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Karin Goger, Christian Tordy et al. (Hrsg.): Gelingendes Case Management in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 29.06.2023

Cover Karin Goger, Christian Tordy et al. (Hrsg.): Gelingendes Case Management in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-7799-6598-5

Karin Goger, Christian Tordy, Manuela Luisa Meusburger, Reinhard Böhm (Hrsg.): Gelingendes Case Management in der Sozialen Arbeit. In komplexen Fällen navigieren: Praxiserfahrungen und Forschungsberichte. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2022. 418 Seiten. ISBN 978-3-7799-6598-5. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR.
Buchreihe der ogsa – Österreichische Gesellschaft für Soziale Arbeit.

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Herausgeber:innen

Karin Goger ist Sozialarbeiterin, Soziologin, Supervisorin und Organisationsberaterin, Psychotherapeutin, Case Managerin (DGCC) und Case-Management-Ausbildnerin (DGCC).

Christian Tordy ist Sozialarbeiter, Sozialmanager, Supervisor und Organisationsberater, Psychotherapeut, Case Manager (DGCC) und Case-Management-Ausbildner (DGCC).

Manuela Luisa Meusburger hat Nonprofit-, Sozial- und Gesundheitsmanagement sowie

Migrationsmanagement studiert und ist zertifizierte Case Managerin (ÖGCC).

Reinhard Böhm ist diplomierter Sozialarbeiter, Supervisor, Coach, Personal- und Organisationsentwickler, Mediator und Sexualberater sowie zertifizierter Case Manager (DGCC, ÖGCC).

Thema

Case Management (CM) ist ein in Deutschland und Österreich seit Jahrzehnten etabliertes Verfahren der Sozialen Arbeit. Es dient dazu, sicherzustellen, dass Klient:innen bzw. Patient/​innen, die Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitswesen in Anspruch nehmen (müssen), jene Hilfestellung erhalten, die nötig sind. Case Manager:innen koordinieren den Prozess und fungieren als Organisator:innen, die das komplexe Gefüge des Sozialrechts durchblicken und so sicherstellen (können), dass die Menschen so gut wie möglich versorgt sind. Ein besonderer Fokus der Dienstleistung liegt auf Effektivität und Effizienz sowie auf der Vermeidung von Doppelstrukturen. Allerdings existiert seit jeher auch ein Spannungsverhältnis zwischen fachtheoretischer Konzeption und realer Umsetzung des Case Managements.

Case Manager:innen können nicht immer so arbeiten, wie es aus ihrer Sicht wünschenswert wäre, da Zeit-, Personal und Geld häufig nur unzureichend vorhanden sind. Hinzu kommt, dass organisationale oder rechtliche Vorgaben gewisse Rahmenbedingungen für die Arbeit schaffen, die teils mit sozialarbeiterischen Vorstellung dessen konfligieren, was gelingendes Case Management sein sollte. Das führt mitunter dazu, dass CM von manchen Kritiker:innen als Erfüllungsvehikel eines sich zunehmend neoliberal gerierenden Workfare- statt Wellfare-Staats diskreditiert wird. Im Buch finden sich 18 Aufsätze von 25 Autor:innen, die einen selbstreflexiven Blick auf die Praxis des CM werfen. Der Fokus wird dabei indes weniger auf die Probleme und Herausforderungen gelegt, sondern insbesondere auf die Stärken in der Anwendung des Case Managements. Die Autor:innen schildern, was unter gelingendem CM in der Sozialen Arbeit verstanden wird und beleuchten ebenfalls die Grenzen des CM in den jeweiligen Praxen. Der Sammelband zeigt damit die Vielfalt dessen auf, wie sich Case Management in Österreich konstituiert.

Aufbau und Inhalt

Der Sammelband ist 2022 bei Beltz Juventa in der 2021 initiierten Buchreihe der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit erschienen. Es umfasst 418 Seiten und beinhaltet 18 Aufsätze von 25 Autor:innen. Case Management wird in den Aufsätzen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung von verschiedenen Seiten beleuchtet. Das geschieht sowohl mit Blick auf die Anwender:innen- wie auch auf die Nutzer:innen-Ebene. Neben Erklärungen dessen, was Case Management ist bzw. sein soll, wie es gelingen kann und was die Empirie des Gelingens kennzeichnet, werden diverse Anwendungsfelder des CM vorgestellt, darunter CM im Jugendcoaching, im Krankenhaus, in Einrichtung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sowie in der Kinder- und Jugendhilfe.

Manche Autor:innen befassen sich in ihren Texten mit Phasen des Case Managements auf der Fallebene, andere schildern eher die organisationale Implementierung des Handlungsansatzes, wieder andere rekurrieren auf die Bedeutung des Netzwerkens im CM. Ferner wird darauf eingegangen, wie erfolgreich mit Konflikten umgegangen werden kann, wie Case Management sich in freier Praxis (im Gegensatz zum „klassischen“ Angestelltenverhältnis) konstituieren kann, wie ein gelingendes Eingliederungsmanagements mittels Case-Management-Ansatz aussehen kann und inwieweit das persönliche Budget in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen im CM eine Rolle spielen kann. Da ein Eingehen auf sämtlich Aufsätze den Rahmen einer Rezension sprengen würde, beschränkt sich der Rezensent darauf, hier lediglich auf zwei der Aufsätze einzugehen, nämlich auf die Einleitung sowie auf den letzten Aufsatz im Buch. Den Fokus auf diese beiden Texte zu legen, erscheint dem Rezensenten insofern sinnvoll, als in der Einleitung das Anliegen des Buches dargestellt und im letzten Aufsatz eine Analyse der im Sammelband vorgestellten Anwendungsbeispiele vorgenommen wird.

Auf Basis der so vermittelten Informationen sollten Leser:innen dieser Rezension in hinreichendem Maße in die Lage versetzt werden, eine informierte Entscheidung hinsichtlich des etwaigen Erwerbs oder Ausleihens des Werkes treffen zu können. In der von Christian Tordy und Karin Goger verfassten Einleitung legen die beiden Herausgeber:innen des Sammelbandes dar, dass es sich bei CM um einen Handlungsansatz handele, „der in Fällen von komplexen und chronischen Multiproblemlagen zum Einsatz kommt. Einrichtungsübergreifend und zeitlich andauernd sollen aufgrundlage der Bedürfnisse, Stärken, Ressourcen, Interessen und Ziele von Klient:innen passgenaue und angemessene Unterstützungen organisiert und koordiniert werden. Dabei soll die Lebenssituation der betroffenen Person im Mittelpunkt stehen, und Grenzen von Einrichtungen und Sektoren sollen überwunden werden“ (S. 15).

Essenziell für gelingendes CM ist es den Autor:innen zufolge, Brücken zwischen Klient:innen und Helfenden zu schlagen (individuelle Ebene), aber auch Brücken zwischen den jeweiligen Sektoren des Sozial- und Gesundheitssystems (organisationale Ebene) zu bauen. Beratungs- und Netzwerkkompetenz seien daher von zentraler Bedeutung. Damit CM gelingen kann, seien, so Tordy und Goger, gewisse Rahmenbedingungen zu etablieren, weshalb CM, das bereits in den 1960er-Jahren in den USA entwickelt wurde, nicht nur als professionelle soziale Hilfestellung, sondern „auch als Organisationskonzept verstanden wird“ (ebd.). In Österreich sei der CM-Ansatz bzw. der Fachdiskurs dazu vergleichsweise jung. Ähnlich wie in Deutschland habe besagter Diskurs vor allem in den 1990ern an Fahrt gewonnen, „doch erst die Implementierung von Case Management in Sozialversicherungsanstalten und Krankenhäuser in den 2000er-Jahren trug maßgeblich zu seinem Bekanntheitsgrad in Fachkreisen bei“ (ebd.).

Die Etablierung des Ansatzes sei durchaus herausfordernd gewesen, schildern Tordy und Goger, zumal Vertreter:innen der Sozialen Arbeit dem Handlungsansatz angesichts der Implementierungen von oben (top down) sowie aufgrund einer beobachtbaren Deprofessionalisierung ihres Tätigkeitsfeldes kritisch gegenüber gestanden hätten. Nichtsderstotrotz habe sich CM auch an Hochschulen in der Ausbildung angehender Sozialarbeiter:innen etabliert. Im Frühjahr 2017 sei schließlich auf Initiative von Peter Pantuček-Eisenbacher und Karin Goger die Arbeitsgemeinschaft Case Management der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit (ogsa) gegründet worden. Zentrales Motiv dieser Initiative sei das Ansinnen gewesen, den „fachlichen Austausch in der Sozialen Arbeit über den Handlungsansatz Case Management innerhalb Österreichs voranzutreiben“ (S. 16). Ein weiteres Motiv sei es gewesen, die seitens der Autor:innen konstatierte Leerstelle des Fachdiskurses in Österreich zu füllen und die Rahmenbedingungen des Einsatzes von CM zu beleuchten (ebd.).

Das Ansinnen der AG Case Management sei es gewesen, so schildern Tordy und Goger, zunächst den Diskurs um ein Social Work Case Management aufzugreifen und Anwendung, Forschung und Lehre des CM zu verzahnen. Später seien Standards für das CM in der Sozialen Arbeit entwickelt worden. Seit 2020 organisiere sich die AG CM in themenfokussierten Kreisen. Der hier rezensierte Sammelband ist das Ergebnis des Arbeitskreises „Buchprojekt“, der von Herbst 2019 bis Sommer 2022 existierte. Eine Intention der Autor:innen war es, „den bestehenden deutschsprachigen Fachdiskurs um Perspektiven aus Österreich [zu] erweitern“ (S. 17). Ein übergreifender roter Faden finde sich im Werk insofern, als in den Aufsätzen die Aspekte des Gelingens im sozialarbeiterischen Case Management sowie Spannungsfelder des Case Managements reflektiert werden. „Da wir in unseren Standards die Stärken- und Ressourcenorientierung des Case Managements betonen und weil es an Kritik am Handlungsansatz und seiner oftmals eingeschränkten Implementierung nicht mangelt, wollten wir den Fokus auf gelingende Praxen legen“, schreiben Tordy und Goger (ebd.).

Um Leser:innen einen möglichst weitgefächerten Einblick in die verschiedenen Tätigkeitsfelder und Ausgestaltungsformen des Case Managements geben zu können, sei darauf geachtet worden, „Vertreter:innen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit einzuladen“, sich am Buch zu beteiligen und dadurch feldübergreifende Faktoren des Gelingens zu identifizieren. Das sei durchaus herausfordern gewesen, zumal die Ausprägungen von Case Management in der Praxis der Sozialen Arbeit deutlich variierten, geben die Autor:innen zu bedenken. Ferner stoße die Implementierung des CM-Ansatzes sowohl auf der Fallebene wie auch auf der Systemebene „auf Restriktionen durch strukturelle Rahmen- und Finanzierungsbedingungen in den Organisationen und Handlungsfeldern“ (S. 18).

Der Fokus im Sammelband läge nicht auf diesen Differenzen (die nichts desto trotz klar aufgezeigt werden), sondern explizit auf den „Stärken in der Anwendung des Social Work Case Managements“. Skizziert würden aber auch die Grenzen des Case Managements in den jeweiligen Anwendungsbeispielen. Die Autor:innen richteten den Fokus „zwar auf ausgewählte Teilaspekte der jeweils beschriebenen Case-Management-Anwendung, legen gleichzeitig aber die Komplexität und Vielschichtigkeit der Dimensionen des Case Managements eindrücklich dar“ (S. 20). Die erkenntnisleitenden Fragestellungen, die sich durch alle Aufsätze ziehen, lauten: „Was wird unter Gelingen im Case Management in der Sozialen Arbeit verstanden?“ und „Wie gelingt das, was als gelingend erachtet wird?“

Was konkrete Faktoren des Gelingens sind, reflektiert Christian Tordy in seinem mit „Faktoren des Gelingens – eine Analyse der vorgestellten Anwendungsbeispiele“ betitelten Text, der am Ende des Buches steht. Er betont darin zunächst, dass die im Sammelband beschriebenen Organisationen, in denen CM stattfände, nicht das ganze Spektrum des Case Managements in Österreich abdeckten, sondern lediglich eine Auswahl darstellten, die zwar nicht repräsentativ sei, in Kombination mit den thematischen Schwerpunktsetzungen der Autor:innen aber doch „einen guten Überblick über den Stand der Implementierung von Case Management in Österreich“ böten (S. 380). Tordy fasst die Essenz der vorangestellten Aufsätze zusammen und verdichtet diese. Er macht deutlich, dass die Autor:innen des Sammelbandes die Überzeugung teilten, dass Case Management nicht gleich Case Management sei. Die Autor:innen der jeweiligen Aufsätze hätten sich mit unterschiedlichen Dimensionen des Gelingens von und in Case Management auseinandergesetzt.

Deutlich werde, dass Standardisierung und Formalisierung zwei wichtige Faktoren im CM seien. Die Formalisierungserfordernis beträfe neben der Ablauf- und Aufbauorganisation „auch die Absicherung des Angebots durch die Gestaltung und Veränderung der äußeren Rahmenbedingungen, wie etwa die Finanzierung oder die gesetzlichen Grundlagen“ (S. 382). Einen weiteren wichtigen Aspekt gelingenden Case Managements sieht der Herausgeber in der Schaffung von Gestaltungsspielräumen. In den Beiträgen würden solche Strukturen und Standards als hilfreich beschrieben, die es den Organisationseinheiten erlaubten, flexibel auf die sich verändernden Bedarfe der jeweiligen Zielgruppe zu reagieren, schreibt der Autor. Nötig seien Standards, die aber auch eine bedarfsspezifische Anpassung der Aufwände erlaubten und Mitarbeiter:innen ermutigten, ihre Erfahrungen einzubringen und so zur Optimierung des CM beizutragen.

Als weiteren Erfolgsfaktor benennt Tordy auf Basis seiner Auswertung der Aufsätze die Teamarbeit. Auffallend dabei sei, dass das Gelingen der Teamarbeit eng mit der Vorbildwirkung der Teamleitung in Verbindung gebracht werde. Diese sei „für den ‚Teamspirit‘ zuständig, für die persönliche Wertschätzung und Anerkennung genauso wie für die Orientierung an den fachlichen Vorgaben oder die Ermutigung zur Suche nach den besten Lösungen.“, gibt der Herausgeber zu bedenken. Eine multiprofessionelle Zusammensetzung von Teams, eine wertschätzende Begegnung auf gleicher Augenhöhe zwischen den Professionen, Verbindlichkeiten und eine lern- und fehlerfreundliche, zur konstruktiven (selbst-)Kritik ermutigende Kultur seien von Bedeutung für gelingendes CM. Das gelte ebenfalls für organisationales Lernen, welches ein positives Betriebsklima voraussetze. Ein ebenfalls nötiger Faktor, der zum Gelingen des CM beitrage, sei Netzwerkarbeit. „Die Netzwerkarbeit adressiert in ihrer umfassenden Ausprägung das Gemeinwesen als Ganzes.

Hier finden sich die lebensweltlichen Ressourcen, hier sind auch die Entscheidungsträger:innen aus Verwaltung und Politik anzutreffen, und hier entscheidet sich, ob der in den meisten Konzepten formulierte Anspruch umgesetzt werden kann“, schreibt Tordy (S. 383). Die Spielarten der Netzwerkarbeit seien vielfältig. Neben miteinander kooperierenden Organisationsverbünden und Arbeitsgemeinschaften existierten Kooperationen in Form von Netzwerktreffen, Fallkonferenzen, Klausuren und Vorträgen. Hinsichtlich der Frage, wie Fallarbeit gelinge, analysiert der Autor, dass dazu „Lebenswelt- und Stärkenorientierung, Mediation und Advocacy, Transparenz und Fairness sowie Effizienz und Effektivität“ essenziell seien (S. 384). Im Rahmen dessen genannte werden „das Ringen um Bedeutungskonstruktionen und Sinngebungen, die Auseinandersetzungen um Vorstellungen eines gelingenderen Alltags bzw. Lebens“ sowie „eine Orientierung an den Stärken, eine aushandlungsorientierte Vorgehensweise, ein multidimensionales Assessment, kooperative Hilfeplanung, bei Bedarf eine Wissensweitergabe“, die zu leisten seien (ebd.).

Auch seien auch Coaching, Anleitungen und Trainingseinheiten wichtige Gelingensbausteine. Gelingen setze zudem ein changieren von Gestaltungsspielräumen und Standardisierung voraus. Jene Beiträge, die ihren Fokus auf die Implementierung des Case-Management-Angebots legen, berichten explizit oder implizit davon, dass „standardisierte Richtlinien in Kombination mit Freiräumen für deren Interpretation und Ausgestaltung der Fallarbeit zuträglich sind“, schreibt der Autor (S. 395). Ebenfalls sei die Zusammenarbeit im Team „in mehreren Beiträgen als wesentlicher Faktor für die Umsetzung eines fachlich qualitätsvollen Case Managements wie auch für die passgenaue Unterstützung der Klient:innen hervorgehoben[worden]“ (S. 396). Des Weiteren werde in den Beiträgen im Sammelband herausgearbeitet, wie und warum Leitungs- und Führungskräfte mit ihrem Engagement zur kontinuierlichen Verbesserung des jeweiligen Case Managements beitragen.

 „Eine Kultur des Lernens wie auch die Agilität der Organisation werden durch Leitungs- und Führungskräfte entfaltet, deren ‚postheroischer‘ Leitungsstil“ sich durch „Zutrauen und Vertrauen in die Stärken und Expertisen von Mitarbeiter:innen“, die „Kommunikation im Dienste der Sache“, Moderation von Aushandlungsprozessen sowie der „leidenschaftlichen Orientierung an den Werten und Standards der Sozialen Arbeit“ auszeichne (S. 399). Gutes Gelingen gehe allerdings nur, wenn die Anwendung des CM von den Akteuer:innen politisch gewollt sei, wenn also von Verwaltung, Politik oder Organisationsführung eine Unterstützung stattfände. Seine Analyse zeige, so Tordy, dass die Bedeutung der Auseinandersetzung mit Gelingendem und Nicht-Gelingendem in bestehenden Angeboten zentral sei. „Von dieser Analyse ausgehend lassen sich zwei Stoßrichtungen erkennen, einmal in Richtung ‚politischer Wille‘ und einmal in Richtung frühzeitiger Einbindung der relevanten Stakeholder:innen in den beabsichtigten Veränderungsprozess“, schreibt er (S. 386).

Neben dem politischen Willen sei die Einbindung von Stakeholder:innen von Bedeutung (S. 389). Herausfordern sei in diesem Kontext, dass „die Organisationen mit den widersprüchlichen Anforderungen ihrer Stakeholder:innen umgehen“ können müssten (S. 393). Verträge und Konzepte, müssten „mit arbeitsrechtlichen Bestimmungen abgeglichen werden, und alles zusammen soll (irgendwie) in Personalauswahl und -führung so seinen Niederschlag finden, dass am Ende alle, auch die ‚Kund:innen‘, mit dem Ergebnis zufrieden sind“, erklärt Tordy (ebd.). Ebenfalls analysiert er, dass mehrere der Aufsätze gezeigt hätten, dass „Verbindlichkeiten und ein Bereitstellen von ausreichenden Zeitressourcen gute Ergebnisse in der Teamarbeit, die für Effizienz und Effektivität des Angebots unabdingbar scheint“ (S. 410). Tordy schlussfolgert, dass Gelingen in unterschiedlichsten Arbeitskontexten des CM gegeben sei, wenn Organisationen sicherstellten, „dass die Vorgaben von Politik und Verwaltung in nachhaltige Strukturen überführt werden. Dazu zählen die Verankerung in der Aufbau- und Ablauforganisation und die Beschreibung von Prozessen, die ein fachlich hochwertiges Arbeiten und ein agiles Reagieren auf Veränderungen ermöglichen“ (S. 412).

Diskussion

Was lässt sich zu dem Werk nun festhalten? Für wen ist der Sammelband geschrieben? Wie ist dessen inhaltliche Qualität? Wer profitiert von der Lektüre und welche Kritikpunkte gibt es? Die Antworten auf diese Fragen sind freilich immer subjektiv. Aus Sicht des Rezensenten, der selbst Case Manager und Ausbilder für Case Management (DGCC) ist, lässt sich dazu folgendes sagen: Das Werk ist fachbuchtypisch gestaltet und klar gegliedert. Alle Aufsätze sind in typisch sozialwissenschaftlichem Jargon geschrieben. Die Texte sind insgesamt gut zu verstehen, wenngleich ein paar didaktische Änderungen wie das Zusammenfassen von Kapitelinhalten am Anfang oder Ende sowie das Hervorheben zentraler Erkenntnisse durch Fettdruck oder Einschübe dem Buch gut getan hätten. Insbesondere bezüglich theoretischer Grundlagen und gesellschaftlicher Bezüge des Case Managements ist die Wortwahl der Autoren in weiten Teilen auf hohem sprachlichen Niveau, sodass sich das Werk am ehesten an Menschen mit akademischem Hintergrund richtet.

Als mögliche Zielgruppe kommen Studierende und Dozent:innen der Sozialen Arbeit ebenso wie Case Manager:innen, Führungskräfte und auch Politiker:innen in Frage. Die einzelnen Aufsätze sind separat voneinander zu lesen und einzeln für sich verständlich. Sie bieten in ihrer Gesamtschau einen guten, wenngleich nicht vollständigen, Überblick, wie und wo sich CM in Österreich konstituiert. Wer noch keine Erfahrung mit CM hat, für den macht es Sinn, zunächst die Aufsätze „Zum Begriff des Social Work Case Managements“ von Karin Goger und „Gelingendes Leben als Leitperspektive für Soziale Arbeit“ von Reinhard Böhm zu lesen, um damit vertraut zu werden, was CM überhaupt ist und was mit „Gelingen“ assoziiert wird. Inhaltlich ist das Werk aus Sicht des Rezensenten gut gelungen, zumal Case Management in den unterschiedlichen Aufsätzen im Sammelband aus so verschiedenen Perspektiven mit divergenten Schwerpunkten und Handlungsfeldern betrachtet und analysiert wird.

Dadurch liest sich das Werk trotz seines recht großen Umfangs nur selten redundant. Leser:innen bietet der Sammelband einen guten Überblick darüber, was Case Management alles sein kann, wie es aussehen kann, welche Probleme darin bestehen und wie diese konstruktiv angegangen werden können (wenngleich dieser Aspekt eher spärlich fokussiert wird). Auch die Frage, welche Qualifikationen für professionelles CM benötigt werden und welche organisationalen Rahmenbedingungen Einfluss auf das Gelingen des CM nehmen, werden in den Texten beantwortet. Damit CM gelingt, ist Teamwork gefragt. Es ist ein Handeln der zuständigen Personen auf Einzelfall-, Organisations- und Netzwerkebene nötig. Was dieses Handeln auszeichnet und in welche Prozessschritte es sich unterteilen lässt, wird in mehreren Aufsätzen deutlich gemacht. Positiv hervorhebenswert ist auch, dass sich diverse Fallbeispiele in den Texten finden. Die Autor:innen bleiben nicht auf abstrakter allgemeiner Ebene, sondern schildern unter Bezugnahme auf konkrete Einrichtungen und Fälle, wie sich Case Management konstituiert.

Insgesamt eignet sich der Sammelband für die Nutzung in der hochschulischen Lehre ebenso wie für die (semi-)private Lektüre von Sozialarbeiter:innen, die mit dem CM-Ansatz bisher wenig vertraut sind und vielleicht selbst darüber nachdenken, CM zukünftig anzuwenden. Ein kleiner Kritikpunkt des Rezensenten ist lediglich, dass Case Management im Sammelband durchgehend als etwas Gutes und Sinnvolles dargestellt wird. Der Rezensent erachtet Case Management ebenfalls als sinnvoll, hätte es aber als Bereicherung des Diskurses empfunden, wenn das Verfahren wenigstens in einem der Aufsatz auch kritisch(er) beleuchtet worden wäre. Es gibt schließlich durchaus einiges an – teils berechtigter – Kritik am Case Management. Da sich kritische Auseinandersetzung damit aber in diversen Publikationen finden (insbesondere Mechthild Seithes „Schwarzbuch Soziale Arbeit“ aus 2010 ist zu nennen), schmälert dessen Fehlen den positiven Gesamteindruck nicht, den das Werk beim Rezensenten hinterlassen hat.

Fazit

Goger, Tordy, Meusburger und Böhm legen mit „Gelingendes Case Management in der Sozialen Arbeit“ einen informativen, Sammelband vor. Leser:innen bietet das Werk einen soliden Überblick dazu, wie vielfältig und facettenreich sich gelingendes Case Management in Österreich gestaltet. Wer wissen möchte, wann, wie und warum Case Management im Sozialwesen gelingt, dem kann die Lektüre empfohlen werden.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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Zitiervorschlag
Christian Philipp Nixdorf. Rezension vom 29.06.2023 zu: Karin Goger, Christian Tordy, Manuela Luisa Meusburger, Reinhard Böhm (Hrsg.): Gelingendes Case Management in der Sozialen Arbeit. In komplexen Fällen navigieren: Praxiserfahrungen und Forschungsberichte. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2022. ISBN 978-3-7799-6598-5. Buchreihe der ogsa – Österreichische Gesellschaft für Soziale Arbeit. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30201.php, Datum des Zugriffs 12.11.2024.


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