Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet - Das Netz für die Sozialwirtschaft

Teresa A.K. Kaya (Hrsg.): Von Frau zu Frau

Rezensiert von Julius Daven, 21.02.2023

Cover Teresa A.K. Kaya (Hrsg.): Von Frau zu Frau ISBN 978-3-7799-6731-6

Teresa A.K. Kaya (Hrsg.): Von Frau zu Frau. Praxishandbuch Biografiearbeit aus weiblicher Perspektive. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. 183 Seiten. ISBN 978-3-7799-6731-6. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema

Das Praxishandbuch thematisiert die Biografiearbeit von Frauen mit Frauen als spezifische Perspektive auf die Geschlechterbiografie und gleichzeitig als professionell angeleitete Reflexion der Lebensgeschichte innerhalb der eigenen sozialen Geschlechtergruppe mit dem Ziel, auf das Lebensumfeld von Frauen als eine von Ungleichheitsbehandlung betroffene Gesellschaftsgruppe zu sensibilisieren bzw. biografische Methoden vorzustellen, um den spezifischen Lebensthemen Raum zur Entfaltung und Reflexion zu geben. Dazu werden theoretische Überlegungen zur Biografiearbeit von Frauen als AnbieterInnen mit Frauen als AdressatInnen vorgestellt und mit Einblicken in die Praxis (durchgeführte Projekte wie z.B. Erzählcafés, Ausbildungssettings oder Frauengruppen) abgerundet.

Autorinnen

Die Herausgeberin Teresa A. K. Kaya (geb. 1984) ist Diakoniewissenschaftlerin, Autorin und Schriftstellerin. An der CVJM-Hochschule/YMCA University of Applied Sciences (private, staatlich anerkannte Hochschule in Kassel in der Trägerschaft des Christlichen Vereins junger Menschen) hat sie die Professur Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt diakonisches Handeln seit dem Wintersemester 2022/2023 inne. Weitere 10 Beitrags-Autorinnen sind in unterschiedlichen Arbeitsfeldern der sozialen Arbeit tätig (Details sh. Kapitel „Unsere Autorinnen“).

Entstehungshintergrund

Die Herausgeberin war schon als Mädchen interessiert an weiblichen Lebenswegen und verstand im privaten Umfeld schon früh, dass die Lebensgestaltung von Frauen entlang herrschender (gesellschaftlicher) Konventionen und Rollenbilder grundlegende Fragen aufwirft: „Wer bin ich als Frau? Welche gesellschaftlichen, ökonomischen oder sozialen Erwartungen werden an die Frau gestellt? Wie gehe ich damit um, welche Wünsche habe ich und wie kann ich diese äußern?“. Das Ringen um Antworten führte die Herausgeberin schon während des Studiums intensiver zu (internationalen) Theorien von Gender und Geschlecht. Vor dem Hintergrund fehlender Fachliteratur zur Biografiearbeit mit Frauen als Adressatinnen entstand sodann das vorliegende Praxishandbuch aus weiblicher Perspektive. Für die Herausgeberin ist das Praxishandbuch dann erfolgreich, wenn sich für die LeserInnen der Blickwinkel für Biografiearbeit aus weiblicher Perspektive weitet und gleichsam Gedanken anstößt. Zudem soll professionell angeleitete Biografiearbeit von Expertinnen für weibliche Adressatinnen gebündelt und sichtbar gemacht werden.

Aufbau und Inhalt

Das 183-seitige Praxishandbuch besteht aus zwei Teilen. Nach einem Vorwort und nach Informationen zum Aufbau des Buches beginnt ein relativ kurzer Teil 1 mit zunächst theoretischen Überlegungen zur Biografiearbeit von Frauen als AnbieterInnen mit Frauen als AdressatInnen. Teil 2 gibt anschließend als Buchschwerpunkt Einblicke in die Praxis bereits durchgeführter Projekte: Vom Erzählcafé über Ausbildungssettings bis hin zu Frauengruppen. Ein Resümee, Literaturhinweise und Informationen über die AutorInnen schließt das Werk schließlich ab.

Teil 1: Theoretische Überlegungen

Das erste Kapitel „Einführung“ beschreibt das in den 1970er Jahren beginnende wissenschaftliche feministische Forschungsinteresse in Bezug auf Diskriminierung und Ungleichheitsbehandlungen von Frauen und deren weitere wissenschaftliche Betrachtung und Entwicklung bis in das aktuelle Zeitgeschehen. Es gibt Auskunft über die ersten Zweifel an der dichotomen (zweigeteilten) Betrachtung von Mann und Frau und der Idee, zwischen sozialem (Gender) und biologischem Geschlecht (Sex) zu unterscheiden. Ebenso wird die essentielle Rolle der verbalen und non-verbalen Kommunikation von Frauen und Männern in den Prozessen der Hervorbringung von Geschlecht diskutiert. Die Herausgeberin beschreibt die Herausforderungen von Frauen (geschlechtsspezifische Trennungen auf unterschiedlichen Ebenen) im Kontext immer stärker werdender flexibilisierender Identitäten und gleichzeitig die Möglichkeiten individuell gestaltbarer Lebenswege. Sie lässt dabei nicht außer Acht, dass Frauen nach wie vor zu den marginalisierten Gruppen in einem vornehmlich patriarchalen Machtgefüge gehören und konstatiert abschließend, dass in Sachen Gleichberechtigung noch zu optimierender Handlungsraum existiert.

Das zweite Kapitel „Biografiearbeit aus weiblicher Perspektive“ besteht aus vier Unterkapiteln und beschreibt die Darlegung weiblicher Perspektiven auf Biografiearbeit. Wie im ersten Kapitel „Aufbau des Buches“ bereits dargestellt wird, beschäftigt sich das erste Unterkapitel mit den Möglichkeiten und Rahmenbedingungen von Biografiearbeit. Dazu gehört z.B. ein ressourcenorientierter (wertschätzender und wohlwollender) Blick auf den eigenen Lebensweg mit dazugehörenden grundlegenden Wertehaltungen. Das zweite Unterkapitel thematisiert konkret, was unter Biografiearbeit aus weiblicher Perspektive zu verstehen ist. So z.B. eine bewusste Auseinandersetzung mit Erfahrungen mit der Geschlechterrolle und der geschlechtlichen Identität. Im dritten Unterkapitel werden Begründungen für eine explizite Betrachtung von Biografiearbeit von Frauen mit Frauen diskutiert. Es wird z.B. erklärt, dass in den Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen und Erziehung und Unterricht, in denen Biografiearbeit traditionellerweise im Rahmen von Sozialer Arbeit, Geriatrie und Erwachsenenbildung angeboten wird, überwiegend Frauen tätig sind. Sodann folgt das vierte Unterkapitel mit der Thematisierung von möglichen Begegnungsräumen von Biografiearbeit und der Abgrenzung von formeller vs. informeller Biografiearbeit sowie der Unterteilung in Einzel- oder Gruppensituationen oder der Dynamik von Gruppenzusammensetzungen mit unterschiedlichen Vertrauensgraden.

Teil 2: Praxisprojekte

Die Kapitel in Teil 2 beschäftigen sich mit Praxisprojekten und liefern einen konkreten Einblick in elf unterschiedliche biografische Projekte in chronologischer (entlang des weiblichen Eintrittsalters) aufbauender Struktur. Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen prägnanten Summary, zeigt sodann Praxisbeispiele nebst Methoden auf und endet mit Literaturhinweisen.

Im ersten Kapitel stellt die Herausgeberin zunächst die einzelnen Beiträge vor. (Hinweis: Aufgrund der hervorragenden Zusammenfassung übernimmt der Rezensent viele Inhalte, stellt sie jedoch nachfolgend „verkürzt“ bzw. „ergänzend“ dar.)

Das zweite Kapitel „Einzigartig Ich! – Biografiearbeit mit jugendlichen Mädchen“ thematisiert eine weibliche Zielgruppe, die sich im Übergang vom Kindsein zum Frausein befindet. Die Autorin stellt als zentrales Statement heraus, dass die Biografiearbeit erfolgreich verläuft, sofern die jugendlichen Mädchen mithilfe der ressourcenorientierten Methoden in ihrer Resilienz und letztlich bei der Bewältigung in schwierigen Lebenslagen unterstützt werden.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Einleitung
  • Biografiearbeit und Identität
  • Geschlechterrollen
  • Biografiearbeit und Mädchenarbeit
  • Mögliche Zielgruppen, Formen und Themen der Biografiearbeit mit Mädchen
  • Ideen und Methoden für die Arbeit mit Mädchengruppen

Im dritten Kapitel „Durch dick und dünn: Frauenfreundschaft erleben“ zeigt die Autorin auf, wie essentiell wichtig Freundschaften unter Frauen in einer von Instabilität geprägten Gesellschaft sind. Sie stellt fest, dass Mittelpunkt der vorgestellten Methoden der Biografiearbeit für Frauen im Einzel- und Gruppensetting jeden Alters ist, sich dieser Wichtigkeit bewusst zu werden.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Frauenfreundschaften
  • Warum Freundinnen wichtig sind
  • Was charakterisiert eine Frauenfreundschaft
  • Biografiearbeit rund um Frauenfreundschaften
  • Zusammenfassung

Im vierten Kapitel „Wurzeln spüren, standhaft Frau sein: Tanzend in Balance finden“ taucht die Autorin in die Welt des Tanzes und der Körperlichkeit des Frauseins ein und zeigt die Wichtigkeit von Natur und Intuition auf. Dabei berichtet sie davon, wie Frauen durch angeleitete Bewegungseinheiten ihrer individuellen Verbundenheit mit der Natur auf horizontaler und vertikaler Ebene nachspüren dürfen. Sie beschreibt den „Lebensbaum“ als sinnbildlich für den weiblichen Körper.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Einleitung
  • Der Baum als biografisches Symbol
  • Frausein mit dem „Vierjahreszeiten-Lebensbaum“
  • Reflexion: Im Frausein angekommen

Das fünfte Kapitel „Den eigenen Weg finden: Persönlichkeitsentwicklung in der Ausbildung“ thematisiert Erfahrungen aus dem Ausbildungssetting und gibt über anschauliche Methodenbeispiele einen Einblick in das Modul Biografiearbeit mit vornehmlich weiblichen Teilnehmerinnen. Die Autorin beschreibt das Projekt als beispielhaft für ein verpflichtendes Angebot im Rahmen einer Bildungssituation.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Einleitung
  • Das Ausbildungssetting
  • Das Modul Biografiearbeit im Curriculum
  • Einblick in die Methoden und Übungen
  • Rückmeldungen

Im sechsten Kapitel „In die Wiege gelegt: Muttersein reflektieren“ kommt die Herausgeberin zu Wort und beschreibt eine bedeutende Umbruchphase (Schwangerschaft) im Leben vieler Frauen. Sie beleuchtet Möglichkeiten, die Frauen bei der Reflexion mütterlicher Prägungen mithilfe biografischer Methoden unterstützen und so zu einer bewusst gestalteten Mutterrolle finden können. Sie beschreibt sodann ein offiziell ausgeschriebenes Angebot für Schwangere (als Beispiel des Einsatzes von Biografiearbeit in der Sozialen Arbeit: Familienberatungsstelle), die Hilfe bei Konflikten und Problemen bei persönlichen, partnerschaftlichen oder familiären Problemen suchen. Und zwar im Kontext von Prävention bzw. einem niederschwelligen Einstieg in die Beratungssituation.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Einleitung
  • Familienplanung im Lebenslauf vor dem Hintergrund von Identitätsumbrüchen
  • Biografiearbeit mit Schwangeren zur Mutterrolle
  • Praxisbeispiel: Workshop in einer Familienberatungsstelle
  • Resümee und weitere Themen im Kontext Mutterschaft

Das siebte Kapitel „Erzählcafé Geburt: Geburtserfahrungen teilen“ informiert über Erzählcafés als niederschwellige Bildungsanlässe, welche das Ziel haben, die Gesprächskultur untereinander zu fördern. Es werden Frauen als Mütter angesprochen, die sich in einem geschützten Setting über Geburtserfahrungen austauschen können. Erzählcafés haben das Ziel, Strategien aufzuzeigen, das Erlebte (die Geburtserfahrung) zu verarbeiten und zu einem erfolgreichen Start ins Familienleben beizutragen.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Die Erzählcafé-Aktion (Birthcafé campaign)
  • Was zeichnet ein Erzählcafé zur Geburt aus?
  • Erzählungen gestalten unser Bild von der Welt
  • Welches Bild von Geburt haben wir?
  • Das Erzählcafé geht online
  • Erzählen heilt und schafft Verbindung
  • Resümee

Das achte Kapitel „Dem Leben auf der Spur: Lebensbücher gestalten“ thematisiert das Bewahren, Bedenken und Bewegen persönlicher Lebensgeschichten über „Lebensbücher“ als ein biografisches Konzept mit weitreichender Tradition (Adoptionswesen in Großbritannien). Lebensschätze können anhand des eigenen „roten Fadens“ mit dem Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ergründet werden.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Biografiearbeit
  • Erinnerungsarbeit
  • Das Lebensbuch
  • Möglichkeiten, Ziele und Wirkung der Lebensbuch-Arbeit mit Frauen
  • Selbstwirksamkeit und Potenzialentfaltung
  • Methoden zur Lebensbuch-Arbeit mit Frauen
  • Resümee

Das neunte Kapitel „Frauen machen etwas Sinnvolles – Männer Karriere? Biografiebasiertes Coaching mit Frauen“ erläutert die Möglichkeit gezielter Unterstützung für Frauen an beruflichen Wendepunkten mithilfe biografischer Methoden. Nach einem historischen Blick informiert die Autorin über konkrete Fragen, die bei der Entscheidungsfindung in verschiedenen Gebieten helfen können und rundet das Kapitel mit konkreten Fallbeschreibungen aus der Praxis ab.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Einstimmung
  • Hintergründe (Historische Aspekte, Strukturelle Aspekte und Zuschreibungen)
  • Biografiebasiertes Coaching zur Stärkung der Aufstiegskompetenz
  • Skizzierung eines Coachingfalls aus der Praxis
  • Fazit

Im zehnten Kapitel „Oma trotz Corona: Krisenkompetenz im Alter“ diskutiert die Autorin „Online-Gespräche“ bzw. „Erzählangebote“ zur Bewältigung gegenwärtiger Herausforderungen im biografischen Kontext. Die Methode bietet Frauen die Möglichkeit, sich über aktuelle Lebenserfahrungen auszutauschen, um damit Frauen in der Gemeinschaft zu stärken. Als Beispiel führt sie die Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen, auch in Bezug auf Verletzlichkeit und Endlichkeit, an.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Vom Power Aging zur Risikogruppe, ein persönlicher Zugang
  • „Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir“, das Netzwerk startet: Die Einladung
  • Das Netzwerk
  • Engagiert, aber nicht systemrelevant
  • Existenzielles digital kommunizieren, Frauen und Technik
  • Heißes Herz und große Ohnmacht, Auseinandersetzung mit (der eigenen Rolle in) Institutionen
  • Persönliche Resümees
  • Diese Aktion hat mich „gerettet“, ein persönlicher Doppelpunkt

Das elfte Kapitel „Wie wir wurden, was wir sind: Im Ruhestand Erinnerungsschätze heben“ betrachtet ein (traditionelles) Setting fester Gruppen (z.B. über Jahre in Kirchengemeinschaften) und konzentriert sich auf die Biografiearbeit mit Frauen ab dem 65. Lebensjahr, beginnend mit einem Erinnerungsrucksack. Ziel ist, dass sich Frauen in Gruppen von bislang unbekannten Seiten kennen und verstehen lernen können. Beispielhaft sei genannt: Prägung durch frühe Kindheit und Jugend sowie Ausbildung und Berufstätigkeit.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Einleitung
  • Beschreibung des Praxisprojekts
  • Zielgruppe
  • Der Rucksack
  • Rückmeldungen aus der Gruppe nach der Rucksackrunde
  • Vertiefung des Rückblicks durch eine schriftliche Übung
  • Überleitung ins Erwachsenenalter mit einem Würfelspiel
  • Zweite Biografie-Einheit, eine Woche später
  • Sinnlicher Einstieg mit mitgebrachten, eigenen Erinnerungsstücken
  • Rückblick durch die spontan niedergeschriebene Erinnerungsübung
  • In der Gegenwart ankommen: Kreativität ist gefragt
  • Nacharbeit und Vertiefung zu Hause
  • Zeitlicher Ablaufplan kompakt
  • Reflexion

Das zwölfte Kapitel „Die unverlierbaren Toten: Mit Biografiearbeit durch die Trauer“ setzt sich mit dem Verlust der Partnerinnen oder Kinder auseinander. Es thematisiert den Trauerprozess (4 Phasen) und die Möglichkeit – inkl. Chancen und Grenzen – von Biografiearbeit bei der Begleitung trauernder Frauen. Die Autorin geht mit einem Praxisblick auf kreative Methoden für verwitwete Frauen ein.

Die Unterkapitel gliedern sich in folgende thematische Schwerpunkte:

  • Einleitung
  • Trauernde Frauen
  • Was am Anfang hilft
  • Trauer verläuft in Phasen
  • Chancen und Grenzen von Biografiearbeit in der Trauerbegleitung
  • Praxisbeispiel: Biografische Impulse für Verwitwete

Diskussion

Ich erwarb dieses Buch, weil mich als Mann interessierte, warum es in Zeiten von vermeintlicher Gleichberechtigung von Mann und Frau und von weiteren Geschlechtern ein Praxishandbuch Biografiearbeit aus weiblicher Perspektive braucht. Einen ersten Einblick bekam ich über das Vorwort über die Erläuterung von geschlechtsspezifischen Rollen durch gesellschaftliche Konventionen. So tauchte ich tiefer in das Buch ein und verstand die Motivation, Frauen als AdressatInnen rund um Biografiearbeit mit ihren Lebensthemen und Begegnungsräumen gezielt anzusprechen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es bislang keine entsprechende Fachliteratur gibt bzw. gab (zum Glück aber jetzt!). Das Buch ist wichtig und gut.

Die Darstellungen in diesem Werk lassen keine Zweifel übrig, dass Frauen noch immer zu einer von Ungleichheitsbehandlung betroffene Gesellschaftsgruppe zählen. Als Beispiel seien hier Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt trotz gegensteuernder Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquoten in den Unternehmen genannt.

Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin beschreibt die Erwerbstätigkeit von Frauen als heute größtes wirtschaftliches und soziales Potenzial für die Gesellschaft. Hierzu schreibt er: „Dass Deutschland einen der größten Gender Pay Gaps in Europa aufweist, ist auf vier Faktoren zurückzuführen: eine Diskriminierung von Frauen bei gleicher Arbeit und gleicher Leistung, eine hohe Teilzeitquote, einen geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen und eine deutlich schlechtere Bezahlung vor allem von systemrelevanten Berufen, in denen Frau stark vertreten sind“ (Marcel Fratzscher 2023, LinkedIn 17.02.2023). Er ruft dazu auf, Hürden und Diskriminierung für Frauen abzubauen und schlägt dazu mögliche Maßnahmen vor.

Insofern ist tatsächlich „in Sachen Gleichberechtigung und -stellung Luft nach oben“, wie die Herausgeberin es formuliert. Biografiearbeit kann dazu dienen, Frauen zu empowern, damit sie in ihrer individuellen Lebensbewältigung gestärkt werden können. Der Diskriminierung von Frauen kann so mit einem ressourcenorientierten Blick entgegengewirkt werden. Nämlich dann, wenn Biografiearbeit wertschätzend und wohlwollend auf den eigenen Lebensweg gerichtet ist, mit dem Ziel, persönliche geschlechtsspezifische Potenziale freizusetzen und sichtbar zu machen.

Angeleitete Biografiearbeit von Frauen mit Frauen in geschützten Räumen, kann demnach dazu beitragen, aus einem Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft neue Perspektiven auf Lebensentwürfe zu eröffnen.

Mit dem Buch und den umfassenden Darstellungen hat es die Herausgeberin geschafft, mich in den Bann zu ziehen und meinen Blickwinkel für Biografiearbeit aus weiblicher Perspektive zu weiten und gleichsam Gedanken anzustoßen.

Die Herausgeberin beschreibt den Auftrag und Inhalt der Biografiearbeit so pointiert, dass ich meine Rezension gern mit einem Zitat aus ihrem Werk abschließen möchte: „Es geht um ein Miteinander, um das Verbindende und gleichzeitig Individuelle, Einzigartige. Durch die gemeinschaftlich erlebte Suche nach den Lebensschätzen darf Vertrautheit entstehen – und das Gefühl, im Großen und Ganzen aufgehoben zu sein“ (S. 179).

Fazit

Künftige LeserInnen dieses hervorragenden Praxishandbuches finden bereits über das Vorwort, das Kapitel über den Aufbau des Buches und einleitender Artikel nebst Resümee am Abschluss des Buches einen perfekten und fokussierten Einstieg in die Thematik, sodass es eigentlich keiner gesonderten Rezension bedürfte. Zahlreiche Lebensthemen werden über ausgewählte Praxisprojekte verständlich und gut strukturiert vorgestellt und diskutiert. Ein umfassender Methoden- und Werkzeugkoffer macht die Biografiearbeit von Frauen für Frauen nachvollziehbar erlebbar und rundet die einzelnen Kapitel ab.

Rezension von
Julius Daven
Website
Mailformular

Es gibt 3 Rezensionen von Julius Daven.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Julius Daven. Rezension vom 21.02.2023 zu: Teresa A.K. Kaya (Hrsg.): Von Frau zu Frau. Praxishandbuch Biografiearbeit aus weiblicher Perspektive. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. ISBN 978-3-7799-6731-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30232.php, Datum des Zugriffs 24.03.2023.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht