Axel Koch: Logbuch Gewohnheiten nachhaltig verändern
Rezensiert von Prof. Dr. Anton Hahne, 12.09.2023

Axel Koch: Logbuch Gewohnheiten nachhaltig verändern. Die Technik des Rückfallmanagements. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2022. 106 Seiten. ISBN 978-3-407-36800-3. D: 24,95 EUR, A: 25,60 EUR.
Thema
Nicht nur zum Jahreswechsel, aber dann ganz besonders, taucht bei vielen Menschen der Wunsch auf, für das eigene Selbstbild inadäquate Gewohnheiten zu verändern. Der Vorsatz ist leicht gefasst, auf die Umsetzung kommt es an. Und selbst wenn eine einmalige Umsetzung klappt, entscheidend ist die Nachhaltigkeit der Veränderung. Hier scheitern die meisten Änderungswilligen, was oft zu einer Abwärtsspirale des Selbstwerts führt, frei nach dem Motto „Vergiss es, Du packst es einfach nicht!“
Axel Koch, Wissenschaftler und Praktiker gleichermaßen, wollte sich mit dem Phänomen des Scheiterns nicht abfinden, weder bei sich noch bei seinen Klienten, die er in Coachings und Trainings betreute. Er akzeptierte nicht die scheinbare Binsenweisheit, dass der Erfolg von Trainings nach kurzer Zeit oft im Sande verläuft. Aus der psychologischen Literatur ist die Technik des aktiven Rückfallmanagments in der Suchtarbeit bekannt und Koch begann diese Technik zur Unterstützung persönlicher Neuorientierung anzuwenden. Er gewann den Eindruck, damit die Rate des Scheiterns seiner vermittelten Trainingsziele starkt reduzieren zu können, weshalb er diese Anleitung zum Selbstmanagement in der Logbuch-Reihe des Beltz Verlags veröffentlichte,
Autor
Axel Koch (*1967) arbeitet seit 2012 als Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning bei München. Er hat über 25 Jahre Erfahrung als Personalentwickler, Trainer und Coach. In dieser Funktion entwickelte er einen kritischen Blick auf die Praxis von Personalentwicklung und Change-Prozessen in vielen Unternehmen. Unter dem Pseudonym Richard Gris veröffentlichte er 2008 „Die Weiterbildungslüge: Warum Seminare Kapital vernichten und Karrieren knicken“. Mit einem weiteren, populär formulierten Titel, nämlich "Change mich am Arsch" thematisierte er 2018 das Leiden am zunehmenden Veränderungstempo in deutschen Firmen. Er griff die Kritik an teuren und abgehobenen Unternehmensberatungen auf und die von Ihnen als Wundermittel verkauften Umstrukturierungen, die an den Interessen der Beschäftigten oft vorbeigehen.
Entstehungshintergrund
Beim Thema nachhaltige Personalentwicklung und persönliche Veränderungsprozesse liegt vieles im Argen: Weder ist in der Praxis bei neuen Trends im Personalmanagement die Nachhaltigkeit sichergestellt, noch gibt es unter Personalverantwortlichen eine klare Orientierung an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Mitarbeitenden, wenn Change-Prozesse vorangetrieben werden. Koch gilt als einer der wenigen kritischen Insider dieser Weiterbildungsszene. Die von ihm entwickelte Transferstärke-Methode wurde 2018 in dem Buch „Die Transferstärke-Methode" allgemein vorgestellt und 2022 im vorliegenden Werk als Teil der „Logbuch“-Reihe des Beltz-Verlags weitergeführt. Es widmet sich speziell der Technik des individuellen Rückfallmanagements, richtet sich also nicht an Unternehmen, sondern an Einzelpersonen, die im Berufs- oder Privatleben dauerhafte persönliche Verhaltensänderungen anstreben.
Aufbau
Der Autor benennt einleitend Faktoren, die ausschlaggebend für jeden Veränderungserfolg sein sollen. Er schildert dann die Technik des Rückfallmanagements im Detail und entwickelt daraus mehrere Schritte zur Erstellung eines Rückfallplans, der in einem 8-Wochen-Programm den Veränderungsprozess unterstützen soll. Fehlerquellen und potentielle Rückschläge werden diskutiert, denn kein Veränderungsprozess klappe ohne Anpassungsschwierigkeiten. Gerade auf den Umgang mit diesen Anpassungsschwierigkeiten bereitet das Buch vor, das bei rund 100 Seiten ca. 30 Übungen präsentiert. Mit anderen Worten: Der Text besteht zu einem Drittel aus Übungen, die die Leserin bzw. der Leser unmittelbar durchführen soll.
Inhalt
Als bestimmende Faktoren für Veränderungserfolge identifiziert der Autor:
- Zielklarheit,
- Motivation,
- Transferstärke und
- Unterstützendes Umfeld.
Der genannte Punkt 3 ist nicht selbsterklärend: Der Begriff „Transferstärke“ wird von Koch definiert als persönliche Kompetenz, Lern- und Veränderungsimpulse (u.a. aus Fort- und Weiterbildungen) selbstverantwortlich, erfolgreich und nachhaltig in der Praxis umzusetzen. Es handelt sich um Selbststeuerungsfertigkeiten, die das Zurückkippen in alte Gewohnheiten verhindern. Aber auch der Punkt 4: „Umwelt“ ist mitentscheidend, denn von einer automatischen Unterstützung bei Verhaltensänderungen durch andere Personen kann man nicht ausgehen. Jede Änderung wird im sozialen Umfeld erst einmal als Störung wahrgenommen, sogar dann, wenn sie eigentlich auch für Dritte objektiv gesehen positive Auswirkungen hat. Doch diese Widrigkeiten können überwunden werden, so das Versprechen des Autors an die Leser.
Koch entwickelt die Idee des Rückfallmanagements an der Metapher einer Fahrt auf der Autobahn ohne Navi. Straßenschilder, sogenannte Vorwegweiser, zeigen dort baldige Ausfahrten an. Analog gibt es im menschlichen Verhalten Vorboten für das Abweichen von guten Vorsätzen und von den gewünschten neuen Gewohnheiten, die noch nicht selbstverständlich geworden sind. Das „Autobahnziel“ der neuen Gewohnheiten verlangt die Unterbrechung alter automatisierter Muster. Gegebenenfalls hilft es dabei ein oder mehrere Notfallpläne zu aktivieren – analog zu Notrufsäulen an der Autobahn.
In fünf Schritten lässt sich ein Rückfallplan entwickeln: Zuerst wird das alte Verhaltensmuster beschrieben, danach das neue. Nun geht es darum, die Kette der Vorboten potenzieller Rückfälle zu identifizieren. Als vierten Punkt werden psychische Anker festgelegt, die Gedanken an ein Abweichen vom Vorsatz unterbinden sollen. Zuletzt werden die oben schon angesprochenen Notfallpläne entwickelt, Maßnahmen, die gegebenenfalls zusätzlich unterstützen können.
Typische Fehlerquellen, die erfahrungsgemäß auftreten, werden vom Autor aufgezeigt, sodass die Leserin/der Leser in kleinen Selbst-Checks überprüfen kann, ob dies auf ihre/seine Vorsätze zutrifft. Selbstzweifel sollen damit ebenso minimiert werden wie Kontrollzwänge.
Der Autor schlägt ein Umsetzungsprogramm innerhalb von acht Wochen vor, unterstützt durch eine Visualisierung des Grades der Umsetzung. Am Ende jeder Woche wird im Rahmen eines verbindlich festgelegten Termins Selbstreflexion und Feintuning betrieben. Rückschläge sollen dabei positiv gesehen werden. Im Inneren Dialog werden – so die Hoffnung – negative Selbstzuschreibungen erkannt und in motivierende positive Aussagen geändert.
Diskussion
Wer eingefleischte Gewohnheiten ändern will und dies ohne professionelle Hilfe auf eigene Faust versucht, der sieht sich einer großen Herausforderung gegenüber. Zwar wimmelt es von wohlmeinenden Ratschlägen im Internet und in einschlägigen Illustrierten, doch seriös sind sie nicht. Das sieht bei Axel Koch ganz anders aus. Durch seine jahrelange Forschung, die vor allem in seinem Buch „Die Transferstärke-Methode“ deutlich wird, ist er der ideale Coach auf dem Gebiet. Vor allem pflegt er eine nutzerorientierte Kommunikation: Er duzt die Leser und er bindet sie ein, indem er einen freundlich motivierenden, dialogischen Schreibstil benutzt. Sein Logbuch ist ein Reinschreibebuch, die Übungen sind mit freien Zeilen versehen, damit man nicht nur liest, sondern aktiv mitarbeitet.
Kurzum: Als Leser fühlt man sich ernst genommen und vom Profi ohne große Formalitäten an die Hand genommen. Hier wird nicht lange in den Untiefen fehlender Motivation gebohrt, hier geht es schnell und praktisch darum, persönlich passende Lösungen zu erarbeiten. Insofern kommt der Autor dem Wunsch nach Selbstoptimierung entgegen, der für moderne Menschen sozusagen zur „psychischen Grundausstattung“ gehört. Die Leserschaft ist davon sehr angetan, was bspw. die Kundenbewertung mit 4,9 von 5 Punkten bei Amazon deutlich macht.
Man könnte es dabei bewenden lassen, eine genauere Analyse der Problematiken potenzieller Leser:innen ergibt aber ein anderes Bild. Schon der englische Sozialtheoretiker Anthony Giddens hat darauf hingewiesen, dass wir i.d.R. weder alle Handlungsbedingungen unseres Tuns kennen, noch die unbeabsichtigten Handlungsfolgen überblicken. Mit anderen Worten, nehmen wir uns etwa vor, mehr Ordnung in unser Arbeitsleben zu bringen, so kennen wir nicht die Gründe unserer bisherigen Prokrastination und vor allem kennen wir uns selbst nicht als ordentliche, gut sortierte, eventuell sogar pedantische Person. Noch schlimmer: Auch unser Partner kennt uns so nicht. Dieser vermisst in der Folge vielleicht den Bruder Leichtfuß, den er geheiratet hat. Rückfallmanagement nach Koch, der ja durchaus die Problematik „Umwelt“ thematisiert, müsste eigentlich in der Konsequenz heißen, sich mit der Tragfähigkeit meiner Beziehung auseinanderzusetzen. Doch das ist von ihm explizit nicht beabsichtigt: „Die Technik des Rückfallmanagements […] richtet vor allem den Blick darauf, welche Auslöser einen Menschen in alte Verhaltensmuster treiben und mit welchen Gegenmaßnahmen sich dies verhindern lässt“ (S. 65).
Schopenhauer soll gesagt haben: „Nicht wir bewegen die Dinge, sondern die Dinge bewegen uns!“ (Psychologisch gesehen, sind es nicht die Dinge selbst, sondern unsere Glücks-Vorstellungen, die wir mit ihrem Besitz verbinden – aber das ist hier nicht wesentlich). Ist damit nicht genau das Veränderungsmanagement á la Koch beschrieben? Die Dinge, z.B. eine bessere Ordnung, ein optimiertes Zeitmanagement, Dominanz in Gesprächssituationen, veganes Essen etc., die Dinge bewegen uns. Also ist es nicht so, dass wir selbstgesteuert auf der Autobahn unserem Ziel entgegenfahren – um die oben zitierte Metapher von Koch zu verwenden. Was uns mehr oder weniger magisch durchs Leben zieht, ist das Ziel selbst. Und da es nicht ein Ziel gibt, sondern viele, oft widersprüchliche Ziele, benötigen wir die Technik des sogenannten Rückfallmanagements, um nicht ständig den Kompass zu verlieren.
Wäre es nicht eigentlich besser, sich gar nicht auf die Autobahn zu begeben? Sich mit alten Gewohnheiten anzufreunden, anstatt – aus welchen Gründen auch immer – diese in neue tauschen zu wollen? Wäre es nicht sogar zwingend nötig, den bisherigen Autopilot genau kennenzulernen, bevor überhaupt ein Gedanke an eine alternative, vermeintlich bessere Version verschwendet wird?
Der daoistische Autor Theo Fischer, ebenfalls ein Persönlichkeitstrainer, ist überzeugt davon, dass alles, was einem im täglichen Leben begegnet, „im Beruf, in der Liebe und überall sonst“ sowieso Veränderungen auslöst, allein dadurch, dass man dieser Vorgänge gewahr wird. „Sie brauchen hinfort für ein harmonisches, beglückendes Leben keinen Satz Motive mehr, die Sie [den Leser] vorantreiben wie ein Raketenaggregat“ (ebd. S. 155). Dieses „Nicht-Handeln“ läuft unseren rational fixierten Verbesserungsideen diametral entgegen. Doch unsere Verbesserungsideen in Form von willentlichen Anstrengungen erweisen sich nur allzu oft als weitere Sargnägel unseres Lebensglücks. Oder anders ausgedrückt: Veränderungsmanagement nährt unsere Unzufriedenheit. Man könnte es als die Kunst beschreiben, sich das Leben schwer zu machen, so auch der Untertitel von „Yu wei“ nach Theo Fischer. Yu wei ist das Gegenteil von „Wu wei“, dem daoistischen Prinzip des intelligenten Nicht-Handelns.
Heißt das, wir sollten Wu wei, das stoische Nicht-Handeln eher praktizieren als unser gewohntes Prinzip des dynamischen vernunft- und zukunftsgesteuerten Zupackens? Vielleicht ist das wirklich so, aktuelle Veröffentlichungen zu Präsenz und Achtsamkeit legen diesen Schluss nahe. Ein entsprechendes Logbuch ist gerade ebenfalls in der Reihe des Beltz Verlags erschienen: Strobach und Zika betonen darin die Notwendigkeit von Präsenz und Verbundenheit. Haben wir uns auf das „Hier und Jetzt“ unseres Handelns, auch unserer Gewohnheiten wirklich eingelassen, anstatt sie unbedingt über Bord werfen zu wollen, dann reifen die Dinge nämlich auch ohne unser Zutun. Sind die Dinge erst einmal reif und sind wir auch selbst durch Mit- und Einfühlen gereift, dann lohnt vielleicht wieder der Blick in die Rezepte von Axel Koch. So ganz falsch sind sie nicht.
Fazit
Lesern mit Veränderungswünschen in Bezug auf eigene Gewohnheiten ist dieses Buch uneingeschränkt zu empfehlen, wenn sie kognitiv-rational orientiert handeln wollen. Sie werden mit ihren Vorhaben vielleicht trotzdem scheitern, doch ihr Blick auf die Problematik könnte gerade während eines bewusst erlebten Rückfalls bereichert werden. Veränderungen haben ihr eigenes Tempo und geschehen dann, wenn die persönliche Haltung entsprechend gereift ist – und wenn die Dinge an sich reif geworden sind, wie Äpfel, die vom Baum fallen und vor unsere Füße kullern.
Literatur
Fischer, Theo (2012): Yu wei. Die Kunst, sich das Leben schwer zu machen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Giddens, Anthony (1995): Die Konstitution der Gesellschaft. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
Koch, Axel (2018): Die Transferstärke-Methode. Mehr Lerntransfer in Trainings und Coachings. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
Strobach, Susanne/Zika, Ulrike (2023): Logbuch Achtsamkeit und Mitgefühl: Das 12-Wochen-Training für Präsenz, Klarheit und Verbundenheit. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
Rezension von
Prof. Dr. Anton Hahne
Professor für Verhaltenswissenschaften
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Zitiervorschlag
Anton Hahne. Rezension vom 12.09.2023 zu:
Axel Koch: Logbuch Gewohnheiten nachhaltig verändern. Die Technik des Rückfallmanagements. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2022.
ISBN 978-3-407-36800-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30240.php, Datum des Zugriffs 30.09.2023.
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