Hannes Brandau, Manfred Pretis et al. (Hrsg.): ADHS bei Klein- und Vorschulkindern
Rezensiert von Dr. Armin Born, 29.08.2023

Hannes Brandau, Manfred Pretis, Wolfgang Kaschnitz, Martin Thurmair (Hrsg.): ADHS bei Klein- und Vorschulkindern.
Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2023.
5., aktualisierte Auflage.
196 Seiten.
ISBN 978-3-497-03188-7.
D: 26,90 EUR,
A: 27,70 EUR.
Reihe: Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär - 9.
Autoren
Dr. phil. Hannes Brandau Univ.-Doz.habil. und Hochschulprofessor für Psychologie emeritus; ehemals Professor für Förderpädagogik an der privaten Pädagogischen Hochschulen in Graz und Univ.-Doz. für klinische Sozialpädagogik an der KFU Graz. Heilpädagoge und Psychotherapeut an der Psychosomatik der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz.
Dr. phil. Manfred Pretis, Klinischer Psychologe, Heilpädagoge, Professor für Transdisziplinäre Frühförderung an der Medical School Hamburg (MSH)
Dr. med. Wolfgang Kaschnitz, Facharzt für Kinder- u. Jugendpsychiatrie u. Psychotherapeutische Medizin, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Leiter der Ambulanz für lebhafte und hyperaktive Kinder an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Graz
Entstehungshintergrund
Das Buch „ADHS bei Klein- und Vorschulkinder“ richtet sich besonders an (pädagogische) Fachkräfte, aber auch an Eltern von Kindern bis zum Alter von 6 Jahren mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/​Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Es will die Fachkräfte unterstützen und anleiten, wie sie mit diesen Kindern und auch deren Eltern besser umgehen können.
Aufbau und Inhalt
Das Buch setzt sich aus insgesamt 10 Kapiteln zusammen.
Im ersten Kapitel wird erläutert, was unter einem ADHS zu verstehen ist. Dabei werden auch die diagnostischen Kriterien, die in den internationalen Klassifikationssystemen ICD 10, ICD 11, DSM IV und DSM V vorgegeben werden, dargestellt und diskutiert.
Das Kapitel 2 gibt einen Überblick über Ursachen und Einflussfaktoren, die für die Entwicklung eines ADHS beim Kind verantwortlich sein können.
Im Kapitel 3 wird diese Fragestellung noch einmal allgemeiner im Hinblick auf „Erklärungskonzepte“ aufgegriffen und überwiegend in Form von Hypothesen erläutert.
Der Kapitel 4 zeigt Möglichkeiten der Früherkennung bei ADHS, aber auch die dabei auftretendenden Probleme auf. Zusätzlich wird ein entwicklungspsychologisches Grundwissen über den Verlauf der Entwicklung der Aufmerksamkeit und der exekutiven Funktionen beim Kind bis zum Alter von 6 Jahren vermittelt.
Im Kapitel 5 „ADHS und mögliche zusätzliche Begleiterscheinungen“ wird ausgeführt, dass ADHS sehr häufig nicht isoliert, sondern in Kombination mit weiteren Störungen, aber auch mit Stärken auftritt. Die Hälfte des Kapitels beschäftigt sich mit der Frage, was von Seiten der Fachkräfte bei den zusätzlich auftretenden Problemen getan werden kann.
In allgemeiner Form werden im Kapitel 6 die Prinzipien einer „systematisch-lebensweltorientierten Förderung“ bei Kindern mit ADHS bis zum Eintritt in die Schule entwickelt.
Im umfangsreichsten Kapitel 7 werden unterschiedliche Ansätze, wie eine Frühförderung von Kindern mit ADHS aussehen kann und was dabei jeweils zu beachten ist, dargestellt. Zum einen werden wirksame „generelle Strategien“ angeführt. Zum anderen werden einzelne „Interventionsstrategien“ vorgestellt. Die Bandbreite reicht dabei von der Spieltherapie des Kindes und bewegungstherapeutischen und motopädagogischen Maßnahmen über ein lösungsorientiertes Coaching der Eltern bis hin zur medikamentösen Therapie und alternativen Behandlungskonzepten.
Im Kapitel 8 werden zum einen wichtige Aspekte des Verhaltensmanagements bei einem Kind mit ADHS erläutert. Zum anderen werden konkrete Spielangebote vorgestellt, mit deren Hilfe die Selbststeuerungskompetenz dieses Kindes verbessert werden soll.
Das Kapitel 9 zeigt, wie aufbauend auf einer klinischen Differentialdiagnostik ein ganzheitliches Behandlungskonzept entwickelt werden kann und belegt dies durch konkrete Fallbeispiele.
Im Kapitel 10 werden abschließend die Notwendigkeit sowohl eines multiperspektivisch-sozialpädagogischen Ansatzes als auch einer transdiziplinären Teamarbeit begründet und erläutert.
Diskussion
Grundsätzlich ist zu würdigen, dass keine einseitige, sondern immer eine ausbalancierende, positive und ermutigende Vorgehensweise im Umgang mit den Problemen des Kindes mit ADHS vermittelt wird. Zudem sind viele typische Fallbeispiele und hilfreiche alltags- und praxisnahe Hinweise und Vorschläge für die Erziehung und Förderung der Kinder und für den Umgang mit deren Eltern zu finden.
Die Inhalte des Buches spiegeln andererseits auch wieder, zu welchem Zeitpunkt die Erstausgabe entstanden ist. So sind zwei Drittel der angeführten und verarbeiteten Literatur bis zum Jahr 2000 erschienen. Die Konsequenzen werden zum Beispiel besonders deutlich im Kapitel 3 „Erklärungskonzepte“. Hier nimmt die Darstellung der „Nomadenhypothese“ die Hälfte der Seiten (8) ein, während ein vielleicht interessanteres „Systematisch-biopsychosoziales Modell von ADHS“ nur über 3 Seiten entwickelt wird.
Die Aneinanderreihung von unterschiedlichen Ansätzen und Aspekten und der Wechsel der Ebenen der Abstraktheit und Konkretheit bei den Unterpunkten macht es manchmal nicht einfach den „roten Faden“, der im Thema der Überschrift vorgegeben ist, zu folgen.
Fazit
Die Zusammenschau und Sammlung von vielfältigen hilfreichen Informationen und Aspekten, von theoretischen Ansätzen und Konzepten für die Zugangsweise in der pädagogischen Arbeit mit Kindern mit ADHS und deren Eltern macht dieses Buch für pädagogische Fachkräfte und hier besonders für Studierende interessant.
Rezension von
Dr. Armin Born
Psychologischer Psychotherapeut; Diplom-Psychologe/ Diplom-Pädagoge
Mailformular
Es gibt 3 Rezensionen von Armin Born.