Erkenntnis führt Eilert die Rolle und Aufgabe des Hippocampus, der Amygdala, als Teil des limbischen Stressnetzwerks, den Thalamus, die Basalganglien sowie den Nucleus accumbens, als Teil des mesolimbischen Systems (des Belohnungsnetzwerks), in die Ausführungen ein (S. 39ff). Unter Einflechtung verschiedener Studien, einer Bezugnahme auf das Priming und Wahrnehmungsfehler, sowie Verweise u.a. auf Victor Frankl arbeitet der Autor die Bedeutung des Unbewussten für den Alltag des Menschen heraus. Die Ausführungen werden abschließend in einer Theatermetapher zusammengefasst, in der das Bewusste der Pressesprecher und nicht der Intendant des Geschehens auf der Bühne ist. Denn letztgenannter ist das Unbewusste – wie im wahren Leben. Die Einführung des Prinzips der unbewussten Organisation wird ergänzt durch einen emTrace Coachingtipp, in dem die Bedeutung von Psychoedukation hervorgehoben wird. Zugleich werden Lesende dazu animiert sich einen Übungspartner/eine Übungspartnerin zu suchen, um die Psychoedukation, in unterschiedlicher Reihenfolge der Einführung der Prinzipien, auszuprobieren.
Nachdem Eilert die Grundprinzipien der Teilearbeit eingeführt hat, wendet sich der zweite größere Abschnitt des 1. Teils den drei Kategorien von Persönlichkeitsanteilen zu. Hierbei unterscheidet Eilert – neben existierenden Mischformen – die folgenden Kategorien:
- Ressourcenreiche Persönlichkeitsanteile
- Verletzte Persönlichkeitsanteile
- Destruktiv-verletzte Persönlichkeitsanteile
Im Folgenden werden die drei Kategorien ausführlicher dargestellt.
Ressourcenreiche Persönlichkeitsanteile werden unter Verweis auf Tugade, Fredrickson & Feldman Barrett (2004) und Stifter, Augustine & Dollar (2020) als Schlüssel für Resilienz und Motor für die kreative Verwirklichung von Lebenszielen sowie die schöpferische Entfaltung unserer Persönlichkeit charakterisiert (S. 59). In dieser Funktion kommt es bei ihrer Aktivierung zur
- Ausschüttung von anderen Neurotransmittern und Hormonen (als die von negativen Persönlichkeitsanteilen)
- Aktivierung des limbischen Belohnungssystems (statt des Stressnetzwerks)
- neuronalen Ansteuerung einer Annäherungsmotivation (ebd.)
Ressourcenreiche Anteile lassen sich grob in innere Stärken (mit den Unterkategorien Alltags- und Superressourcen) (S. 64–68), innere Mentoren (S. 68–73) und innere Beobachter (S. 73–76) unterteilen. Auf sie wird im Folgenden nähere eingegangen und dabei ihrer Besonderheiten herausgearbeitet. So lassen sich innere Stärken in wiederkehrendem Verhalten im Alltag identifizieren (Alltagsressourcen) während Superressourcen das Ich-Gefühl in Form von authentischem Stolz, Sicherung bzw. Entspannung, Dankbarkeit, Ehrfurcht und Positivitätsresonanz berühren. So ist es auch wenig verwunderlich, dass letztgenannte Einfluss auf die Herzrate haben. Beiden gemeinsam ist jedoch eine hohe Kongruenz mit den Grundmotiven der Person im Motivkompass. Praxisorientiert flechtet der Autor immer wieder Praxisspiele und -bezüge (u.a. Hinweise zur Anleitung von Klienten/Klientinnen in der Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen sowie Reflexionsfragen für Coaches und Klienten/Klientinnen) ein.
In Abgrenzung dazu zeichnen sich verletzte Persönlichkeitsanteile (S. 76–81) durch eine Inkonsistenz in Form von Inkongruenz oder Diskordanz aus. Diesen Persönlichkeitsanteilen liegen nicht erfüllte Bedürfnisse zugrunde. Ego-States schützen sich durch bestimmte Verhaltensweisen, stecken in der Vergangenheit fest und/oder wissen nichts von den in der Zwischenzeit erworbenen Ressourcen des Ichs. Der Autor beschreibt den notwendigen Annäherungsprozess im Coaching grob in drei Schritten: Stabilisierung des verletzten Anteils durch emotionale Stabilisierung, Versorgung des Persönlichkeitsanteils mit Ressourcen und Partizipation des Anteils an den Erfahrungen des älteren Ichs. In der Coachingpraxis kommen die Methoden und Tools der Core-Transformation, das Wesource-Meeting als auch das Smart Part Lab für den Einsatz in Frage. Exemplarisch wird der wohl bekannteste verletzte Anteil, das innere Kind, als Sonderkategorie eingeführt. Ergänzt werden die Ausführungen durch zwei Reflexionsübungen und Coachingtipps.
Die dritte Kategorie der Persönlichkeitsanteile, destruktiv-verletzte Persönlichkeitsanteile (S. 83–89), haben ihre emotionale Basis in Ärger, Verachtung, Ekel, was wiederum zu Schuld und Scham führen kann. Das Verhalten dieser Teile ist dysfunktional und vielfach gegen die eigene Person gerichtet. Unter Bezug auf Nelissen & Zeelenberg 2009, Slepian & Bastian 2017 wird der Dobby Effekt angeführt (hier S. 83). Die Ausführungen werden abgerundet durch einen Exkurs „Die Veränderung von Glaubenssätzen“.
Im Exkurs untermauert der Autor seine Ausführungen durch Praxisbeispiele und Coachingtipps. Ergänzt werden die Ausführungen um zwei Tabellen. In den Tabellen wird einerseits eine grobe Zuordnung von Emotionen zu möglichen Triggern, deren Funktion und dem beispielhaft dahinter stehenden Bedürfnis vorgenommen. Andererseits werden negative Ich-Kognitionen dysfunktionalen Emotionen und den darunter liegenden verletzten Motivfeldern zugeordnet.
Prozessziele der Teilearbeit im Emotionschoaching
Der zweite große Abschnitt der vorliegenden Publikation gibt zunächst eine Übersicht zu den sieben Prozesszielen im Emotionscoaching mit Persönlichkeitsanteilen. Hierzu wird jeweils das Prozessziel sowie dessen Wirkung kurz beschrieben.
Die sieben Prozessziele lauten wie folgt:
- Prozessziel 1: Kontaktaufnahme (S. 99–135)
- Prozessziel 2: Intrapersonelle Kommunikation (S. 137–148)
- Prozessziel 3: Emotionale Akzeptanz (S. 149–162)
- Prozessziel 4: Verständnis der Funktion (S. 163–179)
- Prozessziel 5: Stabilisierung und Stärkung (S. 181–193)
- Prozessziel 6: Nutzung für die Veränderung (S. 195–209)
- Prozessziel 7: Intrapersonelle Integration (S. 211–222)
Die Prozessziele dienen als Fahrplan für das Coaching. Sie sind einerseits untrennbar miteinander verbunden, aber zugleich – individuell auf den Klienten/die Klientin bezogen – zirkulär anzuwenden (vgl. S. 96).
Im Folgenden werden die Prozessziele vertiefend vorgestellt. Jeder Abschnitt startet mit einer kurzen Verortung innerhalb der Prozesszielkette. Es werden mögliche Praxisfragen formuliert, Praxisbezüge durch Beispiele hergestellt und diese um Coachingtipps für den Coach/die Coachin sowie Reflexionsfragen für den Klienten/die Klientin ergänzt.
Exemplarisch für die vorliegende Besprechung wird im Folgenden auf zwei der sieben Prozessziele detaillierter eingegangen. Ziel der im Folgenden prozessorientiert eingesetzten und in Teil 3 vertieft aufgeführten Interventionen ist die Förderung der Coach-Klient/innen-Allianz sowie der Selbstwirksamkeit des Klienten/der Klientin. Wenig verwunderlich ist daher die Betonung der Wichtigkeit der individuellen Auswahl und des prozessorientierten Einsatzes der Interventionen durch den Autor (vgl. S. 144).
Prozessziel 2: Intrapersonelle Kommunikation
Nachdem im Prozessziel 1 dissoziiert Kontakt zu den Anteilen aufgenommen wurde, geht es im Prozessziel 2 um die Erkundung der Bereitschaft zur Kommunikation der Anteile. Direkte und indirekte Kommunikation sowie Körpersprache des Klienten/der Klientin sind hier Schlüssel der Erkundung. Die Bereitschaft zur Kommunikation spielt sich, Eilert folgend, in einem Kontinuum zwischen Annäherungsmotivation oder Vermeidungsmotivation ab. Mit Bezug auf das Emotionscoaching wird zunächst die Annäherungsmotivation gestärkt, um Ressourcen zu aktivieren und so in den Dreiklang der Teilearbeit (von der Aversion zur Kommunikation zur Kooperation) einzutreten (S. 139). Erst im Anschluss werden die Anteile mit Vermeidungsmotivation, beruhend auf den Grundemotionen Trauer, Angst, Ekel und/oder Verachtung, aktiviert.
Der Wirkungsmechanismus des Prozessziels 2 ist die Erhöhung der Selbstkonzept-Klarheit (vgl. S. 93). Je höher die Selbstkonzept-Klarheit, desto höher die Selbstwirksamkeit, damit die Motivation sowie das Engagement des Klienten/der Klientin im Coachingprozess. Die Selbstkonzept-Klarheit ist jedoch nicht nur der Grundpfeiler für das Prozessziel 2, sondern auch essenziell für das Prozessziel 7, die intrapersonelle Integration.
Ist die Kommunikationsbereitschaft hergestellt, können unterschiedliche Kommunikationspfade genutzt werden:
- Unterstützung suchende Person spricht direkt mit dem Anteil
- Gecoachte Person spricht mit dem Anteil
- Kommunikation zwischen unterschiedlichen Anteilen
Der Autor betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit, sich regelmäßig der Kommunikationsbereitschaft zu vergewissern – nicht nur im Prozessziel 2, sondern auch in den folgenden Prozesszielen. Als Indikatoren der Kommunikationsbereitschaft stehen Worte (z.B. Tonfall, Redegeschwindigkeit, Pause,…) und Körpersprache (z.B. Mimik, Gestik, Atmung, Haltung) zur Verfügung. Weiterhin stehen im offline Coaching der Myostatiktest als weitere Methode zur Verfügung. Hierbei wird mittels der Griffkraft von Ring- und Zeigefinger die Fähigkeit der Emotionsregulation getestet (vgl. Adamo, Anderson, Koochaki & Fritz 2020, hier S. 143, sowie ergänzende Ausführungen S. 289–296).
Ist die Kommunikationsbereitschaft gestört (z.B. durch dysfunktionale Emotionen), kann es sinnvoll sein, andere Prozessziele vorzuziehen (Stichwort individuelle und zirkuläre Anordnung der Interventionsschritte)? Ist dies der Fall, können folgende Interventionen zum Einsatz kommen: Spiegel-Processing, Part Eye-Spot, STEPs, Embrace-Techniken (vgl. Prozessziel 3 „Emotionale Akzeptanz“ und Prozessziel 5 „Stabilisierung und Stärkung“). Eine Öffnung hin zur Kommunikationsbereitschaft kann darüber hinaus durch die Betonung der positiven Absicht des Anteils (Grundprinzip der Zweckgerichtetheit) (Prozessziel 4) erreicht werden. Ferner steht die prozessorientierte Einbindung anderer Anteile, als sogenannte Vermittler als Intervention zur Verfügung (vgl. S. 142, 145f).
Die inhaltlichen Ausführungen zum Prozessziel 2 schließen mit einem Abschnitt zum „Wirkmechanismus: Selbstkonzept-Klarheit“. Der Autor stellt die Bedeutung und den Zusammenhang zwischen Selbstkonzept (Ich bin.) und Selbstwert, unter Bezugnahme u.a. auf Usborne & Taylor 2010 und Camphell 1990 heraus. Weiterhin wird die Bedeutung der Selbstkonzept-Klarheit auf das emotionale Wohlbefinden, den Lebenssinn (Light, 2017, Shin, Steger & Henry 2016) und den Resilienzfaktor bei traumatischen Erfahrungen (Wong, Dirghangi & Hart 2018) verdeutlicht.
Der Abschnitt endet mit zwei Coachingtipps in Form von Praxisübungen für den Coach/die Coachin sowie den Klienten/die Klientin. Ziel der Mikro-Transferübungen ist die nachhaltige Unterstützung des Wirkmechanismus (z.B. „inneres Team-Scouting“, BodyScan, Achtsamkeits-/Atemmediation).
Prozessziel 7: Die intrapersonelle Integration
Die Intrapersonelle Integration stellt das Prozessziel 7 dar. Neben einem Prozessziel ist sie zugleich übergeordnetes Ziel der Teilearbeit auf dem Weg zur Konsistenzregulation durch den Klienten/die Klientin nach dem Abschluss des Coachingprozesses. Der Wirkmechanismus des Prozessziels ist die Erhöhung der inneren Konsistenz (vgl. S. 95).
In den Prozesszielen 1 bis 6 wurde nach der dissoziierten Selbstwahrnehmung und Kontaktaufnahme zunächst die Selbstkonzept-Klarheit und darauf aufbauend die Selbstakzeptanz, durch emotionale Stabilisierung der Teile und damit der Unterstützung suchenden Person, gestärkt. In einem nächsten Schritt steht die Neubewertung der Anteile sowie die Stabilisierung und Stärkung der Anteile im Mittelpunkt, um daran anschließend die Anteile zur Konsistenzregulation zu befähigen, d.h. zu empowern. Die in der Regel einzeln angesprochenen Anteile werden im Prozessziel 7 zu einem starken inneren Team zusammengeführt. Ziel ist die Integration in das Ich-Gefühl des Klienten/der Klientin.
Für die Integration stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung:
- Ökologiecheck,
- Future-Pace,
- Re-Integration sowie das
- Parts-Resourcing.
Die Methoden werden im Folgenden näher erläutert:
Beim Ökologiecheck geht es darum, ob alle Anteile ihren Platz gefunden haben. An dieser Stelle kommt der Bodyscan zum Einsatz. Es werden alle Gedanken, Bilder, Gefühle,… wahrgenommen, ohne diese zu bewerten. Ziel ist das Erspüren einer inneren Konsistenz beziehungsweise dieser entgegenstehenden Wahrnehmungen. An dieser Stelle – wie im gesamten Prozess des integrativen Ego-State-Coaching mit emTrace – gilt der Grundsatz: „Jeder zusätzliche innere Anteil, der sich im Veränderungsprozess zeigt – auch und vor allem in Form von inneren Einwänden –, ist ein willkommenes weiteres Mitglied des inneren ‚Projektteams,‘ das für das Coachinganliegen zuständig ist“ (Hervorhebungen im Original S. 213). So verstanden ist der Ökologiecheck Bestandteil jedes Prozessziels (vgl. zirkuläre Schleifen).
Anteile sollen Verantwortung für das Erreichen des Coachingsziels (Bearbeitung des Coachinganliegens) übernehmen. Future-Pace kann bei der Verantwortungsübernahme der Anteile helfen. Die Methode zieht eine der beiden folgenden Tools zur Zielerreichung heran:
- Verantwortungsübernahme der Anteile für die neue Lösung und
- Realitätstest der Veränderung (Tools: assoziativer Test oder 3-fach dissoziativer Future-Pace)
Bei der Verantwortungsübernahme wird zunächst Kontakt mit dem Anteil aufgenommen und gefragt, ob dieser Verantwortung übernehmen will. Ist die Antwort ein „inneres ja“, ist die Integration abgeschlossen. Kommt hingegen ein „inneres nein“, ist zu klären, was der Anteil noch benötigt, um die Verantwortung zu übernehmen (z.B. blockiert ein Anteil den gefragten Anteil; die notwendige Stabilisierung fehlt), um die Hindernisse über die Teilearbeit aufzulösen. Dies geschieht durch das situationsbedingte Zurückgehen in den Prozesszielen, um z.B. Verständnis für das Verhalten eines Anteils zu entwickeln, einen Anteil zu stabilisieren, eine Teile-Konferenz durchzuführen. Die notwendigen Schritte sind jeweils abhängig von der individuellen Situation der Unterstützung suchenden Person und den sich zeigenden Anteilen (zirkuläre Schleifen). Beim Realitätstest gibt es zwei Möglichkeiten: den assoziativen Test der Ausgangssituation und die 3-fache dissoziierte Future-Pace. Beim assoziativen Test wird der Klient/die Klientin angeleitet, eine Situation zu imaginieren, die der Ausgangssituation (Anlass des Coachings) entspricht. Die gestärkten Anteile und damit verbundenen Ressourcen können hier direkt zur Entfaltung kommen. Durch einen Gegencheck wird der Unterschied zur Ausgangssituation hergestellt (vgl. S. 205). Hingegen fokussiert der Klient/die Klientin bei der 3-fach dissoziierten Future-Pace die zukünftige Situation. Sie wird zunächst dissoziiert wahrgenommen, um die Ressourcenübertragung zu vereinfachen (vgl. u.a. Libby et al 2007) Im Verlauf werden drei Situationen durchlaufen, wobei die Intensität der Herausforderung (Stresslevel für den Klienten/die Klientin) jeweils erhöht wird. Auf diese Weise wird der Generalisierungseffekt genutzt (vgl. S. 206).
Die Re-Integration hat zum Ziel alle Anteile, die im ersten Prozessziel einzeln auf die Bühne geholt wurden, zu integrieren. Ohne die Re-Integration würde das Grundprinzip „alle Anteile bleiben erhalten“ verletzt werden. Die Re-Integration wird angeleitet und jeder Anteil separat integriert. Dabei bleibt es dem Klienten/der Klientin überlassen, ob die Re-Integration an einem Platz im Raum, eines imaginären, sicheren Ort oder im eigenen Körper stattfindet. Zur Verstärkung der Re-Integration können Embrace-Techniken (u.a. Tapping) zum Einsatz kommen. Sind alle Anteile integriert, wird die Integration durch das Parts Ressourcing nachhaltig verstärkt (vgl. u.a. Mausbach, Moore, Roesch, Cardenas & Patterson 2010, Kazantzis et al, 2016). Dies geschieht durch Mikro-Transferübungen nach jeder Intervention – wie auch nach der Re-Integration. Mikro-Transferübungen finden sich in der vorliegenden Publikation in jedem Kapitel in den Coachingtipps; so auch in diesem Teil 2. Das Kapitel schließt mit Ausführungen zum Wirkmechanismus, der Integration des Selbst. In Anlehnung an Sheldon & Kasser (1995) besteht der Prozess der Integration des Selbst im Kern aus zwei Elementen: der Herstellung innerer Konsistenz und Autonomie (vgl. S. 217). Konkret dem in Übereinstimmung bringen von Wunsch und Erleben des Klienten/der Klientin, wobei diese wiederum mit den intrinsischen Zielen, den Grundmotiven und Werten übereinstimmen. Anders ausgedrückt: externe Einflussfaktoren haben, bei erfolgreicher Integration und Konsistenzregulation, weniger Einfluss auf den Selbstwert des Klienten/der Klientin (vgl. Schmich, Karsay, Matthes & Stevic 2019, hier S. 219).
Eine Tabelle mit den sieben Prozesszielen, den jeweils individuell auszuwählenden Tools, den Zielkriterien sowie dem jeweils primären Wirkmechanismus bildet den Abschluss des Teil 2 der vorliegenden Publikation.
4. Emotionscoaching – Interventionen der Telearbeit
Der dritte Teil besteht aus zwei Abschnitten: Wirksamkeitsstudie und Praxisbeispiele der Planung und Durchführung des integrativen Ego-State-Coaching mit emTrace. In den Praxisbeispielen werden die Interventionen Parts Synergy Prozess, Empowering Parts-Prozess, Smart Part-Lab, Core-Transformation, Parts Negotiation-Prozess und dem Wesource-Meeting ausführlicher besprochen. Ihr Einsatz wird unter Rückbezug auf die 7 Prozessziele exemplarisch erläutert. Zusammenfassend werden die Prozessziele und Interventionen in einem Interventionskompass der Teilearbeit tabellarisch dargestellt, bevor der Eilert ergänzende Ausführungen zum One-Eye-Spotting und zum Myostatiktest macht.
Zum Einstieg in den praxisorientierten Transferteil der vorliegenden Publikation betont der Autor die Wichtigkeit der Verinnerlichung der Prozessziele und ihrer Interventionen. Zugleich macht Eilert sich stark für „Kreativität vor Regeln“ und damit für die individuelle Anpassung des Modells in der Coachingpraxis (vgl. S. 225). Daran anschließend führt der Autor eine selbst durchgeführten Wirksamkeitsstudie (randomisierte kontrollierte Längsschnittstudie) ein. In dieser durchlief eine Experimentalgruppe mit 133 Teilnehmenden, ein Coaching mit Core-Transformation und eine Kontrollgruppe mit 127 Teilnehmenden ein Coaching mit Smart Part Lab. Ziel der Studie war die Reduzierung von Kommunikationsangst durch integratives Ego-State-Coaching mit emTrace. Eilert erläutert den Studienaufbau und zeigt den statistisch signifikanten Effekt von dem integrativen Ego-State-Coaching mit emTrace bereits nach einer Sitzung von 80 Minuten (Eilert 2022, hier S. 227–232). Daran anschließende Studien zum Wirkmechanismus stehen noch aus (ebd.).
In einem nächsten Schritt führt Eilert den Parts Synergy Prozess sowohl als Planungstool für den gesamten Coachingprozess als auch als wichtiges Tool für den integrativen-synergetischen Abschluss des integrativen Ego-State-Coaching mit emTrace ein. Zur Identifizierung des emotionalen Kernthemas kommt die CORE-Fragestruktur zum Einsatz:
- Challenge – Was fordert Sie heraus? (Problemzustand)
- Outcome – Was möchten Sie erreichen? (Zielzustand)
- Resources – Welche Ressourcen benötigen Sie dafür? (Ressourcen)
- Effects – Wenn Sie das Ziel erreicht haben, was wird dadurch möglich? (Metaziel) (S. 233)
An diese Erkundungsfragen schließen die folgenden drei Phasen des Parts Synergy-Prozesses an:
- Phase 1: Ist Analyse des Ego-State-Systems (S. 235–239)
- Phase 2: Ego-State-Veränderungsarbeit (S. 239–242)
- Phase 3: Integration des Ego-State-Systems (S. 242–244)
Ziel der Phase 1 ist es, Kontakt zu den Anteilen aufzunehmen, die sich beim emotionalen Kernthema zeigen. Zwischen den C.O.R.E.-Fragen und Phase 1 gibt es, folgerichtig, einen fließenden Übergang. Die Ist-Analyse findet durch einen Parts Scan statt. Die Bestandsaufnahme der Anteile kann imaginiert werden (z.B. durch Figuren auf dem Tisch oder Boden). Andere Möglichkeiten des Parts Scans ist das Mapping auf einem Blatt Papier mit Körpersilhouette (in Anlehnung an Schulz von Thun 2000, hier S. 237), durch einen inneren Konferenzraum oder aber durch die Technik des leeren Stuhls. Ergänzt werden die Ausführungen durch einen Coachingtipp. Der zweite Teil der Phase 1 besteht in der Stabilisierung der Beobachterposition. Hierzu wird der Klient/die Klientin gebeten, in einem dissoziierten Zustand einen sicheren Raum zu erschaffen. Alle auftauchenden Stressmarker werden in diesem Raum angesprochen und z.B. durch STEPs, mentale oder taktile Aktivierung stabilisiert, um den Parts Synergy Prozess fortzuführen.
In Phase 2 des Parts Synergy-Prozesses steht die Ego-State-Veränderungsarbeit im Mittelpunkt. Diese Phase besteht ihrerseits aus zwei Teilschritten: (1) Auswahl der Anteile für die Veränderung und (2) konkrete Durchführung von Ego-State-Intervention(en). Für die Auswahl der Anteile für die Veränderung wird, bezugnehmend auf Kross & Ayduk 2017, der dissoziierte Zustand bewusst angesteuert. Als konkrete Auswahlkriterien können die folgenden drei Fragen herangezogen werden:
- Wessen Stärkung würde das Gesamtsystem am deutlichsten stabilisieren?
- Wer ist am bedürftigsten?
- Wer stresst die anderen am meisten?
Sind die Anteile identifiziert, geht es um die Durchführung konkreter Ego-State-Intervention(en). Hier wird jeder ausgewählte Anteil nacheinander aus dem Gesamtsystem herausgenommen, um eine Intervention (z.B. Smart Part Lab, Core Transformation, Parts Negotiation, vgl. S. 245ff) durchzuführen, bevor die Anteile in Phase 3 wieder ins Gesamtsystem zurückgeführt werden. Zeigen sich weitere Anteile, wird mit diesen gleich verfahren. Ergänzt werden die Ausführungen durch einen Coachingtipp.
In Phase 3 steht die Integration des Ego-State-Systems im Zentrum, welche neben der Re-Integration der Anteile in das Gesamtsystem auch die Ressourcenaktivierung des Gesamtsystems umfasst. Zur Ressourcenaktivierung kommt ein Systemcheck zum Einsatz – Welcher Anteil braucht was? Der Klient/die Klientin entscheidet dabei prozessorientiert, in welcher Form die Ressourcen den Anteil erreichen sollen (z.B. Zauberstab, Farben). Der Ressourcentransfer wird unter Anwendung des Part-Eye-SPOT durchgeführt und sollte durch eine Embrace-Technik verstärkt werden. Der Coach checkt im Verlauf immer wieder mit der Unterstützung suchenden Person ein, um die Auswirkungen des Ressourcentransfers auf das Gesamtsystem, Körpersprache usw. im Blick zu behalten. Dieser Teil der Phase 3 ist abgeschlossen, wenn das Gesamtsystem harmonisch-kraftvoll ist. Die letzte Phase des Parts Synergy-Prozesses wird durch das Integrieren des Ego-State-Systems abgeschlossen. Dabei werden zunächst alle Anteile integriert, bevor der Anteil des „Ich“ integriert wird. Hierbei nimmt der Klient/die Klientin sich zunächst dissoziiert mit dem Gesamtsystem von Außen wahr. Der Prozess kann durch einen BodyScan begleitet und durch eine Embrace-Technik vertieft werden, bevor der Ablauf aus der assoziierten Perspektive wiederholt wird. Abschließend – und für die nächsten 4 Wochen als Mikro-Transferübung – wird das Parts Synergy Resourcing angeleitet. Durch diesen Coachingtipp, der zugleich den Abschluss des Abschnitts bildet, wird die Nachhaltigkeitseffekte des Coachings vertieft.
Auf den folgenden Seiten wird noch einmal auf die im Teil 2 angesprochenen Interventionen eingegangen. Die Interventionen werden dabei jeweils eingebettet in den Verlauf der sieben Prozessziele dargestellt.
- Empowering Parts-Prozess
- Smart Part-Lab
- Core-Transformation
- Parts Negotiation-Prozess und
- Wesource-Meeting
Jede der im Folgenden besprochenen Interventionen hat unterschiedliche Schwerpunktthemen bzw. Einsatzfelder. Der Autor wiederholt im Folgenden regelmäßig seinen den Appell, die Ausführungen als beispielhaft zu betrachten. Er verleiht damit „Kreativität vor Regel“ Nachdruck (vgl. 225).
Empowering Parts-Prozess
Der Empowering Parts-Prozess lässt sich als Kernprozess für die Arbeit mit ressourcenreichen Persönlichkeitsanteilen identifizieren. Dieser kann zur emotionalen Stabilisierung des Klienten/der Klientin oder aber zur Aktivierung unter anderem von sogenannten Super-Ressourcen-Ego-States eingesetzt werden. Letztgenannte haben ihrerseits einen großen Einfluss auf die Wirksamkeit des Coachings (vgl. Pappens et al, 2014).
Smart Part-Lab
Die Smart Part-Lab Intervention wird, neben der Core-Transformation, in der Arbeit mit verletzten oder destruktiv-verletzten Anteilen eingesetzt. Dies ist in der Regel bei einer erlebten Inkongruenz zwischen Wunsch und Realität beim Klienten/bei der Klientin der Fall. Das Muster hinter dem geäußerten Problem „Ich mache X, möchte das aber nicht.“ In dieser Situation kommt die innere Kreativkonferenz nach Bandler & Grinder (1982), als weitere Methode, zum Einsatz. In den Blick genommen wird dabei jeweils der „X-Anteil“, der Anteil, der sich blockiert fühlt. Die Ausführungen werden abgerundet durch ein Schaubild des Prozessablaufs (vgl. S. 258).
Core-Transformation
Diese Intervention wird, neben dem Smart Part-Lab, in der Arbeit mit verletzten oder destruktiv-verletzten Anteilen eingesetzt. Auch hier lautet das Problemmuster „Ich mache X, möchte das aber nicht“. Der Unterschied zum Smart Part-Lab besteht in der stärkeren emotionalen Aufladung des Problemthemenfeldes. Der Autor führt weiter aus, dass die Intervention zur Vertiefung und/oder Erweiterung ressourcenvoller Ich-Zustände zum Einsatz kommen kann. Grundlage der Anwendung im Rahmen des integrativen Ego-State-Coachings mit emTrace sind die Ausführungen von Connirae Andreas. Eilert betont, dass für die Teilearbeit bewusst einzelne Anpassungen (u.a. dissoziierte Wahrnehmung des Anteils) an die 7 Prozessziele vorgenommen werden. Die Ausführungen werden abgerundet durch ein Schaubild des Prozessablaufs (vgl. S. 268).
Parts Negotiation-Prozess
Der Parts Negotiation-Prozess kommt in der Arbeit mit verletzten oder destruktiv-verletzten Anteilen mit empfundener Diskordanz (innerer Konflikt) zum Einsatz. Die innere Konfliktmediation kommt dabei im Prozessziel 6 zum Einsatz. Ausgangspunkt für den Einsatz ist ein Verhandlungsrefraiming nach Bandler und Grinder (1982, hier S. 269). Das Problemmuster lautet „X stört Y, aber Y stört auch X.“ Die Ausführungen werden abgerundet durch ein Schaubild des Prozessablaufs (vgl. S. 276).
Wesource-Meeting
„Das Wesource-Meeting ergänzt die beiden Kernprozesse Smart Part Lab und Core-Transformation in der Arbeit mit verletzten oder destruktiv-verletzten Anteilen.“ (S. 277). Der Klient/die Klientin empfindet eine Inkongruenz. Um diese aufzulösen, werden die fünf emotionalen Superressourcen im Prozessziel 5 aktiviert. Durch die zusätzliche Nutzung eines einschränkenden Glaubenssatzes (Kontaktaufnahme) und einer Affektbrücke eignet sich das Wesource-Meeting insbesondere für die Arbeit mit dem vielfach bekannten „inneren Kind“.
Eilers geht im daran anschließenden Exkurs auf das „One-Eye-Spotting als Ego-State-Aktivierungstechnik“ (S. 125 ff.) und deren konkrete Anwendung im Rahmen des Emotionscoachings – auch außerhalb von Studiensettings ein. Der Autor betont, dass es sich beim One-Eye-SPOT nicht um eine separate Intervention als vielmehr um eine Unterstützung und Verstärkung der in Anspruch genommenen Interventionen handelt. Die Ausführungen ergänzen den bereits zuvor eingeführten Exkurs zum „Biofokalen Aktivierung als grundlegendes Prinzip der Emotionsregulation“ (vgl. S. 36f).
Den inhaltlichen Abschluss des Teil 3 der vorliegenden Publikation beschäftigt sich mit dem Myostatiktest und seiner Anwendung in der Teilearbeit. Eilers geht hierbei detailliert auf die Vorbereitungen (Kalibrierung vor dem Coachingprozess) und die drei Funktionen des Myostatiktests (Muskelfeedbacktests) ein. Die drei Funktionen lassen sich wiederum in zwei Kategorien unterteilen: die Inhaltsebene mit den beiden Teilfunktionen Stresstest und Resonanztest und die Prozessebene mit dem Prozesstest. Für weitere Ausführungen verweist Eilers auf das Grundlagenbuch „Integratives Emotionscoaching mit emTrace: Wie emotionale Veränderungen wirklich gelingen“ (Eilert, 2021). Die Ausführungen werden um Praxisbeispiele und einen Coachingtipp ergänzt.
Den formalen Abschluss des 3. Teils bildet eine tabellarische Übersicht zu den Interventionen, den möglichen Teilkategorien und den typischen Einsatzthemen (S. 297).
„Der Beginn einer faszinierenden Reise“
Der Autor greift an dieser Stelle die Metapher einer gemeinsamen Reise von der Einleitung wieder auf. Die Reise in Form der vorliegenden Publikation hat Lesende mitgenommen. Ziel der Erkundung war das Kennenlernen und praxisnahe Ausloten eines integrativen Frameworks für den Einsatz des integrierten Ego-State-Coachings mit emTrace. Im Verlauf der Ausführungen werden die Prozessziele noch einmal aus der Makroperspektive betrachtet. Abschließend betont der Autor die Bedeutung des erarbeiteten Coachingskoffers und motiviert Lesende zum Praxistransfer.
Anhang
Der Anhang besteht aus einer Begriffsbestimmung des Namens „emTrace“, einem Abbildungsverzeichnis, Bildnachweisen und den Literaturangaben. Auf den letzten Seiten der vorliegenden Publikation befinden sich Verweise auf andere Publikationen zum Themenfeld des Autors.
Diskussion
Eilert baut mit der vorliegenden Publikation auf seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Themenfeld Körpersprache im Allgemeinen und dem integrativen Emotionscoaching mit emTrace auf. Im Zuge der Verbreiterung des Einsatzfeldes flechtet der Autor regelmäßig aktuelle Erkenntnisse aus der Neurobiologie und Studienergebnisse in seine Ausführungen ein. Der Autor zeigt durch die Ansatz- und Methodenverflechtung und zugleich deren punktuelle Anpassungen die multiprofessionellen Wurzeln der Coachingprofession auf. Es werden Potenziale bereits praktisch erprobter Methoden und Ansätze für die Coachingprofession und deren Klienten/Klientinnen nutzbar gemacht. Lesende werden mit auf eine Reise in das Innerste, das jeden Mensch ausmacht, genommen: Werte und Grundmotive, emotionale Spannungsfelder, Hin- und Hergerissenheit zwischen verschiedenen Dingen, scheinbar widersprüchlichem Verhaltensweisen,… Nach einer überblicksmäßigen Einführung in das Emotionscoaching führt die Reise in die Welt der Persönlichkeitsanteile. Interessierten Lesenden, mit vergleichsweise geringen Vorkenntnissen im integrativen Emotionscoaching mit emTrace, wird der Zugang – trotz der Einleitung – jedoch eher schwerfallen. Daran ändern auch die regelmäßigen Verweise auf das Grundlagenbuch „Integratives Emotionscoaching mit emTrace. Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt“ (Eilert, 2021) im Verlauf der vorliegenden Publikation wenig. Diese könnte bei Lesenden – wie bei der Rezensentin – vielmehr dazu führen, das vorliegende Buch (für eine gewisse Zeit) aus der Hand zu legen, um sich (noch einmal) in das integrative Emotionscoaching mit emTrace einzulesen. Eine ergänzende Lektüre des Grundlagenbuches wird, durch die Rezensentin, daher nachdrücklich empfohlen. Sind diese Grundlagen (wieder) aufgefrischt und die Neugier angeregt, steht einem „deep-dive“ in die Teilearbeit nichts mehr im Weg. Die alltagsbezogenen Ausführungen und Reflexionsfragen ermöglichen einen raschen Einstieg in das Themenfeld – auch ganz ohne Vorerfahrungen. Hilfreich beim Eintauchen sind die vielfältigen Praxisbeispiele, die der Autor aus seinem (Coaching-)Alltag einbindet.
Eilert eröffnet durch das Zusammenbringen des integrativen Emotionscoachings mit emTrace und dem Ego-State Coaching Ansätze aus verschiedenen Professionen ein Experimentierfeld. Durch die Integration eröffnet er ein Feld, dass er fruchtbar bewirtschaftet. Er stellt Verbindungen her und bringt bereits bestehende Methoden und Tools in einem synergetischen Prozess zusammen. Letztgenannte mit dem Ziel, Schnittstellen zu interaktiven Flächen zu machen, an denen Neues entstehen kann. So eröffnet er Coaches/Coachinnen nicht nur die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Innenleben zuzuwenden. Vielmehr gibt er ihnen einen alltagsbezogenen Ansatz an die Hand, mit denen sie ihre Klienten/Klientinnen dabei unterstützen können, sich selbst und damit sich selbst in der Welt besser zu verstehen. Dies geschieht stets in der Rückbindung auf die Grundlagen des Emotionscoachings (Rückbindung an das emotionale Grundproblem) mit seinen langjährig erprobten Interventionen und wissenschaftlich nachgewiesenen Interventionserfolgen; auch wenn (weitere) Studien zu den Wirkungsmechanismen noch ausstehen. Besonders hilfreich für den Theorie-Praxis-Transfer die immer wieder eingestreuten Coachingtipps des Autors.
Die daran anschließenden Ausführungen zu den einzelnen Interventionen auf der einen Seite und deren Rückbindung auf die Prozessziele auf der anderen Seite, vermitteln ein Gefühl der inhaltlichen Dopplung. Letztgenannteres Gefühl kann jedoch, im Sinne einer Wiederholung, als erster Schritt hin zur Verinnerlichung der Prozessabläufe verstanden werden. Unterstrichen wird dies durch die nachdrücklichen Hinweise der Notwendigkeit der Verinnerlichung der Prozessziele bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Grundprinzips „Kreativität vor Regeln“.
Bei allen Ausführungen zur Teilearbeit findet jedoch deren Ursprung und damit fachliche Zuordnung, aus Sicht der Rezensentin, vergleichsweise wenig Beachtung. Im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Professionsgrenzen wäre hier eine ausführlichere und grundlegendere Betonung der Wurzeln der Teilearbeit in der Therapie wünschenswert gewesen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich die vorliegende Publikation auch an „Anfänger:innen“ richtet, die ein „sicheres Fundament“ und eine „praktische(n) Coaching Orientierung“ erlangen sollen (vgl. Klappentext). In den letzten Jahren hat das Ego-State-Coaching vor allem im Bereich der Traumatherapie, an Bedeutung gewonnen. Verstärkt wurde dieser Prozess durch die Aneignung der Teilearbeit durch die Coachingprofession. Diese fand nicht zuletzt im Zuge der Diskussion um „traumata with a big and a small t“ (Traumata mit großem und kleinem t, vgl. u.a. Gabor Maté, Siegel, Oprah Winfrey & Dr. Bruce Perry) und dem damit verbundenen Diskurs der Normalisierung von Traumata-Erfahrungen sowie deren Bedeutung auf unser aller Identitäts(aus)bildung statt. Eine andere Quelle ist das „Internal Family System“ (inneres Familiensystem). Persönlichkeit ist damit niemals singulär, sondern immer multidimensional abhängig vom Umfeld, in dem eine Person aufgewachsen ist und lebt. Persönlichkeitsanteile übernehmen wichtige Rollen und Funktionen im (Er-)Leben einer Person. Möglicherweise haben sie geholfen, ein individuell als traumatisch wahrgenommenes Ereignis zu verarbeiten, um so das Über- und Weiterleben zu ermöglichen. Zwar ist Coaching eine vergleichsweise niedrigschwellige Möglichkeit sich der eigenen Persönlichkeitsentwicklung und den eigenen Ego-States zuzuwenden, dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit der Arbeit mit Ego-States auch eine große Verantwortung auf Seite des Coaches/der Coachin einhergeht. Einen Schritt weiter geht der Internal Family System (IFS) Verein mit seiner Forderung, dass nur Personen mit Zertifikat des Vereins offiziell dafür werben dürfen, Teilearbeit zu praktizieren. Letztgenannte Forderung geht mit der Einhaltung von Professionsgrenzen sowie den Kompetenzanforderungen an Coach/die Coachin einher, die sich der Teilearbeit zuwenden.
Dies wiederum hebt die Wichtigkeit einer supervisorischen Begleitung durch eine/n, in beiden Coachingbereichen, versierte/n Coach/Coachin hervor. So kann die notwendige Sorgfalt in der Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen – vor allem den verletzten und destruktiv-verletzten Anteilen – abgesichert und mögliche Re-traumatisierung(en) rasch aufgefangen und/oder vermieden werden. Denn an oberster Stelle sollte für alle Coaches/Coachinnen der Grundsatz „do not harm the client“ (dem/der Klient*in keinen Schaden zufügen) stehen.
So gesehen ist die vorliegende Publikation nicht nur Anstoß der Verbreitung des Anwendungsfeldes und Nutzbarmachung vorhandener Interventionsansätze, sondern zugleich auch ein (unbewusster) Anstoß zur Schärfung des Profils der Profession Coaching.
Fazit
Die vorliegende Publikation bringt die beiden Coachingbereiche Emotionscoaching, emTrace und Ego-State-Coaching in einem fruchtbaren Kontext zusammen. Mit den Ausführungen wird das Potenzial für einen integrativen Einsatz deutlich, um den Klienten/die Klientin dort abzuholen, wo er:sie steht und lebensweltorientiert auf seinem/ihrem Wege zu begleiten. Geeignet ist die Publikation vor allem für erfahrene Coaches, die ein solides Grundverständnis in integrativen Emotionscoaching mit emTrace sowie bereits (mindestens) erste Erfahrungen in der Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen haben.
Rezension von
Elke Michauk
Elke Michauk
Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (Diplom), Sozialwissenschaftlerin (MA),
selbständig arbeitende zertifizierte Coachin (https://www.linkedin.com/in/elke-michauk/)
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